Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.03.2004
Aktenzeichen: 11 Sa 1851/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242 Betriebliche Übung
1. Wie eine betriebliche Übung gegenüber Betriebsrentnern entstehen und anspruchsbegründende Wirkung erzeugen kann (so BAG 29.04.2003 - 3 AZR 247/02 - EzA § 1 BetrAVG Betriebliche Übung Nr. 4), kann diese Wirkung auch nach den vom Bundesarbeitsgericht hierzu entwickelten Regeln (vgl. z. B. BAG 27.06.2001 - 10 AZR 488/00 - EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 44) durch eine geänderte betriebliche Übung wieder aufgehoben werden.

2. Soll durch eine gegenläufige betriebliche Übung ein Teil der dem Betriebsrentner gemachten Versorgungszusage (hier: Rentnerweihnachtsgeld) beseitigt werden, bedarf es hierfür zunächst seitens des Versorgungsschuldners eines eindeutigen verschlechternden Änderungsangebots. Dieses kann nicht in einem Teil-Widerruf der dem Betriebsrentner gemachten Versorgungszusage wegen wirtschaftlicher Notlage gesehen werden (im Anschluss an BAG 29.04.2003 - 3 AZR 247/02 - a. a. O.).

3. Aber selbst wenn man den Teil-Widerruf als verschlechterndes Änderungsangebot ansähe, könnte von einer Annahme dieses Angebots seitens eines Betriebsrentners nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil dieser erst nach einer rechtskräftigen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in mehreren Parallelprozessen Zahlungsklage erhoben hat.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 11. März 2004

In Sachen

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 11.03.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Mühlbeyer und den ehrenamtlichen Richter Kiwitt

für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 28.10.2003 - 8 Ca 2677/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung eines "Weihnachtsgeldes" für Betriebsrentner in Höhe von je 76,69 € brutto für die Jahre 2000, 2001 und 2002.

Der früher bei der Beklagten beschäftigte Kläger erhält von dieser seit dem 01.09.1989 eine monatliche Betriebsrente. Darüber hinaus zahlte die Beklagte an alle Betriebsrentner schon seit mehreren Jahrzehnten, und jedenfalls seit 1973 ohne begleitende Erklärungen, jeweils mit der Betriebsrente für den Dezember ein "Weihnachtsgeld" in Höhe von 150,-- DM. Diese ohne Rücksicht auf Art und Umfang der Tätigkeit im vorausgegangenen Arbeitsverhältnis, auf die Höhe des Verdienstes und unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit erbrachte Leistung an die Betriebsrentner wurde nach der betrieblichen Versorgungsordnung nicht geschuldet.

Mit Schreiben vom 15.05.2000 teilte die Beklagte ihren Betriebsrentnern, u. a. dem Kläger, folgendes mit:

"In den vergangenen Jahren haben Sie von uns auf freiwilliger Basis zum Jahresende hin jeweils eine Sonderzahlung erhalten. An dieser Vorgehensweise können wir künftig leider nicht mehr festhalten.

Die Firma U. Bausysteme GmbH ist nach unserem Kenntnisstand die einzige Gesellschaft konzernweit, die bisher noch eine Sonderzahlung an ihre Werksrentner ausgezahlt hat.

Nunmehr ist im Zuge der Fusion des U.- und des L.-Konzerns eine Harmonisierung von einschlägigen Regelungen beschlossen worden, um diesbezüglich eine Gleichbehandlung der Werksrentner zu gewährleisten. Dabei ist u. a. festgelegt worden, dass keine Sonderzahlungen an Werksrentner mehr gewährt werden.

Wir bitten um Ihr Verständnis dafür, dass unter Beachtung dieser konzerneinheitlichen Regelung Ihnen somit ab diesem Jahr keine Sonderzahlung mehr geleistet werden kann.

Gleichzeitig weisen wir aber ausdrücklich darauf hin, dass alle Regelungen der Pensionsordnung davon unberührt bleiben und wir Ihnen natürlich auch weiterhin pünktlich Ihre Werksrente unverändert auszahlen werden."

In einem beim Arbeitsgericht Wesel mit Klageeinreichung am 22.02.2001 anhängig gemachten Rechtsstreit zwischen einem anderen Betriebsrentner und der Beklagten hat das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 29.04.2003 - 3 AZR 339/02 - entschieden, dass der mit Schreiben vom 15.05.2000 erklärte Widerruf der Weihnachtsgeldzahlung an die Betriebsrentner rechtsunwirksam sei. Daraufhin bot die Beklagte mit Schreiben vom 02.07.2003 circa 60 von der IG Metall vertretenen Rentnern an, ihnen zur Vermeidung weiterer Kontroversen einen Einmalbetrag in Höhe von 1.000,-- € zu zahlen. Dem Kläger wurde ein derartiges Vergleichsangebot nicht unterbreitet.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Wesel am 10.07.2003 eingereichten und der Beklagten am 14.07.2003 zugestellten Klage macht der Kläger, dem bekannt war, dass mehrere Betriebsrentner gegen die Beklagte wegen des "Weihnachtsgeldes" geklagt hatten, gegenüber der Beklagten erstmals das "Weihnachtsgeld" für die Jahre 2000 bis 2002 geltend.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

1. Weihnachtsgeld für 2000 in Höhe von 76,69 € brutto, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2000;

2. Weihnachtsgeld für 2001 in Höhe von 76,69 € brutto, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2001;

3. Weihnachtsgeld für 2002 in Höhe von 76,69 € brutto, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2002

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Da der Kläger sich erst nach Ablauf von drei Jahren gemeldet habe, sei die vom Bundesarbeitsgericht angenommene betriebliche Übung bezüglich der Gewährung eines "Weihnachtsgeldes" an die Betriebsrentner zu seinen Lasten abgeändert worden. Sie habe durch die Zahlungseinstellung zu erkennen gegeben, an der bisherigen Übung nicht mehr festhalten zu wollen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur negativen betrieblichen Übung sei das widerspruchslose Hinnehmen der Zahlungseinstellung durch den Kläger über einen Zeitraum von drei Jahren als konkludentes Einverständnis und damit als Ablösung einer vormaligen Betriebsübung zu werten.

Durch sein am 28.10.2003 verkündetes Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Anspruch des Klägers auf das "Weihnachtsgeld" für die Jahre 2000 bis 2002 sei nicht erloschen. Zum einen fehle es an einer ausdrücklichen Hinderungsvereinbarung der Parteien. Zum anderen sei der durch betriebliche Übung begründete Anspruch des Klägers auch nicht konkludent zu seinen Lasten unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur negativen betrieblichen Übung untergegangen. Voraussetzung für die Änderung einer betrieblichen Übung sei ein verschlechterndes Änderungsangebot seitens des Arbeitgebers und die Annahme dieses Angebots durch den Arbeitnehmer. Da das "Weihnachtsgeld" Bestandteil der dem Kläger gezahlten Betriebsrente sei, seien an ein konkludentes Verhalten seitens des Arbeitnehmers, aus dem sein Einverständnis mit einer Änderung einer betrieblichen Übung geschlossen werden könne, strenge Anforderungen zu stellen. Im Streitfall enthalte zwar das Schreiben der Beklagten vom 15.05.2000 ein klares Angebot an alle Betriebsrentner, die bisherige betriebliche Übung abzuändern und die Zahlung des "Weihnachtsgeldes" für die Zukunft einzustellen. Die Beklagte habe jedoch aus dem Schweigen des Klägers über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nicht auf seine konkludente Zustimmung zur Vertragsänderung schließen dürfen.

U. a. aufgrund der Presseberichterstattung über das vom Bundesarbeitsgericht am 29.04.2003 - 3 AZR 339/02 - entschiedene Pilotverfahren habe die Beklagte nicht davon ausgehen können, dass jeder einzelne Betriebsrentner sowie jeder einzelne aktive Arbeitnehmer, zu dessen Gunsten die betriebliche Übung hinsichtlich der Zahlung des "Weihnachtsgeldes" ebenfalls gelte, ausdrücklich widerspreche, wenn er mit der Einstellung dieser Sonderleistung nicht einverstanden gewesen sei.

Gegen das ihr am 19.11.2003 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit einem beim Landesarbeitsgericht am 05.12.2003 eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05.02.2004 - mit einem am 02.02.2004 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte hat unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend gemacht:

Der Kläger habe die für ihn eindeutige Aussage in ihrem Schreiben vom 15.05.2000, dass "Rentnerweihnachtsgeld" künftig einzustellen, nicht zum Anlass genommen, hiergegen in irgendeiner Weise vorzugehen oder die Maßnahme ihr gegenüber auch nur zu kritisieren. Der vom Bundesarbeitsgericht am 29.04.2003 entschiedene Rechtsstreit - 3 AZR 339/02 - sei lediglich hinsichtlich vier weiterer beim Arbeitsgericht Wesel anhängig gewesener Rechtsstreite ein sog. Pilotverfahren gewesen. Auch sei der vom Arbeitsgericht bemühte Vertrauensschutz zugunsten des Klägers mit Hinweis auf Presseveröffentlichungen nicht nachvollziehbar. Zum einen habe die Presse über ihren wirtschaftlichen Niedergang berichtet, was im Übrigen regelmäßiges Thema bei den alljährlichen Weihnachtstreffen der Betriebsrentner gewesen sei. Zum anderen habe der Kläger des vom Bundesarbeitsgericht im April vorigen Jahres entschiedenen Rechtsstreit in einer Presseveröffentlichung - unstreitig - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das nur die fünf Betriebsrentner, die seinerzeit Klage wegen des Weihnachtsgeldes 2000 eingereicht hätten, in den Genuss der Nachzahlung kommen würden. Er rate deshalb den betroffenen Ruheständlern, sich der Klage anzuschließen. In einem weiteren Zeitungsartikel sei - unstreitig - darauf hingewiesen worden, dass die von der IG-Metall vertretenen 55 Rentner mit ihrer - der Beklagten - Geschäftsführung Einigkeit darüber erzielt hätte, dass die zu erwartende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts auf alle in der IG-Metall organisierten Betriebsrentner übertragen würden. Damit sei noch einmal zusätzlich unterstrichen worden, dass die Untätigkeit der übrigen Betriebsrentner in Verbindung mit der Zeitfaktor, der ein wesentliches Moment für die anzunehmende Gegenübung darstelle, zu einem endgültigen Rechtsverlust führe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 28.10.2003 - 8 Ca 2677/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 28.10.2003 - 8 Ca 2677/03 - zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und macht im Wesentlichen geltend, dass eine unwirksame einseitige Gestaltungserklärung nicht dadurch in Rechtskraft erwachse, dass der Vertragspartner sich dazu nicht äußere. Er habe innerhalb von weniger als drei Jahren nach Einstellung der Weihnachtsgeldzahlung Klage erhoben, so dass die notwenige Zeitdauer für die Anerkennung einer gegenläufigen betrieblichen Übung nicht erfüllt seien.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung der Beklagten, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist unbegründet. Zu Recht hat die Vorinstanz dem Kläger das "Rentnerweihnachtsgeld" für die Jahre 2000 bis 2002 nebst Zinsen zugesprochen.

I. Zwischen den Parteien ist aufgrund des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 29.04.2003 - 3 AZR 339/02 - unstreitig, dass dem Kläger jedenfalls aufgrund des ihm seit Eintritt in den Ruhestand im Jahre 1989 in jedem Jahr vorbehaltlos gezahlten "Rentnerweihnachtsgeldes" nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung (hierzu zuletzt wieder BAG 20.01.2004 - 9 AZR 43/03 - EzA § 1 BetrAVG Betriebliche Übung Nr. 5) i. V. m. § 611 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Zahlung dieser Sonderleistung jedenfalls bis einschließlich zum Jahre 1999 zustand. Der Kläger kann aber aufgrund dieser betrieblichen Übung auch für die Jahre 2000 bis 2002 das "Rentnerweihnachtsgeld" in unstreitiger Höhe von je 76,69 € brutto gemäß § 611 Abs. 1 BGB verlangen. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese betriebliche Übung weder aufgrund ihres Schreibens vom 15.05.2000 noch im Anschluss daran beseitigt worden.

1. Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ist die betriebliche Übung als Rechtsquelle vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt worden (vgl. § 1 b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Danach steht der Verpflichtung aus einer ausdrücklichen Versorgungszusage eine auf betriebliche Übung beruhende Versorgungsverpflichtung gleich. Da ein Betriebsrentenverhältnis nicht gekündigt werden kann und somit eine Änderungskündigung (vgl. § 2 KSchG) ausscheidet, kann auf individualrechtlicher Ebene eine betriebliche Übung nur durch eine Änderungsvereinbarung mit dem Betriebsrentner beseitigt oder geändert werden.

Eine derartige Vereinbarung über die Aufhebung des Anspruchs auf das "Rentnerweihnachtsgeld" ab dem Jahre 2000 liegt jedoch nicht vor.

2. Da die Parteien unstreitig keine ausdrückliche Vereinbarung über die Aufhebung des Anspruchs auf das Rentnerweihnachtsgeld getroffen haben, kommt vorliegend nur eine stillschweigend getroffene Vereinbarung in Betracht.

Eine solche ist aber entgegen der Auffassung der Beklagten nicht unter Anwendung der vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur negativen betrieblichen Übung zustande gekommen.

a) Zunächst ist festzustellen, dass der Anwendung dieser Grundsätze im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung kein zwingendes Recht entgegensteht.

Es ist allgemein anerkannt, dass eine einvernehmliche Einschränkung oder Aufhebung von Versorgungsberechtigungen auf Grund einzelvertraglicher Abrede durch § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG nicht beschränkt wird (vgl. nur BAG 16.09.1986 - GS 1/82 - EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 17; Blomeyer/Otto BetrAVG, 3. Aufl. 2004, Anh. § 1 Rz. 561). Es liegen im Streitfall jedoch keine Tatsachen vor, aus denen eine Übereinkunft der Parteien über den Wegfall des "Rentnerweihnachtsgeldes" mit Wirkung ab dem Jahre 2000 geschlossen werden kann.

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Anspruch aus betrieblicher Übung bei wiederholten Leistungen auch durch eine geänderte betriebliche Übung aufgehoben werden (BAG 26.03.1997 - 10 AZR 612/96 - EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 38; BAG 04.05.1999 - 10 AZR 290/98 - EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 43; BAG 27.06.2001 - 10 AZR 488/00 - EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 44). Mit einer gegenläufigen betrieblichen Übung über einen längeren Zeitraum hinweg kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein verschlechterndes Änderungsangebot unterbreiten, das allerdings von diesem angenommen werden muss. Von einer Annahmeerklärung kann der Arbeitgeber jedoch nicht nur dann ausgehen, wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich sein Einverständnis erklärt, sondern auch, wenn er nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte das Schweigen des Arbeitnehmers als Zustimmung zu der geänderten betrieblichen Übung ansehen darf.

Das ist dann anzunehmen, wenn er davon ausgehen darf, der Arbeitnehmer werde der Änderung widersprechen, wenn er mit dieser nicht einverstanden sei.

Ebenso wie bei der Begründung eines Anspruchs aus betrieblicher Übung kommt es nicht auf einen tatsächlich vorhandenen Verpflichtungswillen an, soweit ein entsprechender Rechtsbindungswille des Arbeitnehmers jedenfalls aus objektiver Sicht des Erklärungsempfängers erkennbar ist (BAG 27.06.2001 - 10 AZR 488/00 - a. a. O.).

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann bereits aus dem Verhalten der Beklagten seit dem Beginn des Bezugsjahres 2000 kein eindeutiges Angebot auf Aufhebung des Anspruchs auf das "Rentnerweihnachtsgeld" entnommen werden. Das Schreiben der Beklagten vom 15.05.2000 enthält kein derartiges Angebot. Es ist als Widerruf eines Teils der dem Kläger gemachten Versorgungszusage zu qualifizieren, die das Bundesarbeitsgericht zudem als rechtsunwirksam angesehen hat (BAG 29.04.2003 - 3 AZR 339/02 -).

d) Aber selbst wenn man ihrem Schreiben vom 15.05.2000 entnehmen wollte, die Beklagte habe trotz ihrer Vorstellung, einseitig das "Rentnerweihnachtsgeld" aufgrund wirtschaftlicher Notlage widerrufen zu wollen, ihren Willen auf einvernehmliche Änderung und damit auf ein entsprechendes Änderungsangebot bekunden wollen bzw. wenn man den unwirksamen Widerruf des "Rentnerweihnachtsgeldes" vom 15.05.2000 in ein derartiges (wirksames) Angebot gemäß § 140 BGB umdeuten könnte (zum Verhältnis Auslegung/Umdeutung vgl. APS/Biebl, 2. Aufl. 2004, § 13 KSchG Rz. 35; Stahlhacke/Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl. 2002, Rn. 471), konnte die Beklagte aus dem Schweigen des Klägers hierauf nicht auf dessen Zustimmung schließen.

aa) Grundsätzlich gilt gemäß § 147 BGB ein Schweigen eines Erklärungsempfängers nicht als Annahme eines Angebots, vor allem dann nicht, wenn ein Angebot auf eine nachteilige Veränderung der Vertragssituation gerichtet ist.

Nur unter besonderen Umständen kann ausnahmsweise ein Schweigen als Annahme zu werten sein, nämlich dann, wenn der Erklärende nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der Besonderheiten des Einzelfalles annehmen darf, der andere Vertragsteil werde der angebotenen Vertragsänderung widersprechen, wenn er ihr nicht zustimmen wolle (BAG 14.08.1996 - 10 AZR 69/96 - a. a. O.; BAG 27.06.2001 - 10 AZR 488/00 - EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 44).

bb) Im Streitfall konnte die Beklagte schon deshalb nicht von einer Zustimmung des Klägers im Anschluss an ihr Schreiben vom 15.05.2000 ausgehen, weil einige ihrer Betriebsrentner den in diesem Schreiben enthaltenen Widerruf des "Rentnerweihnachtsgeldes" bzw. dessen Zahlungseinstellung für das Jahr 2000 und überhaupt für die Zukunft für unwirksam hielten und Zahlungsklage erhoben hatten.

(1.) Entgegen der Auffassung der Beklagten musste der Kläger weder außergerichtlich noch gerichtlich vor der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts am 29.04.2003 in dem Rechtsstreit 3 AZR 339/02 über die Wirksamkeit des Widerrufs vom 15.05.2000 seinen Anspruch auf das "Rentnerweihnachtsgeld" für die Jahre 2000 bis 2002 gemäß betrieblicher Übung i. V. m. § 611 Abs. 1 BGB geltend machen. Die Beklagte musste nämlich aufgrund dieses bereits beim Arbeitsgericht Wesel am 22.02.2001 anhängig gemachten Rechtsstreits damit rechnen, dass das Bundesarbeitsgericht in letzter Instanz gegen sie entscheiden würde und die Betriebsrentner, die bisher ihren Anspruch weder außergerichtlich noch gerichtlich geltend gemacht hatten, ebenfalls auf Grund der bestehenden betrieblichen Übung bzw. nunmehr gestützt auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sich an sie wenden und ebenfalls die Zahlung des "Rentnerweihnachtsgeldes" für 2000 und wegen des unwirksamen Widerrufs auch für die Folgejahre verlangen würden. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbstgegebenen Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (st. Rspr., z. B. BAG 03.04.2003 - 6 AZR 633/01 - EzA § 242 BGB 2002 Gleichbehandlung Nr. 1; BAG 21.05.2003 - 10 AZR 524/02 - EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 10).

(2.) Für Betriebsrentner gilt nichts anderes. Da der Widerruf einer Versorgungszusage ein dem Privatrecht zuzuordnender Rechtsakt ist und keinen Verwaltungsakt darstellt, der nach Ablauf der Widerrufs- bzw. Klagefrist bestandskräftig wird, stellt es anders als im öffentlichen Recht (vgl. z. B. BVerwG 20.09.1960 - III C 9. 60 - BVerwGE 11, 124, 125 f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band 2, 6. Aufl. 2000, § 51 Rz. 88 m. w. N.) keinen sachlichen Grund dar, Arbeitnehmer oder Betriebsrentner, die nicht gegen den Widerruf einer alle Arbeitnehmer bzw. Betriebsrentner betreffenden Sonderleistung geklagt haben, vor Ablauf einer Ausschluss- oder Verjährungsfrist anders zu behandeln als Arbeitnehmer oder Betriebsrentner, die gegen einen solchen Widerruf geklagt haben bzw. mit denen eine Einigung erzielt worden ist, bei einem für sie günstigen Ausgang eines beim Bundesarbeitsgericht anhängigen Rechtsstreits eines Kollegen, den bis dahin streitigen Anspruch außergerichtlich zu erfüllen.

II. Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus § 288 Abs. 1 BGB i. V. m. § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

B.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision für die Beklagte nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.



Ende der Entscheidung

Zurück