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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Bremen
Urteil verkündet am 21.10.2004
Aktenzeichen: 3 Sa 77/04
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 111 Satz 2 Nr. 3
BetrVG § 113 III
BGB § 613 a
1) Der Annahme einer Spaltung gemäß § 111 Satz 2 Nr. 3 BetrVG steht nicht entgegen, dass es sich um einen verhältnismäßig kleinen Betriebsteil handelt, der veräußert wird (im vorliegenden Fall mit 8 Arbeitnehmern von 188 Arbeitnehmern des gesamten Betriebes).

Maßgeblich ist allein, ob es sich um eine veräußerungsfähige bzw. "abspaltungsfähige" Einheit handelt. Davon ist auszugehen, wenn eine Cafeteria eines Einkaufsmarktes, in der 8 Arbeitnehmer beschäftigt werden, veräußert wird, auch wenn in dem Einkaufsmarkt 180 Arbeitnehmer verbleiben.

2) Verhandelt der Arbeitgeber mit dem Betriebsrats eines Unternehmens mit 188 Arbeitnehmern nicht über einen Interessenausgleich wegen des Teilbetriebsübergangs einer Cafeteria mit 8 Arbeitnehmern, der zugleich als Abspaltung nach § 111 BetrVG anzusehen ist, können zumindest die Arbeitnehmer des abgespaltenen Betriebsteils Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 BetrVG geltend machen.

3) Voraussetzung eines Anspruches auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 BetrVG ist, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Betriebsänderung und dem eingetretenen Nachteil besteht, wobei ein mittelbarer Zusammenhang ausreicht.

4) Widerspricht ein Arbeitnehmer einem Teilbetriebsübergang, der gleichzeitig als Spaltung gemäß § 111 Satz 2 Nr. 3 BetrVG anzusehen ist, und wird er deshalb zu Recht gekündigt, beruht diese Kündigung nicht auf der Spaltung, sondern auf dem Widerspruch gegen den Betriebsübergang. Ein Kausalzusammenhang zwischen der Betriebsänderung und dem Verlust des Arbeitsplatzes besteht nicht. Bei der Kündigung handelt es sich nicht um eine "spaltungsbedingte Folge", der Kausalzusammenhang ist durch den Widerspruch unterbrochen

5) Wenn mehrere Arbeitnehmer einem Teilübergang widersprechen und im "Altbetrieb" nicht weiterbeschäftigt werden können und deshalb gekündigt werden, sind allerdings diese Kündigungen ihrerseits interessenausgleichspflichtig, wenn die Voraussetzungen des § 17 KSchG vorliegen.


Landesarbeitsgericht Bremen Im Namen des Volkes

Aktenzeichen: 3 Sa 77/04

Verkündet am: 21.10.2004

In dem Berufungsverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Bremen - Dritte Kammer - aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Oktober 2004 durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 07.01.2004 - Az.: 9 Ca 9440/03 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch um die in erster Instanz hilfsweise geltend gemachten Nachteilsausgleichsansprüche der Klägerin. Die gegen die betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 27.06.2003 gerichtete Klage ist in erster Instanz abgewiesen worden. Das Urteil ist insoweit rechtskräftig.

Die verheiratete und am 11.03.1949 geborene Klägerin war seit 26.11.1987 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig.

Sie wurde ausschließlich als Büffetkraft in der Cafeteria beschäftigt.

Im Arbeitsvertrag vom 26.11.1987 (Bl. 6 ff.) heißt es unter anderem, dass die Einstellung als "Gewerbegehilfin" erfolgt. Des weiteren heißt es dort unter Ziffer 4. (3):

Das Aufgabengebiet des Mitarbeiters kann erweitert oder eingeschränkt werden.

Er hat auch andere Aufgaben, die seinen Vorkenntnissen und Fähigkeiten entsprechen, zu übernehmen; insbesondere kann der Mitarbeiter in anderen Abteilungen bzw. Filialen bzw. Betriebsstellen eingesetzt werden."

Die Klägerin war zuletzt mit einer Wochenarbeitszeit von 25 Stunden tätig. Sie wurde vergütet nach Lohngruppe II b des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel; ihre monatliche Bruttovergütung betrug 1.084,28 € ohne Sonderzahlungen.

Die Beklagte, die u.a. in B. -V. einen großen Einkaufsmarkt betreibt, beschäftigte in diesem Markt B. -V. , in dem die Klägerin tätig war, 188 Arbeitnehmer, davon 8 in der Cafeteria.

Die Beklagte hat sich zu Beginn des Jahres 2003 entschlossen, ihre Cafeterien zum überwiegenden Teil an externe Caterer zu vergeben bzw. einzelne dieser Cafeterien zu schließen. Nach diversen Verhandlungen mit Interessenten ist im Mai 2003 mit der Firma G. & B. vertraglich vereinbart worden, dass diese den Betriebsteil Cafeteria des Einkaufsmarktes, in der die Klägerin beschäftigt wurde, per 01.07.2003 übernimmt. Von 8 betroffenen Arbeitnehmern haben 3 widersprochen. Gegenüber diesen Arbeitnehmern sind betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen worden.

Mit Schreiben vom 21.05.2003 hat die Beklagte die Klägerin darüber informiert, dass der Betriebsteil Restaurant auf die Firma der Herren A. G. und P. B. per 01.07.2003 übergehe und das als Folge hiervon auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin übergehe. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 9 ff. d. A. verwiesen.

Verhandlungen mit dem im Betrieb B. -V. der Beklagten bestehenden Betriebsrat über einen Interessenausgleich im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang der Cafeteria sind nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 19.06.2003 (Bl. 27 b-d der Akte) hat die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin für den Fall angehört, dass sie dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widerspreche.

Mit Schreiben vom 19.06.20003, zugegangen am 20.06.2003, hat die Klägerin dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprochen.

Der Betriebsrat hat mit Schreiben vom 24.06.2003 Bedenken gegen die beabsichtigten Kündigungen erhoben (Bl. 36).

Mit Schreiben vom 27.06.2003, zugegangen am 28.06.2003, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristgemäß zum 31.12.2003 gekündigt.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 21.07.2003, eingegangen an diesem Tag, Kündigungsschutzklage erhoben.

Einen in der Güteverhandlung vom 29.08.2003 geschlossenen Vergleich über eine Tätigkeit als Bedienung an der Fleisch-/Wursttheke unter gleichzeitiger Rücknahme der Kündigung vom 27.06.2003 hat die Klägerin widerrufen. Auch eine außergerichtlich angebotene Tätigkeit als Kassenkraft hat sie nicht angenommen.

Die Klägerin hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, dass ihr Arbeitsvertrag lediglich eine allgemein umschriebene Tätigkeit beinhalte und ausdrücklich die Befugnis vorsehe, das Aufgabengebiet zu verändern. Damit entfalle keineswegs automatisch ihr Arbeitsplatz; lediglich eine Beschäftigung im Bereich der Cafeteria scheitere infolge des Widerspruchs gegen den Betriebsübergang.

Im Verlauf des Rechtsstreits habe sich auch gezeigt, dass verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten auf anderen Arbeitsplätzen bestanden hätten und weiter bestünden. Sowohl die Tätigkeiten an der Kasse als auch an der Fleisch- und Wursttheke könnten durch die Klägerin ohne unverhältnismäßig lange Einarbeitungszeiten ausgeführt werden. Es stelle insoweit einen deutlichen Unterschied dar, ob zur Vermeidung einer Kündigung ein Angebot zur Weiterbeschäftigung unterbreitet werde oder dies erst im Verlauf eines Kündigungsschutzverfahrens erfolge.

Eine Sozialauswahl sei von der Beklagten offenbar nicht vorgenommen worden. Dies sei fehlerhaft, da deutlich weniger schutzbedürftige jüngere Kolleginnen und Kollegen mit deutlich geringerer Betriebszugehörigkeit vorhanden gewesen seien. In den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer seien auch Kassenkräfte und sonstige an den Theken bedienende Kräfte mit einzubeziehen.

Die Klägerin hat ferner gemeint, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei, da eine vorsorgliche Anhörung unzulässig sei. Im Übrigen werde mit Nichtwissen bestritten, dass dem Betriebsrat die konkreten Sozialdaten der Klägerin mitgeteilt worden seien.

Hilfsweise hat sich die Klägerin in der ersten Instanz darauf berufen, dass ihr ein Nachteilsausgleichsanspruch zustehe. Bei der Ausgliederung der Cafeteria handele es sich um eine interessenausgleichspflichtige Betriebsänderung. Bei der Beurteilung, ob es sich um einen wesentlichen Betriebsteil handele, müssten auch qualitative Aspekte eine Rolle spielen. Auszugehen sei von einem Abfindungsanspruch in Höhe eines Bruttomonatsentgelts pro Jahr der Betriebszugehörigkeit.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt:

Es wird festgestellt, dass das Beschäftigungsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.06.2003 nicht aufgelöst wird,

hilfsweise

die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Nachteilsausgleichsabfindung in Höhe von EUR 18.015,20 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass sich die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit auf die Tätigkeit einer Büffetkraft konkretisiert habe. In den Arbeitsverträgen der Rechtsvorgängerin sei stets die Bezeichnung Gewerbegehilfin für die Cafeteria-Mitarbeiter verwendet worden; erst später habe man die Bezeichnung Büffetkraft verwendet.

Infolge der Übertragung der Cafeteria auf einen externen Betreiber sei es unmittelbar zum Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin gekommen.

Freie vergleichbare Arbeitsplätze seien zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung weder im Betrieb noch im Unternehmen vorhanden gewesen. Die vom Betriebsrat behaupteten Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten hätten nicht bestanden. Der Arbeitsplatz des verstorbenen Mitarbeiters D. im Fachmarkt sei eine Position als Verkäufer, Gehaltsstufe G II, gewesen. Die Klägerin habe bislang keine Erfahrung mit Tätigkeiten im Verkaufsbereich eines SB-Marktes aufgewiesen und sei auf dieser Position nicht einseitig per Direktionsrecht einsetzbar gewesen. Ein Anspruch auf Beförderung habe nicht bestanden. Der zum 01.07.2003 frei gewordene Arbeitsplatz des Mitarbeiters M. sei aus dem gleichen Grund nicht anzubieten gewesen; dabei habe es sich um die Position eines Erstverkäufers mit der Tarifgruppe G III gehandelt.

Die der Klägerin angebotene Stelle als Bedienung an der Fleisch-/Wursttheke sei erst durch die Kündigung der bisherigen Stelleninhaberin Frau K. M. vom 12.08.2003 zum 31.08.2003 frei geworden. Gleiches gelte für die angebotene Kassentätigkeit; auch dort habe sich die freie Position erst Monate nach Ausspruch der Kündigung ergeben.

Hinsichtlich der Sozialauswahl hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass eine solche nicht vorzunehmen gewesen sei, da es an vergleichbaren Arbeitsplätzen fehle. Im Übrigen wäre zudem im Rahmen einer Sozialauswahl zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen gewesen, dass sie einer zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeit widersprochen habe.

Dem Betriebsrat sei am 19.06.2003 ein Anhörungsbogen mit der Bitte um Stellungnahme unter Angabe der Sozialdaten der Klägerin übersandt worden. Diesem sei eine zweiseitige Erläuterung der kündigungsbegründenden Umstände beigefügt gewesen.

Im Übrigen vertritt die Beklagte die Auffassung, dass es sich bei Bagatellausgründungen nicht um interessenausgleichspflichtige Betriebsänderungen handele. Außerdem fehle es an der Kausalität zwischen der Ausgliederung und der Kündigung, da diese erst aufgrund des Widerspruchs der Klägerin erfolgt sei.

Das Arbeitsgericht hat am 07. Januar 2004 folgendes Urteil verkündet:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 5.812,95 als Nachteilsausgleichsabfindung zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte trägt 1/4 der Kosten des Rechtsstreits, die Klägerin 3/4.

4. Der Streitwert wird auf € 21.268,04 festgesetzt.

5. Die Berufung wird - soweit sie nicht bereits kraft Gesetzes statthaft ist (§ 64 Abs. 2 Buchst. b. bis d. ArbGG) - für die Beklagte zugelassen.

Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf Bl. 88 bis 94 d. A. verwiesen.

Dieses Urteil wurde der Beklagten am 09.03.2004 zugestellt. Die Beklagte hat mit einem am Dienstag nach Ostern, dem 13. April 2004, bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.06.2004 mit einem am 04.06.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Klägerin hat das erstinstanzliche Urteil, soweit sie unterlegen ist, rechtskräftig werden lassen.

Die Beklagte greift das Urteil mit Rechtsausführungen an; auf die Berufungsbegründung und hier auf Bl. 114-118 d. A. wird verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 07. Januar m2004 - Az.: 9 Ca 9440/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es von der Beklagten angegriffenen wird, mit Rechtsausführungen; auf III des Berufungserwiderungsschriftsatzes (Bl. 135- 141 d. A.) wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten war im Hinblick auf den in erster Instanz festgesetzten Streitwert, der dem Beschwerdewert entspricht, statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

1. Der Verkauf der Cafeteria erfüllt den Tatbestand einer Spaltung im Sinne vom § 111 Satz 2 Nr. 3 BetrVG, aber auch den Tatbestand des § 613 a BGB "Übergang eines Betriebsteils".

a) Die "Spaltung von Betrieben" ist mit Wirkung vom 01. Januar 1995 in § 111 BetrVG aufgenommen worden. Sie bildet das Gegenstück des in § 111 Satz 2 Nr. 3 BetrVG geregelten "Zusammenschluss mit anderen Betrieben". Auch die bloße Veräußerung eines Betriebsteils, die "nur" von § 613 a BGB erfasst wird, erfüllt den Tatbestand der Spaltung (vgl. BAG AP Nr. 110 zu § 112 BetrVG 1972 unter Hinweis auf die zustimmende Literatur).

b) Die Beklagte hat danach ihren Betrieb gespalten. Der Betriebsteil "Cafeteria" ist aus dem bisher einheitlichen Betrieb ausgegliedert worden. Er wurde einer eigenständigen organisatorischen Leitung unterstellt.

aa) Der Annahme einer Spaltung steht nicht entgegen, dass es sich bei der Cafeteria um einen verhältnismäßig kleinen Betriebsteil handelt. § 111 Satz 2 Nr. 3 BetrVG stellt nicht auf die Abspaltung eines erheblichen oder wesentlichen Betriebsteils ab. Wird ein Betriebsteil veräußert, setzt dies eine veräußerungsfähige Einheit voraus. Diese ist aber regelmäßig erst bei einer wirtschaftlich relevanten Größenordnung und einer abgrenzbaren, eigenständigen Struktur gegeben (vgl. BAG a.a.O.). Die Ausgliederung im Zusammenhang mit einer solchen Übertragung erfüllt regelmäßig auch den Begriff der Spaltung. Die Kammer sieht keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber sogenannte "Bagatellausgründungen" von § 111 Satz 2 Nr. 3 BetrVG nicht umfasst sehen wollte (vgl. Däubler in DKK, 8. Aufl., § 111, Rdziff. 77; Matthes NZA 2000, Seite 1074). Das Vorliegen der Voraussetzungen von Satz 1 "wesentliche Nachteile für erhebliche Teile der Belegschaft" ist im Rahmen des Satzes 2 gerade nicht zu prüfen (vgl. Däubler a.a.O.). In jedem Fall reicht aber auch nach der Rechtsprechung des BAGs die Abspaltung einer veräußerungsfähigen Einheit aus (vgl. BAG a.a.O.). Die Grenze des § 17 KSchG muss dabei nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht erreicht sein.

bb) Die Cafeteria mit acht Arbeitnehmern ist eine solche veräußerungsfähige Einheit. Sie ist "abspaltungsfähig", da sie grundsätzlich auch in einem bestehenden Einkaufsmarkt, der auf den Verkauf von Waren ausgerichtet ist, eine selbstständige organisatorische Einheit mit anderen Aufgaben als das übrige Kaufhaus darstellt. Dabei spielt keine Rolle wieviele Arbeitnehmer in dem verbleibenden Einkaufsmarkt beschäftigt sind und wie viele Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern in der Cafeteria durch deren Veräußerung auf einen neuen Arbeitgeber übergehen (vgl. zum Ganzen auch Richardi-Annuß BetrVG, 9. Aufl., § 111, Rdziff. 102; Fitting, 22. Aufl., § 111, Rdziff. 50 ff.).

2. Die Beklagte wäre deshalb verpflichtet gewesen mit dem Betriebsrat Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan aufzunehmen. Dies hat sie nicht getan. Dennoch liegen nach Auffassung der Kammer die Voraussetzungen des § 113 Abs. 3 BetrVG nicht vor.

a) Nach § 113 BetrVG können Arbeitnehmer, die in Folge einer Abweichung des Arbeitnehmers von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung zu verurteilen. Nach § 113 Abs. 3 BetrVG gilt diese Regelung entsprechend, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben und infolge der Maßnahmen Arbeitnehmer entlassen werden.

b) Voraussetzung für den Anspruch auf Nachteilsausgleich ist allerdings, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG und dem eingetretenen Nachteil besteht, wobei das Gesetz hierunter die vom Unternehmer durchgeführte Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG versteht (vgl. BAG AP Nr. 19 zu § 113 BetrVG 1972; vgl. GK Fabricius/Oetker, 7. Aufl., § 113, Rdziff. 53 und 55; Fitting a.a.O., § 113 Anm. 21). Auch insoweit genügt ein mittelbarer Zusammenhang zwischen der Betriebsänderung und dem Eintritt des Nachteils. Mit dem in allen drei Absätzen des § 113 enthaltenen Wort "infolge" verknüpft das Gesetz den Nachteilsausgleich mit den betriebsverfassungswidrigen Verhalten des Arbeitgebers.

Ein solcher Kausalzusammenhang ist nach Auffassung der Kammer nicht gegeben. Dafür sind folgende Erwägungen maßgeblich.

aa) Ein Betriebsübergang ist grundsätzlich keine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG (vgl. BAG AP Nr. 8 zu § 111 BetrVG 1972, BAG AP Nr. 9 zu § 111 BetrVG 1972, BAG AP Nr. 110 zu § 112 BetrVG 1972). Im Betrieb, so das BAG, ändert sich allein durch den Wechsel des Inhabers nichts. Zu Recht hat das BAG darauf hingewiesen, dass Nachteilen zu begegnen, die mit einem Schuldnerwechsel verbunden sind, nicht Gegenstand und Ziel des Mitbestimmungsrechts nach § 111 BetrVG ist. Wenn ein Betriebsübergang mit einer Betriebsänderung zusammenfällt, so sind nur diejenigen Nachteile zu berücksichtigen, die die Betriebsänderung selbst verursacht, die also nicht durch § 613 a BGB abschließend geregelt sind (vgl. BAG AP Nr. 110 zu § 112 BetrVG 1972). Dies gilt auch für einen Teilbetriebsübergang, auch wenn er mit einer Spaltung im Sinne des § 111 Satz 2 Nr. 3 verbunden ist. Auch hier ist zwischen den spaltungsbedingten Nachteilen und denjenigen Nachteilen, die auf den Teilbetriebsübergang zurückzuführen sind, zu unterscheiden. Zu berücksichtigen ist auch, dass § 113 Abs. 3 BetrVG das Ziel verfolgt, dass betriebsverfassungswidrige Verhalten des Arbeitgebers zu sanktionieren (vgl. BAG AP Nr. 60 zu § 50 BetrVG 1972; BAG AP Nr. 32 zu § 113 BetrVG).

bb) Die nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts nunmehr rechtskräftig feststehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der betriebsbedingten Kündigung nach Widerspruch der Klägerin gegen den Betriebsübergang wegen des Nichtsvorhandenseins eines freien Arbeitsplatzes in dem Kaufhaus, ist nicht auf Grund der Spaltung erfolgt, sondern auf Grund des Betriebsübergangs. Die Spaltung des Betriebes an sich lässt ein Widerspruchsrecht nicht zwangsläufig entstehen, z. B. dann nicht, wenn sich durch die Spaltung der Arbeitgeber nichts ändert. Spaltung kann, so hat das BAG zu Recht entschieden, vor einem Betriebsübergang erfolgen. Aber auch wenn Spaltung des Betriebes und Betriebsübergang zusammen fallen, muss nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zwischen der interessenausgleichsfähigen Spaltung und dem nicht interessenausgleichsfähigen Betriebsübergang unterschieden werden. Interessenausgleichs- und sozialplanfähig sind nur die spaltungsbedingten Folgen. Gegenstand der Planung des Unternehmens, darauf hat Matthes zu Recht hingewiesen (a.a.O., Seite 1076), ist die Übertragung eines Betriebsteils. Nur an diese konkrete Unternehmerentscheidung knüpfen die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach dem § 111 BetrVG an, Folge des Widerspruchs ist es aber, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bestehen bleibt. Diese hatte nunmehr zu entscheiden, was mit der Klägerin und den anderen Mitarbeitern, die dem Übergang widersprochen hatten, geschehen sollte. Sie hat sich zur Kündigung entschlossen, die das Arbeitsgericht als sozial gerechtfertigt angesehen hat. Die Notwendigkeit, die widersprechenden Mitarbeiter zu entlassen, weil sie noch bei der Beklagten tätig waren und ihre Arbeitsverhältnisse nicht mit übergegangen sind, hat zur Folge, dass dieser Nachteil nicht als spaltungsbedingt anzusehen ist. Der Nachteil beruht auf dem Widerspruch, nicht auf der Spaltung, denn wenn der Widerspruch nicht erfolgt wäre, wäre das Arbeitsverhältnis auf den Erwerber übergegangen und nur die dadurch entstehenden Nachteile sind interessenausgleichs- und sozialplanpflichtig. Erst durch den Widerspruch ergab sich die Notwendigkeit zu prüfen, ob der Klägerin ein anderer Arbeitsplatz angeboten werden konnte oder ob ihr gekündigt werden muss.

cc) Diese Maßnahme, den widersprechenden Arbeitnehmern zu kündigen, ist aber ihrerseits nicht interessenausgleichsfähig, weil insoweit die Voraussetzungen des § 111 BetrVG nicht gegeben sind. Lediglich drei Mitarbeitern von 182 wurde gekündigt. Diese Kündigungen erfüllten nicht die Voraussetzungen des § 17 KSchG, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Bestimmung einer grundlegenden indiziell herangezogen werden müssen (vgl. BAG AP Nr. 110 zu § 112 BetrVG). Das Arbeitsgericht hat bei seiner Entscheidung nach Auffassung der Berufungskammer übersehen, dass das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung AP Nr. 32 zu § 113 BetrVG 1972 den Anspruch auf einen Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG deshalb als begründet angesehen hat, weil die Entlassung des Klägers jenes Verfahrens und weiterer Arbeitnehmer nach dem Widerspruch, bzw. von Arbeitnehmern, die bei dem Restbetrieb verblieben, eine Größenordnung erreichte, die die Voraussetzungen des § 17 KSchG erfüllte und deshalb die Voraussetzungen des § 111 Satz 2 Nr. 1 erfüllt waren. Dies ergibt sich deutlich aus dem letzten Satz unter I. der Entscheidung, in dem es heißt: "Dieser Teil der Gesamtplanung" (nämlich Entlassung der widersprechenden Arbeitnehmer und der beim Restbetrieb verbleibenden Arbeitnehmer) "ist von der Beklagten ohne Beteiligung des Betriebsrats umgesetzt worden."

dd) Eine Kausalität zwischen der interessenausgleichsfähigen Maßnahme "Spaltung des Betriebes" und der Entlassung ist deshalb nicht gegeben. Die Entlassung erfolgte auf Grund des Widerspruchs des Betriebsrats wegen des Betriebsübergangs der gleichzeitig eine Spaltung des Betriebes war. Die Maßnahme ist nicht spaltungsbedingt, weil sie dazu führte, dass der Arbeitnehmer bei dem "Hauptbetrieb", dem Einkaufsmarkt verblieb und die Entscheidung den Arbeitnehmer zu kündigen vom Arbeitgeber auf Grund des Widerspruches getroffen wurde. Daran ändert nichts die Tatsache, dass der Arbeitgeber auf die Möglichkeit der Kündigung im Schreiben vom 21.05.2003 (Bl. 9 und 10 d. A.) hingewiesen hat für den Fall des Widerspruchs. Dieser Hinweis war "fair", um dem Arbeitnehmer die Gefahren eines Widerspruchs aufzuzeigen, er bedeutet aber nicht, dass damit die Kündigung auf der Spaltung beruht, sondern die Kündigung beruht auf dem Widerspruch der Klägerin nach § 613 a Abs. 6 BGB.

Nach allem war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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