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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.10.2005
Aktenzeichen: 1 Sa 730/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 07.04.2005 - 5 Ca 4424/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Höhe des Beitragszuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung, den die Beklagte an den Kläger zu zahlen hat.

Der 1948 geborene Kläger war bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt und schied auf Grund Vereinbarung vom 05.09.2000 zum 31.03.2001 im Rahmen einer Frühpensionierungsmaßnahme aus.

In der Vereinbarung heißt es unter anderem:

2. Die Regelungen der Betriebsvereinbarung zur vorzeitigen Auflösung von Arbeitsverhältnissen vom 30.06.2000 .. sind Bestandteil dieser Vereinbarung.

...

4. Zum Ausgleich der durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Nachteile erhalten Sie eine Abfindung. Unter Anrechnung von Leistungen Dritter, wie Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Krankengeld, Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung und gesetzlicher Rentenversicherung garantieren wir Ihnen eine Gesamtleistung von insgesamt 396.422,21 DM brutto, die in monatlichen Teilbeträgen ausgezahlt wird (siehe Anlage Berechnung).

Diese Beträge stellen einen vorläufigen Berechnungswert auf der Basis der zur Zeit gültigen Tariftabelle dar.

...

Die Einzelheiten der Berechnung der Abfindungsleistung sowie über die Beendigung des Anspruchs auf die Abfindungsleistung richten sich nach der 51 er Regelung vom 30.06.2000.

Die endgültige Ermittlung der Abfindungsleistung erfolgt auf der Grundlage der im Austrittsmonat geltenden Berechnungsgrößen.

5. Darüber hinaus übernimmt die S. Energie AG bzw. ihr jeweiliger Rechtsnachfolger - sofern hierzu nicht ein anderer Träger verpflichtet ist - die während des Ausgleichszeitraumes zu entrichtenden Krankenversicherungsbeiträge als Bruttobetrag, soweit sie sich aus den in diesem Vertrag zugesagten Leistungen ergeben, maximal bis zu einer Höhe des Beitrages der zuständigen Krankenkasse.

6. Soweit Steuern auf Abfindungszahlungen sowie auf Leistungen Dritter anfallen, sind diese allein von Ihnen zu tragen.

In der Betriebsvereinbarung zur vorzeitigen Auflösung von Arbeitsverhältnissen (51er Regelung) vom 30.06.2000 heißt es unter Nr. 2:

d) für Zeiten, in denen der ausgeschiedene Mitarbeiter nicht über das Arbeitsamt in einer gesetzlichen Krankenkasse/Pflegekasse pflichtversichert ist, zahlt S. Energie einen monatlichen Bruttobetrag in Höhe des Beitrages für die während des Bezuges von Arbeitslosengeld zuständige gesetzliche Krankenkasse/Pflegekasse, höchstens aber den gesetzlich gezahlten Betrag. . .

Nr. 5 lautet:

Soweit von den nach diesen Richtlinien gewährten Leistungen auf Grund gesetzlicher Bestimmungen Abgaben zu entrichten sind, werden diese zu Lasten der Mitarbeiter einbehalten und abgeführt. Eine eventuelle Steuerbelastung auf Grund des für das Arbeitslosengeld/die Arbeitslosenhilfe zu beachtenden Progressionsvorbehalts (§ 32 b EStG) geht zu Lasten des Mitarbeiters.

Mit Bescheid vom 31.08.2004 stellte die AOK als zuständige Krankenkasse dem Kläger nachträglich € 645,94 für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Zeit vom 14.04.2003 bis zum 30.06.2004 in Rechnung, wobei sie den Beitragszuschuss des Arbeitgebers zur Kranken- und Pflegeversicherung den monatlichen Abfindungsbeträgen hinzurechnete.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe ihm auch den Beitrag von € 645,94 und die zukünftigen vollen Krankenversicherungsbeiträge zu erstatten, da die Berechnung der AOK zuträfe. Auch die Beklagte gehe in ihrer Entgeltabrechnung von einem Bruttobetrag unter Einschluss der Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge aus.

Er hat den Antrag gestellt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum 14.04.2003 - 30. 06.2004 € 645,94 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte an ihn einen Beitragszuschuss für die Kranken - und Pflegeversicherung in der Höhe ab dem 01.07.2004 zu zahlen hat, welche sich aus der Zusammenrechnung der Frühpensionsleistung und des eigentlichen Beitragszuschusses errechnet.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, aus Nr. 5 der Vereinbarung vom 05.09.2000 ergebe sich kein Anspruch auf Zahlung des erhöhten Erstattungsbetrages. Nach dem Wortlaut der Vereinbarung schulde sie die Krankenversicherungsbeiträge als Bruttobetrag, so dass der Kläger sämtliche Abgaben, die auf die Erstattungsbeiträge anfielen, zu tragen habe. Im Übrigen sei die Höhe der Frühpensionsleistungen allein maßgeblich für den Umfang des von ihr an den Kläger zu leistenden Kranken - und Pflegeversicherungserstattungsbeitrages, wie sich auch aus Nr. 5 der 51er-Vereinbarung ergebe. Auch Sinn und Zweck der Regelung spreche gegen eine erhöhte Erstattungspflicht, da anderenfalls die Erhöhung der Erstattung ebenfalls verbeitragt werden müsse.

Das Arbeitsgericht Wesel hat mit Urteil vom 07.04.2005 die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, dem Kläger den erhöhten Beitragszuschuss zu zahlen. Die Auslegung der allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Nr. 5 der Vereinbarung vom 05.09.2000 ergebe unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Sinns und Zwecks der Regelung, dass die Höhe des von der Beklagten zu erstattenden Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags sich nach den in der Vereinbarung vom 05.09.2000 zugesagten Leistungen bemesse. Die Beklagte weise auch zu Recht darauf hin, dass die Erhöhung des Erstattungsbeitrages wieder verbeitragt werden müsse.

Gegen das ihm am 02.05.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 31.05.2005, eingegangen beim Landesarbeitsgericht per Fax am gleichen Tage, im Original am 01.06.2005, Berufung eingelegt und sie mit Schriftsatz vom 01.07.2005, eingegangen per Fax am gleichen Tage, im Original am 04.07.2005, begründet.

Er vertritt weiter die Auffassung, aus Nr. 5 der Vereinbarung ergebe sich eindeutig die Verpflichtung der Beklagten, den tatsächlich zu entrichtenden Krankenversicherungsbeitrag, den vorab die Krankenkasse auszurechnen habe, zu zahlen.

Er stellt den Antrag,

1. das Urteil vom 07.04.2005 - 5 Ca 4424/04 - aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum 14.04.2003 bis zum 30.06. 2004 € 645,94 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte an ihn einen Beitragszuschuss für die Kranken - und Pflegeversicherung in der Höhe ab dem 01.07.2004 zu zahlen hat, welche sich aus der Zusammenrechnung der Frühpensionsleistung und des eigentlichen Beitragszuschusses errechnet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt unter Verweis auf Nr. 5 des Aufhebungsvertrages und auf Nr. 5 der 51er-Regelung weiter die Auffassung, dem Kläger sei die Übernahme des Beitrages, der auf den Erstattungsbetrag erhoben wird, nicht zugesagt worden. Sowohl der Aufhebungsvertrag als auch die Betriebsvereinbarung brächten wiederholt zum Ausdruck, dass die zugesagten Leistungen Bruttoleistungen seien. Sie verweist im Übrigen auf die Verbeitragungsspirale , die dazu führen würde, dass sie bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze Beiträge übernehmen müsse.

Auf den Akteninhalt im Übrigen wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Die Auslegung der Nr. 5 der Aufhebungsvereinbarung in Verbindung mit der in

Bezug genommenen 51er-Regelung vom 30.06.2000 führt zu dem Ergebnis, dass der Kläger die ihm von der Krankenkasse in Rechnung gestellten zusätzlichen Beträge nicht von der Beklagten erstattet verlangen kann.

Rechtsgeschäftliche Willenserklärungen sind gemäß §§ 133,157 BGB - ausgehend von ihrem Wortlaut - so auszulegen, wie der Empfänger der Willenserklärung sie nach Treu und Glauben verstehen konnte. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für den Empfänger erkennbar waren.

Nach dem Wortlaut der Nr. 5 der Vereinbarung vom 05.09.2000 übernimmt die S. Energie AG bzw. ihr jeweiliger Rechtsnachfolger während des Ausgleichszeitraumes zu entrichtende Krankenversicherungsbeiträge als Bruttobetrag, soweit sie sich aus den in diesem Vertrag zugesagten Leistungen ergeben . Obergrenze der zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge ist die Höhe des Beitrages der zuständigen Krankenkasse. Mit dieser Formulierung ist einerseits klargestellt, dass der geschuldete Bruttobetrag nur bis zu einer maximalen Höhe geleistet wird. Andererseits sind Bezugspunkt für die Leistungen, auf die sich die Krankenversicherungsbeiträge beziehen, die monatlichen Abfindungszahlungen, zu denen sich die Beklagte verpflichtet hat und deren Berechnung sich aus der Anlage zu der Vereinbarung ergibt. Nur diese Abfindungszahlungen sind die im Vertrag zugesagten Leistungen und nur sie können daher Maßstab für die Krankenversicherungsbeiträge sein, die die Beklagte zu leisten hat. Sie entsprechen dem monatlichen Entgelt, das bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis Maßstab für die Berechnung der Höhe der an die Krankenkasse zu erbringenden Leistungen wäre. Zwar weist die Entgeltabrechnung der Beklagten als zu zahlenden Bruttobetrag ebenfalls den von der Krankenkasse zugrunde gelegten Betrag unter Einschluss der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus. Das ist jedoch Folge der steuerrechtlichen Betrachtungsweise, aus der herzuleiten ist, welche Zahlungen des Arbeitgebers dem monatlichen Entgelt steuerrechtlich und gegebenenfalls auch sozialversicherungsrechtlich hinzuzurechnen sind, Charakter der Zahlungen festlegen, aber mangels entsprechender Vereinbarung der Parteien nicht regeln, welche Zahlungen von wem an welche Zahlungsempfänger zu leisten sind und damit, in welcher Höhe eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten besteht.

Sinn und Zweck der Gesamtregelungen sowohl der Aufhebungsvereinbarung als auch der in Bezug genommenen Betriebsvereinbarung, die bestimmte Bruttozahlungen festlegen, lassen vielmehr nur den Schluss darauf zu, dass die monatlichen Abfindungszahlungen nicht zusätzlich dadurch erhöht werden sollten, dass die Beklagte Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Kläger leistet. Eine solche Erhöhung der Abfindungsleistungen träte aber mittelbar ein, wenn die Beklagte nicht nur auf die zugesagten Brutto-Abfindungsbeträge Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müsste, sondern sich deren Höhe noch einmal veränderte, wenn diese Beiträge den monatlichen Abfindungszahlungen zugerechnet würden.

Die Vertragsschließenden sowohl der Aufhebungsvereinbarung als auch der Betriebsvereinbarung gingen offenkundig davon aus, dass zusätzliche Zahlungen über die von Ihnen festgelegten hinaus nicht erfolgen sollten. Grundsätzlich sollen alle Zusatzzahlungen, wie Abgaben und ähnliche Zahlungen, zu Lasten der Mitarbeiter einbehalten und abgeführt werden, wie die Nr. 5 der 51er-Regelung ausdrücklich festlegt. Nur so ist die Formulierung, dass Brutto-Zahlungen zu leisten sind, zu verstehen.

Ob der Standpunkt der Krankenkasse aus ihrer Sicht zutreffend ist oder nicht, kann insoweit dahingestellt bleiben. Sollte es eine Rechtsgrundlage für deren Auffassung geben, wäre jedenfalls die Beklagte nicht gehalten, die entsprechenden Zahlungen zu erbringen, sondern es obliegt nach der getroffenen Vereinbarung dem Kläger, die Forderung in der Beklagten zu erfüllen.

Auch das von der Beklagten angeführte Argument der Verbeitragungsspirale macht deutlich, dass es nicht darauf ankommen kann, welche Berechnungen die Krankenkasse anstellt und von welchen Berechnungsgrößen sie ausgeht. Trotz der Erklärung der Krankenkasse gegenüber dem Kläger, es würden nur einmal die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge auf die monatlichen Abfindungsbeträge hinaufgerechnet, erschiene es nicht abwegig, wenn nach Zahlung des erhöhten Beitrags wiederum neue Berechnungen angestellt würden, die zu einer weiteren Erhöhung der Beitragszahlung führen müssten. Dass das weder die Parteien der Aufhebungsvereinbarung noch die der Betriebsvereinbarung wollten, sieht auch der Kläger.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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