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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.09.2005
Aktenzeichen: 11 (8) Sa 912/05
Rechtsgebiete: KSchG, BGB, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 4 Satz 1
BGB § 611 Abs. 1
BGB § 615 Satz 1
ZPO § 322 Abs. 1
ZPO § 331 Abs. 1 Satz 1
Auch wenn der gegen einen falschen Arbeitgeber erhobenen Kündigungsschutzklage (§ 4 Satz 1 KSchG) durch rechtskräftiges Versäumnisurteil (§ 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG) stattgegeben worden ist, kann dieser "Arbeitgeber" in einem gegen ihn geführten Prozess wegen Annahmeverzugslohns (§ 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 615 Satz 1 BGB) für die Zeit nach Zugang einer außerordentlichen Kündigung auch unter Zugrundelegung der sog. erweiterten punktuellen Streitgegenstandstheorie des BAG (z. B. BAG 25.03.2004 - 2 AZR 399/03 .- EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 4 m. w. N.) einwenden, es habe zwischen den Prozessparteien kein Arbeitsverhältnis bestanden.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 (8) Sa 912/05

Verkündet am 28. September 2005

In Sachen

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 28.09.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Janssen und die ehrenamtliche Richterin Lepges

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten zu 2) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 24.05.2005 - 4 Ca 432/05 -, soweit der Rechtsstreit nicht durch den Teilvergleich vom 28.09.2005 erledigt ist, abgeändert und die Klage gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt, soweit über sie nicht schon durch den Teilvergleich vom 28.09.2005 entschieden worden ist, der Kläger.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Ausweislich einer Gewerbe-Anmeldung bei der Stadt H. betrieb der Beklagte zu 1) seit dem 01.03.2004 ein Gewerbe, das Kleintransporte und Kurierdienste mit Kfz einschließlich Hänger bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen zum Gegenstand hatte. Zuvor war dieses Gewerbe auf den Bruder des Beklagten zu 2) angemeldet. Der Kläger arbeitete seit dem 15.11.2003 in diesem Gewerbebetrieb als Kurierfahrer gegen eine monatliche Nettovergütung von 890,-- €. Als Arbeitgeber sah der Kläger den Beklagten zu 2), der ebenfalls in diesem Gewerbebetrieb arbeitete, an.

Mit SMS vom 01.06.2004 und einem auf den 31.05.2004 datierten Schreiben, das unter der Bezeichnung "E-U. EXPRESS" den Namen des Beklagten zu 1) trägt und von dem Beklagten zu 2) unterschrieben worden ist, wurde das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger fristlos gekündigt. Hiergegen erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf - 5 Ca 4551/04 - Klage gegen den Beklagten zu 2) mit dem Zusatz "Firma E-U. EXPRESS", mit der u. a. festgestellt werden sollte, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die Kündigung per SMS vom 01.06.2004 noch durch die Kündigung vom 31.05.2004 aufgelöst worden ist. Diesen Klageanträgen entsprach das Arbeitsgericht Düsseldorf mit Versäumnisurteil vom 16.07.2004. Einen hiergegen nicht fristgerecht bei Gericht eingereichten Einspruch verwarf das Arbeitsgericht Düsseldorf durch Urteil vom 05.10.2004 als unzulässig.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Mönchengladbach am 11.02.2005 eingereichten Klage hat der Kläger zunächst von dem Beklagten zu 1) Annahmeverzugslohn für die Zeit von Juni 2004 bis Januar 2005 in Höhe von 7.120,-- € netto nebst Zinsen verlangt. Dieser Klage hat das Arbeitsgericht durch Teil-Versäumnisurteil, später berichtigt in "Versäumnisurteil", vom 01.03.2005 stattgegeben. Gegen dieses ihm am 07.03.2005 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte zu 1) mit einem beim Arbeitsgericht am 10.03.2005 eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt. Im daraufhin anberaumten Kammertermin hat der anwesende Prozessbevollmächtigte des Klägers die Klage gegen den Beklagten zu 2) erweitert.

Der Kläger hat beantragt,

1. das Versäumnisurteil vom 01.03.2005 aufrechtzuerhalten;

2. den Beklagten zu 2) zu verurteilen, an ihn gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 1) 7.120,-- € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils aus einem Betrag von 890,-- € seit dem 01.07.2004, 01.08.2004, 01.09.2004, 01.10.2004, 01.11.2004, 01.12.2004, 01.01.2005 und 01.02.2005 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

das Versäumnisurteil vom 01.03.2005 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) hat geltend gemacht, dass das zwischen ihm und dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31.05.2004 schon deshalb wirksam fristlos beendet worden sei, weil der Kläger ihm gegenüber keine Kündigungsschutzklage erhoben habe.

Der Beklagte zu 2) hat sich für nicht passiv legitimiert gehalten, da er in Wahrheit nicht Inhaber der Firma E-U. EXPRESS sei.

Durch sein am 24.05.2005 verkündetes Urteil hat das Arbeitsgericht das Versäumnisurteil vom 01.03.2005 aufgehoben und die Klage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen. Zugleich hat es den Beklagten zu 2) verurteilt, an den Kläger 7.120,-- € netto nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht hinsichtlich dieser Verurteilung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger könne zu Recht vom Beklagten zu 2) gemäß § 615 Satz 1 BGB die Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Monate Juli 2004 bis Januar 2005 in der von ihm beanspruchten Höhe verlangen. Zwischen ihm und dem Beklagten zu 2) habe zumindest ab dem 01.06.2004 ein Arbeitsverhältnis bestanden, was aus den Wirkungen der Rechtskraft des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 16.07.2004 - 5 Ca 4551/04 - folge. Bei einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage stehe nämlich nicht nur fest, dass das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht beendet worden sei, sondern zugleich, dass zwischen den Parteien des Kündigungsschutzverfahrens zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung überhaupt ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Auch die weiteren Voraussetzungen des Annahmeverzugs gemäß §§ 293 ff. BGB seien erfüllt. Ein Leistungsangebot des Klägers, an dessen Leistungswillen und Leistungsfähigkeit keine Zweifel bestehen würden, sei ab dem 01.06.2004 gemäß § 296 Satz 1 BGB entbehrlich gewesen, da ihm der Beklagte zu 2) nach Ausspruch der fristlosen Kündigung keinen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt und keine Arbeit zugewiesen habe.

Gegen das ihm am 16.06.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit einem am 15.07.2005 eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 01.08.2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Gegen das ihm am 13.06.2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte zu 2) mit einem am 08.07.2005 bei Gericht eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 08.08.2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Im Kammertermin vom 28.09.2005 haben der Kläger und der Beklagte zu 1) einen Teil-Vergleich geschlossen, wonach sie sich darüber einig sind, dass das zwischen ihnen bis zum 31.05.2004 bestehende Arbeitsverhältnis mit diesem Tag sein Ende gefunden hat.

Mit seiner Berufung macht der Beklagte zu 2) im Wesentlichen geltend:

Der Kläger könne von ihm keinen Annahmeverzugslohn verlangen, da zwischen ihnen kein Arbeitsverhältnis bestehe. Nichts anderes folge aus der Rechtskraft des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 16.07.2004 - 5 Ca 4551/04 - in dem von dem Kläger gegen ihn - den Beklagten zu 2) - geführten Kündigungsrechtsstreit. Mit einem der Kündigungsschutzklage stattgebenden rechtskräftigen Urteil stehe nur fest, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, nicht aber auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein Arbeitsverhältnis zwischen den streitenden Parteien bestanden habe.

Der Beklagte zu 2) beantragt,

das am 25.05.2005 verkündete und am 13.06.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach - 4 Ca 432/05 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zu 2) gegen das am 24.05.2005 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach - 4 Ca 432/05 - zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht im Wesentlichen geltend:

Zu Recht habe die Vorinstanz festgestellt, dass aufgrund des rechtskräftigen Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 16.07.2004 zwischen ihm und dem Beklagten zu 2) ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Davon abgesehen habe der Beklagte zu 2) ihn seinerzeit auch eingestellt. Es sei immer der Beklagte zu 2) gewesen, der seit 2003 in der Firma E-U. EXPRESS als Chef aufgetreten sei. Dieser habe sämtliche unternehmerischen Entscheidungen getroffen.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung des Beklagten zu 2), die nach dem zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.09.2005 geschlossenen Teilvergleich allein noch anhängig ist und gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist begründet. Entgegen der Vorinstanz kann der Kläger von dem Beklagten zu 2) kein Arbeitsentgelt für die Monate Juni 2004 bis Januar 2005 in Höhe von monatlich jeweils 890,-- € netto gemäß § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 615 Satz 1 BGB verlangen.

I. Da § 615 Satz 1 BGB dem Arbeitnehmer trotz fehlender Arbeitsleistung "die vereinbarte Vergütung" sichern, ihm also lediglich den originären Vergütungsanspruch des § 611 Abs. 1 BGB aufrecht erhalten will (BAG 28.04.1993 - 4 AZR 329/92 - EzA § 611 BGB Croupier Nr. 2; vgl. auch BAG 19.10.2000 - 8 AZR 20/00 - EzA § 286 BGB Nr. 1), ist erste Voraussetzung für den auf diese Norm gestützten Zahlungsanspruch des Klägers ein bestehendes Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Beklagten zu 2) in der Zeit vom 01.06.2004 bis zum 31.01.2005 (vgl. auch BVerfG 20.01.1990 - 1 BvR 42/82 - DB 1990, 1042). Hiervon kann in Ermangelung eines zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) zustande gekommenen Arbeitsvertrages im Streitfall, selbst wenn man der Rechtsprechung des BAG zum Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG a. F. auch zu § 4 Satz 1 KSchG n. F. folgen würde, entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht allein aufgrund des rechtskräftigen Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 16.07.2004 - 5 Ca 4551/04 - ausgegangen werden.

1. Die materielle Rechtskraft einer unanfechtbaren Entscheidung (§ 322 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG) bedeutet die Maßgeblichkeit der in ihr ausgesprochenen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der von einer Partei beanspruchten Rechtsfolge in jedem Rechtsstreit zwischen denselben Parteien, in dem dieselbe Rechtsfolge in Frage steht.

Diese Feststellungswirkung soll der Gefahr einer zweiten, widersprechenden Entscheidung entgegenwirken. Da diese Gefahr nur von einem zweiten Rechtsstreit droht, wird durch die materielle Rechtskraft jede neue Verhandlung und Entscheidung über die rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge ausgeschlossen (BAG 12.06.1986 - 2 AZR 426/85 - EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 31; BAG 27.09.2001 - 2 AZR 389/00 - EzA § 322 ZPO Nr. 13). Gegenstand der materiellen Rechtskraft ist der aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhaltes ausgeurteilte Anspruch, d. h. der Streitgegenstand, der sich im Klageantrag wiederspiegelt (BAG 27.09.2001 - 2 AZR 389/00 - a. a. O; KR/Friedrich, 7. Aufl. 2004, § 4 KSchG Rz. 224; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl. 2005, Vor § 322 Rz. 30).

2. Der Umfang der Rechtskraft und die damit zusammenhängende Präklusionswirkung der in Rechtskraft erwachsenen Feststellung des Arbeitsgerichts Düsseldorf in seinem Versäumnisurteil vom 16.07.2004 - 5 Ca 4551/04 -, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien des damaligen Rechtsstreits (Kläger und Beklagter zu 2]) durch die Kündigung per SMS vom 01.06.2004 und durch das Schreiben vom 31.05.2004 nicht aufgelöst worden ist, bestimmt sich infolgedessen nach dem Streitgegenstand des Kündigungsschutzbegehrens. Der Kläger hat beide Kündigungen ausschließlich mit einem Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG i. d. F. von Art. 1 Nr. 3 lit. a des "Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt" vom 24.12.2003 (BGBl. I S. 3002) i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG angegriffen.

3. Rechtsprechung (vgl. z. B. BAG 25.03.2004 - 2 AZR 399/03 - EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 4; BAG 12.05.2005 - 2 AZR 426/04 - EzA-SD Nr. 18/2005, S. 12, 14) und die ganz überwiegende Meinung im Schrifttum (z. B. APS/Ascheid, 2. Aufl. 2004, § 5 KSchG Rz. 136; Boewer RdA 2001, 380, 385 f.; KR/Friedrich, 7. Aufl. 2004, § 4 KSchG Rz. 227) vertraten zu § 4 Satz 1 KSchG in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung die Lehre vom sog. punktuellen Streitgegenstand. Danach war Streitgegenstand einer Klage, deren Antrag dem Wortlaut des § 4 Satz 1 KSchG a. F. entsprach, die Frage, ob das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung zu dem in ihr genannten Termin (ordentliche Kündigung oder außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist) oder im Falle der außerordentlichen Kündigung im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens (Zugang) aufgelöst worden ist oder nicht. Die seit dem 01.01.2004 geltende Neufassung des § 4 Satz 1 KSchG hat hieran nichts geändert. Sie hat lediglich den Anwendungsbereich der dreiwöchigen Klagefrist über § 1 Abs. 1 KSchG auf alle Nichtigkeits- bzw. Unwirksamkeitsgründe einer Kündigung, sieht man einmal von § 623 1. Halbs. BGB i. V. m. § 125 Satz 1 BGB ab, erweitert.

4. Auch wenn das Bundesarbeitsgericht zu § 4 Satz 1 KSchG a. F. verbal an der sog. punktuellen Streitgegenstandstheorie festhielt, weitete es dennoch den Streitgegenstandsbegriff dahin aus, mit der Rechtskraft des der Klage des Arbeitnehmers stattgebenden Urteils im Kündigungsschutzprozess stehe auch fest, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (vgl. z. B. BAG 12.01.1977 - 5 AZR 593/75 - EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 11; BAG 25.03.2004 - 2 AZR 399/03 - a. a. O.) und zum vorgesehenen Auflösungszeitpunkt, d. h. zum Kündigungstermin (vgl. z. B. BAG 18.09.2003 - 2 AZR 498/02 - EzA § 314 ZPO 2002 Nr. 1; BAG 16.06.2005 - 6 AZR 451/04 - NZA 2005, 1109, 1111) ein Arbeitsverhältnis zwischen den streitenden Parteien bestanden hat. Hiervon ging das Bundesarbeitsgericht deshalb aus, weil der Bestand des Arbeitsverhältnisses zum vorgesehenen Auflösungszeitpunkt Voraussetzung für die Feststellung sei, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden sei (BAG 27.09.2001 - 2 AZR 389/00 - a. a. O.).

5. Würde man diese zu § 4 Satz 1 KSchG a. F. vertretene Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (abl. ErfK/Ascheid, § 4 KSchG Rz. 80; Löwisch/Spinner, KSchG, 9. Aufl. 2004, § 4 Rz. 11; Stahlhacke/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl. 2005, Rz. 1878) auf § 4 Satz 1 KSchG n. F. übertragen, würde das bedeuten, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) aufgrund des rechtskräftigen Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 16.07.2004 - 5 Ca 4551/04 - am 31.05. bzw. 01.06.2004 ein Arbeitsverhältnis bestand. Auch wäre der Beklagte zu 2), wie die Vorinstanz richtig festgestellt hat, wegen der mit der Rechtskraft dieses Versäumnisurteils im Zusammenhang stehenden Präklusionswirkung daran gehindert, sich im vorliegenden Rechtsstreit darauf zu berufen, zwischen den Parteien habe ein Arbeitsverhältnis niemals bestanden (vgl. BAG 12.01.1977 - 5 AZR 593/75 - EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 11). Mit diesem Einwand wäre der Beklagte zu 2) nach der sog. punktuellen Streitgegenstandstheorie, wie sie das Bundesarbeitsgericht zu § 4 Satz 1 KSchG a. F. vertreten hat, aber nur für die Zeit bis zum Zugang der streitbefangenen außerordentlichen Kündigungen vom 31.05.2004 bzw. 01.06.2004 ausgeschlossen. Denn die Rechtskraftwirkung des Versäumnisurteils vom 16.07.2004 - 5 Ca 4551/04 - würde nach dem Verständnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 4 Satz 1 KSchG a. F., wonach im Zeitpunkt des Zugangs einer außerordentlichen Kündigung ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, nicht über diesen Zeitpunkt hinaus reichen (vgl. BAG 28.02.1995 - 5 AZB 24/04 - EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 51). Sie würde den Beklagten zu 2) in diesem Rechtsstreit nicht an dem zutreffenden Einwand hindern, jedenfalls seit dem 01. bzw. 02.06.2004 bestehe mangels eines Arbeitsvertrages zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis.

II. Die Frage, ob die zu § 4 Satz 1 KSchG a. F. vom Bundesarbeitsgericht entwickelte erweiterte sog. punktuelle Streitgegenstandstheorie ohne weiteres auf § 4 Satz 1 KSchG n. F. übertragen werden kann, wogegen aus der Sicht des Bundesarbeitsgerichts nichts sprechen dürfte, und welche Präklusionswirkungen hiermit in einem zwischen den Parteien des Kündigungsschutzprozesses geführten Rechtsstreit um den Annahmeverzugslohn des Arbeitnehmers seit Zugang der unwirksamen außerordentlichen Kündigung verbunden sind, braucht aber letztlich nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls ist die zweite Voraussetzung für den auf § 615 Satz 1 gestützten Vergütungsanspruch des Klägers für die Zeit vom 01.06.2004 bis zum 31.01.20005, nämlich der Annahmeverzug des Beklagten zu 2) in diesem Zeitraum, nicht erfüllt.

1. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs richten sich auch für das Arbeitsverhältnis nach den §§ 293 ff. BGB. Danach muss der Schuldner in der Regel die geschuldete Leistung tatsächlich (§ 294 BGB) oder wörtlich (§ 295 Satz 1 BGB) anbieten. Ist allerdings für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, bedarf es ausnahmsweise überhaupt keines Angebots, wenn der Gläubiger die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt (§ 296 Satz 1 BGB).

2. In einem Arbeitsverhältnis, das durch Abschluss eines Arbeitsvertrages zustande gekommen ist, bedarf es aufgrund der Regelung des § 296 Satz 1 BGB weder eines tatsächlichen noch eines wörtlichen Angebots seitens des Arbeitnehmers, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Nach § 296 Abs. 1 BGB ist bei Vornahme einer kalendermäßig bestimmten Mitwirkungshandlung durch den Arbeitgeber kein Arbeitsangebot seitens des Arbeitnehmers nach §§ 294, 295 BGB erforderlich. Eine solche Mitwirkungshandlung sieht das Bundesarbeitsgericht in der Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer zu Beginn eines jeden Arbeitstages einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zu Verfügung zu stellen, damit dieser seine Arbeitsleistung erbringen kann. Dieser Verpflichtung kommt der Arbeitgeber nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts für die Zeit nach Zugang einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) nicht nach (grundlegend BAG 09.08.1984 - 2 AZR 374/83 - EzA § 615 BGB Nr. 43; ebenso BAG 24.11.1994 - 2 AZR 179/94 - EzA § 615 BGB Nr. 83; BAG 24.09.2003 - 5 AZR 500/02 - EzA § 615 BGB 2002 Nr. 4).

3. Diese Rechtsprechung kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht auf ein Arbeitsverhältnis übertragen werden, dessen Bestand auf der Wirkung eines rechtskräftigen Urteils, das der Kündigungsschutzklage des Klägers nach § 4 Satz 1 KSchG a. F. und n. F. stattgegeben hat, beruhen würde. Denn in diesem Fall ist es dem mit seiner Kündigungsschutzklage obsiegenden Kläger von vornherein unmöglich, der rechtskräftig unterlegenen Partei, auch wenn mit dieser nunmehr aufgrund der erweiterten sog. punktuellen Streitgegenstandstheorie des Bundesarbeitsgerichts - diese einmal auf § 4 Satz 1 KSchG n. F. übertragen - ein Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der außerordentlichen Kündigung bestehen würde, seine Arbeitskraft für die Zeit danach anzubieten. Diese Partei war nämlich vor Zugang der außerordentlichen Kündigung zu keinem Zeitpunkt Gläubiger einer von der im Kündigungsschutzprozess obsiegenden Partei geschuldeten Arbeitsleistung und kann es auch nicht allein aufgrund des rechtskräftig verlorenen Kündigungsschutzprozesses für die Zeit nach Zugang der außerordentlichen Kündigung werden. Ebenso wenig wie ein Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat, in Annahmeverzug geraten kann, wenn letzterem die Erbringung seiner Arbeitsleistung unmöglich ist (vgl. § 297 BGB), kann eine von einem Arbeitnehmer irrtümlich als Arbeitgeber angesehene Partei in Annahmeverzug nach §§ 293 ff. BGB geraten, nur weil sie den gegen sie fälschlicherweise angestrengten Kündigungsschutzprozess rechtskräftig verloren hat.

B.

Die Kostenentscheidung in dem Berufungsverfahren des Beklagten zu 2) gegen den Kläger beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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