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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.02.2006
Aktenzeichen: 11 (7) Sa 687/05
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 1 Ablösung
Art und Umfang des Eingriffs in Versorgungsanwartschaften, die sich aus einer in einer Betriebsvereinbarung enthaltenen Rentenzusage mit monatlicher Rentenleistung ergeben, durch eine mittels Betriebsvereinbarung erfolgte Umstellung auf Kapitalleistungen sind ausschließlich am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Vertrauensschutz zu messen mit der Folge, dass die konkrete Änderung der Versorgungsordnung eine angemessene Reaktion auf einen bestimmten sachlichen Grund darstellen muss (im Anschluss an BAG 21.11.2000 - 3 AZR 91/00 - EzA § 1 BetrAVG Ablösung Nr. 26).
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 (7) Sa 687/05

Verkündet am 02. Februar 2006

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 02.02.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Klingebiel und den ehrenamtlichen Richter Kniese

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 15.04.2005 - 5 Ca 4228/04 - insoweit abgeändert, als die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand:

In zweiter Instanz streiten die Parteien noch über den Wert einer Versorgungsanwartschaft der Klägerin zum Stichtag 31.12.2002.

Die Beklagte betreibt zahlreiche Warenhäuser im gesamten Bundesgebiet. Die am 10.04.1948 geborene Klägerin ist seit dem 01.10.1971 bei der Beklagten beschäftigt und zur Zeit als Abteilungsleiterin in einer Niederlassung in I. tätig.

Die Beklagte sagte der Klägerin auf der Grundlage der durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung geregelten Versorgungsordnung vom 07.06.1982 eine Altersversorgung zu. Diese Versorgungsordnung, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, enthält u. a. folgende Regelungen:

"§ 4

Altersrente

...

3. Die Altersrente wird monatlich nachträglich gezahlt. ...

...

Die Altersrente wird lebenslänglich gewährt. ...

§ 6 Witwenrente

1. Eine Witwenrente erhält die Ehefrau eines Mitarbeiters oder Firmenrentners, wenn der Verstorbene den Unterhalt seiner Familie überwiegend bestritten hat (Haupternährereigenschaft).

2. ...

3. ...

4. ...

5. Die Witwenrente wird lebenslänglich, letztmalig für den Sterbemonat, gewährt. ...

§ 7 Witwerrente

§ 6 gilt entsprechend für den Witwer einer Mitarbeiterin oder Firmenrentnerin."

Am 18.12.2002 vereinbarte die Beklagte mit ihrem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Altersversorgung, die zum 01.01.2003 in Kraft trat. Sie enthält u. a. folgende Regelungen:

"Präambel

Die Unternehmen der L. R.-Gruppe sehen in Anbetracht der aus den demographischen Entwicklungen resultierenden Pensionsverpflichtungen und der gegenwärtigen schlechten wirtschaftlichen Lage die langfristige Finanzierbarkeit der betrieblichen Versorgungswerke gefährdet. Neben anderen, bereits in Angriff genommenen Maßnahmen, ist es nunmehr auch unumgänglich geworden, die Aufwendungen der betrieblichen Versorgungswerke zu senken und darüber hinaus ihre Abwicklung zu erleichtern. Zur Verbesserung der Kalkulierbarkeit der Versorgungsverpflichtungen sollen die Leistungen der Unternehmen künftig als Kapitalleistungen (ggfs. in Raten nach Ziffer 10) an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - im Folgenden einheitlich Mitarbeiter genannt - zur Auszahlung gelangen.

...

6. Anwartschaftsbarwertermittlung

Die Ermittlung der Anwartschaftsbarwerte zum 31.12.2002 erfolgt unter Zugrundelegung der Richttafeln von Heubeck 1998 und eines Rechnungszinses von 6 % p. a. Witwen-/Witwerrente wird dabei kollektiv berücksichtigt.

...

7.3 Alterskapital und vorgezogenes Alterskapital

(1) Kapitalleistungen erhält der Mitarbeiter im Januar des Kalenderjahres nach Ausscheiden aus den Diensten des Unternehmens und Erreichen der Altersgrenze. ... ...

7.5 Hinterbliebenenkapital bei Tod als Aktiver

(1) Witwer-Witwenkapital erhält der Ehegatte eines verstorbenen Mitarbeiters.

...

7.7 Höhe der Versorgungsleistungen

Die Höhe der Versorgungsleistungen ergibt sich aus der versicherungsmathematischen Umrechnung des gemäß Ziffer 3. als Besitzstandsleistung für die Dienstzeit bis zum 31.12.2002 zur Verfügung gestellten Beitrags (Versorgungsaufwand). Die Umrechnung des Versorgungsaufwands in eine Kapitalleistung erfolgt in Abhängigkeit des zum 31.12.2002 erreichten bürgerlichen Alters gemäß der dieser Gesamtbetriebsvereinbarung als Anlage 1 beigefügten Tabelle.

..."

Außerdem wurde mit der neuen Versorgungsordnung für Ansprüche ab dem 01.01.2003 eine Umstellung von betrieblichen Versorgungsleistungen auf Rentenleistungen der Victoria Pensionskasse AG vorgenommen. Dabei wurde neben einem festen Beitrag eine vom wirtschaftlichen Erfolg des L.-R.-Konzerns abhängige Versorgung geregelt. Wegen der Einzelheiten der Versorgungsordnung vom 18.12.2002 wird ausdrücklich auf ihren Inhalt Bezug genommen.

Nach der bis zum 31.12.2002 gültigen Versorgungsordnung hätte sich für die Klägerin zum Stichtag 31.12.2002 ausweislich eines von ihr mit der Klage eingereichten "Rechenbogen zur Ermittlung des Besitzstandes zum 31.12.2002" eine Anwartschaft auf eine monatliche Altersrente in Höhe von 417,78 € bei einem Rentenbezug ab dem 65. Lebensjahr ergeben.

Die Klägerin hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Die Umstellung von Alters- und Hinterbliebenenrente auf eine Kapitalleistung sei unzulässig. Sofern sie das der Berechnung der Kapitalleistung zugrunde gelegte durchschnittliche Lebensalter überschreite, wäre ihre Versorgung nicht mehr sichergestellt. Dieses Risiko würde die Beklagte unzulässigerweise auf sie - die Klägerin - überwälzen. Zudem sei die Abzinsung von 6 % zu hoch, da keine realistische Chance bestehen würde, die Kapitalleistung zu einem entsprechenden Zinssatz sicher anzulegen.

Die Klägerin hat beantragt

1. festzustellen, dass ihr zum Stichtag 31.12.2002 eine Anwartschaft auf eine monatliche Altersrente in Höhe von 417,78 € bei einem Rentenbezug ab dem Alter von 65 Jahren zusteht;

2. festzustellen, dass der Übergang von der Hinterbliebenenversorgung auf Kapitalleistungen nichtig ist.

Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit einem der Hauptanträge hat die Klägerin noch beantragt

festzustellen, dass die der Kapitalisierung zugrunde liegende Abzinsung in Höhe von 6 % überhöht und eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Abzinsung, deren Höhe 4,5 Prozent nicht überschreiten sollte, angemessen ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Die Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung sei aus mehreren Gründen erfolgt. Hauptgrund sei die Notwendigkeit gewesen, die Verpflichtungen auf die Ertragskraft des Unternehmens zurückzuführen. Es habe eine Gleichbehandlung der Mitarbeiter erfolgen sollen, da zahlreiche Arbeitnehmer bislang keinen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung gehabt und zudem bislang verschiedene Systeme der Versorgung im Konzern bestanden hätten. Es habe die Notwendigkeit der Verwaltungsvereinfachung bestanden und für eine bessere Kalkulierbarkeit der Versorgungsverpflichtungen gesorgt werden sollen. Vor dem Hintergrund von Basel II habe zudem das Unternehmensrating verbessert werden sollen. Eine Umstellung von Rentenleistungen auf Kapitalleistungen sei möglich, wenn sachliche Gründe vorlägen. Derartige sachliche Gründe seien die Erleichterung der Abwicklung der betrieblichen Versorgungswerke und die Verbesserung der Kalkulierbarkeit der Versorgungsverpflichtungen. Diese, von den Betriebsparteien mit der Umstellung auf Kapitalleistungen verfolgten Ziele, würden sich der Präambel zur Gesamtbetriebsvereinbarung entnehmen lassen. Die Umstellung auf Kapitalleistungen böte den Versorgungsberechtigten auch erhebliche Vorteile, da das Kapital sofort zur Verfügung stehen würde. Die Abzinsung von 6 % entspreche den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik, wie sie in § 3 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG i. V. m. § 6 a Abs. 3 Satz 3 EStG zum Ausdruck gekommen seien.

Mit seinem am 15.04.2005 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage hinsichtlich des ersten hauptsächlich gestellten Feststellungsantrags stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es, soweit für diese Instanz noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Das Feststellungsbegehren, das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig sei, sei auch begründet. Ihr stehe mit Erreichen des 65. Lebensjahres eine monatliche Altersrente zu, die bezogen auf den Stichtag 31.12.2002 417,78 € monatlich betrage. Soweit die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 18.12.2002 in bis zum 31.12.2002 erworbene Ansprüche der Klägerin auf eine monatliche Altersrente eingreife, sei sie unwirksam. Bei der Abänderung einer durch Betriebsvereinbarung geregelten früheren Versorgungsordnung durch eine neue Versorgungsordnung in Form einer Gesamtbetriebsvereinbarung müssten die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes beachtet werden. Die Umstellung von monatlichen Rentenleistungen auf Kapitalleistungen falle zwar nicht unmittelbar unter das vom Bundesarbeitsgericht für Eingriffe in die Höhe von Versorgungsanwartschaften entwickelte dreiteilige Prüfungsraster, da in die Höhe der Versorgungsanwartschaften - zumindest nach versicherungsmathematischen Grundsätzen - nicht direkt durch die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 18.12.2002 eingegriffen worden sei. Bei der Prüfung, inwieweit die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes beachtet worden seien, könnte jedoch die Drei-Stufen-Prüfung entsprechend angewendet werden. Die Umstellung von monatlichen Renten auf Kapitalleistungen bedürfe zumindest triftiger Gründe. Die Auswirkungen dieser Umstellung seien zumindest so gravierend wie Eingriffe in die sog. Anwartschaftsdynamik. Im Streitfall würden keine triftigen Gründe für eine Umstellung auf Kapitalleistungen bestehen. Dies wäre nur dann anders, wenn der Beklagten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage oder sonstigen Gründe gleichen Gewichts die monatlichen Rentenzahlungen nicht mehr zugemutet werden könnten. Für die Umstellung auf Kapitalleistungen sei nicht ausschlaggebend gewesen, dass aufgrund der Ertragslage die monatliche Leistung nicht mehr gewährleistet gewesen wäre, sondern - wie der Präambel der Betriebsvereinbarung zu entnehmen sei - eine Verbesserung der Kalkulierbarkeit. Dies stelle einen sachlichen, nicht aber den hier zu fordernden triftigen Grund dar. Gleiches gelte für die von der Beklagten angeführte erleichterte Abwicklung des Versorgungswerkes.

Gegen das ihr am 30.04.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 20.05.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.07.2005 - mit einem bei Gericht am 19.07.2005 eingereichten Schriftsatz begründet.

Die Beklagte macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts stelle die Umstellung von Renten- auf Kapitalleistungen noch keinen Eingriff in die Höhe der Versorgungsanwartschaften dar, weshalb das vom Bundesarbeitsgericht entwickelte dreiteilige Prüfungsschema vorliegend nicht anwendbar sei. Aus Ziffer 3.1.1 GBV 2002 ergebe sich, dass das rentenfähige Einkommen der Klägerin zum 31.12.2002 die Höchstgrenze von 2045,17 € bereits erreicht habe. Somit seien die Versorgungsansprüche für die Dienstzeit bis zum 31.03.1982 statisch. Dies gelte gemäß Ziffer 3.1.1.3 und 3.1.1.5 GBV 2002 auch für den Besitzstandsteil für die Beschäftigungszeiten zwischen dem 01.04.1982 und dem 31.12.2002 sowie das daraus ermittelte Versorgungskapital. Im Übrigen könne nach der sog. ergebnisbezogenen Betrachtungsweise des Bundesarbeitsgerichts für den Fall, dass eine Versorgungsordnung durch eine andere Versorgungsordnung abgelöst werde, aufgrund derer sich die Anwartschaften der Arbeitnehmer mit einem erdienten Besitzstand weiter erhöhen würden, regelmäßig erst bei Ausscheiden des Arbeitnehmers festgestellt werden, ob ein Eingriff in die erdiente Dynamik vorliege. Daran fehle es, wenn der begünstigte Arbeitnehmer im Versorgungsfall zumindest das erhalte, was er zum Ablösungsstichtag bei Aufrechterhaltung der Dynamik des Berechnungsfaktors "Gehalt" erreicht habe. Damit seien aber auch die Steigerungsbeträge nach dem Neuordnungsstichtag in diese ergebnisbezogene Betrachtung einzubeziehen. Übertragen auf den Streitfall bedeute dies, dass auch die Versorgungsansprüche für die Dienstzeit ab dem 01.01.2003 (Versorgungsleistungen der Victoria Pensionskasse AG einschließlich der erfolgsabhängigen Versorgung nach dem Versorgungsplan 2002) zu berücksichtigen seien. Aus den genannten Gründen würden, soweit sie sich in die Drei-Stufen-Theorie einordnen lassen, allenfalls Eingriffe in die dritte Besitzstandsstufe vorliegen. Die zu deren Rechtfertigung erforderlichen sachlichproportionalen Gründe würden sich bereits unmittelbar aus der Präambel der GBV 2002 ergeben. Selbst wenn vorliegend der Höhe nach ein Eingriff in die erdiente Dynamik vorliegen sollte, lägen entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts die zu seiner Rechtfertigung erforderlichen triftigen Gründe vor. Abgesehen von Eingriffen in die Höhe der Versorgungsanwartschaft nach Maßgabe des dreistufigen Prüfungsrasters sei für die Rechtskontrolle eine Umstellung von Renten- auf Kapitalleistungen durch eine abändernde Betriebsvereinbarung unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf die hinter dem Prüfungsschema stehenden allgemeinen Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit abzustellen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 15.04.2005, Az.: 5 Ca 4228/04, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend aus:

Zu Recht habe das Arbeitsgericht die Drei-Stufen-Theorie des Bundesarbeitsgerichts für die Beurteilung der hier relevanten Sachlage herangezogen. Denn im Streitfall liege ein Eingriff in die Höhe der erdienten Versorgungsanwartschaft vor, und zwar - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - in die erste Besitzstandsstufe. Sie habe sich zum Zeitpunkt der Umstellung sicher sein können, dass sie zusätzlich zu ihrer staatlichen Rente Zahlungen der Beklagten in Höhe von 417,78 € monatlich bis zum Ende ihres Lebens erhalten werde. Genau diese Versorgungslücke im hohen Alter trete aber wieder auf, wenn ihr lediglich ein Kapitalstock ausgezahlt werde, der nur auf ihr durchschnittliches Lebensalter abstelle. Um ihre Versorgungslücke so zu schließen, wie sich die Beklagte verpflichtet habe, sei sie gezwungen, das Risiko eines langen Lebens, das die Beklagte ursprünglich übernommen habe, durch Anlage des Kapitalstocks bei einem Rentenversicherer zu versichern.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung der Beklagten, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann nicht festgestellt werden, dass der Klägerin zum Stichtag 31.12.2002 eine Anwartschaft auf eine monatliche Altersrente in Höhe von 417,78 € bei einem Rentenbezug ab dem 65. Lebensjahr gegen die Beklagte zusteht, weshalb unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage insgesamt abgewiesen werden musste.

I. Das allein in die zweite Instanz gelangte erste hauptsächliche Feststellungsbegehren der Klägerin ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zulässig. Die noch im Arbeitsverhältnis stehende Klägerin hat hierfür das erforderliche besondere Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO). Ihr Antrag dient der Klärung ihrer Versorgungssituation zu einem Zeitpunkt, in welchem sie noch in der Lage ist, etwa deutlich werdende Versorgungslücken im Alter durch private Vorsorge zu schließen (vgl. BAG 18.03.2003 - 3 AZR 101/02 - EzA § 1 BetrAVG Ablösung Nr. 39).

II. Das Feststellungsbegehren der Klägerin ist allerdings entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts unbegründet. Denn die GBV 2002 ist wirksam.

1. Im Verhältnis zweier aufeinander folgenden Betriebsvereinbarungen gilt die sog. Zeitkollisionsregel. Die jüngere Norm ersetzt die ältere. Die Betriebspartner können die vereinbarten Normen sowohl zu Gunsten als auch zum Nachteil der betroffenen Arbeitnehmer ändern. Spätere Betriebsvereinbarungen, die Versorgungsrechte aus einer früheren Betriebsvereinbarung einschränken, unterliegen jedoch einer Rechtskontrolle (st. Rspr., z. B. BAG 21.11.2000 - 3 AZR 91/00 - EzA § 1 BetrAVG Ablösung Nr. 26 m. w. N.). Die Betriebsparteien müssen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes beachten. Die Eingriffe müssen - am Zweck der Regelung gemessen - geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein. Die Änderungsgründe sind gegenüber den Interessen der betroffenen Versorgungsempfänger an der Beibehaltung der bisherigen Regelung abzuwägen (BAG 23.09.1997 - 3 AZR 529/96 - EzA § 1 BetrAVG Ablösung Nr. 14).

2. Diese Grundsätze hat das Bundesarbeitsgericht, soweit Versorgungsanwartschaften betroffen sind, durch ein dreistufiges Prüfungsschema präzisiert (st. Rspr. seit 17.04.1985 - 3 AZR 72/83 - EzA § 1 BetrAVG Unterstützungskasse Nr. 2; zuletzt wieder BAG 12.10.2004 - 3 AZR 557/03 - EzA § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung Nr. 11). Der bereits erdiente und nach den Grundsätzen des § 2 BetrAVG errechnete Teilbetrag darf nur in seltenen Ausnahmefällen gekürzt werden. Ein derartiger Eingriff setzt zwingende Gründe voraus. Die bereits zeitanteilig erdiente Quote eines variablen, dienstzeitabhängigen Berechnungsfaktors (sog. erdiente Dynamik) darf nur aus triftigen Gründen verringert werden. Die geringsten Anforderungen sind an Eingriffe in künftige und damit noch nicht erdiente dienstzeitabhängige Zuwächse zu stellen. Dafür sind sachlich-proportionale Gründe erforderlich. Dieses Prüfungsraster ist auf die Höhe von Versorgungsanwartschaften zugeschnitten (BAG 12.10.2004 - 3 AZR 557/03 - a. a. O.).

3. Richtig hat die Vorinstanz erkannt, dass die Umstellung von monatlichen Rentenleistungen auf Kapitalleistungen an sich nicht unter das vorerwähnte dreistufige Prüfungsraster fällt, da in die Höhe der Versorgungsanwartschaften nicht direkt eingegriffen wird. Die Klägerin begründet die gegenteilige Auffassung auch in zweiter Instanz damit, dass sie per 31.12.2002 eine Anwartschaft auf lebenslange Zahlungen in Höhe von 417,78 € monatlich erworben habe. Damit begründet sie aber den von ihr angenommenen Eingriff in die Versorgungsanwartschaft durch die in der GBV 2002 vorgesehene Kapitalumstellung mit dem allgemeinen Lebensrisiko, das sich im Übrigen zu ihren Lasten nur verwirklicht, wenn sie das durchschnittliche Lebensalter übersteigt. Liegt damit aber ein vom Prüfungsschema nicht erfasster Sachverhalt vor, muss auf die hinter diesem Schema stehenden allgemeinen Prinzipien zurückgegriffen werden (BAG 21.11.2000 - 3 AZR 91/00 - a. a. O.). Das bedeutet, Art und Umfang des Eingriffs sind am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Vertrauensschutz zu messen mit der Folge, dass die konkrete Änderung der Versorgungsordnung eine angemessene Reaktion auf einen bestimmten sachlichen Grund darstellt (BAG 21.11.2000 - 3 AZR 91/00 - a. a. O.). Das oben erwähnte dreistufige Prüfungsschema kann damit entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch nicht entsprechend angewandt werden.

4. Ein Eingriff in die Höhe der Versorgungsanwartschaft liegt im Streitfall auch deshalb nicht vor, weil die in der GBV 2002 geregelten Modalitäten der Umstellung von Renten- auf Kapitalleistungen nicht dazu führen, dass in die erdiente Dynamik eingegriffen wird. Eine derartige erdiente Dynamik geht von einer gehaltsabhängigen Dynamik aus. Bei ihr soll der Wertzuwachs der Versorgungsanwartschaft ohne Bindung an die Dienstzeit der Entwicklung eines Berechnungsfaktors folgen, der seinerseits variabel ist (BAG 17.04.1985 - 3 AZR 72/83 - EzA § 1 BetrAVG Unterstützungskasse Nr. 2). Gemäß der Übergangsregelung in Ziffer 3.1.1 der GBV 2002 erhalten die Mitarbeiter für die bis zum 31.03.1982 abgeleistete Dienstzeit einen dynamischen Besitzstand nach der Übergangsregelung III. Ziffer 2 der GBV vom 07.06.1982, sofern das rentenfähige Einkommen zum 31.12.2002 die Höchstgrenze von 2.045,17 € noch nicht erreicht hat. Da das rentenfähige Einkommen der Klägerin aber zum 31.12.2002 ausweislich des "Rechenbogen zur Ermittlung des Besitzstandes zum 31.12.2002" die vorerwähnte Höchstgrenze von 2.045,17 € bereits erreicht hat, sind ihre Versorgungsansprüche für die Dienstzeit bis zum 31.03.1982 statisch mit der Folge, dass ein Eingriff in die erdiente Dynamik ausscheidet.

5. Aber auch bezogen auf die Versorgungsansprüche der Klägerin für ihre Beschäftigungszeiten zwischen dem 01.04.1982 und dem 31.12.2002 liegt kein Eingriff in die erdiente Dynamik durch die GBV 2002 vor. Nach § 9 Ziffer 1 der für die Versorgungsansprüche der Klägerin in dem vorgenannten Zeitraum maßgeblichen GBV 1982 i. V. m. III.2. GBV 1982 Übergangsregelung ist maßgeblich für den Versorgungsbetrag die Versorgungsgruppe bei Eintritt des Versorgungsfalls. Diese wird entsprechend der Anlage 1 zur GBV 1982 danach ermittelt, wie viel Prozent der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung das rentenfähige Einkommen des Mitarbeiters ausmacht. Um eine erdiente Dynamik in dem hier verstandenen Sinn handelt es sich dabei nicht, weil der Versorgungsbetrag nicht allein an die absolute Steigerung des verdienten Gehalts gekoppelt ist, sondern an das Verhältnis des Gehalts zur ständig steigenden Beitragsbemessungsgrenze (vgl. auch BAG 10.09.2002 - 3 AZR 635/01 - EzA § 1 BetrAVG Ablösung Nr. 34).

6. Soweit die Klägerin einen Eingriff in die Höhe ihrer Versorgungsanwartschaft mit der von ihr angestellten Vergleichsrechnung (Rentenanspruch vor Inkrafttreten der Kapitalumstellung in Höhe von 417,78 € monatlich und 234,42 € bzw. 252,54 monatlich an Versicherungsleistungen gemäß dem Angebot der Kosmos-Direkt-Versicherung vom 01.09.2005) begründen will, ist ihr entgegenzuhalten, dass es sich hier um Rentenleistungen, nicht aber um den Wert ihrer hier in Rede stehenden Versorgungsanwartschaft handelt. Sie selbst räumt ein - nachdem die Beklagte auf unzutreffende Ausgangsdaten bei dem vorerwähnten Versicherungsvorschlag hingewiesen hat -, dass keine Gewähr dafür bestehe, dass zum Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls Altersrente ihr wirtschaftlicher Verlust tatsächlich in dem von ihr behaupteten Ausmaße eintreten werde.

7. Im Übrigen weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass bei der Ablösung einer Versorgungsordnung durch eine nachfolgende, aufgrund derer sich die Versorgungsanwartschaften der Arbeitnehmer mit einem erdienten Besitzstand weiter erhöhen, grundsätzlich erst bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis festgestellt werden kann, ob ein Eingriff in die erdiente Dynamik vorliegt. Hieran fehlt es, wenn der begünstigte Arbeitnehmer mit Eintritt des Versorgungsfalles zumindest erhält, was er zum Ablösungsstichtag bei Aufrechterhaltung der Dynamik des Berechnungsfaktors "Gehalt" erreicht hatte (vgl. BAG 11.12.2001 - 3 AZR 128/01 - EzA § 1 BetrAVG Ablösung Nr. 32; BAG 10.09.2002 - 3 AZR 635/01 - EzA § 1 BetrAVG Ablösung Nr. 34). Somit sind auch, wie die Beklagte richtig erkannt hat, die Steigerungsbeträge nach dem Neuordnungsstichtag von Bedeutung. Für den Streitfall bedeutet das, dass auch die Versorgungsansprüche der Klägerin für die Dienstzeit ab dem 01.01.2003 (Versorgungsleistungen der Victoria Pensionskasse AG einschließlich der erfolgsabhängigen Versorgung nach dem Versorgungsplan 2002) zu berücksichtigen sind.

8. Anerkannte sachliche Gründe für die Umstellung der Rentenleistungen auf Kapitalleistungen sind in der Präambel der GBV 2002 erwähnt. Hierbei handelt es sich um die Erleichterung der Abwicklung der betrieblichen Versorgungswerke sowie die Verbesserung der Kalkulierbarkeit der Versorgungsverpflichtungen. Dem Grundsatz des Vertrauensschutzes wurde bei der Umstellung von Rentenleistungen auf Kapitalleistungen Rechnung getragen. Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass der Vertrauensschutz insoweit abgeschwächt ist, als eine Betriebsvereinbarung, worauf bereits in anderem Zusammenhang hingewiesen wurde, jederzeit durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung auch zum Nachteil der betroffenen Arbeitnehmer geändert werden kann. Im Übrigen trägt die in Ziffer 2.4 der GBV 2002 enthaltene Übergangsregelung für sog. rentennahe Mitarbeiter dem Grundsatz des Vertrauensschutzes Rechnung. Danach erhalten versorgungsberechtigte Mitarbeiter, bei denen Versorgungsfälle bis zum 31.12.2007 eintreten, ausschließlich Leistungen dem Grunde und der Höhe nach, wie sie sich bei einer Weitergeltung des für sie anzuwendenden Versorgungswerkes ergeben hätten. Zwar fällt die Klägerin hinsichtlich des Versorgungsfalles Erreichens der Altersgrenze nicht unter diesen Personenkreis. Jedoch ist eine Stichtagsregelung in jedem Fall sachlich gerechtfertigt.

a) Die Parteien einer Gesamtbetriebsvereinbarung haben bei Gesamtsbetriebsvereinbarungen gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG i. V. m. § 51 Abs. 5 BetrVG die Grundsätze von Recht und Billigkeit zu beachten. Dazu gehört insbesondere der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Dieser ist Ausdruck des Gerechtigkeitsgedankens im Grundgesetz und fundamentales Rechtsprinzip (BAG 22.03.2005 - 1 AZR 49/04 - EzA § 75 BetrVG 2001 Nr. 2 im Anschluss an BVerfG 31.05.1988 - 1 BvL 22/85 - BVerfGE 78, 232, 248). Wie Tarifvertragsparteien (vgl. hierzu BAG 29.08.2001 - 4 AZR 352/00 - NZA 2002, 863, 865; BAG 25.06.2003 - 4 AZR 405/02 - NZA 2004, 215, 218) können die Parteien einer Gesamtbetriebsvereinbarung im Interessen praktikabler, verständlicher und übersichtlicher Regelungen typisierende Regelungen, insbesondere Stichtagsregelungen treffen. Deshalb kann bei der Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abgestellt werden, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung (BAG 29.08.2001 - 4 AZR 352/00 -NZA 2002, 863, 865; vgl. auch BAG 22.03.2005 - 1 AZR 49/04 - a. a. O.).

b) Die Umstellung der Rentenleistungen auf Kapitalleistungen durch die GBV 2002 war, wie bereits in anderem Zusammenhang dargestellt, durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Wenn die Parteien der GBV 2002 in Ziffer 2.4 den Personenkreis, der von der vorgenannten Umstellung ausgenommen bleiben soll, auf die in der Zeit vom 01.01.2003 bis zum 31.12.2007 in Ruhestand eintretenden Arbeitnehmer beschränkt hat, ist hiergegen nichts einzuwenden. Denn gerade die Arbeitnehmer, die sich fünf Jahre und kürzer vor Eintritt in den Ruhestand befinden, haben es besonders schwer, die mit der vorgenannten Umstellung verbundenen Nachteile noch einigermaßen adäquat auszugleichen.

9. Die in Ziffer 6 GBV 2002 vorgesehene Abzinsung von 6 % im Rahmen der Anwartschaftsbarwertermittlung stellt keinen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dar. Das Abfindungsverbot des § 3 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG in der zum Zeitpunkt der Neuordnung geltenden Fassung galt nur für die Abfindung unverfallbarer Anwartschaften bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, nicht aber für Vereinbarungen von Abfindungen während eines laufenden Arbeitsverhältnisses. Soweit danach die Abfindung unverfallbarer Anwartschaften bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinerzeit zulässig war, bot das Gesetz damals eine Berechnung des Abfindungsbetrages mit einer Abzinsung von 6 % bei Direktzusagen als angemessene Lösung an (vgl. § 6 a Abs. 3 S. 3 EStG 1990). Da sich das Verbot des § 3 BetrAVG nicht auf Abfindungen während eines laufenden Arbeitsverhältnisses erstreckt, dieser Sachverhalt also nach Auffassung des Gesetzgebers weniger schutzwürdig ist, muss erst recht hier die sechsprozentige Abzinsung zulässig sein.

B.

Da die Vorinstanz dem ersten Hauptantrag der Klägerin stattgegeben hat, muss, nachdem die Berufung der Beklagten insoweit erfolgreich war, noch über den in erster Instanz gestellten Hilfsantrag der Klägerin entschieden werden, ohne dass es insoweit eines besonderen Antrags in der Berufungsinstanz bedurft hätte (vgl. BGH 24.09.1991 - XI ZR 245/90 - NJW 1992, 117; BGH 20.09.1999 - II ZR 345/97 - MDR 1999, 1459; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 528 Rz. 20). Dabei kann dahinstehen, ob das mit ihm geltend gemachte Feststellungsbegehren gemäß § 256 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zulässig ist. Bedenken bestehen insofern, als fraglich ist, ob sich der Hilfsantrag auf die Feststellung zumindest von Rechten und Pflichten aus dem Versorgungsversprechen bezieht. In jedem Fall ist aber das hilfsweise geltend gemachte Feststellungsbegehren unbegründet. Dies folgt ohne weiteres zu dem in die Berufungsinstanz gelangten Hauptantrag der Klägerin. Hier ist festgestellt worden, dass die in Ziffer 6 GBV 2002 vorgesehene Abzinsung von 6 % im Rahmen der Anwartschaftsbarwertermittlung rechtens und somit nicht überhöht ist.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher nach § 72 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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