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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 24.08.2006
Aktenzeichen: 11 Sa 535/06
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, BOKraft, DFBus


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
BOKraft vom 21.06.1975 (BGBl. I S. 1573) § 3
BOKraft vom 21.06.1975 (BGBl. I S. 1573) § 4
Dienstanweisung für den Fahrdienst mit Bussen der Essener Verkehrs AG (DFBus) - Ausgabe: Oktober 2000 -
1. §§ 3 und 4 BOKraft vom 21.06.1975 (BGBl. I S. 1573), zuletzt geändert durch Art. 4 der VO vom 22.01.2004 (BGBl. I 2004, S. 117), enthalten keine Rechtsgrundlage dafür, dass der von einem Unternehmen des öffentlichen Personenverkehrs nach § 4 Abs. 1 BOKraft bestellte Betriebsleiter einem Omnibusfahrer die betriebliche Fahrerlaubnis entziehen kann.

12. Ein dennoch durch den Betriebsleiter erfolgter Entzug der innerbetrieblichen Fahrerlaubnis ist kein Verwaltungsakt i. S. von § 35 Satz 1 VwVfG und bindet deshalb nicht das Unternehmen des öffentlichen Personenverkehrs in seiner Entscheidung, dem von einem solchen Erlaubnisentzug betroffenen Omnibusfahrer außerordentlich nach § 626 Abs. 1 BGB bzw. ordentlich gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG personenbedingt zu kündigen.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 535/06

Verkündet am 24. August 2006

In Sachen

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 24.08.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Smoch und den ehrenamtlichen Richter Hassenpflug

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 08.03.2006 - 4 Ca 4492/05 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 08.03.2006 - 4 Ca 4492/05 - teilweise abgeändert, soweit es die Klage abgewiesen hat und im Abweisungsausspruch insgesamt zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.971,52 € brutto abzüglich 1.045 € (Arbeitslosengeld) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Zahlungsklage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 24/25 und der Kläger zu 1/25.

4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger stand bei der Beklagten, die ein Nahverkehrsunternehmen in Essen betreibt, zunächst aufgrund des "Ausbildungs-Arbeitsvertrag" vom 01.09.1995 in einem Ausbildungsverhältnis zum Omnibusfahrer. Nach § 6 dieses Vertrages war der Kläger verpflichtet, "bei Ausführung der ihm übertragenen Arbeiten die jeweils in Frage kommenden gesetzlichen und behördlichen Vorschriften - z. B. Unfallverhütungsvorschriften, die Dienstanweisungen des Arbeitgebers, Betriebsvorschriften, das Arbeitszeitgesetz und die Anordnungen seiner Vorgesetzten - zu beachten".

Ebenfalls am 01.09.1995 unterschrieb der Kläger eine "Erklärung", in der er unter Ziffer 4 im ersten Satz bestätigt, "nachstehende Vorschriften, Drucksachen usw. erhalten zu haben ...". Als "ausgehändigte Vorschriften" ist am Ende dieser Ziffer 4 u. a. die "Dienstanweisung für den Fahrdienst" (DFStrab, DFKraft bzw. DFSchiff) aufgeführt. Schließlich unterschrieb der Kläger noch am 01.09.1995 eine Erklärung des "Verband öffentlicher Verkehrsbetriebe" in der es u. a. heißt:

"Die Tätigkeit im äußeren Betriebsdienst als Kraftomnibusfahrer ist nur gestattet, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung gemäß "Straßenverkehrs-Zulassungsordnung" (StVZO) und die Bestimmungen der "Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr" (BO-Kraft) erfüllt sind, d. h., wenn

1. gegen die persönliche Zuverlässigkeit keine Bedenken bestehen. Sie ist u. a. nur dann gegeben, wenn das "Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde" und das Verkehrszentralregister keine wesentlichen Eintragungen enthalten.

2. die geistige und körperliche Eignung durch ein amts- oder betriebsärztliches Zeugnis - auf Verlangen der Behörde ein fachärztliches Zeugnis oder das Gutachten eines amtl. anerkannten med.psych. Institutes (MPI) - nachgewiesen ist.

3. durch ein Zeugnis die erfolgreiche Teilnahme an einem Lehrgang in "Erster Hilfe" nachgewiesen ist.

..."

Nach erfolgreich abgelegter Prüfung wurde dem Kläger mit Ausbildungs- und Prüfungsnachweis vom 29.12.1995 die Erlaubnis durch den Betriebsleiter bzw. Beauftragten des Betriebsleiters erteilt, die Tätigkeit als KOM-Fahrer mit Personenbeförderung in eigener Verantwortung auszuüben. Ab dem 21.01.1996 wurde der Kläger aufgrund des am gleichen Tag geschlossenen Arbeitsvertrages, der in § 7 eine mit § 6 des "Ausbildungs-Arbeitsvertrag" wörtlich übereinstimmende Regelung enthält, als KOM-Fahrer eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe (TV-N NW) in seiner jeweiligen Fassung Anwendung.

Am 22.11.2005 verrichtete der Kläger seinen planmäßigen Dienst als KOM-Fahrer auf der Linie 166, Kurs 13, Wagennummer: 3734. In der Zeit von 08.54 Uhr bis 09.56 Uhr führte der Fahrmeister der Beklagten, Herr G. L., eine Sonderbeobachtung des Klägers durch. Derartige Sonderbeobachtungen finden in unregelmäßigen Abständen bei allen KOM-Fahrern und Strab-Fahrern der Beklagten statt. Sinn und Zweck dieser Sonderbeobachtungen ist es, die Fahrer, die ansonsten während ihres gesamten Dienstes ohne irgendeine Kontrolle ihre Arbeit verrichten, auf die Einhaltung der von ihnen zu beachtenden gesetzlichen und durch Dienstanweisung geregelten Vorschriften hin zu überprüfen.

Über die Sonderbeobachtung des Klägers vom 22.11.2005 fertigte Herr L. einen Bericht, auf dessen näheren Inhalt ausdrücklich Bezug genommen wird. Wegen der in diesem Bericht aufgeführten straßenverkehrsrechtlichen Verstöße zog der zuständige Betriebsleiter der Beklagten, Herr U. von E., den Kläger zunächst vom Fahrdienst zurück. In einem zwei Tage später durchgeführten "Sachverhaltsermittlungsgespräch" mit der Fachebene Arbeits- und Tarifrecht, zu dem der Kläger mit seinem Prozessvertreter erschien, nahm ersterer zu den Ergebnissen der Sonderbeobachtung vom 22.11.2005 schriftlich Stellung. Wegen ihres näheren Inhalts wird ausdrücklich auf diese schriftliche Stellungnahme Bezug genommen.

Am 02.12.2005 überreichte der Betriebsleiter der Beklagten, Herr von E., deren Mitarbeiterin für die Fachebene Arbeits- und Tarifrecht, Unternehmensbereich Personal und Organisation, Frau L. C., ein Schreiben. In diesem teilte er u. a. mit:

"...

Die sicherheitsrelevanten straßenverkehrsrechtlichen Verstöße des Herrn Q. - hier sind im besonderen das Verlassen des vorgeschriebenen Fahrweges nach der Haltestelle Porscheplatz (Fahrt über drei Spuren), die beiden Rotlichtverstöße sowie die erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h zu nennen - waren so gravierend, dass ich Herrn Q. auf Dauer für ungeeignet halte, einen KOM zu lenken.

Die von Herrn Q. vorgelegte Stellungnahme zu den Ergebnissen der Sonderbeobachtung kann die ihm gemachten Vorwürfe nicht entkräften, da ich sie als Schutzbehauptung ansehe. Vielmehr muss ich mich hier auf die Aussagen des Fahrmeisters verlassen.

Herr Q. wird daher auf Dauer nicht mehr im Fahrdienst bei der Essener Verkehrs-AG eingesetzt."

Mit Schreiben vom 02.12.2005, der die Anlage 1 mit den Kündigungsgründen beigefügt war, hörte die Beklagte ihren Betriebsrat zu einer von ihr beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen personenbedingten Kündigung des Klägers zum 30.06.2006 an. Mit Schreiben vom 06.12.2005 widersprach der Betriebsrat sowohl der beabsichtigten fristlosen wie hilfsweise fristgemäßen Kündigung des Klägers. Wegen des näheren Inhalts beider Schreiben wird ausdrücklich auf sie verwiesen.

Mit Schreiben vom 06.12.2005, dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos (außerordentlich) aus wichtigem Grund. Am 12.12.2005 kündigte die Beklagte darüber hinaus das Arbeitsverhältnis hilfsweise fristgemäß zum 30.06.2006.

Mit seiner der Beklagten am 14.12.2005 zugestellten Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 06.12.2005 geltend. In einem der Beklagten am 19.12.2005 zugestellten Schriftsatz hält der Kläger auch die ihm gegenüber hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung für unwirksam. Schließlich verlangt der Kläger noch mit einem der Beklagten am 05.01.2006 zugestellten Schriftsatz für den Fall, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam sei, das Arbeitsentgelt für Dezember 2005 in Höhe von 2.445,80 € brutto nebst Zinsen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 06.12.2005, zugegangen am gleichen Tage, noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.12.2005, zugegangen am gleichen Tage, aufgelöst wird;

2. die Beklagte für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 zu verurteilen, an ihn 2.445,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten:

Durch den Entzug der betrieblichen Fahrerlaubnis durch ihren Betriebsleiter sei der Kläger auf Dauer nicht mehr in der Lage, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, dem KOM-Fahren, nachzukommen. Diese betriebliche Fahrerlaubnis sei aber für die Tätigkeit als KOM-Fahrer gemäß § 6 Nr. 9 der Dienstanweisung für den Fahrdienst mit Bussen (DFBus) zwingend vorgeschrieben. Sie habe keine Möglichkeit, sich der begründeten Entscheidung des Betriebsleiters, die auf § 3 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 BOKraft beruhe, zu widersetzen. Denn diese Entscheidung liege nicht in ihrem eigenen, sondern im Ermessen ihres Betriebsleiters. Eine anderweitige Einsatzmöglichkeit habe sie auch nicht in absehbarer Zeit. Selbst wenn ihre außerordentliche Kündigung unwirksam sei, könne der Kläger nicht das Dezembergehalt beanspruchen. Er habe nämlich seine Arbeitskraft nicht mehr ordnungsgemäß anbieten können, da er seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung, dem KOM-Fahren, durch den Entzug der innerbetrieblichen Fahrerlaubnis auf Dauer nicht mehr nachkommen könne.

Durch sein am 08.03.2006 verkündetes Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage hinsichtlich des Feststellungsbegehrens des Klägers stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt:

Die Entziehung der betrieblichen Fahrerlaubnis auf Dauer erscheine unverhältnismäßig. So hätte die Beklagte z. B. eine Nachschulung des Klägers durchführen können. Nach einer Wertung der dem Kläger anlässlich der Sonderbeobachtung gemachten Vorwürfe könne sich dieser berechtigte Hoffnung machen, seine betriebliche Fahrerlaubnis in einem zeitlich überschaubaren Zeitraum wiederzuerlangen. Obwohl der Kläger mit seinem Feststellungsbegehren erfolgreich sei, besitze er mangels Annahmeverzugs keinen Anspruch auf Zahlung der vollständigen Vergütung für Dezember 2005. Er sei ohne die notwendige betriebliche Fahrerlaubnis nicht in der Lage, die vertraglich geschuldete Leistung anzubieten.

Gegen das ihr am 11.04.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 08.05.2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.07.2006 - mit einem bei Gericht am 10.07.2006 eingereichten Schriftsatz begründet.

Der Kläger hat gegen das ihm am 12.04.2006 zugestellte Urteil mit einem bei Gericht am 10.05.2006 eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem bei Gericht am 01.06.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:

Die Entziehung der betrieblichen Fahrerlaubnis durch ihren Betriebsleiter stelle einen "an sich" geeigneten wichtigen Grund i. S. von § 626 Abs. 1 BGB dar. Der Entzug der innerbetrieblichen Fahrerlaubnis durch ihren Betriebsleiter sei von öffentlich-rechtlicher Natur, über die sie sich nicht hinwegsetzen könne. Die von dem Kläger am 22.11.2005 begangenen Verkehrsrechtsverstöße seien so schwerwiegend, dass sie den Entzug der Fahrerlaubnis rechtfertigen würden. Auch unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit des Klägers und des sozialen Umfeldes bleibe die erhebliche Anzahl seiner Pflichtverstöße in einem doch relativ kurzen Zeitraum festzuhalten, weswegen es ihr nicht zumutbar gewesen sei, den Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Der Entzug der betrieblichen Fahrerlaubnis auf Dauer sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch nicht unverhältnismäßig. Insbesondere habe der Kläger nicht behauptet, er werde die Fahrerlaubnis wiedererlangen oder dies sei wenigstens wahrscheinlich. In jedem Fall aber sei die hilfsweise ausgesprochene ordentliche, fristgerechte Kündigung vom 12.12.2005 gemäß § 1 Abs. 1 KSchG i. V. m. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG wirksam.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 08.03.2006 - 4 Ca 4492/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 08.03.2006 - 4 Ca 4492/05 - zurückzuweisen;

2. das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 08.03.2006 - 4 Ca 4492/05 - abzuändern und die Beklagte für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 zu verurteilen, an ihn 2.445,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2005 zu zahlen, abzüglich an die Bundesagentur für Arbeit zu erstattendes Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 43,56 € im Zeitraum 08.12.2005 bis 31.12.2005.

Der Kläger macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:

Zu Recht habe die Vorinstanz erkannt, dass weder ein Grund für eine außerordentliche noch ein personenbedingter Grund für eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliege. Da er gegen die Entscheidung des Betriebsleiters, sobald sie ihm bekannt geworden sei, unter dem 16.02.2006 - unstreitig - Widerspruch eingelegt habe, habe es für die Beklagte keine bindende Entscheidung im Hinblick auf den Entzug der betrieblichen Fahrerlaubnis aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gegeben. Weil der Betriebsleiter seinen Widerspruch auch noch treuwidrig nicht an die zuständige Widerspruchsbehörde abgegeben habe, dauere dessen aufschiebende Wirkung nach wie vor an. Zu Unrecht habe dagegen das Arbeitsgericht einen Annahmeverzug der Beklagten verneint. In dem "Sachverhaltsermittlungsgespräch" vom 25.11.2005 habe die Beklagte einen Vorschlag seines Prozessbevollmächtigten, diesem doch zumindest eine andere Tätigkeit, wie z. B. Hofarbeiten, zuzuweisen, abgelehnt.

Die Beklagte beantragt noch,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 08.03.2006 - 4 Ca 4492/05 - vom 31.05.2006 zurückzuweisen.

Die Beklagte macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens insoweit im Wesentlichen geltend:

Der Kläger habe sie wegen Leistungsunfähigkeit nicht in Annahmeverzug setzen können (§ 297 BGB). Bei dem Entzug der innerbetrieblichen Fahrerlaubnis handele es sich um eine nicht anfechtbare Anordnung des Betriebsleiters, der seine Rechtsstellung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften erlangt habe (vgl. § 3 und 4 der BOKraft). Aber selbst wenn man gegenteiliger Auffassung sei, stehe dem Kläger für Dezember 2005 lediglich ein Arbeitsentgelt in Höhe von 1.971,52 € brutto abzüglich des vom Kläger bereits berücksichtigten Bezuges des Arbeitslosengeldes zu. Zwar habe dem Kläger grundsätzlich für Dezember 2005, wäre das Arbeitsverhältnis nicht fristlos gekündigt worden, ein Anspruch auf Zahlung von 2.452,45 € zugestanden. Da er aber für den Zeitraum 01.12.2005 bis 06.12.2005 bereits 480,93 € brutto mit der Dezemberabrechnung 2005 - unstreitig - erhalten habe, stehe ihm im Fall des Obsiegens mit seinem Feststellungsbegehren nur noch der geringere Entgeltanspruch zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie Protokolle der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung der Beklagten, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist unbegründet.

I. Zunächst ist das nach § 4 Satz 1 KSchG i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG zulässige Feststellungsbegehren des Klägers begründet. Jedenfalls im Ergebnis ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass am 06.12.2005, dem Zeitpunkt des Zugangs der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom gleichen Tag, kein wichtiger Grund i. S. von § 626 Abs. 1 BGB i. V. m. § 20 Abs. 5 TV-NW vorlag, der das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung zu diesem Zeitpunkt hätte beenden können.

1. Die Prüfung, ob im konkreten Streitfall ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung i. S. von § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, hat nach der ständigen Rechtsprechung des BAG (z. B. BAG 24.03.1958 - 2 AZR 587/55 -AP Nr. 5 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; BAG 21.02.1991 - 2 AZR 449/90 - EzA § 123 BGB Nr. 35; BAG 11.03.1999 - 2 AZR 507/98 - EzA § 626 BGB n. F. Nr. 176; BAG 27.04.2006 - 2 AZR 386/05 - EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 11), der das Schrifttum im Wesentlichen gefolgt ist (vgl. nur KR-Fischermeier, 7. Aufl. 2004, § 626 BGB Rz. 84) in zwei systematisch zu trennenden Abschnitten zu erfolgen. Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls "an sich" geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben. Dabei genügt allerdings noch nicht die "abstrakte Erheblichkeit" eines Kündigungssachverhaltes zur Begründung der Unzumutbarkeit. Vielmehr muss bereits auf der ersten Stufe festgestellt werden, ob der an sich zur außerordentlichen Kündigung geeignete Sachverhalt im Streitfall zu einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat (BAG 15.11.1984 - 2 AZR 613/83 - EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; BAG 17.03.1988 - 2 AZR 576/87 - EzA § 626 BGB n. F. Nr. 116). Erst dann ist auf einer zweiten Stufe zu untersuchen, ob nach Abwägung aller in Betracht kommender Interessen der Arbeitsvertragsparteien die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist (BAG 17.03.1988 - 2 AZR 576/87 - a. a. O.; BAG 02.03.1989 - 2 AZR 280/88 -AP Nr. 101 zu § 626 BGB).

2. Die vorgenannte Zwei-Stufen-Prüfung ergibt im Streitfall, dass es bei Zugang der außerordentlichen Kündigung der Beklagten beim Kläger bereits an einem "an sich" geeigneten wichtigen Grund i. S. dieser Vorschrift fehlte.

a) Die Beklagte hat ihre außerordentliche Kündigung vom 06.12.2005 ausschließlich mit personenbedingten Gründen zu rechtfertigen versucht.

aa) Ein personenbedingter Kündigungsgrund i. S. des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG - für § 626 Abs. 1 BGB kann nichts anderes gelten - kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer die Fähigkeit oder Eignung zur Erfüllung der geschuldeten Arbeitsleistung verloren hat. Die Erreichung des Vertragszwecks muss durch diesen Umstand im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (vgl. nur BAG 17.06.1999 - 2 AZR 639/98 - EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 4) nicht nur vorübergehend zumindest teilweise unmöglich sein (BAG 28.02.1990 - 2 AZR 401/89 - EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 5; BAG 10.10.2002 - 2 AZR 472/01 - EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 58).

bb) Zwar hat der Kläger nach Behauptung der Beklagten am 22.11.2005 bei seinem Einsatz als Omnibusfahrer mehrfach gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen und damit eine vorwerfbare Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten begangen. Dies würde für eine verhaltensbedingte Kündigung des Klägers sprechen (vgl. nur BAG 10.10.2002 - 2 AZR 472/01 - a. a. O.). Grund für die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 06.12.2005 war jedoch nicht ein steuerbares Verhalten des Klägers, das mit einer vorwerfbaren Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten verbunden war, sondern der Umstand, dass ihn ihr Betriebsleiter, Herr von E., auf Dauer für ungeeignet hielt, einen KOM (sc. Omnibus) zu führen und sie sich an die Anordnung von Herrn E. am Schluss seines Schreibens vom 02.12.2005, der Kläger werde auf Dauer nicht mehr im Fahrdienst bei ihr eingesetzt, gebunden fühlte.

b) Grundsätzlich ist ein personenbedingter Kündigungsgrund aber nur ausnahmsweise an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen. Denn stets ist zu prüfen, ob nicht u. a. mit der Wiederherstellung der Eignung gerechnet werden kann oder ob nicht andere mildere Mittel möglich sind (BAG 06.03.2003 - 2 AZR 232/02 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 2; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl. 2005, Rdn. 746; vgl. auch schon BAG 13.04.1989 - 2 AZR 444/88 - EzAÜG § 626 BGB Nr. 3).

c) Im Streitfall können keine ausnahmsweise für die Berechtigung einer auf solche Gründe gestützten außerordentlichen Kündigung sprechenden Umstände festgestellt werden.

aa) Zwar ist anerkannt, dass bei einem Kraftfahrer der Verlust der Fahrerlaubnis einen außerordentlichen personenbedingten Kündigungsgrund darstellen kann (vgl. BAG 30.05.1978 - 2 AZR 630/76 - EzA § 626 BGB n. F. Nr. 66). Der Verlust des Führerscheins führt zu einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot. Ohne diese Erlaubnis darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht weiter einsetzen, und dem Arbeitnehmer ist das Erbringen der geschuldeten Arbeitsleistung durch den Verlust der Fahrerlaubnis rechtlich unmöglich geworden (vgl. auch BAG 24.02.2005 - 2 AZR 211/04 - EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 18).

bb) Bei der dem Kläger durch den Betriebsleiter der Beklagten, Herrn von E., entzogenen Betriebsfahrberechtigung, deren Notwendigkeit sie aus § 6 Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 DFBus herleitet - diese Vorschrift verlangt für den Einsatz eines Omnibusfahrers bei ihr neben der vorgeschriebenen behördlichen Erlaubnis "die betriebliche Qualifikation" - handelt es sich demgegenüber aber um eine betriebliche Fahrerlaubnis, die von der Beklagten bzw. ihrem Betriebsleiter zusätzlich zu dem erforderlichen Führerschein erteilt wird und - sofern hierfür eine Rechtsgrundlage besteht - wieder entzogen werden kann. Der Verlust einer solchen Betriebsfahrberechtigung kann in seinen kündigungsrechtlichen Folgen grundsätzlich nicht dem Verlust einer behördlich vorgeschriebenen Fahrerlaubnis gleichgestellt werden. Würde man dies tun, hätte es der Arbeitgeber weitgehend in der Hand, selbst Kündigungsgründe zu schaffen, was der Unabdingbarkeit des gesetzlichen Kündigungsschutzes zuwiderliefe (BAG 25.04.1996 - 2 AZR 74/95 - EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 14).

cc) Im vorliegenden Fall gilt etwa nicht deshalb etwas anderes, weil es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen des öffentlichen Personenverkehrs handelt. Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrtunternehmen im Personenverkehr (BOKraft) vom 21.06.1975 (BGBl. I, S. 1573), zuletzt geändert durch Art. 4 der Verordnung vom 22.01.2004 (BGBl. I 2004, S. 117), hat ein Personenbeförderungsunternehmen, das, wie die Beklagte, einen Betriebsleiter gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BOKraft bestellt hat, durch eine allgemeine Dienstanweisung sicherzustellen, dass die Mitglieder des Fahrpersonals befähigt und geeignet sind, eine sichere und ordnungsgemäße Beförderung zu gewährleisten (§ 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Nr. 1 BOKraft). Der nach näherer Maßgabe des § 4 Abs. 1 BOKraft bestellte Betriebsleiter ist der Genehmigungsbehörde gegenüber - unbeschadet der eigenen Verantwortung der Beklagten (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 BOKraft) - für die Einhaltung der Dienstanweisung verantwortlich. Mit dem Erlass der Dienstanweisung für den Fahrdienst mit Bussen (DFBus) - Ausgabe: Oktober 2000 - ist die Beklagte deshalb ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung nachgekommen, für die Sicherheit der Personenbeförderung in ihrem Betrieb zu sorgen.

dd) Jedoch enthalten weder §§ 3 und 4 BOKraft noch die Vorschriften der DFBus eine Rechtsgrundlage dafür, dass der Betriebsleiter der Beklagten unter ganz konkret geregelten Voraussetzungen einem Omnibusfahrer, dazu noch mit für sie bindender Wirkung, die betriebliche Fahrerlaubnis überhaupt, geschweige denn auf Dauer, d. h. ohne ihm zuvor eine Bewährungschance, z. B. durch eine Nachschulung (vgl. in diesem Zusammenhang auch BAG 25.04.1996 - 2 AZR 74/95 - a. a. O.), gegeben zu haben, entziehen darf. Dies wäre aber im Hinblick darauf, dass dieser Entzug einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Klägers gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG darstellen würde, an den die Beklagte im Hinblick auf den Grundsatz, dass auch im Privatrechtsverkehr die zentralen Normen des Wertesystems der Grundrechte zur Anwendung gelangen (grundlegend BVerfG 14.02.1973 - 1 BvR 112/65 - NJW 1973, 1221 ff.; vgl. auch BVerfG 30.07.2003 - 1 BvR 792/03 - EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 58 a) notwendig gewesen (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG).

d) Aber selbst dann, wenn man zu Gunsten der Beklagten annehmen würde, die §§ 3 und 4 BOKraft bzw. die Vorschriften der DFBus würden eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Entzug der betrieblichen Fahrerlaubnis eines Omnibusfahrers hergeben, könnte der Betriebsleiter dies nicht mit bindender Wirkung für sie selbst bzw. den betroffenen Omnibusfahrer anordnen. Die Beklagte hätte vielmehr vor Ausspruch der streitbefangenen außerordentlichen Kündigung in jedem Fall eigenverantwortlich prüfen müssen, ob der Kläger auf Dauer nicht mehr in der Lage ist, in ihrem Fahrdienst tätig zu sein. Sie durfte sich nicht für die Begründung ihrer außerordentlichen Kündigung ausschließlich auf eine für sie bindende Wirkung der Entscheidung ihres Betriebsleiters berufen.

aa) Eine Bindung an die Feststellung ihres Betriebsleiters, der Kläger sei auf Dauer für den Einsatz als Omnibusfahrer bei ihr ungeeignet, könnte sich allenfalls aus der Tatbestandswirkung eines Verwaltungsaktes i. S. von § 35 Satz 1 VwVfG ergeben. Diese besagt, dass außer der Behörde sowie den Verfahrensbeteiligten i. S. von § 13 VwVfG - im Streitfall wäre § 13 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG bzw. § 13 Abs. 2 Satz 1 VwVfG im Verhältnis des angeblich hoheitlich handelnden Betriebsleiters zur Beklagten einschlägig - auch alle anderen Behörden sowie grundsätzlich alle Gerichte die Tatsache, dass der Verwaltungsakt erlassen wurde, als maßgebend akzeptieren müssen. Sie haben die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung unbesehen, d. h. ohne dass sie die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes nachprüfen müssten oder dürften, zugrunde zu legen (BGH 04.02.2004 - II ZR 301-01 - JZ 2005, 251; BAG 02.03.2006 - 2 AZR 46/05 - EzA § 91 SGB IX Nr. 3).

bb) Der Erlass eines Verwaltungsaktes setzt aber, wie aus § 35 Satz 1 VwVfG zu entnehmen ist, hoheitliches Handeln desjenigen voraus, der ihn erlässt. Hieran fehlt es auf Seiten des Betriebsleiters der Beklagten. Zwar besteht ein öffentlich-rechtliches Interesse daran, durch die Bestellung eines Betriebsleiters in einem Unternehmen des öffentlichen Personenverkehrs sicherzustellen, dass nur befähigtes und geeignetes Fahrpersonal für den Omnibusverkehr zugelassen wird (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 BOKraft i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 BOKraft). Dieses öffentlich-rechtliche Interesse an einer bestimmten Betätigung privater Personen oder Unternehmen macht diese Betätigung aber noch nicht zu einer öffentlich-rechtlichen (BVerwG 11.12.1980 - 3 C 130.79 - BVerwGE 61, 222, 225). Hierfür wäre es vielmehr notwendig, dass die Beklagte bzw. ihr Betriebsleiter durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes mit öffentlich-rechtlichen Handlungs- und Entscheidungsbefugnissen ausgestattet wäre (vgl. BVerwG 06.03.1990 - 7 B 120.89D-VBl 1990, 712, 713 m. w. N.).

cc) Ein derartiger Beleihungstatbestand liegt im Streitfall nicht vor. Weder aus § 57 Abs. 1 Personenbeförderungsgesetz (PBefG), auf dem die BOKraft beruht, noch diese selbst enthalten Anhaltspunkte, aus denen sich ergeben könnte, dass der Betriebsleiter der Beklagten hinsichtlich der innerbetrieblichen Fahrerlaubnis zu öffentlich-rechtlichem Handeln befugt wäre. Im Zusammenhang mit der Funktion des Betriebsleiters bestimmt allein § 4 Abs. 4 Satz 1 BOKraft, dass seine Bestellung und die seines Stellvertreters der Bestätigung durch die Genehmigungsbehörde bedarf. Dies betrifft aber allein den Akt der Bestellung des Betriebsleiters, räumt ihm aber nicht die Befugnis zu hoheitlichem Handeln bei der Erfüllung der ihm gegenüber der Beklagten obliegenden, nicht aber dessen arbeitsvertraglichen Pflichten ein.

dd) Diesem Ergebnis, wonach die von ihrem Betriebsleiter getroffene Feststellung der Fahruntauglichkeit des Klägers auf Dauer im Omnibusverkehr gegenüber der Beklagten unverbindlich ist, entspricht im Übrigen der Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 1 BOKraft. Danach bleibt die Beklagte auch nach Bestellung eines Betriebsleiters selbst für die ihr gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 BOKraft obliegende Gewährleistung einer sicheren und ordnungsgemäßen Beförderung ihrer Fahrgäste mit Omnibussen verantwortlich.

e) Im Übrigen kann im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, dass überhaupt ein Verwaltungsakt durch den Betriebsleiter erlassen worden ist, in dem er kraft hoheitlichen Tätigwerdens dem Kläger gegenübergetreten ist. Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung und andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist ( § 35 Satz 1 VwVfG). Der Verwaltungsakt ist demjenigen bekannt zu geben, für den er bestimmt ist ( § 41 Abs.1 Satz 1 VwVfG) und wird erst zu diesem Zeitpunkt wirksam (§ 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG). An allen Voraussetzungen fehlt es, weil der Betriebsleiter lediglich ein internes Schreiben gefertigt hat, das er der Personalabteilung der Beklagten hat zukommen lassen. Adressat ist weder der Kläger noch ist ihm dieses als Vermerk zu wertende Schreiben zugestellt worden. Schließlich fehlt es auch an einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung. Ein hoheitliches Handeln des Betriebsleiters - ganz abgesehen von der fehlenden Ermächtigungsgrundlage - ist beim Entzug der innerbetrieblichen Fahrerlaubnis gegenüber dem Kläger nicht erfolgt und ist für diesen auch nicht erkennbar geworden.

II. Aus den vorstehenden Ausführung folgt ohne weiteres, dass auch die zulässigerweise hilfsweise (vgl. näher BAG 27.03.1987 - 7 AZR 527/85 - EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 22) ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.12.2005 gemäß § 1 Abs. 1 KSchG i. V. m. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG wegen Sozialwidrigkeit (Fehlen eines personenbedingten Grundes) unwirksam ist und deshalb das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum beabsichtigten Termin am 30.06.2006 (vgl. § 20 Abs. 4 TV-N NW) aufgelöst hat.

B.

Die Berufung des Klägers, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist überwiegend begründet.

I. Der Kläger kann für den Zeitraum vom 07.12. bis zum 31.12.2005 von der Beklagten ein Arbeitsentgelt in Höhe von 1.971,52 € brutto abzüglich 1.045,-- € (Arbeitslosengeld) nebst Zinsen verlangen.

1. Der Zahlungsanspruch des Klägers in dieser Höhe und für den genannten Zeitraum ergibt sich aus § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 615 Satz 1 BGB.

a) Da § 615 Satz 1 BGB dem Arbeitnehmer trotz fehlender Arbeitsleistung "die vereinbarte Vergütung" sichern, ihm also lediglich den originären Vergütungsanspruch aus § 611 Abs. 1 BGB aufrecht erhalten will (BAG 28.04.1993 - 4 AZR 329/92 - EzA § 611 BGB Croupier Nr. 2; BAG 05.09.2002 - 8 AZR 702/01 - EzA § 615 BGB Nr. 109), ist erste Voraussetzungen für einen auf diese Norm gestützten Zahlungsanspruch ein bestehendes Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten (vgl. auch BVerfG 20.01.1990 - 1 BvR 42/82 - DB 1990, 1042). Hiervon ist unzweifelhaft für die Zeit vom 01.12. bis 06.12.2005, aber auch für die Zeit vom 06.12. bis 31.12.2005 auszugehen, da die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 06.12.2005 das Arbeitsverhältnis der Parteien, wie unter A. festgestellt, nicht gemäß § 626 Abs. 1 BGB beenden konnte.

b) Auch ist die zweite Voraussetzung für den auf § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 615 Satz 1 BGB gestützten Vergütungsanspruch des Klägers für den vorgenannten Zeitraum, nämlich der Annahmeverzug der Beklagten, erfüllt.

aa) Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs richten sich auch für das Arbeitsverhältnis nach den §§ 293 ff. BGB. Danach muss der Schuldner in der Regel die geschuldete Leistung tatsächlich (§ 294 BGB) oder wörtlich (§ 295 Satz 1 BGB) anbieten. Ist allerdings für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, bedarf es ausnahmsweise überhaupt keines Angebots, wenn der Gläubiger die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt (§ 296 Satz 1 BGB).

bb) Im Streitfall bedurfte es aufgrund der Regelung in § 296 Satz 1 BGB weder eines tatsächlichen noch eines wörtlichen Angebots seitens des Klägers, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung für die Zeit vom 07.12. bis 31.12.2005 zu erbringen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist die nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers darin zu sehen, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm eine Betätigung zuzuweisen( BAG 24.11.1994 - 2 AZR 179/94 - EzA § 615 BGB Nr. 83; BAG 06.12.2001 - 2 AZR 422/00 - EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 9; BAG 11.01.2006 - 5 AZR 98/05 - EzA § 615 BGB 2002 Nr. 11). Dem ist die Beklagte nach dem Zugang ihrer außerordentlichen Kündigung vom 06.12.2005 bei dem Kläger nicht nachgekommen.

cc) Allerdings kommt der Arbeitgeber nach § 297 BGB nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 BGB zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außer Stande ist, die Leistung zu bewirken. Unmöglichkeit der Arbeitsleistung und Annahmeverzug schließen sich gegenseitig aus (BAG 06.12.2001 - 2 AZR 422/00 - a.a.O.). Vorliegend war dem Kläger die Erbringung seiner Arbeitsleistung für die Zeit vom 08.12. bis zum 31.12.2005 entgegen der Vorinstanz nicht unmöglich. Denn die Beklagte hatte ihm, wie unter A. dargestellt, rechtswidrig und damit unverbindlich die betriebliche Fahrerlaubnis entzogen mit der Folge, dass er sehr wohl ab dem 07.12.2005 in der Lage war, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung, nämlich einen Omnibus im Fahrbetrieb der Beklagten zu führen, nachkommen konnte.

c) Was die Höhe des Annahmeverzugslohns des Klägers für die Zeit vom 07.12. bis 31.12.2005 betrifft, folgt die Kammer der Berechnung der Beklagten in ihrem Berufungserwiderungsschriftsatz vom 20.07.2006, der der Kläger nicht widersprochen hat.

2. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. mit § 284 Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 614 Satz 1 BGB.

II. Dagegen kann der Kläger für die Zeit vom 01.12. bis zum 06.12.2005 nicht die Differenz zwischen dem von ihm verlangten Arbeitsentgelt für den gesamten Dezember 2005 in Höhe von 2.445,80 € brutto und den ihm für die Zeit vom 07.12. bis 31.12.2005 zugesprochenen 1.971,52 € brutto - das bezogene Arbeitslosengeld einmal außer acht gelassen - verlangen. Diese Differenz hat er unwidersprochen bereits erhalten, so dass insoweit gemäß § 362 Abs. 1 BGB sein Entgeltanspruch für die Zeit vom 01.12. bis 06.12.2005 erloschen ist.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Satz 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

Die Kammer hat der Rechtssache, soweit die Beklagte in diesem Rechtsstreit unterlegen ist, grundsätzliche Bedeutung beigemessen und somit die Revision an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Dagegen bestand für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht zugunsten des Klägers, soweit dieser mit seiner Klage unterlegen ist, kein gesetzlicher Grund (vgl. § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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