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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.08.2001
Aktenzeichen: 11 Sa 620/01
Rechtsgebiete: BGB, TVG, TV ü. d. Zahlung einer Sondervergütung f. d. Kraftfahrzeuggewerbe im Lande NRW i. d. F. v. 08.02.1996, TV ü. d. betr. Sonderzahlungen f. d. gew. AN u. Ang. d. Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern i. d. F. v. 21.02.1997


Vorschriften:

BGB § 611 Gratifikation
TVG § 4 Günstigkeitsprinzip
TV ü. d. Zahlung einer Sondervergütung f. d. Kraftfahrzeuggewerbe im Lande NRW i. d. F. v. 08.02.1996
TV ü. d. betr. Sonderzahlungen f. d. gew. AN u. Ang. d. Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern i. d. F. v. 21.02.1997
1. Ein Tarifvertrag kann vorsehen, dass auf die tarifliche Jahressondervergütung ähnliche betriebliche Leistungen anrechenbar sind (wie BAG 18.05.1994 -10 AZR 125/93 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 112).

2. Eine derartige Anrechnungsmöglichkeit sieht nicht nur § 3 Nr. 5 des Tarifvertrages über die Zahlung einer Sondervergütung für das Kraftfahrzeuggewerbe im Lande Nordrhein-Westfalen i. d. F. vom 08.02.1996, sondern auch Nr. 9 des Tarifvertrages über die betrieblichen Sonderzahlungen für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern i. d. F. vom 21.02.1997 vor.

3. Von einer ihm tariflich eingeräumten Anrechnungsbefugnis kann der Arbeitgeber nur Gebrauch machen, wenn dies nach der die betriebliche Leistung begründenden Vereinbarung zulässig ist, diese also nicht "tariffest" ausgestaltet ist (wie BAG 18.05.1994 -10 AZR 125/93 - a. a. 0.). 4. Bei der Ausübung der Anrechnungsbefugnis hat der Arbeitgeber die Grundsätze billigen Ermessens (§ 315 Abs. 1 BGB) und den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 620/01

Verkündet am: 09.08.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 09.08.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Ollesch und den ehrenamtlichen Richter Faber

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 22.03.2001 - 4 Ca 4337/00 - abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1), 3), zu 4) und 5) jeweils DM 1.415,- brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz - Überleitungsgesetz vom 09.06.1998 seit dem 01.05.2000 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, die für das Rechnungsjahr 2000 auszuschüttende Jahresprämie mit der an die Kläger zu 1) bis 5) zu zahlenden tarifvertraglichen Sondervergütung zu verrechnen.

2. Seine in erster Instanz entstandenen Kosten trägt der Kläger zu 2). Die Übrigen in erster Instanz entstandenen Kosten trägt der Beklagte. Die in zweiter Instanz entstandenen Kosten trägt der Beklagte.

3. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind seit mehr als 25 Jahren als Sachbearbeiter in der "Pannenhilfe W." beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger, dem A. N. e. V., beschäftigt. Die "Pannenhilfe W.", die sich ursprünglich in K. befand, wurde zum 01.01.1993 von dem A.N. e.V. auf den Beklagten übertragen und nach D. verlegt.

In den seit 1991 für sie geltenden, damals mit dem Rechtsvorgänger des Beklagten abgeschlossenen Arbeitsverträgen ist u. a. bestimmt:

"§ 2 Beschäftigungsbedingungen

Für die vom A. N. e. V. unterhaltene Pannenhilfe-Zentrale werden die Bestimmungen des Tarifvertrages für das Kraftfahrzeuggewerbe im Lande Nordrhein-Westfalen angewendet."

Nach § 2 des Tarifvertrages über die Zahlung einer Sondervergütung für das Kraftfahrzeuggewerbe im Lande Nordrhein-Westfalen (künftig: TV-S NW), zuletzt i. d. F. vom 08.02.1996, gültig ab 01.01.1997, erhalten die nach § 1 Nr. 3 TV-S NW unter den persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer eine Sondervergütung, sofern sie am 01.12. des jeweiligen Kalenderjahres mehr als sechs Monate dem Betrieb ihres Arbeitgebers ununterbrochen angehört haben und ihr Arbeitsverhältnis bis zum 31.12. des jeweiligen Jahres fortbestanden hat. Die Höhe dieser Sondervergütung richtet sich nach § 3 TV-S NW. Unter § 3 Ziffer 5 TV-S NW heißt es:

"Betriebliche Leistungen des Arbeitgebers, wie Jahresabschlussvergütungen, Gratifikation, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen, Weihnachtsgeld und ähnliches, gelten als Sondervergütung im Sinne dieses Tarifvertrages und können auf die nach Ziffer 1 zu erbringende Sondervergütung angerechnet werden."

Für etwa 2.000 andere Arbeitnehmer im gesamten Bereich des Beklagten finden die Tarifverträge für das Kraftfahrzeuggewerbe in Bayern Anwendung. In Nr. 9 des Tarifvertrages über die betrieblichen Sonderzahlungen für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern (künftig: TV-S Bayern) i. d. F. vom 21.02.1997, gültig ab 01.01.1997 heißt es:

"Leistungen des Arbeitgebers, wie die Jahresabschlussvergütungen, Gratifikationen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen, Weihnachtsgeld u. ä., gelten als betriebliche Sonderzahlungen in vorstehendem Sinne und erfüllen den tariflichen Anspruch. Hierfür vorhandene betriebliche Systeme bleiben unberührt."

Seit 1995 erhielten die Arbeitnehmer des Beklagten in dem Bereich, indem die Kläger tätig sind, aufgrund entsprechender Betriebsvereinbarungen Leistungsprämien. Diese Prämien wurden zunächst quartalsweise, später halbjährlich und erstmals für 1997 in Form einer Jahresprämie gezahlt. Die Feststellung der Höhe und die Auszahlung der Prämie erfolgten jeweils im März/April des Folgejahres. Seit dem 01.01.1998 richtet sich die Zahlung der Leistungsprämien nach der Betriebsvereinbarung "Leistungsprämien im Geschäftsbereich Hilfe und Technik Hilfezentralen" vom 16.12.1997 (künftig: BV "Leistungsprämien" 1997), die bis zum 31.12.1999 ohne Nachwirkung befristet ist. In Ziff. 1.4 BV "Leistungsprämien" 1997 ist bestimmt:

"Die Abrechnung der Prämie erfolgt jährlich jeweils zum 31.12. des Jahres. Die Auszahlung erfolgt mit der Aprilabrechnung des Folgejahres."

Mit Schreiben vom 19.11.1999 teilte der Beklagte den Klägern, die letztmals im April 1999 die Leistungsprämie für 1998 erhielten, mit, dass ersieh vorbehalte, die zu zahlende Leistungsprämie künftig auf die tarifliche Sondervergütung (Weihnachtsgeld) anzurechnen. Hiergegen wendeten sich der Kläger zu 1) am 07.12.1999, der Kläger zu 3) am 04.04.2000, der Kläger zu 4) am 13.12.1999 und die Klägerin zu 5) am 08.12.1999. Der Kläger zu 2) unterließ eine schriftliche Geltendmachung gemäß § 10 Nr. 2 des Manteltarifvertrages für das Kraftfahrzeuggewerbe im Lande Nordrhein-Westfalen (künftig: MTV NW) vom 08.11.1996, gültig ab 01.10.1996.

Mit gleichlautenden Schreiben vom 07.04.2000 teilte der Beklagte den Klägern folgendes mit:

"In obiger Angelegenheit nehmen wir Bezug auf unser Schreiben vom 19.11.1999, mit dem wir uns vorbehalten haben, die zu zahlende Leistungsprämie gemäß der gültigen Prämienbetriebsvereinbarung für die Hilfezentrale auf die tarifliche Sondervergütung (Weihnachtsgeld) anzurechnen.

Die ersten Reaktionen auf das Angebot der Regionalleitung, mit den betroffenen Mitarbeitern eine einvernehmliche Lösung zu suchen, waren so wenig erfolgversprechend, dass wir uns nunmehr definitiv entschlossen haben, die für 1999 zu zahlende Leistungsprämie auf die tarifliche Sondervergütung anzurechnen.

Selbstverständlich steht es ihnen weiterhin offen, unser fortbestehendes Angebot, in den Tarifvertrag für das Kfz-Gewerbe Bayern zu wechseln, anzunehmen, was für Sie zur Folge hätte, dass zumindest für die Leistungsprämie 2000 keine Anrechnung erfolgen würde."

Die Kläger erzielten für 1999 gemäß gleichlautendem Schreiben des Beklagten vom 20.04.2000 eine Leistungsprämie in Höhe von DM 1.415,00 brutto. Zugleich teilte der Beklagte den Klägern in diesem Schreiben mit, dass er gemäß dem für sie gültigen Tarifvertrag die Prämie auf die tarifliche Sondervergütung (Weihnachtsgeld) anrechne. Den Arbeitnehmern, die den bayerischen Tarifverträgen unterfallen, wurde die Leistungsprämie für 1999 gemäß der BV "Leistungsprämien" 1997 ausgezahlt.

Mit ihrer beim Arbeitsgericht Mönchengladbach am 22.12.2000 eingereichten Klage haben alle Kläger die Zahlung der Leistungsprämie für 1999 verlangt und die Feststellung der Nichtberechtigung des Beklagten, die für das Rechnungsjahr 2000 auszuschüttende Jahresprämie mit der tarifvertraglichen Sondervergütung (Weihnachtsgeld) zu verrechnen, begehrt.

Die Kläger haben im Wesentlichen die Auffassung vertreten:

Die vorbehaltlose Zahlung der Leistungsprämien seit 1995 hätten zu einer betrieblichen Übung geführt, die einer Anrechnung auf die tarifliche Sonderzahlung entgegenstehe. Darüber hinaus verstoße die Anrechnung gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil den Arbeitnehmern, deren Arbeitsbedingungen sich nach den bayerischen Tarifverträgen richten würden,

sowohl die Leistungsprämie als auch die tarifliche Sondervergütung in voller Höhe ausgezahlt bekommen hätten. Die BV "Leistungsprämien" 1997 als Rechtsgrundlage für die streitbefangene Leistungsprämie sei für beide Arbeitnehmergruppen identisch, werde aber letztlich unterschiedlich angewendet.

Die Kläger haben beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie jeweils DM 1.415,00 brutto zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 09.06.1998 seit dem 01.05.2000;

2. festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, die für das Rechnungsjahr 2000 auszuschüttende Jahresprämie mit der tarifvertraglichen Sondervergütung (Weihnachtsgeld) zu verrechnen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen. Der Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Eine betriebliche Übung könne frühestens nach dreimaliger vorbehaltloser Zahlung entstehen. Die erst im Jahre 1997 eingeführte Jahresleistungsprämie sei dagegen erst in zwei Jahren nicht auf die tarifliche Sondervergütung angerechnet worden. Die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer, je nach dem ob sie den nordrhein-westfalischen oder den bayerischen Tarifverträgen für das Kraftfahrzeuggewerbe unterfallen würden, verstoße deshalb nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil beide Tarifverträge nicht vergleichbar seien. Eine Anrechnung komme nur nach dem bayerischen TV-S NW in Betracht.

Mit seinem am 22.03.2001 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Eine betriebliche Übung des Inhalts, dass der Beklagte von der Anrechnungsbefugnis des § 3 Nr. 5 TV-S NW keinen Gebrauch machen könne, sei nicht entstanden. Der Beklagte habe eine Anrechnung in der Vergangenheit lediglich zweimal unterlassen. Erstmalig hätte die Leistungsprämie für das Jahr 1997 angerechnet werden können, da zuvor keine Jahresprämien gewährt worden seien. Darüber hinaus würden grundsätzliche Bedenken gegen die Annahme bestehen, die mehrfache vorbehaltlose Zahlung der Leistungsprämie neben der tariflichen Sondervergütung könne eine entsprechende betriebliche Übung begründet haben. Im vergleichbaren Fall der Verrechnung von übertariflichen Zulagen mit Tariflohnerhöhungen entspreche es der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass eine Verrechnung auch dann stattfinden könne, wenn übertarifliche Lohnbestandteile bisher jahrelang vorbehaltlos zusätzlich zu tariflichen Leistungen gewährt worden seien. Schließlich könnten die Kläger eine Auszahlung der Leistungsprämie ohne Anrechnung auf die tarifliche Sonderzahlung auch nicht unter dem Gesichtspunkt des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verlangen. Die Anwendung dieses Grundsatzes zu Gunsten der Kläger scheide aus, weil sie mit den Arbeitnehmern, deren Arbeitsbedingungen sich nach den bayerischen Tarifverträgen richten würden, nicht vergleichbar seien. Eine Befugnis zur Anrechnung von Leistungsprämien, die auf der Grundlage von Betriebsvereinbarungen gewährt würden, auf die tarifvertragliche Sondervergütung ergebe sich nur aus dem TV-S NW. Der TV-S Bayern lasse eine solche Anrechnung, wie sich aus der Auslegung der Nr. 9 Satz 2 des TV-S Bayern ergebe, gerade nicht zu. Zu Unrecht würden die Kläger darauf hinweisen, es gehe letztlich nicht um den Inhalt der Tarifverträge, sondern um eine unterschiedliche Anwendung der identischen Betriebsvereinbarung. Daran sei nur richtig, dass Rechtsgrundlage der Leistungsprämie für beide Arbeitnehmergruppen dieselbe Betriebsvereinbarung sei. Allerdings sei der Anspruch auf die Leistungsprämie in unterschiedlicherweise "tariffest".

Gegen das ihnen am 10.04.2001 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts haben die Kläger mit einem bei dem Landesarbeitsgericht am 08.05.2001 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem bei Gericht am 08.06.2001 eingereichten Schriftsatz begründet.

Die Kläger haben unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend gemacht:

Die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes könne nicht daran scheitern, dass die "Altmitarbeiter" schlechter gestellt würden als die "Neumitarbeiter", nur weil beide Gruppen einen unterschiedlichen Manteltarifvertrag vereinbart hätten. Die Regelung in Nr. 9 Satz 2 TV-S Bayern könne dieser Annahme entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht entgegen stehen. Wenn diese Reglung von "System" bzw. "betrieblichen System" spreche, müsse dies etwas anderes sein, als lediglich eine Betriebsvereinbarung, die selbst eine Anrechnung oder Nichtanrechnung gar nicht regele. Dieser Auffassung sei letztlich auch der Beklagte, wenn er in seinem Schreiben vom 07.04.200 klarstelle, dass bei ihrem Wechsel zu den Tarifverträgen für das Kraftfahrzeuggewerbe in Bayern zumindest für die Leistungsprämie 2000 keine Anrechnung erfolgen würde.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 22.03.2001 - 4 Ca 4337/00 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie - die Kläger zu 1), zu 3), zu 4) und 5) - jeweils DM 1.415,00 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prpzentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 09.06.1998 seit dem 01.05.2000 zu zahlen, sowie festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, die für das Rechnungsjahr 2000 auszuschüttende Jahresprämie mit der an sie zu zahlenden tarifvertraglichen Sondervergütung (Weihnachtsgeld) zu verrechnen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und führt unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend aus:

Entgegen der Auffassung der Kläger liege in der Verrechnung der Leistungsprämie mit der tariflichen Sondervergütung bei den dem MTV-NW unterliegenden Mitarbeitern kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehand-lungsgrundsatz gegenüber den dem MTV-Bayern unterliegenden Mitarbeitern. In der Geltung verschiedener Tarifvertragssysteme würde für beide Arbeitnehmergruppen ein sachlicher Grund bestehen. Im Hinblick darauf, dass mit der die Leistungsprämie gewährenden Betriebsvereinbarung ein "betriebliches System" i. S. von Nr. 9 Satz 2 TV-S Bayern geschaffen sei, sei nach dieser Tarifbestimmung die Anrechnung der Leistungsprämie auf die tarifliche Sondervergütung untersagt, während nach § 3 Nr. 9 TV-S NW eine Anrechnungsmöglichkeit bestehe. Da die Kläger ausdrücklich und unbedingt nach den Tarifvertragswerken des Landes Nordrhein-Westfalen hätten behandelt werden wollen, sei es nicht willkürlich, wenn er eine Anrechnungsmöglichkeit wahrnehme, die der TV-S NW im Gegensatz zum TV-S Bayern biete. Mit seinem Schreiben vom 07.04.2000 habe er lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass zumindest für die Leistungsprämie 2000 unter Geltung der bayerischen Tarifverträge keine Anrechnung erfolgen könne. Im April 2000 habe er nicht ersehen können, ob für spätere Zeitpunkte weiterhin eine entsprechende Betriebsvereinbarung besteht und der Tarifvertrag unverändert bleibe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in beiden Rechtszügen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie in gesetzlicher Form (§ 518 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG) und Frist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) eingelegt und innerhalb der First (§ 519 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) begründet worden.

B. Die Berufung ist auch begründet.

I. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz steht den Klägern zu 1), 3), 4) und 5) jeweils ein Anspruch auf Zahlung einer Leistungsprämie für 1999 in Höhe von DM 1.415,00 brutto nebst Zinsen zu.

1. Die vorgenannten Kläger können ihren Anspruch auf Zahlung von jeweils DM 1.415,- brutto auf § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG i. V. m. der BV "Leistungsprämien" 1997 stützen. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass die in dieser Betriebsvereinbarung geregelten Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach vorliegen. Dieser Anspruch ist jedoch nicht durch die von dem Beklagten gem. §§ 2, 3 Nr. 1 TV-S NW an die Kläger gezahlte Sondervergütung für 1999 i. V. m. der in seinem Schreiben vom 20.04.2000 enthaltenen Anrechnungserklärung erfüllt worden und damit nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.

2. Zunächst ist festzustellen, dass der Beklagte die Anrechnung der Leistungsprämie für 1999 auf die tarifliche Sondervergütung für dieses Jahr auf § 3 Nr. 5 TV-S NW stützen konnte.

a) Die in § 3 Nr. 5 TV-S NW enthaltene Anrechnungsklausel ist rechtlich zulässig. Sie bedeutet, dass betriebliche Regelungen, die der tariflichen Sondervergütung "ähnliche" Leistungen vorsehen, zu einer Erfüllung des tariflichen Anspruches führen. Dies verstößt nicht gegen das Günstigkeitsprinzip i. S. von § 4 Abs. 3 TVG. Der Tarifvertrag greift insoweit nicht in Ansprüche ein, die durch Betriebsvereinbarung begründet worden sind. Vielmehr wird ein tariflicher Anspruch von vornherein nur bedingt durch die Kürzung um bestimmte, anderweitig betrieblich begründete Ansprüche gewährt (BAG 03.03.1993 - 10 AZR 42/92 - EzA § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 101; BAG 18.05.1994- 10 AZR 125/93 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 112). Die Anrechenbarkeit führt somit dazu, dass bei einer geringeren betrieblichen Leistung ein höherer tariflicher Anspruch unberührt bleibt. Ist die betriebliche Leistung höher als die tarifliche Leistung, wird der tarifliche Anspruch durch die betriebliche Leistung erfüllt (vgl. Klischan, NZA 1985, 653, 656).

b) Zugunsten des Beklagten soll davon ausgegangen werden, dass die in der BV "Leistungsprämie" 1997 geregelte Prämie eine "ähnliche" Leistung i. S. von § 3 Nr. 5 TV-S NW ist und dem Beklagten es somit grundsätzlich möglich war, diese Prämie mit der tariflichen Sondervergütung für 1999 zu verrechnen und damit den Anspruch auf diese Sondervergütung zu erfüllen.

c) Der Anrechnung der Leistungsprämie für 1999 auf die den Klägern zu 1), 3), 4) und 5) für dieses Jahr nach §§ 2,3 Nr. 1 TV-S NW zustehende tarifliche Sondervergütung stand die BV "Leistungsprämien" 1997 nicht entgegen.

aa) Die Anrechenbarkeit betrieblicher Leistungen ist nach § 3 Nr. 5 TV-S NW als Kann-Vorschrift ausgestaltet. Der Arbeitgeber erhält dadurch ein Entschei-dungs- und Gestaltungsrecht. Je nach seinen sozialpolitischen Vorstellungen und finanziellen Möglichkeiten bleibt es ihm überlassen, ob er eine in einer Betriebsvereinbarung geregelte Leistungsprämie uneingeschränkt neben der tariflichen Sondervergütung aufrechterhalten oder aber eine Kürzung der unter § 3 Nr. 5 TV-S NW fallenden betrieblichen Leistungen bis zur Höhe der tariflichen Sondervergütung vornehmen will (vgl. BAG 19.07.1983 - 3 AZR 250/81 - AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen). Von dieser Anrechnungsmöglichkeit kann der Arbeitgeber allerdings im Hinblick auf das Günstigkeits-prinzip des § 4 Abs. 3 TVG nur dann Gebrauch machen, wenn dies nach den die betriebliche Leistung begründenden Vereinbarungen zulässig ist, wenn also die betriebliche Leistung nicht "tariffest" ausgestaltet worden ist (BAG 03.03.1993 - 10 AZR 42/92 - a. a. O.; BAG 18.05.1994 - 10 AZR 125/93 -a. a. O.).

bb) Dies ist vorliegend nicht der Fall. Aus der BV "Leistungsprämien" 1997 lässt sich nicht entnehmen, dass die Leistungsprämie "neben" der jeweiligen tariflichen Sondervergütung zu zahlen ist. Eine Tariffestigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte in der Vergangenheit bei der tariflichen Sondervergütung eine Anrechnung der Leistungsprämie nicht vorgenommen hat. Über- oder außertarifliche Lohnbestandteile können auch dann auf tarifliche Leistungen angerechnet werden, wenn sie jahrelang vorbehaltlos zusätzlich zur tariflichen Leistung gewährt wurden (vgl. BAG 03.03.1993 - 10 AZR 42/92 -a. a. O.).

3. Im Streitfall ist dem Beklagten die Anrechnung der Leistungsprämie für 1999 auf die tarifliche Sondervergütung für dieses Jahr aber zunächst deshalb versagt, weil die Ausübung seiner ihm nach § 3 Nr. 5 TV-S NW zustehenden Anrechnungsbefugnis nicht billigem Ermessen i. S. des § 315 Abs. 1 BGB entsprach.

a) Da es sich bei der dem Arbeitgeber in § 3 Nr. 5 TV-S NW eingeräumten Anrechnungsbefugnis, wie bereits in anderem Zusammenhang dargestellt, um ein Entscheidungs- und Gestaltungsrecht handelt, muss ihre Ausübung den Grundsätzen billigen Ermessens (§ 315 Abs. 1 BGB) genügen (vgl. BAG 19.01.1995 - 6 AZR 545/94 - EzA § 4 TVG Bestimmungsklausel Nr. 2; D. Gaul, Anm. zu BAG EzA § 87 BetrVG 1972 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 30 unter 6 c). Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (st. Rspr., z. B. BAG 11.10.1995 - 5 AZR 1009/94 - EzA § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 16; BAG 07.12.2000 - 6 AZR 444/99 - EzA § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 22). Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB).

b) Die von dem Beklagten mit Schreiben vom 20.04.2000 erklärte Anrechnung der Leistungsprämie für 1999 auf die tarifliche Sondervergütung für dieses Jahr hält diesem Prüfungsmaßstab nicht stand.

aa) Mit dem dem Arbeitgeber in § 3 Nr. 5 TV-S NW eingeräumten Entscheidungsrecht, eine betriebliche Sonderzahlung auf die tarifliche Sondervergütung anzurechnen, erhält er lediglich die Möglichkeit, eine seinen sozialpolitischen und finanziellen Möglichkeiten entsprechende Entscheidung zu treffen (vgl. schon oben unter B l 2 c aa). Die Anrechnungsbefugnis räumt dem Arbeitgeber dagegen nicht das Recht ein, unterschiedliche Arbeitsbedingungen zwischen zwei Arbeitnehmergruppen zu beseitigen. Dies hat aber der Beklagte, wie das seiner Anrechnungserklärung im Schreiben vom 20.04.2000 unmittelbar vorausgegangene Schreiben vom 07.04.2000 beweist, versucht.

bb) Auf die hier vorzunehmende Billigkeitskontrolle hat es keinen Einfluss, dass die Bezugnahmeklausel in § 2 der Arbeitsverträge zwischen den Klägern und dem Rechtsvorgänger des Beklagten vereinbart worden ist. Zwar mögen die in § 613 a Abs. 1 Satz 2-4 BGB enthaltenen Regelungen erkennen lassen, dass die Ungleichbehandlung infolge einer Betriebsübernahme nach Ablauf des Bindungszeitraumes eine Angleichung der Vertragsabreden der übernommen wie der bereits beschäftigten Mitarbeiter erwünscht ist (ErfK/Ascheid, 2. Aufl. 2001, § 2 KSchG Rz. 67; APS/Künzl, 2000, § 2 KSchG Rz. 243). Dies kann jedoch, wenn ein Arbeitnehmer, wie im Streitfall, nicht mit dem Abschluss eines entsprechenden Änderungsvertrages einverstanden ist, allenfalls über eine Änderungskündigung erreicht werden (vgl. APS/Künzl, § 2 KSchG Rz. 243; vgl. aber auch LAG Rheinland-Pfalz 14.12.2000 - 6 Sa 973/00 - bisher unveröffentlicht).

4. Des weiteren war die Anrechnungserklärung des Beklagten in seinem Schreiben vom 20.04.2000 unwirksam, weil sie gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstieß.

a) Der Beklagte hatte bei der an sich nach § 3 Nr. 5 TV-S NW zulässigen Anrechnung der Prämie nach der BV "Leistungsprämien" 1997 auf die tarifliche Sondervergütung, da es sich insoweit um die Ausübung eines ihm zustehenden Gestaltungsrechts handelt, den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten (vgl. BAG 26.11.1998 - 6 AZR 335/97 - AP Nr. 11 zu § 1 BAT-O; vgl. auch BAG 22.08.1979 - 5 AZR 769/77 - EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 3). Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt vom Arbeitgeber die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer in der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (BAG 26.11.1998 - 6 AZR 335/97 - AP Nr. 11 zu § 1 BAT-O; BAG 21.03.2001 - 10 AZR 444/00 -EzA § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 84). Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist daher verletzt, wenn der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage sachfremd schlechter stellt. Bildet der Arbeitgeber Gruppen von begünstigten und benachteiligten Arbeitnehmern, muss diese Gruppenbildung sachlichen Kriterien entsprechen. Dabei kommt es darauf an, ob sich nach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe Leistungen vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden sind. Eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer ist dann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Unterscheidung gerade nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist (BAG 23.04.1997 - 10 AZR 603/96 - EzA § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 72; BAG 21.03.2001 - 10 AZR 444/00 - a. a. O.). Ist dies nicht der Fall, kann die übergangene Arbeitnehmergruppe verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmergruppe behandelt zu werden (BAG 10.03.1998 - 1 AZR 509/97 - EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 40; BAG 21.03.2001 - 10 AZR 444/00 - a. a. O.).

b) Im Streitfall entsprach die von dem Beklagten bei der Ausübung seiner Anrechnungsbefugnis gemäß § 3 Nr. 5 TV-S NW gebildete Gruppeneinteilung zwischen Arbeitnehmern, auf die der TV-S NW und denjenigen, auf die der TV-S Bayern anzuwenden ist, keinen sachlichen Kriterien. Das gilt insbesondere für den vom Beklagten allein angeführten Gesichtspunkt, dass es ihm nach Nr. 9 Satz 2 TV-S Bayern untersagt sei, die Anrechnung der Leistungsprämie auf die tarifliche Sondervergütung vorzunehmen.

aa) Zunächst bestimmt Nr. 9 Satz 1 TV-S Bayern ausdrücklich, dass die dort beispielhaft genannten Leistungen des Arbeitgebers als betriebliche Sonderzahlungen i. S. der Nr. 2 TV-S Bayern gelten und damit den tariflichen Anspruch erfüllen. Insofern handelt es sich auch bei dieser Regelung, wie in § 3 Nr. 5 TV-S NW, um eine Anrechnungsklausel (vgl. BAG 14.05.1975 - 5 AZR 197/74 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 44; LAG Berlin 29.09.1995 -16 Sa 79/95 - LAGE § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 27 zu insoweit wortgleichen anderen Tarifverträgen). Seinem Wortlaut nach handelt es sich in Nr. 9 Satz 1 TV-S Bayern sogar um eine umfassendere Anrechnungsbestimmung als nach § 3 Nr. 5 TV-S NW. Denn auch ohne eine gestaltende Willenserklärung, die nach § 3 Nr. 5 TV-S NW für die Ausübung des Anrechnungsrechts notwendig ist (vgl. BAG 19.07.1983 - 3 AZR 250/81 - AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, zu l 2 a der Gründe), wird durch die Zahlung der Leistungsprämie die tarifliche Sonderzahlung erfüllt.

bb) Allerdings folgt aus der Auslegung von Nr. 9 Satz 2 TV-S Bayern, wonach von der in Nr. 9 Satz 2 TV-S Bayern geregelten Anrechnungsklausel hierfür vorhandene betriebliche Systeme unberührt bleiben, dass die in Nr. 9 Satz 1 TV-S Bayern vorgesehene "automatische" Anrechnung nicht zwingend ist.

(1.) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung, ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (zuletzt wieder BAG 04.04.2001 - 4 AZR 180/00 -; BAG 04.04.2001 - 4 AZR 242/00 - beide noch unveröff.).

(2.) Zunächst haben die Parteien des TV-S Bayern durch die in Nr. 9 Satz 1 dieses Tarifvertrages enthaltene Anrechnungsklausel klargestellt, dass sie eine Tariföffnungsklausel i. S. von § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG schaffen wollten. Zwar regelt diese Tarifbestimmung nicht wörtlich, dass sie den Abschluss einer ergänzenden Betriebsvereinbarung zulassen will. Dieses Ziel kommt aber deutlich in ihr zum Ausdruck (vgl. auch BAG 18.05.1994 -10 AZR 125/93 - a.a.O.; Kasseler Handbuch/Lipke, 2. Aufl. 2000, 2. 3. Rz. 100). Erkennbar wollten die Parteien des TV-S Bayern mit diesem Tarifvertrag eine zusätzliche zur "normalen", regelmäßigen Vergütung hinzutretende Arbeitgeberleistung einführen. Mit Nr. 9 Satz 2 TV-S Bayern wird klargestellt, dass insbesondere zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV-S Bayern schon vorhandene betriebliche Systeme - z. B. Betriebsvereinbarungen, -, die betriebliche Leistungen regeln, nicht geändert werden müssen. Die Anspruchsvoraussetzungen der betrieblichen Leistungen können von denen des Tarifvertrages abweichen. Aber auch in den Fällen, in denen ein Arbeitgeber ein neues betriebliches System für die Zahlung von betrieblichen Leistungen einführt, braucht er sich hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen gemäß Nr. 9 Satz 2 TV-S Bayern nicht an diesem Tarifvertrag zu orientieren. Gleichwohl können diese betrieblichen Leistungen, einmal im Jahr gezahlt, nach Nr. 9 Satz 1 TV-S Bayern auf die tarifliche Sonderzahlung angerechnet werden (vgl. Klischan, Kommentar zum Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens vom 30.10.1976 nach dem Stand vom 03.07.1984 in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen, zu § 4 Anm. 5).

(3.) Bleiben nach der in Nr. 9 Satz 2 TV-S Bayern demnach enthaltenen Tariföffnungsklausel "vorhandene betriebliche Systeme", wie eine Betriebsvereinbarung, in Bezug auf ihre inhaltliche Ausgestaltung unberührt, unterliegt eine Arbeitgeberleistung i. S. von Nr. 9 Satz 1 TV-S Bayern nur dann der Anrechnung auf die in Nr. 2 TV-S Bayern geregelte Sonderzahlung, wenn dies nach den die betriebliche Leistung begründenden Vereinbarungen zulässig ist, wenn also die betriebliche Leistung nicht "tariffest" ausgestaltet worden ist (BAG 18.05.1994 -10 AZR 125/93 - EzA§ 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 112 unter Hinweis auf BAG 03.03.1993 -10 AZR 42/92 - EzA § 611 BGB Gratifikation Prämie Nr. 101). Mit dieser Regelung bleibt es den Betriebspartnern überlassen, die in einer Betriebsvereinbarung begründete Sondervergütung "tariffest" zu gestalten und sie somit vor der in Nr. 9 Satz. 1 TV-S Bayern vorgesehenen "automatischen" Anrechnung zu bewahren.

cc) Im Streitfall enthält die BV "Leistungsprämien" 1997 keinen Ausschluss der Anrechnung der streitbefangenen Prämie auf die tarifliche Sonderzahlung. Entgegen der Auffassung beider Parteien und der Vorinstanz war die vom Beklagten nicht in Betracht gezogene Anrechnung der Leistungsprämie für 1999 auf die den Arbeitnehmern, für die der TV-S Bayern gilt, gewährte tarifliche Sonderzahlung für das genannte Bezugsjahr nicht durch Nr. 9 Satz 2 TV-S Bayern ausgeschlossen.

II. Das Zinsverlangen der Kläger ist gemäß § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB gerechtfertigt. Der Beklagte ist mit der Zahlung von DM 1.415 brutto an jeden Kläger seit dem 01.05.2000 in Verzug gemäß § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine Mahnung war nach § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB entbehrlich, da die BV "Leistungsprämien" 1997 in Ziffer 1.4 Satz 2 für die Leistung der Prämie eine Zeit nach dem Kalender vorsieht. Die Auszahlung der Prämie für ein Bezugsjahr soll danach mit der Aprilabrechnung des Folgejahres, d. h. am 30.04. des betreffenden Jahres (vgl. § 614 Satz 2 BGB) erfolgen.

III. Auch die negative Feststellungsklage aller Kläger ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz erfolgreich.

1. Das Feststellungsbegehren der Kläger ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO, der nach § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG auf das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren Anwendung findet, zulässig.

a) Das von § 256 Abs. 1 ZPO geforderte Rechtsverhältnis, das Gegenstand einer Feststellungsklage ist, ist dann gegeben, wenn zwischen mehreren Personen oder zwischen Personen und Sachen rechtliche Beziehungen bestehen BAG 24.06.1999 - 6 AZR 605/97 - AP Nr. 5 zu § 611 BGB Nebentätigkeit; BAG 05.10.2000 -1 ABR 52/99 - EzA § 256 ZPO Nr. 54). Die Feststellungsklage muss sich nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis im Ganzen erstrecken. Sie kann auch einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis betreffen, wie bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder den Umfang der Leistungspflicht (BAG, 16.09.1998 - 5 AZR 183/97 - AP Nr. 2 zu § 24 BAT-O; BAG 30.09.1998 - 5 AZR 18/98 - EzA § 2 BeschFG 1985 Nr. 58).

b) Der mit dem Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit begründete Vorrang der Leistungsklage (vgl. BAG 10.04.1957 - 4 AZR 384/54 - AP Nr. 6 zu § 256 ZPO; BAG 12.10.1961-5 AZR 294/60 -AP Nr. 83 zu § 611 BGB Urlaubsrecht) steht der Annahme eines Feststellungsinteresses der Kläger nicht entgegen. Zwar hätten diese im Zeitpunkt der Einreichung der Feststellungsklage beim Arbeitsgericht am 22.12.2000 die Zahlung der erst im April 2001 fälligen Prämie für 2000 - sofern man Ziff. 1.4 Satz 2 BV "Leistungsprämien" 1997 zu Grunde legt - als künftige Leistung nach § 259 ZPO einklagen können. Die Möglichkeit einer solchen Klage steht der Erhebung einer Feststellungsklage jedoch nicht entgegen. Wie sich aus dem Wort "kann" in § 259 ZPO ergibt, steht den Klägern ein Wahlrecht zu (vgl. BGH 07.02.1986 - V ZR 201/84 - NJW 1986, 2507; BAG 29.10.1997 - 5 AZR 573/96 - EzA § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 19).

c) Die Kläger haben auch ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen Feststellung, dass der Beklagte auch hinsichtlich der Prämie für 2000 nicht berechtigt ist, diese auf die tarifliche Sondervergütung anzurechnen. Das von § 256 Abs. 1 ZPO geforderte rechtliche Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen Feststellung besteht, wenn dem von den Klägern geltend gemachten Recht (hier: Anspruch auf Prämienzahlung aufgrund einer Betriebsvereinbarung) eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das von ihnen erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. BAG 02.12.1999 - 8 AZR 796/98 - EzA § 613 a BGB Nr. 188). Der Beklagte ist dem Anspruch der Kläger auf ungekürzte Auszahlung der Leistungsprämie für 2000 mit dem Hinweis auf seine Anrechnungsbefugnis entgegengetreten. Das Feststellungsurteil ist demgemäß geeignet, das Bestehen bzw. Nichtbestehen dieses Anspruchs endgültig zu klären.

2. Das Feststellungsbegehren der Kläger ist zumindest gemäß dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz begründet.

Zwar ist die Rechtsgrundlage der Leistungsprämie für 2000 nicht klar erkennbar, nachdem die BV "Leistungsprämien" 1997 gemäß ihrer Ziff. 5 bis zum 31.12.1999 ohne Nachwirkung befristet war. Jedoch ergibt sich aus dem Schreiben des Beklagten an die Kläger vom 07.04.2000 und aus seiner Berufungserwiderung, dass auch für die Leistungsprämie für 2000, zahlbar im Jahre 2001, eine entsprechende Betriebsvereinbarung zur Anwendung kommt. Da weiterhin dem letzten Absatz des Schreibens des Beklagten vom 07.04.2000 zu entnehmen ist, dass auch die Leistungsprämie für das Jahr 2000 nicht auf die Sonderzahlung angerechnet wird, die den dem TV-S Bayern unterliegenden Arbeitnehmern gemäß Nr. 2 TV-S Bayern für 2000 zusteht, bleibt es auch in diesem Bezugsjahr bei der sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern, für die der TV-S NW gilt, und denjenigen, auf deren Arbeitsverhältnis der TV-S Bayern zur Anwendung kommt. Diese sachwidrige Ungleichbehandlung ist dadurch zu beseitigen, dass dem Beklagten die Berechtigung der Anrechnung der Leistungsprämie für 2000 auf die tarifliche Sondervergütung zu versagen ist.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

D. Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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