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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Bremen
Urteil verkündet am 12.07.2007
Aktenzeichen: 3 Sa 308/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 613a Abs. 4
1 a) Trägt der Arbeitnehmer in einem Kündigungsschutzprozess Indiztatsachen vor, die dafür sprechen, dass eine Kündigung des Betriebsübernehmers wegen eines Betriebsübergangs erfolgt ist, so ist der Arbeitgeber/Betriebsübernehmer verpflichtet, Tatsachen darzulegen, die die Vermutungsverwirkung der vom Kläger vorgetragenen Tatsachen widerlegen.

Als solche Indiztatsachen sind anzusehen, ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Betriebsübergang und Kündigung, der weitere bestehende enge räumliche Bezug sowie das weiterhin bestehende Ineinandergreifen von Arbeitsvorgängen beim Betriebsveräußerer und Betriebsübernehmer, die Tatsache, dass der Geschäftsführer des Betriebsübernehmers gleichzeitig Prokurist des Betriebsveräußerers ist, die Tatsache, dass der Betrieb des Betriebübernehmers nur aus den Mitarbeitern einer ehemaligen "Abteilung" des Betriebsveräußerers besteht und nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterliegt.

b) Mit dem Vortrag, die Kündigung sei deshalb ausgesprochen worden, weil der Betriebsveräußerer - der Hauptauftragsnehmer des Betriebserwerbers -, bei dem der Kläger zuvor 17 Jahre in gleicher Position tätig war, mit den Leistungen des Klägers nicht zufrieden sei, können die Indiztatsachen, die für eine Kündigung wegen eines Betriebsübergangs sprechen, nicht widerlegt werden. Dies gilt auch und gerade dann, wenn bei dem Betriebserwerber das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist.

2. Eine Kündigung, die nach einem Betriebsübergang auf einen Betrieb, der nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterliegt, mit Leistungsmängeln begründet wird, die im wesentlichen schon bei dem dem Kündigungsschutzgesetz unterliegenden Betriebsveräußerer vorgekommen waren, nutzt in von der Rechtsordnung nicht gebilligter Weise den Wegfall des Kündigungsschutzgesetzes beim Betriebsveräußerer aus und verstößt gegen § 242 BGB.

3. Zu den Anforderungen an eine soziale Auswahl im Kleinbetrieb.


Landesarbeitsgericht Bremen Im Namen des Volkes

Aktenzeichen: 3 Sa 308/06 verb. m. 3 Sa 45/07

Verkündet am: 12.07.2007

In dem Berufungsverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Bremen - Dritte Kammer - aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2007 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 12.10.2006 - Az.: 2 Ca 2188/06 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 27.04.2006 nicht beendet worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung sowie um einen Weiterbeschäftigungsanspruch. In der ersten Instanz haben die Parteien auch um einen Prämienanspruch gestritten. Diesen hat das Arbeitsgericht nicht entschieden. Er wurde allerdings durch den Kläger auch nicht zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht.

Der am ... geborene, verheiratete Kläger war seit dem 16.01.1989 bei der Firma S. W. GmbH bzw. der Beklagten zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von € 2.440,51 als Auslieferungsmonteur beschäftigt.

Die Firma S. W. GmbH betreibt ein Möbelgeschäft, für das die Beklagte seit 01.03.2006 den Bereich Auslieferung und Montage durchführt und sowohl bei deren Kunden als auch in deren Ausstellungsräumen die Möbel liefert bzw. aufstellt. Die Beklagte wurde ausschließlich für die Firma S. W. GmbH tätig.

Der Geschäftsführer der Beklagten ist gleichzeitig Prokurist bei der Firma S. W. GmbH.

Der Kläger hat ein Organigramm aus dem Jahre 2000 vorgelegt, wegen dessen Inhalt auf Bl. 9 d. A. verwiesen wird. Dies Organigramm gibt die aktuelle Situation nach Auffassung der Beklagten jedoch nicht mehr wieder.

Mit Schreiben vom 27.02.2006, wegen dessen weiteren Inhalts auf Bl. 8 d. A. verwiesen wird, teilte die Firma S. W. GmbH dem Kläger mit, der Betriebsteil "Auslieferung und Montage" werde ausgegliedert und die Aufgaben in Zukunft von einem anderen Unternehmen wahrgenommen. Der Betriebsübergang auf die Beklagte erfolge mit Wirkung zum 01.03.2006. Gleichzeitig wurde der Kläger darüber informiert, dass die übernehmende Firma derzeit nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftige, nämlich nur die, die von der Firma S. W. GmbH auf die Beklagte übergingen. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass er zukünftig keinen Kündigungsschutz mehr genieße. Eine derartige Mitteilung erhielten alle fünf in dem Bereich der Auslieferung und Montage beschäftigten Arbeitnehmer der Firma S. W. GmbH. Weitere Arbeitnehmer beschäftigt die Beklagte nicht. Der Kläger hat dem mitgeteilten Betriebsübergang nicht widersprochen.

Die fünf von der Firma S. W. auf die Beklagte übergegangenen Arbeitnehmer haben folgende soziale Daten:

 Name Beschäftigungszeit Alter Unterhaltspflichten
Fe. 20 Jahre ca. 43 Verheiratet, 1 Kind
W. (Kläger) Über 17 Jahre 56 Verheiratet
B. 14 Jahre 43 Verheiratet, 3 Kinder
K. 10 Jahre ca. 45 Verheiratet, 2 Kinder
F. 3-4 Jahre 58 Verheiratet

Unter dem Datum vom 27.04.2006, dem Kläger zugegangen am 28.04.2006, kündigte die Beklagte das bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.10.2006. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage vom 18.05.2006, beim Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven eingegangen am selben Tag. Mit einer Klagerweiterung vom 01.09.2006 hat der Kläger in der ersten Instanz seine Klage um einen Zahlungsantrag auf Provision erweitert, der nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist.

Unter dem 10.05.2006 erhielt der Kläger eine Abmahnung von der Beklagten, die sich auf einen Vorfall bezieht, der sich am 30.12.2005 ereignete, mithin zu einer Zeit als das Arbeitsverhältnis noch nicht auf die Beklagte übergegangen war. Am 12.10.2005 hatte der Kläger bereits eine Abmahnung, die ebenfalls von Herrn R. , dem Geschäftsführer der Beklagten als Prokurist der Firma S. W. GmbH unterschrieben worden war, erhalten. Ein Schreiben der Firma S. W. GmbH an die Mitarbeiter erhielt der Kläger mit einer Lohnabrechnung im Juli 2006. Wegen des Inhalts des Schreibens wird auf Bl. 46 d. A. verwiesen.

Die Beklagte nutzt Fahrzeuge der Firma S. W. GmbH, die sie von dieser Firma gemietet hat.

Bei Mängeln an Fahrzeugen werden diese an den Mitarbeiter der Firma S. W. , Herrn D. , weitergegeben, der die Reparatur beauftragt.

Die Beklagte verfügt über keine eigenen Räumlichkeiten sondern nutzt diejenigen der Firma S. W. GmbH. Im Bereich der Lagerei existiert ein gemeinsamer Sozialraum für die Mitarbeiter beider Firmen. Für die Mitarbeiter der Beklagten sind eigene Spinde vorhanden. Die Schlüssel und die Papiere für die Fahrzeuge werden in einem Raum der Firma S. W. GmbH aufbewahrt. Die Beklagte hat kein eigenes Büropersonal. Der Geschäftsführer der Beklagten, der auch gleichzeitig Prokurist der S. W. GmbH ist, erledigt beide Aufgaben von seinem Arbeitsplatz aus. Die Beklagte hat es übernommen, gegen Entgelt die Möbel der Kunden der Firma S. W. zu entsorgen.

Der Kläger hat in der ersten Instanz vorgetragen, die Beklagte benutze Kopierer, Faxgeräte, Telefone und Schreibtische der Firma S. W. . Das Büropersonal dieser Firma stehe der Beklagten ebenfalls zur Verfügung. Die Mitarbeiter der Firma S. W. GmbH, Herr St. und Herr M. , seien zuständig für die Tourenplanung und Nachfragen der Kunden und wiesen den Kläger entsprechend ein. Damit hänge auch die Notwendigkeit von Überstunden zusammen. Der Kläger habe wegen der Tourenplanung im Mai 2006 18,5 und im April 2006 10,25 Überstunden leisten müssen. Der Kläger habe Arbeitskleidung mit dem Logo der Firma S. W. zu tragen. Die Beklagte habe nicht das Werkzeug von der Firma S. gekauft.

Der Kläger hat in der ersten Instanz die soziale Auswahl gerügt, insbesondere gegenüber dem Mitarbeiter F. . Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte führe mit der Firma S. W. GmbH einen gemeinsamen Betrieb, deshalb gelte das Kündigungsschutzgesetz. In jedem Fall habe die Beklagte das Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme, welches auch in einem Kleinbetrieb zu beachten sei, verletzt. Im Übrigen verstoße die Kündigung gegen § 613a Abs. 4 BGB.

Der Kläger hat in der ersten Instanz beantragt,

1. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.04.2006 nicht aufgelöst wird, sondern unwirksam ist;

2. die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Auslieferungsmonteur weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 168,28 brutto an Provision nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, ein Zusammenhang zwischen dem Betriebsübergang und der Kündigung könne schon deshalb nicht bestehen, weil die Firma S. W. GmbH diesen Betriebsteil habe schlicht schließen und die Arbeitsverhältnisse betriebsbedingt beenden können. Die Beklagte beschäftige nur jene fünf Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse durch den Betriebsübergang am 01.03.2006 übergegangen seien. Die Beklagte bilde keinen gemeinsamen Betrieb mit der Firma S. W. GmbH, da unterschiedliche Betriebszwecke vorlägen. Letztere handele mit Möbeln und sei nicht mehr mit dem Geschäftsgegenstand der Beklagten befasst. Die Beklagte betreibe ausschließlich Auslieferung und Montage der Möbel. Allerdings sei die Beklagte nicht die einzige Firma, die für die Firma S. W. GmbH Möbel ausliefere und aufstelle.

Das vom Kläger vorgelegte Organigramm gebe keine Auskunft über den tatsächlichen Stand zum Kündigungszeitpunkt. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Organigramms sei die Beklagte noch als Möbelhaus am Markt tätig gewesen, jedoch kurz darauf nur noch als ruhender Betrieb fortgeführt, nachdem der Geschäftsbetrieb vollständig eingestellt worden sei. Mitarbeiter seien danach nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Die Beklagte ist der Auffassung, dass kein einheitlicher Lenkungs- und Leitungsapparat bestehe, zwar sei der Geschäftsführer der Beklagten auch Prokurist der Firma S. W. , übe dort jedoch keine Arbeitgeberfunktion in sozialen und personellen Angelegenheiten aus. Diese würden durch die beiden Geschäftsführer der Firma S. W. GmbH wahrgenommen. Der Geschäftsführer der Beklagten unterliege als Prokurist deren Weisungen. Die Beklagte verfüge durch Anmietung bzw. über ausschließlich von ihr verwendete Betriebsmittel wie Auslieferungsfahrzeuge einschließlich des erforderlichen Tischlerwerkzeuges auch über eigene Betriebsmittel. Die Auslieferungsfahrzeuge seien von der Firma S. aber auch von anderen Unternehmen gemietet. Die Arbeitnehmer seien nicht angewiesen worden als Arbeitnehmer der Firma S. W. aufzutreten. Auf Grund der Eigenart des Geschäftsbetriebes benötige die Beklagte kein Büropersonal. Die Beklagte habe sich gegenüber der Firma S. W. GmbH verpflichtet, innerhalb eines abgesprochenen Zeitfensters Auslieferungen vorzunehmen und sei nur innerhalb dieses Fensters berechtigt festzulegen, wann welcher Kunde mit welcher Ware beliefert würde. Die Zuteilung auf die Fahrzeuge und die Frage, welcher Mitarbeiter damit betraut werde, entscheide die Beklagte bzw. dessen Geschäftsführer. Für Nachfragen sei selbstverständlich die Auftraggeberin der Ansprechpartner. Die Instandhaltung der Fahrzeuge obläge der Firma S. W. GmbH als Vermieter.

Der Mitarbeiter F. sei mit Abstand der älteste Mitarbeiter und damit nach Auffassung der Beklagten am meisten zu schützen. Diese Auswahlentscheidung zu dessen Gunsten beruhe auf sozialpolitsch vertretbaren Gründen und sei aus diesem Grund nicht zu beanstanden. Dieser Mitarbeiter sei - von einer 11/2- bis 2-jährigen - unstreitigen - Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses um das Jahr 2000 - seit dem 22.06.1988 bei der Firma S. W. GmbH beschäftigt gewesen. Er verfüge auch über weitergehende Fähigkeiten und Kenntnisse als der Kläger.

Das Arbeitsgericht hat am 12.10.2006 folgendes Urteil verkündet:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 9.762,01 € festgesetzt.

Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf Bl. 85 ff. hingewiesen.

Dieses Urteil wurde dem Kläger am 02.11.2006 zugestellt. Der Kläger legte gegen dieses Urteil am 01.12.2006 Berufung ein. Die Berufungsbegründung bezüglich des am 02.11.2006 zugestellten Urteils ging am 2. Januar 2007 beim Landesarbeitsgericht ein. Durch Beschluss vom 19.01.2007 wurde das Passivrubrum des Urteils berichtigt, da der Beschluss aus der mündlichen Verhandlung, der die Berichtigung bereits vorsah, nicht umgesetzt worden war. Das berichtigte Urteil wurde dem Kläger am 23.01.2007 zugestellt. Gegen dieses Urteil legte der Kläger mit einem am 20.02.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung ein, die er sofort begründete.

Das Landesarbeitsgericht hat beide Berufungen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

Der Kläger greift das erstinstanzliche Urteil mit Rechtsausführungen und unter Ergänzung und Wiederholung seines erstinstanzlichen Sachvortrags an. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung vom 2. Januar 2007 (Bl. 111-122 d. A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 12.10.2006 (Aktenzeichen: 2 Ca 2188/06) abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 27.04.2006 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit Rechtsausführungen unter Ergänzung und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags. Wegen der Erwiderung im Einzelnen wird auf Bl. 189-195 d. A. verwiesen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze im Einzelnen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Es handelt sich um eine Bestandsschutzstreitigkeit. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung hatte in der Sache Erfolg und führte deshalb zu einer Abänderung des erstinstanzlichen Urteils.

1. Die Kündigung verstößt gegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB.

a) Eine Kündigung nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB muss wegen des Übergangs eines Betriebes oder Betriebsteils ausgesprochen werden. Damit wird zum einen an ein objektives Merkmal (der Betriebsübergang), zum anderen an das subjektive Kriterium des Kündigungsmotives angeknüpft (vgl. KR-Pfeiffer, 8. Aufl., § 613 a BGB Rz 186). Es ist nicht notwendig, dass der Betriebsübergang der alleinige Beweggrund ist. Ausreichend ist angesichts des Wortlauts, der eine solche enge Auslegung nicht nahe legt, und des Schutzgedankens von § 613a Abs. 4 BGB, wenn der Betriebsübergang für den Ausspruch der Kündigung die wesentliche Ursache war und andere sachliche Gründe, die aus sich heraus die Kündigung zu rechtfertigen vermögen, nicht vorgebracht werden können (vgl. BAG EzA § 613a BGB, Nr. 40 und 179; KR-Pfeiffer, a.a.O.). Maßgeblich sind ausschließlich die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung (BAG EzA § 613a BGB Nr. 179). Entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln trägt der Arbeitnehmer hinsichtlich der notwendigen Kausalität zwischen Betriebsübergang und Kündigung die Beweislast, wenn er die Unwirksamkeit der Kündigung geltend macht (BAG EzA § 613a BGB, Nr. 50). Es genügt als erstes Indiz der Hinweis auf den zeitlichen Zusammenhang mit dem Betriebsübergang. Zur Widerlegung dieses Indiz reicht jede nachvollziehbare Begründung, die einen sachlichen Grund dafür enthält, dass die Kündigung nur äußerlich formal mit dem Betriebsübergang verbunden ist, nicht aber materiell wegen des Betriebsübergangs erfolgt (Vgl. BAG EzA § 613a BGB, Nr. 50).

b) Der Kläger hat darauf hingewiesen, dass er zum Zeitpunkt der Kündigung mehr als 17 Jahre bei der Firma S. W. GmbH tätig war. Weniger als zwei Monate vor der Kündigung hat die Firma S. W. GmbH den Bereich Auslieferung auf einen noch vorhandenen Mantel einer GmbH & Co., nämlich der Beklagten, übertragen, die ansonsten am Geschäftsleben nicht mehr teilgenommen hat, auch nach der Übertragung kein eigenes Vermögen besaß, außer einiger Werkzeuge, geführt wurde von einem Prokuristen der Betriebsveräußerin und im Übrigen räumlich mit der Betriebsveräußerin eng verbunden blieb. Auch die Organisation veränderte sich kaum. Die Kunden der Betriebsveräußerin sprachen die Termine mit der Firma S. W. GmbH ab. Festzustellen ist, dass sich für die Mitarbeiter durch die Teilbetriebsveräußerung nichts geändert hat. Der Kläger hat damit einen Sachverhalt vorgetragen, der indiziert, dass die Kündigung wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen wurde.

Die Beklagte hat keine nachvollziehbare Begründung für die Kündigung des Klägers zu diesem Zeitpunkt geliefert. Der Kläger war mehr als 17 Jahre bei der Rechtsvorgängerin tätig. Konkrete Schlechtleistungen wurden nicht dargetan. Der Kündigungsgrund, die Betriebsveräußerin sei mit den Leistungen des Klägers nicht einverstanden, wohl gemerkt eines Arbeitnehmers, den sie mehr als 17 Jahre beschäftigt hat, zeigt deutlich, den wahren Grund der Kündigung, nämlich den des Betriebsübergangs, um so das Arbeitsverhältnis mit einem langjährigen Mitarbeiter beenden zu können, ohne auf eine soziale Auswahl nach dem Kündigungsschutzgesetz angewiesen zu sein. Damit schlägt das Motiv "Kündigung wegen des Betriebsübergangs" durch. Nur weil der Betriebsübergang erfolgt ist, konnte die Kündigung zu diesem Zeitpunkt ohne einen substantiiert vorgetragenen Grund erfolgen. Gerade dies will § 613a Abs. 4 BGB verhindern.

2. Die Kündigung verstößt auch aus mehreren Gründen gegen § 242 BGB.

In einem Kleinbetrieb hat der Gesetzgeber bestimmte Arbeitnehmer vom Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes ausgenommen. Deshalb können nur solche Gründe der Kündigung als gegen Treu und Glauben verstoßend geltend gemacht werden, die nicht unter § 1 KSchG fallen. Die Anwendung des § 242 BGB darf nicht dazu führen, den Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes auch auf solche Arbeitnehmer auszudehnen, die dem Kündigungsschutzgesetz nicht unterstehen. Der in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses oder bei Kleinbetrieben im Sinne des § 23 KSchG geltende Grundsatz der Kündigungsfreiheit wird durch § 242 BGB - jedenfalls im Grundsatz - nicht eingeschränkt, es sei denn, es liegt ein Sachverhalt vor, der unabhängig von der Frage der Sozialwidrigkeit nach den Maßstäben des § 242 BGB zu prüfen ist (vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 134 BGB; BAG EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 36; KR-Friedrich, a.a.O., § 13 KSchG Rz. 233).

a) Die Beklagte hat in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Betriebsübergang von fünf Arbeitnehmern auf eine GmbH, die keine weiteren Arbeitnehmer hatte, eine "verhaltensbedingte" Kündigung ausgesprochen, die auf angeblichen, jedenfalls nicht substantiiert dargetanen Leistungsmängeln beruhte, die ausschließlich beim Betriebsveräußerer vorgekommen waren. Der Betriebsveräußerer hatte einige Monate vor der Kündigung eine Abmahnung ausgesprochen, die sich auf einen Vorfall vor Betriebsveräußerung bezog. Der Betriebserwerber hatte nach dem Betriebsübergang ebenfalls eine Abmahnung erteilt und zur Begründung weiter angeführt, der Auftraggeber, der Betriebsveräußerer sei mit den Leistungen des Klägers nicht zufrieden. Die Kündigung nutzt mithin in von der Rechtsordnung nicht gebilligtem Maße die Tatsache aus, dass durch die Teilbetriebsveräußerung eine Kündigung ohne Begründung oder mit einer unsubstantiierten Begründung möglich wurde. Sie umgeht damit den Kündigungsschutz, den der Kläger im "Altbetrieb" behalten hätte. Der äußere Ablauf spricht dafür, dass die Betriebsveräußerung zumindest mit ein tragender Grund war, um sich von dem Kläger, und wie der der Kläger meint, von einem weiteren Arbeitnehmer, der mit ihm zusammengearbeitet hat und taubstumm ist, zu trennen. Eine solche Kündigung ist mit der Rechtsordnung nicht vereinbar. Sie widerspricht Treu und Glauben und ist deshalb unwirksam gemäß § 242 BGB.

b) Für die Bestimmung des Inhalts und der Grenzen des Kündigungsschutzes außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes ist die Bedeutung grundrechtlicher Schutzpflichten zu beachten. Wie das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - ausgeführt hat, ist den Arbeitnehmern in Kleinbetrieben das größere rechtliche Risiko eines Arbeitsplatzverlustes angesichts der schwerwiegenden und grundrechtlich geschützten Belange der Arbeitgeber zuzumuten. Sie sind aber nicht völlig schutzlos gestellt. Wo die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, sind die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt (§ 242 und § 138 BGB). Im Rahmen dieser Generalklauseln ist auch der objektive Gehalt der Grundrechte z. B. aus Artikel 12 Abs. 1 GG zu beachten. Das Bundesarbeitsgericht hat deshalb ausgeführt, dass dann, wenn bei einer Kündigung eine Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern zu treffen ist, auch der Arbeitgeber im Kleinbetrieb, auf den das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, ein durch Artikel 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren muss und ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt lassen darf (vgl. BAG BAGE 97, Seite 92; BAG Urteil vom 06.02.2003 - 2 AZR 672/01 -). Dies bedeutet allerdings nicht, dass damit im Kleinbetrieb die Grundsätze des § 1 KSchG über die Sozialauswahl entsprechend anwendbar wären. Die Herausnahme des Kleinbetriebs aus dem Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes trägt ihrerseits den durch Artikel 12 Abs. 1 GG geschützten Belangen des Kleinunternehmers Rechnung, dessen Kündigungsrecht in hohem Maße schutzwürdig ist.

Die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers kann im Kleinbetrieb nur darauf überprüft werden, ob sie unter Berücksichtigung des Interesses des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes und der schützenswerten Interessen des Kleinunternehmers gegen Treu und Glauben verstößt. Ein solcher Treuverstoß bei der Kündigung des sozial schutzbedürftigen Arbeitnehmers ist umso eher anzunehmen, je weniger bei der Auswahlentscheidung eigene Interessen des Arbeitgebers eine Rolle gespielt haben. Hat der Arbeitgeber keine spezifischen eigenen Interessen, einen bestimmten Arbeitnehmer zu kündigen bzw. anderen vergleichbaren Arbeitnehmern nicht zu kündigen und entlässt er gleichwohl den Arbeitnehmer mit der bei weitem längsten Betriebszugehörigkeit, dem höchsten Alter und den meisten Unterhaltspflichten, so spricht alles dafür, dass der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme außer Acht gelassen hat. Bestehen andererseits derartige betriebliche, persönliche oder sonstige Interessen des Arbeitgebers, so ist der durch § 242 BGB vermittelte Grundrechtschutz des Arbeitnehmers umso schwächer, je stärker die mit der Kleinbetriebsklausel geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers im Einzelfall betroffen sind. In sachlicher Hinsicht geht es vor allem darum Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen. Es obliegt grundsätzlich dem Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen, dass die Kündigung nach § 242 BGB treuwidrig ist. In einem ersten Schritt muss deshalb der Arbeitnehmer, der die Auswahlüberlegungen des Arbeitgebers, die zu seiner Kündigung geführt haben, regelmäßig nicht kennt, nur einen Sachverhalt vortragen, der die Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB indiziert. Ist danach auf den ersten Blick erkennbar, dass der Arbeitgeber einen erheblich weniger schutzbedürftigen, vergleichbaren Arbeitnehmer als den Kläger weiterbeschäftigt, so spricht dies dafür, dass der Arbeitgeber das erforderliche Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme außer Acht gelassen hat und deshalb die Kündigung treuwidrig im Sinne von § 242 BGB ist. Der Arbeitgeber muss sich nach § 138 Abs. 2 ZPO qualifiziert auf diesen Vortrag einlassen, um ihn zu entkräften. In diesem Zusammenhang obliegt es dem Arbeitgeber aus Gründen der Sachnähe auch Angaben zu seinen Auswahlüberlegungen zu machen. Kommt er dieser sekundären Behauptungslast nicht nach, gilt der schlüssige Vortrag des Arbeitnehmers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Trägt der Arbeitgeber hingegen die betriebliche, persönlichen oder sonstigen Gründe vor, die ihn dazu bewogen haben, den auf den ersten Blick sozial schutzbedürftigen Arbeitnehmer zu entlassen, so muss der Arbeitnehmer die Tatsachen beweisen, aus denen sich die Treuwidrigkeit der Kündigung ergeben soll (vgl. BAG Urteil vom 06.02.2003 - 2 AZR 672/01 -).

Der Kläger hat einen Sachverhalt vorgetragen, der die Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB indiziert. Die Beklagte hat nicht substantiiert dargetan, dass sie Gründe hat, den Kläger gegenüber dem sozial sehr viel weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer F. zu kündigen.

Der Kläger ist über 17 Jahre bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin tätig und 56 Jahre alt. Er ist verheiratet. Seit 3-4 Jahren ist der Mitarbeiter F. , der 58 Jahre als ist, bei der Beklagten tätig. Auch er ist verheiratet. Die von der Beklagten behaupteten Beschäftigungszeiten, die vor einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses von 1 1/2 -2 Jahren lagen, sind, wie auch bei einer Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz, nicht zu berücksichtigen. Die Unterbrechung ist zu lang, als dass von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis ausgegangen werden könnte. Damit ist der Mitarbeiter F. ca. 13 Jahre kürzer bei der Beklagten beschäftigt als der Kläger. Die Beklagte hat damit das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme außer Acht gelassen, denn die sehr viel längere Betriebszugehörigkeit führt zu einem erheblich stärkeren sozialen Schutz bei etwa gleichem Alter und damit gleich schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Die Beklagte hat für ihre Auswahlentscheidung Leistungsmängel des Klägers angeführt, diese aber zum einen nicht substantiiert dargelegt, zum anderen bestanden zum Zeitpunkt der Kündigung lediglich Leistungsmängel, die bei dem Betriebsveräußerer entstanden waren. Zum anderen hat die Beklagte bezüglich ihrer Entscheidung den Mitarbeiter F. nicht zu entlassen vorgetragen, dass dieser Mitarbeiter "der mit Abstand älteste" und deshalb bezogen auf dieses Kriterium der am meisten schützenswerte Mitarbeiter ist. Die Beklagte bemisst dem Lebensalter des Mitarbeiter F. auch deshalb ganz besondere Bedeutung zu, weil dieser im Fall der Arbeitslosigkeit bereits nach zwei Jahren vorgezogene Altersrente beziehen könnte, er aber seine sämtlichen Ersparnisse in der Zeit zwischen Auslaufen des Arbeitslosengeldes I und dem frühestmöglichen Rentenbeginn einsetzen müsste. Hierin sieht die Beklagte "eine ganz besondere Härte". Und weiter begründet sie ihre Auswahlentscheidung wie folgt: "Der Mitarbeiter F. verfügt über Kenntnisse und Fertigkeiten, die weit über denjenigen der übrigen Mitarbeiter, auch des Klägers liegen. Demgegenüber hatte die Arbeitgeber Veranlassung den Kläger am 11.07.2006 abzumahnen".

Was das erste Argument betrifft, so hat die Kammer schon dargelegt, dass sie das Alter insbesondere im Hinblick auf die Berufschancen in einem anderen Unternehmen für in etwa gleich bewertet. Auch die Unterhaltspflichten sind in etwa gleich, so dass ganz besondere Bedeutung der sehr viel längeren Betriebszugehörigkeit des Klägers zukommt, dies auch im Hinblick auf die allgemeine Wertung des Kündigungsschutzgesetzes und des AGG, das eine Diskriminierung wegen des Alters, auch eine Diskriminierung des Jüngeren nicht zulässt. Der Vortrag zu den besseren Leistungen des Mitarbeiters F. ist derartig unsubstantiiert, dass er einer Bewertung im Rahmen des Abwägungsprozesses nach Artikel 12 GG nicht zugänglich und damit keine qualifizierte Einlassung nach § 138 Abs. 2 ZPO ist. Der Kläger, der auf dem Arbeitsmarkt keine besseren Beschäftigungschancern hat wie der Arbeitnehmer F. , ist zudem in noch viel höherem Maße als dieser gezwungen, bis zu seiner Verrentung eigene Mittel für seinen Lebensunterhalt einzusetzen, da er zwei Jahre jünger ist und deshalb entsprechend länger auf den Bezug der Altersrente warten muss.

Wegen Verstoßes gegen § 242 BGB hat die Beklagte das durch Artikel 12 GG gebotene Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme nicht gewahrt und einen durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses unberücksichtigt gelassen. Die Kündigung ist deshalb gemäß § 242 BGB auch aus diesem Grund unwirksam.

3. Ob zudem das Kündigungsschutzgesetz deshalb anzuwenden ist, weil die Beklagte mit der Firma S. W. GmbH einen gemeinsamen Betrieb bildet, kann dahinstehen. Die Kammer weist nur darauf hin, dass sie der Auffassung ist, dass viele unstreitige Tatsachen dafür sprechen, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines gemeinsamen Betriebes gegeben sind.

Nach allem hatte die Berufung Erfolg. Die Kündigung der Beklagten ist unwirksam.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Wegen der Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben, wird auf § 72 a ArbGG hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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