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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.06.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 383/08
Rechtsgebiete: AGG, ArbGG


Vorschriften:

AGG § 1
AGG § 3 Abs. 3
AGG § 7
AGG § 12 Abs. 2
AGG § 15 Abs. 2
AGG § 15 Abs. 2 S. 1
AGG § 15 Abs. 4
AGG § 22
ArbGG § 61 b
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1
Sind die tatsächlichen Vorgänge, auf die eine Belästigung i. S. d. § 3 Abs. 3 AGG gestützt werden, bereits abgeschlossen, kann nicht von einem Dauertatbestand ausgegangen werden, bei dem die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht mit dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens, sondern mit seiner Beendigung beginnt. Von einem Dauertatbestand zu unterscheiden sind Tatbestände, die bereits abgeschlossen sind und nur noch fortwirken. In diesen Fällen beginnt die Geltendmachungsfrist mit dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens.
Tenor:

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 24.01.2008 - 3 Ca 1997/07 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit ihrer am 11.06.2007 beim Arbeitsgericht Essen eingegangenen Klage begehren die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

Die Kläger, die türkische Staatsangehörige sind, sind bei der Beklagten als Kommissionierer im Lager F. zu einem monatlichen Bruttolohn von ca. 2.500,00 € beschäftigt. Der Kläger zu 4) hat zusätzlich zur türkischen Staatsangehörigkeit im Jahre 1999 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben.

Im Lager F. sind 40 bis 50 Arbeitnehmer beschäftigt, davon ca. 50 % ausländische Mitarbeiter.

Für die ausländischen Mitarbeiter stellt die Beklagte bei Grillfesten einen separaten Grill zur Verfügung, auf dem ausschließlich bei einem muslimischen Metzger erworbenes Fleisch gegrillt wird. Für die muslimischen Mitarbeiter am Lagerstandort F. hat sie einen Gebetsraum eingerichtet.

In einem beim Arbeitsgericht Essen unter dem Az 7 Ca 1038/07 geführten Kündigungsrechtsstreit des bei der Beklagten ebenfalls im Lager beschäftigten Mitarbeiters U. hat dieser mit Schriftsatz vom 20.03.2007 die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 5.100,00 € beantragt und dazu vorgetragen, mindestens seit Anfang 2006 seien zwei bis drei Innentüren der fünf auf der Herrentoilette im Lager befindlichen Einzelkabinen mit ausländerfeindlichen Beschriftungen versehen.

Die Toiletten im Lager werden vom Betriebsleiter nicht benutzt, denn im Betrieb der Beklagten existiert eine weitere Toilette für die kaufmännischen Mitarbeiter.

Anfang April 2007 hat die Beklagte veranlasst, dass die Beschriftungen in den Herrentoiletten beseitig werden.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 11.04.2007 haben die Kläger von der Beklagten die Zahlung einer Entschädigung wegen einer Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 3 AGG verlangt.

Die Kläger haben vorgetragen, mindestens seit Anfang 2006, zum Teil erheblich früher, hätten sich in mindestens zwei von fünf für die gewerblichen Arbeitnehmer vorgesehenen Herrentoiletten im Lager ausländerfeindliche Beschriftungen, zum Teil wohl in unterschiedlicher Handschrift, und außerdem ein Hakenkreuz befunden. Die Beschriftungen hätten unter anderem folgenden Inhalt gehabt:

"Scheiß Ausländer, ihr Hurensöhne, Ausländer raus, ihr Kanaken, Ausländer sind Inländer geworden".

Bereits im September 2006 habe der Mitarbeiter U. den Niederlassungsleiter der Beklagten, Herrn T., auf diesen Umstand hingewiesen. Herr T. habe dazu nur gesagt, dass die Leute eben so denken würden. Im Januar/Februar 2007 habe der Kläger zu 2) ebenfalls gegenüber dem Niederlassungsleiter die Beschriftungen anlässlich eines Gesprächs über andere Dinge erwähnt und dazu geäußert, dass "ausländerfeindliche Beschriftungen" in der Toilette seien, die er "nicht korrekt" finde. Herr T. sei über diesen Umstand offensichtlich informiert gewesen, habe sich jedoch auf die Äußerung beschränkt, er wisse auch nicht, wer das mache. Die Kläger haben die Auffassung geäußert, die Beklagte habe das "AGG-Management" bzw. die "AGG-Inventur" verabsäumt. Sie habe nach Inkrafttreten des Gesetzes die Räumlichkeiten in ihrem Organisationsbereich auf diskriminierende Tatbestände, Beschriftungen, Bilder usw. prüfen müssen. Ihr sei sogar ein eigenes Verschulden vorzuwerfen, da sie es trotz der Beanstandungen eines Mitarbeiters unterlassen habe, die Beschriftungen zu entfernen. Anspruchserhöhend sei, dass die Beklagte die nach § 12 Abs. 2 AGG notwendigen Schulungen unterlassen und keine Beschwerdestelle unter Beteiligung des Betriebsrats eingerichtet habe. Bei den Betriebsräten seien zudem von sieben Mitgliedern lediglich drei geschult worden. Den Gesetzestext des AGG habe die Beklagte erst im März/April 2007, nachdem der erste Mitarbeiter sich wegen der Beschriftungen beschwert hatte, für wenige Tage ausgehängt.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen, für den Kläger zu 2) mindestens 7.500,00 € netto, für die übrigen Kläger mindestens je 10.000,00 € netto, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem EZB-Basiszinssatz.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die geltend gemachte Entschädigung entbehre jeglicher Sach- und Rechtsgrundlage. Die von den Klägern vorgetragenen Beschriftung auf den Herrentoiletten sowie die Behauptung, der Mitarbeiter U. sowie der Kläger zu 2) hätten Herrn T. auf die Beschriftungen hingewiesen, hat sie bestritten. Sie hat behauptet, sie habe erstmals durch das Schreiben des Klägervertreters im Kündigungsschutzprozess des Mitarbeiters U. von den Schmierereien Kenntnis erhalten, die sodann unverzüglich entfernt worden seien. Auch beim Betriebsrat hätten sich keine Mitarbeiter über Schmierereien beschwert. Ihrer Organisationspflicht sei sie vollumfänglich nachgekommen. Bereits im September 2006 seien der Gesetzestext des AGG, § 61 b ArbGG sowie weitere Informationen zum AGG den Mitarbeitern über das S. Infonet und über das "Schwarze Brett" bekannt gemacht worden. Als Ansprechpartner für den Betrieb F. sei Herr T. benannt worden. Am 11.01.2007 sei sodann eine AGG-Schulung für die Betriebsräte der Region West durchgeführt worden. Am 16. und 23.01.2007 wären die Betriebsleiter geschult worden. Im Betrieb herrsche ein ausländerfreundliches Klima.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T. und X. sowie Vernehmung des Klägers zu 2) als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 24.01.2008 (Bl 115 - 117 der Akte) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt, der Eingriff in die Rechtssphäre der Kläger durch die Toiletten-Schmierereien sei nicht so intensiv, dass von einer Schadensersatzansprüche auslösenden Benachteiligung auszugehen sei. Das Erfordernis, dass durch die Beschriftungen ein von Einschüchterung, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld im Betrieb geschaffen worden sei, sei nicht erfüllt. Bei den Beschriftungen, die weder einen konkreten Urheber noch einen konkreten Adressaten auswiesen, handele es sich in aller Regel um "Dummheiten" und "Boshaftigkeiten", nicht aber um diskriminierendes, mit rechtlichen Sanktionen zu belegendes Verhalten. So habe der Zeuge T. ausgesagt, dass auf den Toiletten auch deutschfeindliche Beschriftungen angebracht worden seien sowie zahlreiche Beschriftungen in arabischer Sprache. Wäre im Betrieb der Beklagten ein ausländerfeindliches Umfeld geschaffen worden, hätte dies zu Unruhen und Beschwerden ausländischer Mitarbeiter führen müssen. Vorliegend hätten sich allenfalls zwei Mitarbeiter, zudem eher beiläufig an den Zeugen T. gewandt. Außerdem habe die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass in ihrem Betrieb ein ausländerfreundliches Klima herrsche. Wie sich aus den Aussagen der Zeugen ergebe, habe sie sich auch bemüht, ihre Organisationspflichten zu erfüllen. Zu Gunsten der Beklagten sei zudem zu berücksichtigen, dass sich das AGG im hier maßgeblichen Zeitpunkt noch in der "Aufbauphase" befunden habe.

Gegen das den Klägern am 13.02.2008 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Essen haben die Kläger mit einem am 03.03.2008 per Fax und am 04.03.2008 im Original bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 10.04.2008 per Fax und am 11.04.2008 im Original bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Kläger rügen unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, die Auffassung des Arbeitsgericht, bei den Beschriftungen handele es sich um Dummheiten und Boshaftigkeiten sei jedenfalls dann nicht richtig, wenn der Niederlassungsleiter T. durch zwei Mitarbeiter auf die Beschriftungen hingewiesen worden sei, wie die Kläger dies behaupten. Dann schlage die bisherige Dummheit und Boshaftigkeit in ein von "Anfeindung gekennzeichnetes Umfeld" um. In diesem Zusammenhang sei belanglos, dass der Arbeitgeber einen Gebetsraum zur Verfügung stelle und auf die religiösen Nahrungsgebote Rücksicht nehme. Zudem seien diese Maßnahmen der Beklagten an der Religionszugehörigkeit ausgerichtet und stünden in keinem Bezug zur Nationalität und Volkszugehörigkeit. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht auf die Vernehmung des Zeugen U., der zum Beweisaufnahmetermin entschuldigt nicht erschienen war, verzichtet. Die Angaben des Zeugen T. seien mit Vorbehalt aufzunehmen, da er als Lagerleiter verantwortlich war und eine schwere Pflichtverletzung begangen hätte, wenn er den Hinweisen der beiden Mitarbeiter nicht nachgegangen wäre.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts nach den Anträgen der Kläger aus der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist darauf hin, der Zeuge T. habe glaubhaft geschildert, von den Mitarbeitern auf die Schmierereien nicht angesprochen worden zu sein. Vielmehr sei der Zeuge U. mit Vorbehalt aufzunehmen, der aufgrund der von ihm selbst geltend gemachten Ansprüche ein erhebliches Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits habe. Im F. Betrieb bestehe auch kein feindliches Umfeld, das nur dann angenommen werden könne, wenn es für das fragliche Arbeitsverhältnis prägende Bedeutung entfalte.

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die statthafte (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) ist zulässig.

II.

Die Berufung der Kläger ist jedoch unbegründet und war demgemäss zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen und festgestellt, dass den Klägern gegen die Beklagte kein Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 S. 1 AGG i.V.m. § 7 AGG zusteht.

Nach § 15 Abs. 2 S. 1 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 AGG i.V.m. § 1 AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Darlegungs- und beweispflichtig für die Benachteiligung ist der Anspruchsteller. Aus § 22 AGG ergibt sich sodann für den Anspruchsteller eine gesetzliche Beweiserleichterung, um den Kausalzusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu der geschützten Gruppe gemäß § 1 AGG und dem Betroffensein von dem Nachteil zu erleichtern (vgl. ErfK , 8. Aufl., § 22 AGG, Rdnr. 2).

Die Kläger haben sich vorliegend auf eine Benachteiligung in Form einer Belästigung gemäß § 3 Abs. 3 AGG berufen. Danach ist eine Belästigung eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen sind die Kläger darlegungs- und beweispflichtig.

Ob die Voraussetzung, dass eine unerwünschte Verhaltensweise vorliegt, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang steht und bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, erfüllt ist, kann vorliegend dahinstehen, denn auch die Berufungskammer kann - wie bereits das Arbeitsgericht - nach dem Vortrag der Kläger jedenfalls nicht feststellen, dass durch die "Toiletten-Schmierereien" bewirkt worden ist, dass ein im Sinne des § 3 Abs. 3 AGG erforderliches "feindliches Umfeld" geschaffen wurde.

§ 3 Abs. 3 letzter Teilsatz AGG stellt ausdrücklich darauf ab, ob ein durch "Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld" geschaffen wird. Der letzte Teilsatz des Abs. 3 enthält mithin besonders schwerwiegende Beispiele für würdeverletzende Verhaltensweisen, die notwendig zur Würdeverletzung hinzutreten müssen, was sich aus der Verbindung "und" zwischen den gesetzlichen Voraussetzungen ergibt. Sie konkretisieren damit den Maßstab für den bei einer Belästigung gemäß Abs. 3 vorauszusetzenden Schweregrad einer unerwünschten Belästigung, der bereits beträchtlich und deutlich oberhalb einer bloßen Lästigkeitsschwelle sein muss. Darüber hinaus müssen diese Belästigungen das Umfeld nach dem gesetzlichen Wortlaut "kennzeichnen". Ein Umfeld "kennzeichnen" können sie nur dann, wenn sie für das Arbeitsverhältnis prägende Bedeutung entfalten (vgl. ErfK, 8. Aufl., § 3 AGG, Rdnr. 16).

Eine "prägende Bedeutung" kann grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn einzelne Tathandlungen aufeinander aufbauen und ineinander greifen, d.h. systematisch dazu dienen, die Würde des Betroffenen zu verletzen. Lässt sich eine systematische Verklammerung einzelner Tathandlungen nicht feststellen, fehlt es am "feindlichen Umfeld". Damit soll gerade verhindert werden, dass eine einmalige Handlung zur Annahme einer Belästigung führt. Insoweit sind strenge Anforderungen zu stellen, wie etwa bei der Feststellung, ob Mobbing vorliegt. Auch das Bundesarbeitsgericht geht in seiner Entscheidung vom 25.10.2007 (8 AZR 593/06, zitiert nach juris) davon aus, dass ein Umfeld grundsätzlich nicht durch ein einmaliges, sondern durch ein fortdauerndes Verhalten geschaffen wird.

Nach dem eigenen Vortrag der Kläger bestehen die Beschriftungen auf zwei von fünf Herrentoiletten bereits mindestens seit Anfang 2006. Dass immer wieder neue Tathandlung in Form von neuen Beschriftungen hinzugekommen sind, haben die Kläger selbst nicht behauptet. Damit liegt - soweit nach dem Vortrag der Kläger feststellbar - nur eine Tathandlung oder mehrere, aber weit zurückliegende Tathandlungen vor, die zwar - dies ist den Klägern zuzugestehen - eine Dauerwirkung entfalten, weil sie seit Anfang des Jahres 2006 fortlaufend sichtbar waren, sofern Mitarbeiter diese beiden Toiletten benutzten. Allein aus dieser Dauerwirkung kann nach Auffassung der Berufungskammer jedoch nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass damit eine systematische und fortgesetzte Herabwürdigung bezweckt oder bewirkt wird, die prägende Bedeutung für die Arbeitsverhältnisse der Kläger entfalten. Möglicherweise sind die Arbeitnehmer, die diese Beschriftungen anonym angebracht haben, gar nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt. In diesem Fall könnte nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Beschriftungen ein feindliches Umfeld geschaffen wird. Anhaltspunkte dafür, dass sich das "feindliche Umfeld" auch aus anderen Tathandlungen ergibt, haben die Kläger nicht vorgetragen.

Der Vortrag der Kläger, das feindliche Umfeld sei spätestens zu dem Zeitpunkt entstanden, als der Niederlassungsleiter T. im September 2006 von den Beschriftungen erfahren habe - den Vortrag der Kläger als richtig unterstellt - ist für die Berufungskammer nicht nachvollziehbar. Unstreitig hat der Niederlassungsleiter sich mit den behaupteten Beschriftungen nicht identifiziert. Es ist nicht ersichtlich und von den Klägern auch nicht vorgetragen, wieso durch eine unterlassene Beseitigung der Beschriftungen, die - von den Klägern unbeanstandet - seit Monaten in der Herrentoilette vorhanden waren, ein feindliches Umfeld bewirkt worden sein soll. Die Kläger haben sich auf die Behauptung beschränkt, dass dies so sei. Allein aufgrund dieser Behauptung kann nicht festgestellt werden, dass Tathandlungen vorliegen, die systematisch dazu dienen, die Würde der Kläger zu verletzen und für das Arbeitsverhältnis prägende Bedeutung haben. Nach Auffassung der Berufungskammer sind einmalige Tathandlungen selbst dann, wenn sie fortwirken, für sich genommen nicht geeignet, die Annahme einer prägenden Bedeutung für das Arbeitsverhältnis zu rechtfertigen, soweit nicht weitere Umstände hinzu kommen, aus denen geschlossen werden kann, dass die Würde der Kläger systematisch verletzt werden soll.

Selbst wenn unterstellt wird, dass eine Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 3 AGG gegeben ist, steht den Klägern nach Auffassung der Berufungskammer ein Entschädigungsanspruch auch deshalb nicht zu, weil die Kläger die Geltendmachungsfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht eingehalten haben.

Die Zweimonatsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, in dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Wie bereits ausgeführt, hatten die Kläger bereits seit Anfang des Jahres 2006 Kenntnis von den Beschriftungen in der Herrentoilette. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass das AGG trotzdem auf diesen Sachverhalt Anwendung findet, weil dieser aufgrund seiner Fortwirkung in den Zeitpunkt hineinreicht, ab dem das AGG Geltung erlangte, ist festzustellen, dass die Kläger unstreitig bereits lange vor Geltendmachung der Entschädigung von der Belästigung Kenntnis hatten.

In diesem Zusammenhang kann nach Auffassung der Berufungskammer nicht von einem Dauertatbestand ausgegangen werden, bei dem die Ausschlussfrist nicht mit dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens, sondern mit seiner Beendigung beginnt, denn Voraussetzung für die Annahme eines Dauertatbestandes ist, dass entweder fortlaufend neue Tatsachen eintreten oder ein noch nicht abgeschlossener Zustand vorliegt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Von einem Dauertatbestand zu unterscheiden sind Tatbestände, die bereits abgeschlossen sind und nur noch fortwirken. Dies ist vorliegend der Fall, denn die tatsächlichen Vorgänge, die für die Belästigung maßgeblich sind und auf die sie von den Klägern gestützt werden, sind bereits abgeschlossen. Daher hätten die Kläger nach Auffassung der Berufungskammer bereits zwei Monate nach der Geltung des AGG ihren Entschädigungsanspruch aufgrund der fortwirkenden Belästigung geltend machen müssen. Spätestens jedoch nach dem ersten - von den Klägern behaupteten - Hinweis an den Arbeitgeber im September 2006, auf den alle Kläger sich berufen haben, hätten diese nach Ablauf von zwei Monaten einen Entschädigungsanspruch geltend machen müssen, denn innerhalb dieser Frist war für die Kläger leicht feststellbar und ersichtlich, dass die Belästigung nicht beseitigt wird.

Dass diese Sichtweise sachgerecht und unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks des Gesetzes gerechtfertigt ist, ergibt sich auch aus folgender Betrachtung:

Die Beklagte hat die Beschriftungen in der Herrentoilette Anfang April 2006 entfernt. Erst danach, nämlich am 11.04.2006, haben die Kläger ihren Entschädigungsanspruch geltend gemacht. Eine andere als die hier vertretene Betrachtungsweise würde im Ergebnis dazu führen, dass ein einmalig gesetzter Tatbestand, der die Voraussetzungen einer Belästigung erfüllt, über Jahre hinweg von einem Arbeitnehmer hingenommen werden könnte und erst dann geltend gemacht werden müsste, wenn die Belästigung, die den Entschädigungsanspruch begründet, beseitig worden ist. Dies ist weder mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes, das letztlich keinen Sanktions-, sondern Präventionscharakter haben soll, noch dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen, die zu einer zeitgerechten Rechtssicherheit und Rechtsklarheit führen sollen, vereinbar.

Diese Auffassung steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, das zum Beispiel in Mobbingfällen darauf abstellt, dass die letzte Mobbinghandlung innerhalb der Ausschlussfrist liegen muss. Auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung wird ersichtlich, dass nicht die fortdauernde Wirkung einer Belästigung entscheidend ist, sondern die aufeinander aufbauenden und ineinandergreifenden, mithin systematischen Tathandlungen.

Danach war die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

III.

Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gemäß 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO den Klägern aufzuerlegen.

IV.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da entscheidungserhebliche Rechtsfragen vorliegen, die grundsätzliche Bedeutung haben, für die Einheitlichkeit der Rechtsordnung von allgemeiner Bedeutung und höchstrichterlich noch nicht entschieden sind.

Ende der Entscheidung

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