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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.05.2009
Aktenzeichen: 12 Sa 299/09
Rechtsgebiete: GG, LVO NRW


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
LVO NRW § 7
LVO NRW § 39
LVO NRW § 52
Das Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Art. 33 Abs. 2 GG ist verletzt, wenn der öffentliche Arbeitgeber für die Bewerbung von bereits beschäftigten Lehrkräften um eine Beförderungsstelle nur unbefristete und nicht auch befristete Vorbeschäftigungszeiten auf die geforderte Mindestprobezeit anrechnet.
Tenor:

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 14.01.2009 wird kostenfällig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

A. Die Parteien streiten im Rahmen eines von der Klägerin erhobenen Bewerberverfahrensanspruchs nach Art. 33 Abs. 2 GG darüber, ob - im Wege der fiktiven Nachzeichnung der beamtenrechtlichen Laufbahn - bei angestellten Lehrkräften nur Zeiten der unbefristeten Anstellung oder auch befristete Vorbeschäftigungen auf die für eine Beförderung vorausgesetzte Probezeit anrechenbar sind. Das beklagte Land verteidigt die Nichtberücksichtigung befristeter Beschäftigungsverhältnisse mit einer Gleichbehandlung der angestellten mit den beamteten Lehrkräften. Die Klägerin hält diese Handhabung im Licht des Art. 33 GG für sachwidrig, außerdem für diskriminierend und gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 TzBfG gesetzeswidrig.

Die Klägerin, am 08.04.1960 geboren, verfügt nach der am 08.11.1994 bestandenen Zweiten Staatsprüfung (Gesamtnote ,sehr gut') über die Lehrbefähigung für das Lehramt für die Sekundarstufe II.

Vom 01.08.1999 bis 17.07.2002 stand sie als vollzeitbeschäftigte Lehrerin in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land und war eingesetzt an einer Gesamtschule in Viersen. Zum 22.08.2005 trat sie erneut als Lehrerin in die Dienste des Landes und ist seither tätig als Lehrerin am C. Kolleg (Weiterbildungskolleg) in X.. Der Anstellung lag zunächst ein bis zum 31.01.2006 befristeter Arbeitsvertrag über 19 Unterrichtsstunden je Woche zugrunde, dann ein bis zum 31.01.2007 befristeter Arbeitsvertrag über eine Vollzeittätigkeit, der einverständlich zum 31.10.2006 aufgehoben und abgelöst wurde durch einen auf unbestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag.

Im Oktober 2007 unterrichtete die Bezirksregierung Düsseldorf der Schulleitung des C. Kollegs darüber, dass u. a. die Klägerin zu den beförderungsfähigen Lehrkräften gehöre. Daraufhin bewarb sich die Klägerin unter dem 31.01.2008 fristgerecht auf die ausgeschriebene Stelle "Mitarbeit bei der Betreuung von Beratungs- und Förderungsmaßnahmen am C. Kolleg in X., Besoldungsgruppe A 14 Fn 2 LbesO bzw. 14 TV-L" (Bewerbungsschluss 18.02.2008).

In der Folgezeit teilte die Bezirksregierung Düsseldorf der Klägerin mit, dass ihre Bewerbung auf die Stelle nicht möglich sei, weil sie die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfülle: Auch nach Kürzung der dreijährigen Regelprobezeit wegen des Prüfungsergebnisses "sehr gut" gemäß § 52 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 2 LVO NRW, der unterstellten besonderen Bewährung in der Probezeit sowie der nach § 52 i. V. m. § 7 Abs. 2 LVO NRW anrechenbaren Beschäftigungszeiten verbleibe die nach § 39 Abs. 4 LVO NRW zu leistende einjährige Mindestprobezeit, die mit Begründung des unbefristeten Anstellungsverhältnisses am 01.11.2006 begonnen und am 31.10.2007 geendet habe, sowie die anschließende einjährige Beförderungssperre nach § 25 Abs. 2 LBG NRW, § 10 Abs. 2 Buchst. b LVO NRW. Daher sei eine Beförderung erst ab dem 01.11.2008 möglich. Die gegenteilige Auskunft von Oktober 2007 habe auf einem Büroversehen beruht.

Die Klägerin wandte erfolglos ein, dass der befristete Vollzeit-Arbeitsvertrag ab dem 01.02.2006 auf die Mindestprobezeit anzurechnen und dementsprechend die Beförderungssperre 9 Monate früher abgelaufen sei; das Land habe sie nach ihrer - unstreitig rechtzeitigen - Bewerbung deshalb in das Auswahlverfahren um die ausgeschriebene Stelle miteinzubeziehen.

In einem von der Klägerin angestrengten einstweiligen Verfügungsverfahren (ArbG Wuppertal 3 Ga 18/08 = LAG Düsseldorf 2 SaGa 14/08) hat sich das beklagte Land verpflichtet, die ausgeschriebene Stelle bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Hauptsacheverfahrens nicht zu besetzen.

Auf die Ende Juli 2008 eingereichte Klage hat das Arbeitsgericht Wuppertal am 14.01.2009 das beklagte Land verurteilt, die Klägerin in das Auswahlverfahren um die ausgeschriebene Stelle einer Mitarbeiterin bei der Betreuung von Beratungs- und Fördermaßnahmen am C. Kolleg in Wuppertal, Besoldungsgruppe A 14 Fn 2 LBesO bzw. 14 TV-L mit einzubeziehen.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift das beklagte Land das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an. Es beantragt die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage. Die Klägerin verteidigt das Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen Bezug genommen.

B. Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben.

I. Das Arbeitsgericht hat zutreffend nicht auf die im Oktober 2007 erfolgte Mitteilung der Bezirksregierung an die Schulleitung abgestellt, wonach die Klägerin dem Kreis der beförderungsfähigen Lehrkräfte angehöre. Bei der Mitteilung handelt es sich um keine der Klägerin erteilte "Zusage".

II. Nach zutreffender höchstrichterlicher Spruchpraxis (BVerfG 10.12.2008 - 2 BvR 2571/07 - Juris Rn. 10, BAG 15.03.2005 - 9 AZR 142/04 - Juris, 23.01.2007 - 9 AZR Juris Rn. 40) kann sich ein Beförderungsbewerber für die Bewerberauswahl auf die Anwendung der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG berufen. Da das beklagte Land die Stelle "Betreuung von Beratungs- und Förderungsmaßnahmen am Weiterbildungskolleg - C. Kolleg - X." auch für Beförderungsbewerber ausgeschrieben hat, ist es bei der Stellenbesetzung gehalten, die sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Auswahlkriterien Eignung, Befähigung und Leistung auf sämtliche Bewerber und damit auf die Klägerin anzuwenden.

1. Wie das Bundesarbeitsgericht (15.03.2005, a. a. O.) erkannt hat, steht es grundsätzlich dem öffentlichen Arbeitgeber frei, für die geschaffenen Stellen ein Anforderungsprofil aufzustellen, dessen Erfüllung Voraussetzung für die Teilnahme am Bewerbungsverfahren ist. "Durch die Bestimmung eines Anforderungsprofils für einen Dienstposten legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest. Anhand dieses Anforderungsprofils hat er dann festzustellen, welcher Bewerber diesem am besten entspricht. Die rechtlichen Anforderungen an den öffentlichen Arbeitgeber entsprechen denen, die er als Dienstherr anzuwenden hat, wenn sich (auch) Beamte um eine Stelle bewerben. Die Funktionsbeschreibung des Dienstpostens bestimmt objektiv die Kriterien, die der Inhaber erfüllen muss. An ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten gemessen, um eine bestmögliche Besetzung zu gewährleisten. Das vom öffentlichen Arbeitgeber geforderte Bewerberprofil strukturiert den Bewerberkreis, indem es in persönlicher und fachlicher Hinsicht Qualifikationsanforderungen an Stellenbewerber beschreibt. Die Erstellung eines derartigen konstitutiven Anforderungsprofils ist demnach Ausdruck der Anwendung der in Art. 33 Abs. 2 GG für die Personalentscheidung genannten Kriterien. Es soll eindeutig ungeeignete Bewerber schon im Vorfeld der eigentlichen Auswahlentscheidung aus dem Kreis der in das engere Auswahlverfahren einzubeziehenden Bewerber ausschließen.

Grundsätzlich ist es zulässig, dass der öffentliche Arbeitgeber in seinem Anforderungsprofil für eine Stelle eine Mindestbeschäftigungsdauer für Bewerber fordert. Dies steht dann mit Art. 33 Abs. 2 GG im Einklang, wenn es einer sachgerechten Anwendung des Leistungsgrundsatzes dient. Die Wartezeit, die mit dem Erfordernis einer Mindestbeschäftigungszeit zwangsläufig verbunden ist, muss geeignet und erforderlich sein, um eine zuverlässige Beurteilung des Leistungsvermögens und eine fundierte Prognose über die voraussichtliche Bewährung des Bewerbers in einem höheren Amt zu ermöglichen."

2. In Anwendung dieser Maßstäbe ist mit einer sachgerechten Anwendung des in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Eignungs- und Leistungsgrundsatzes unvereinbar, Beschäftigungszeiten, denen befristete Arbeitsverträge zugrunde lagen und die nahtlos in das zuletzt auf unbestimmte Zeit begründete Arbeitsverhältnis mündeten, nicht nach § 52 i. V. m. § 7 Abs. 2 LVO NRW zu berücksichtigen.

a) Die Beschäftigung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis ist, was die Eignung der Lehrkraft für das Beförderungsamt anbelangt, nicht aussagekräftiger als die Beschäftigung in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Die Lehrer-Tätigkeit ist nach Umfang, Inhalt und Anforderungen grundsätzlich dieselbe, so dass sich z. B. Rückschlüsse auf eine bessere Eignung der (seit mindestens einem Jahr) unbefristet beschäftigten Lehrkraft für das Beförderungsamt nicht ziehen lassen. Da im Lehrerbereich weder bei den angestellten noch den beamteten Lehrkräften eine Regelbeurteilung, sondern lediglich eine Anlassbeurteilung stattfindet, vermag auch der Aspekt der "Bewährung" oder einer im Beurteilungszeitraum nachgewiesenen Leistung keine Differenzierung zwischen befristeten und unbefristeten Beschäftigungszeiten zu tragen. Die in § 2 Abs. 4 Satz 1 TV-L vorgesehene sechsmonatige Probezeit wird nach Angabe des Landes in der mündlichen Verhandlung zwar abgeschlossen mit einer dienstlichen Beurteilung. Dieser Beurteilungsvorgang vermag indessen nicht den späteren Ausschluss eines befristet beschäftigten Bewerbers bei Beförderungen sachlich zu rechtfertigen. Abgesehen davon, dass dieser nach § 30 Abs. 4 TV-L ebenfalls eine Probezeit zu absolvieren hat, kann dem Beförderungsbewerber jedenfalls dann nicht die befristete Anstellung entgegengehalten werden, wenn er eine unbefristete Beschäftigung mit einer Probezeit aufzuweisen hat. So verhält es sich hier. Unabhängig davon, dass das Land im Arbeitsvertrag vom 25.03.1999 (dort § 8) gegenüber der Klägerin auf eine Probezeit verzichtet hatte, war die im Arbeitsvertrag vom 27.10.2006 (dort § 3) festgelegte sechsmonatige Probezeit abgelaufen, als die Klägerin sich um die ausgeschriebene Stelle bewarb.

b) Hinzu kommt folgende Erwägung: Ob einem Lehramtsbewerber entweder die Verbeamtung bzw. wegen Überschreitens der Höchstaltersgrenze ein unbefristeter Arbeitsvertrag oder "nur" ein befristeter Arbeitsvertrag insbes. für Vertretungsunterricht angeboten wird, hängt ab von der Fächerkombination, der Examensnote und dem Gesundheitszustand. Während für den Bewerber mit der ungünstigen Fächerkombination Deutsch/Geschichte, einem "schlechten" Examen und/oder gesundheitlichen Problemen der befristete Arbeitsvertrag vorbestimmt ist, liegen die Dinge anders bei dem Bewerber mit der günstigen Fächerkombination Mathematik/Physik, einem guten Examen und Gesundheitszustand. Diese Parameter können zwar, wenn es um die Übertragung eines Beförderungsamtes geht, nach Maßgabe der fachspezifischen oder personenbezogenen Anforderungen dieses Amtes bei der "Bestenauslese" berücksichtigt werden. Der Umstand, dass die bisherige Anstellung anfänglich befristet war oder von vornherein unbefristet erfolgte, sagt als solcher jedoch nichts aus über die Eignung für das Beförderungsamt.

3. Ohne Erfolg wendet das Land ein, mit dem Anforderungsmerkmal, dass die einjährige Mindestprobezeit nach § 39 Abs. 4 LVO NRW nur in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis geleistet werden könne, die Gleichbehandlung zwischen angestellten und beamteten Beförderungsbewerbern zu bewirken. Ungeachtet der Frage, inwieweit im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GG eine differenzierte Behandlung der verschiedenen Beschäftigtengruppen des öffentlichen Dienstes zulässig ist (vgl. Kammer 25.02.2004 - 12 Sa 1750/03 - Juris Rn. 30 f.), ist jedenfalls das vom beklagten Land angewendete Instrument der fiktiven Laufbahnnachzeichnung grenzwertig, weil das Laufbahnprinzip nur im Beamtenrecht gilt (vgl. BAG 18.09.2001, Juris Rn. 33) und Beamten- und Arbeitsverhältnisse sich wesentlich voneinander unterscheiden (vgl. BAG 15.11.2005 - 9 AZR 209/05 - Juris Rn. 41), so auch und gerade bei der Ausgestaltung und Zwecksetzung von "Probezeiten" (BAG 18.09.2001, Juris Rn. 35). Dieser Befund verbietet es, an eine für Beamte und Angestellte ausgeschriebene Stelle ohne sachlichen Grund Anforderungen zu stellen, die ihrerseits auf beamtenrechtliche Typisierungen und laufbahnrechtliche Prämissen beruhen und somit von Bewerbern, deren beruflicher Werdegang sich im Arbeitsverhältnis vollzogen hat, nicht erfüllt werden können (vgl. BAG 18.09.2001- 9 AZR 410/00 - Juris Ls.).

So liegen die Dinge im vorliegenden Fall. Indem es praktisch keine befristete Beschäftigung von beamteten Lehrkräften gibt, leisten diese die nach § 39 Abs. 4 LVO NRW erforderliche Mindestprobezeit zwangsläufig in einem unbefristeten Dienstverhältnis. Im Unterschied hierzu steht - in der Praxis verbreitet - die befristete Anstellung von Lehrkräften. Damit kann die "Befristung" gerade und nur im Angestelltenbereich zum Ausschlussgrund bei Beförderungsbewerbungen werden. Für diese Ungleichbehandlung ist im Licht der Auswahlkriterien des Art. 33 Abs. 2 GG kein Sachgrund erkennbar.

In diesem Zusammenhang hält das Land dem Hinweis der Klägerin auf § 83 Abs. 2 LVO NRW zu Unrecht entgegen, dass die Klägerin zuvor nicht in einem Beamtenverhältnis gestanden habe. Es übersieht, dass vielmehr der Gleichbehandlungsgrundsatz, dessen Anwendung impliziert, wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG 16.03.2009 - 2 BvR 1003/08- Juris Rn. 13), die Berücksichtigung eines früheren befristeten Arbeitsverhältnisses nahelegt.

4. Ist nach allem die Klägerin zum 18.02.2008 beförderungsfähig gewesen und daher in das Auswahlverfahren miteinzubeziehen, kann dahinstehen, ob die in der Ausschreibung gesetzte Bewerbungsfrist eine Ausschlussfrist ist (BAG 17.01.2006 - 9 AZR 226/05 - Juris Rn. 53) bzw. eine Bewerbung zu berücksichtigen ist, bei der die Beförderungsfähigkeit des Bewerbers erst nach der Bewerbungsfrist während der von ihm im Verfügungsverfahren erwirkten Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs eintritt.

C. Die Kosten der Berufung hat nach § 97 Abs. 1 ZPO das Land zu tragen.

Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher für das Land die Revision zugelassen, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

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