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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.06.2004
Aktenzeichen: 1 Sa 415/04
Rechtsgebiete: TVK


Vorschriften:

TVK § 12 Abs. 2
Stellt der Arbeitgeber dem Musiker ein Instrument zur Verfügung und nutzt der Musiker daneben zum häuslichen Üben ein eigenes Instrument, hat er auch dann keinen Anspruch auf ein Instrumentengeld gemäß § 12 Ab. 2 des Tarifvertrages für Musiker in Kulturorchestern (TVK), wenn es sich um ein besonders sperriges Instrument handelt (hier: Kontrabass).
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 Sa 415/04

Verkündet am 23. Juni 2004

In Sachen

hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 23.06.2004 durch die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts Lemppenau-Krüger als Vorsitzende sowie die ehrenamtliche Richterin Boecker und die ehrenamtliche Richterin Jait

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 12.11.2003 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal ­ 3 Ca 3873/03 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit der Klage beansprucht die Klägerin Instrumentengeld nach Maßgabe des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrages für Musiker in Kulturorchestern (TVK) in Verbindung mit dem Tarifvertrag über Instrumentengeld und Rohr-, Blatt- und Saitengeld. Die Klägerin ist Kontrabassistin beim Sinfonieorchester X. . Der Arbeitgeber stellt ihr ein Instrument zur Verfügung. Um zuhause zu üben, benutzt sie ihr eigenes Instrument.

§ 11- Haftung - lautet:

Der Musiker haftet dem Arbeitgeber aus vorsätzlichem oder fahrlässigem Verhalten auf Schadensersatz. § 12 Abs. 1 bleibt unberührt.

In § 12 ­ Instrumente - heißt es, soweit hier von Interesse:

(1) Der Musiker ist verpflichtet, jedes ihm zur Benutzung zugewiesene Instrument pfleglich zu behandeln. Der Arbeitgeber trägt die erforderlichen Instandsetzungskosten. Der Musiker haftet für die Beschädigungen und den Verlust bei einem Gebrauch des Instruments außerhalb des dienstlichen Interesses auch ohne Verschulden, im übrigen nur bei eigenem Verschulden.

(2) Soweit dem Musiker ein Instrument nicht zur Verfügung gestellt worden ist, hat er ein gutes Instrument in tadellosem und spielfertigen Zustand zu benutzen. Der Arbeitgeber hat ihm für die Abnutzung ein Instrumentengeld zu gewähren; die Höhe des Instrumentengeldes wird durch einen besonderen Tarifvertrag bestimmt. Der Arbeitgeber trägt ferner die als erforderlich nachgewiesenen Instandsetzungskosten, wenn sie in angemessenem Verhältnis zum Zeitwert des Instrumentes stehen.

(3) Der Arbeitgeber haftet in allen Fällen, in denen er dem Musiker ein Instrument nicht zur Verfügung gestellt oder die Benutzung eines eigenen Instrumentes gestattet hat, für die Beschädigungen und den Verlust der zu dienstlichen Zwecken im Betrieb befindlichen Instrumente (einschließlich der Behälter) des Musikers, es sei denn, dass der Musiker die Beschädigungen oder den Verlust verschuldet hat. Dasselbe gilt für Beschädigungen und den Verlust bei einer Beförderung des Instrumentes auf Veranlassung oder im Interesse des Arbeitgebers.

...

Bis August 2002 zahlte die Beklagte ein Instrumentengeld in Höhe von 21,70 €, stellte die Zahlung jedoch nach Beanstandung durch das Rechnungsprüfungsamt ab September 2002 ein.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe, obwohl der Arbeitgeber ihr ein Instrument zur Verfügung stelle, Anspruch auf das Instrumentengeld, da sie gezwungen sei, ihr eigenes Instrument zu benutzen. Sie müsse zu Hause üben, da es bei der Beklagten keine ausreichenden Räume gebe, in denen geprobt werden könne. Es sei ihr nicht zuzumuten, ein so großes Instrument wie den Kontrabass zu transportieren.

Sie hat, wobei sie in erster Instanz den Oberbürgermeister als Partei bezeichnet hat, den Antrag gestellt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 238,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.07.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Tarifvertragsparteien hätten in Kenntnis der Tatsache, dass es sich bei dem Kontrabass um ein sperriges Instrument handele, nicht geregelt, dass zwei Instrumente zur Verfügung gestellt werden müssten. Hilfsweise hat sie geltend gemacht, für die geringere Abnutzung des Instruments durch das häusliche Üben könne allenfalls ein anteiliges Instrumentengeld verlangt werden.

Das Arbeitsgericht Wuppertal hat mit Urteil vom 12.11.2003, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe im übrigen verwiesen wird, die Klage abgewiesen. In den Gründen hat es ausgeführt, nach dem eindeutigen Wortlaut des § 12 TVK sei, da der Klägerin ein Instrument zur Verfügung gestellt werde, der geltend gemachte Anspruch nicht gegeben.

Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf ein weiteres Instrument bzw. daraus folgend, auf Zahlung eines Instrumentengeldes, weil ein zweites Instrument nicht zur Verfügung gestellt werde. Der Klägerin sei zumutbar, den Kontrabass zu transportieren, da sie nicht darauf angewiesen sei, ihre vertraglichen Pflichten zuhause zu erledigen. Ihr stehe in den Proberäumen des Orchesters ausreichend Platz und Zeit zum Üben zur Verfügung. Das häusliche Üben sei eine freiwillige Leistung des jeweiligen Musikers und nicht Bestandteil der geschuldeten entgeltlichen Arbeitsleistung.

Gegen das ihr am 12.02.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 09.03.2004, eingegangen beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tage, Berufung eingelegt und sie mit Schriftsatz vom 26.03.2004, eingegangen am 29.03.2004, begründet.

Sie vertritt die Auffassung, das häusliche Üben sei Bestandteil der vertraglich geschuldeten Leistung und behauptet, sie habe keine ausreichende Möglichkeit, in Räumen des Arbeitgebers zu üben.

Zu Unrecht sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, ihr sei zuzumuten, das Instrument zu transportieren. Arbeitsvertraglich sei sie lediglich dazu verpflichtet, das Instrument zu spielen. Für den Transport seien Orchesterwarte zuständig. Im Hinblick darauf, dass sie wegen der unzureichenden Räumlichkeiten gehalten sei, zuhause zu üben, erstrecke sich die Verpflichtung des Arbeitgebers auch auf den Transport des Dienstinstrumentes von zuhause aus. Da die Beklagte für einen entsprechenden Transport nicht sorge, müsse sie als Ausgleich das Instrumentengeld zahlen.

Sie stellt den Antrag,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 12.11.2003 ­ 3 Ca 3873/03­ aufzuheben

sowie

die Beklagte zu verurteilen, an sie 238,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 01.07.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt ihre Auffassung, der Anspruch bestehe nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 TVK nicht, da den Tarifvertragsparteien bekannt gewesen sei, dass der Kontrabass ein sperriges Instrument sei. Es gehöre auch zu den vertraglichen Pflichten der Klägerin, das Instrument zu transportieren.

Mit der Klägerin geht sie davon aus, dass das häusliche Üben zu den Arbeitspflichten eines Musikers gehört und keine freiwillige Leistung darstellt. Sie behauptet, der Klägerin würden auf ihren Wunsch in den Räumen des Arbeitgebers in ausreichendem Maße Übungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt.

Auf den Akteninhalt im übrigen wird verwiesen

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch, den sie auf § 12 Abs. 2 TVK stützt, nicht zu, wie die Auslegung der Norm ergibt.

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Ist der Tarifwortlaut nicht eindeutig, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist weiter auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnomen zutreffend ermittelt werden kann. Ergeben sich danach keine zweifelsfreien Auslegungsergebnisse, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend berücksichtigen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG Urteile vom 04.04.2001 ­ 4 AZR 180/00 ­ AP Nr. 172 zu § 1 TVG Auslegung und 4 AZR 242/00 ­ AP Nr. 156 zu § 4 TVG Ausschlussfristen; Urteil vom 30.05.2001 ­ 4 AZR 284/00 ­ AP Nr. 16 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel).

2. Der reine Wortlaut des § 12 Abs. 2 TVK gibt für eine eindeutige Regelung, wonach der Arbeitgeber nur dann ein Instrumentengeld zu zahlen hat, wenn er kein Instrument zur Verfügung stellt, nichts her. Sowohl der Kontext innerhalb der Norm selbst als auch im Tarifvertrag und Sinn und Zweck der Norm lassen jedoch nur den Schluss darauf zu, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers, ein Instrumentengeld zu zahlen, nur dann besteht, wenn ein dienstliches Instrument nicht gestellt wird.

a) Die Tarifvertragsparteien gehen, wie sich aus § 11 und auch § 12 Abs. 1 herleiten lässt, von der Regel aus, dass der Arbeitgeber dem Musiker ein Instrument zur Verfügung stellt. Abweichungen von dieser Regel, wenn also der Musiker zur Entlastung des Arbeitgebers das eigene Instrument in den Betrieb einbringt, führen zu Kompensationsleistungen des Arbeitgebers. Er ist einerseits in einem solchen Fall verpflichtet, unter den näher geregelten Voraussetzungen Schadensersatz zu leisten (vgl. insoweit BAG Urteil vom 27.01.2000 ­ 8 AZR 876/98 ­ AP Nr. 31 zu § 611 BGB Musiker) und andererseits, ein Instrumentengeld für die Abnutzung eines Instrumentes, das der Musiker in den Betrieb einbringt, zu zahlen. Entscheidend kommt es also auf die Entlastung des Arbeitgebers an, der damit kein Instrument zur Verfügung stellen muss. Nur "soweit" er dies nicht tut, hat er ein Instrumentengeld zu zahlen. Entsprechend heißt es in § 1 des Tarifvertrages über Instrumentengeld und Rohr-, Blatt- und Saitengeld, der die Instrumente, den Kontrabass eingeschlossen, im einzelnen aufzählt: "Musiker, denen Instrumente nicht zur Verfügung gestellt sind (§ 12 Abs. 2 TVK) erhalten ein monatliches Instrumentengeld".

b) Regeln aber die Tarifvertragsparteien nur den Fall, dass der Arbeitgeber ein Instrument nicht zur Verfügung stellt, ist damit zugleich geregelt, dass es einen Anspruch dann nicht geben kann, wenn er ein Instrument stellt unabhängig davon, ob dieses Instrument, wie der Kontrabass sperrig ist oder nicht. Dagegen wollten sie erkennbar keine Kompensation ­ etwa in Form eines Instrumentengeldes ­ dafür zubilligen, dass es für den Musiker mit Schwierigkeiten verbunden ist, ein sperriges Instrument transportieren zu müssen.

c) Auch § 12 Abs. 3 lässt nur den Schluss darauf zu, dass die Tarifvertragsparteien den Anspruch auf Instrumentengeld abschließend geregelt haben. Die Haftung des Arbeitgebers tritt nach § 12 Abs. 3 ein, wenn er dem Musiker ein Instrument nicht zur Verfügung gestellt oder die Benutzung eines eigenen Instruments gestattet hat. Diese Regelung lässt damit auch die Konstellation zu, dass der Arbeitgeber zwar ein Instrument zur Verfügung stellen würde, der Musiker aber sein eigenes Instrument auch "im Betrieb" benutzen will, da anderenfalls die Konjunktion oder keinen Sinn ergeben würde. Dann haben aber die Tarifvertragsparteien auch den Fall vor Augen gehabt, dass ein Musiker sein eigenes Instrument nutzt, obwohl ihm der Arbeitgeber ein dienstliches Instrument stellt oder stellen würde und haben dennoch keine Veranlassung gesehen, in Abs. 2 des § 12 einen solchen Fall mit der Verpflichtung zur Zahlung von Instrumentengeld zu verbinden.

d) Die Tatsache, dass der Musiker nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages nicht die Ableistung einer bestimmten Arbeitszeit, sondern jedenfalls für seine häuslichen Vorbereitungen soviel an Arbeitszeit schuldet, wie er individuell benötigt, um dem Qualitätsstandard des Orchesters zu genügen (BAG Urteil vom 31.07.1986 ­ 6 AZR 146/85 ­ n. v. ­ zitiert nach iuris; vgl. auch BAG Urteil vom 19.12.1991 ­ 6 AZR 72/90 ­ ZTR 1993, 74), führt zu keinem anderen Ergebnis. Den Tarifvertragsparteien war bekannt, dass Musiker auch zu Hause üben. Ebenso war ihnen bekannt, dass Musiker bei sperrigen Instrumenten Transportprobleme haben können. Dennoch haben sie keine Sonderregelung für diesen Fall getroffen, sondern wollten offenkundig eine generalisierende Regelung treffen, die unabhängig von der Art und der Größe des jeweiligen Instruments gelten sollte. Anderenfalls hätte nichts näher gelegen, als eine entsprechende Regelung in das Tarifwerk aufzunehmen. Da sie dies nicht getan haben, ist vom abschließenden Charakter der Regelung auszugehen und nicht etwa eine - bewusste oder unbewusste - Regelungslücke anzunehmen.

e) Wäre schließlich der tariflichen Regelung, wie die Klägerin meint, ein Anspruch auf Instrumentengeld auch für den Fall zu entnehmen, dass der Arbeitgeber ein Instrument stellt, stünde sich der Arbeitgeber besser, der kein Instrument zur Verfügung stellte. Er hätte nur das Instrumentengeld zu zahlen, während der Arbeitgeber, der ein Instrument für die dienstliche Nutzung stellte und damit die Kosten für die Beschaffung tragen müsste, zusätzlich noch das Instrumentengeld für das Instrument zu zahlen hätte, das für das häusliche Üben genutzt würde. Erkennbar haben die Tarifvertragsparteien ein solches Ergebnis nicht gewollt.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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