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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.09.2001
Aktenzeichen: 11 Sa 782/01
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 5
BetrVG § 111
BetrVG § 112
Für das Vorliegen der Voraussetzungen der Vermutungswirkung in § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a. F. kommt es, was die Betriebsänderung i. S. des § 111 BetrVG betrifft, ausschließlich auf eine nachgewiesene beabsichtigte Betriebsänderung an.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 782/01

Verkündet am: 27.09.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 27.09.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Seelmann und den ehrenamtlichen Richter Baumgarten

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 10.04.2001 - 3 Ca 2685/98 - abgeändert:

Die Klage wird auch im übrigen abgewiesen.

Die gesamten Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in zweiter Instanz nur noch über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten ordentlichen Kündigung.

Der am 30.08.1941 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 11.09.1980 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt DM 6.100,00 beschäftigt. Zuvor war er seit dem 01.04.1971 bei der Deutschen B. AG tätig, wo erzürn 10.09.1980 durch Eigenkündigung ausschied und zur Firma L. AG überwechselte. In dem mit dieser Firma geschlossenen Arbeitsvertrag war die Anwendung des Tarifvertrages für die Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW (künftig: MTV Metall NW) vereinbart worden.

Mitwirkung ab 01.07.1993 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin über. Der Kläger war zuletzt als Inspektor für die Qualitätsüberwachung von Isolierungen an Kesselanlagen in verschiedenen bundesdeutschen Kraftwerken eingesetzt und in die Vergütungsgruppe M 4 des Gehaltsrahmenabkommens der Metallindustrie NRW eingruppiert worden.

Mit Schreiben vom 27.05.1997 kündigte die Beklagte erstmals das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.11.1997. Diese Kündigung basierte auf einem mit dem Betriebsrat am 26.05.1997 geschlossenen Interessenausgleich mit Namensliste. In dem daraufgeführten Kündigungsrechtsstreit obsiegte der Kläger vor dem erkennenden Gericht am 21.04.1998-3 (11) (18) Sa 1968/97-und vor dem Bundesarbeitsgericht am 20.05.1999 - 2 AZR 532/98 -.

Unter dem 03.07.1998 schlössen die Beklagte und deren Betriebsrat einen neuerlichen Interessenausgleich und Sozialplan. In diesem war u. a. bestimmt worden:

"Der infolge der Betriebsänderung erforderliche Personalabbau wird in folgenden Schritten durchgeführt:

(1) Für den Zentralbereich/Bereich Dampferzeuger wird ein Personalabbau von 73 Mitarbeitern durchgeführt. Die Maßnahmen werden sofort eingeleitet.

(2) Für die Bereiche -EM- und -WS- wird ein Personalabbau in der Größenordnung von 45 Mitarbeitern festgelegt. Die Maßnahmen werden nach dem 31.07.1998 umgesetzt.

(3) Für den Bereich -SFO- und übrige Bereiche wird ein Personalabbau in der Größenordnung von insgesamt 67 Beschäftigten durchgeführt.

(4) Für den Bereich -WS- und ggf. die übrigen Bereiche wird ein Personalabbau in einer Größenordnung von 200 Mitarbeitern abzüglich der unter Ziff. (2) enthaltenen WS-Mitarbeiter durchgeführt.

Die Mitarbeiter, die infolge der Schritte (1) - (3) zur Kündigung anstehen, werden in Kündigungslisten namentlich aufgeführt. Die Listen werden entsprechend dem zeitlichen Fortgang des Personalabbaus vereinbart. Die Liste für den 1. Schritt ist als Anlage 1 Bestandteil des Interessenausgleichs. Die Liste für den 2. Schritt wird bis 31.07.1998 erstellt.

Diese Listen sind Bestandteil des Interessenausgleichs i. S. d. § 1 Abs. 5 KSchG. Über die gemäß Abschnitt (4) betroffenen Mitarbeiter wird ab 02.01.1999 bis 31.01.1999 verhandelt."

In der als Anlage 1 zum Interessenausgleich vom 03.07.1998 vereinbarten Namensliste vom selben Tage war neben 72 anderen Arbeitnehmern auch der Name des Klägers aufgeführt.

Mit Schreiben vom 29.07.1998 sprach die Beklagte erneut gegenüber dem Kläger eine Kündigung zum 31.01.1999 aus. Nachdem der Kläger in der Zwischenzeit seine Schwerbehinderung beantragt hatte, die dann mit einem Grad von 50 % anerkannt wurde, schlössen die Parteien am 02.07.1998 in dem vor dem Arbeitsgericht Oberhausen - 2 Ca 1833/98 - wegen der Kündigung vom 29.07.1998 eingeleiteten Kündigungsrechtsstreit einen Vergleich. Danach waren sie sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis durch die vorerwähnte Kündigung nicht aufgelöst wurde.

Mit Schreiben vom 25.08.1998 beantragte die Beklagte die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu einer weiteren Kündigung. Diese wurde mit Bescheid vom 04.11.1998 erteilt. Mit Schreiben vom 16.11.1998 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche Kündigung zum 31.05.1999 aus.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Oberhausen am 27.11.1998 eingereichten und der Beklagten am 02.12.1998 zugestellten Klage macht der Kläger, soweit für die zweite Instanz noch von Interesse, die Unwirksamkeit der ihm gegenüber ausgesprochenen Kündigung vom 16.11.1998 geltend.

Der Kläger hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Er sei nach § 20 MTV Metall NW grundsätzlich unkündbar. Bei der streitbefangenen Kündigung handele es sich um eine Einzelkündigung, bezüglich derer sich die Beklagte nicht auf den Interessenausgleich vom 03.07.1998 und die dort vorgesehenen "sofort eingeleiteten" Kündigungen berufen könne. Eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BetrVG sei nur dann gegeben, wenn bei einem Großunternehmen mindestens 5 % der Belegschaft von der Kündigungsmaßnahme betroffen sei. Bei Zugrundelegung der von der Beklagten angegebenen Beschäftigtenzahl von 1.881 Mitarbeitern wären dies mindestens 95 Arbeitnehmer. Bereits der in der ersten Welle vorgesehene Personalabbau von 73 Mitarbeitern sei nicht erfolgt. Aus der Anzahl der in der Namensliste aufgeführten 73 Mitarbeiter seien 5 Mitarbeiter auszuschließen, die durch Eigenkündigung weit vorher aus dem Unternehmen ausgeschieden seien. Zwei weitere Mitarbeiter dieser Liste seien noch in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Weitere 24 der in der Namensliste vom 03.07.1998 benannten Mitarbeiter hätten bereits in den Kündigungswellen von Februar 1997 und Mai 1997 eine Kündigung erhalten. Die nochmals aufgeführten Herren P., W., S., S., N. und andere hätten keine erneute Kündigung erhalten. Diese Herren hätten sich zum Zeitpunkt des Kündigungsbegehrens im Juli 1998 noch im Kündigungsrechtsstreit mit der Beklagten befunden. Vor dem Bundesarbeitsgericht habe die Beklagte am 20.05.1999 allen noch im Rechtsstreit mit ihr befindlichen Arbeitnehmern Aufhebungsverträge zu erheblich verbesserten Bedingungen und Abfindungen angeboten. Diese seien von allen, mit Ausnahme seiner Person und des Herrn T., angenommen worden. Diese könnten insofern allenfalls dem Personalabbau durch die Kündigungen im Juli 1998 hinzugerechnet werden. Die Personalabbaumaßnahmen der Schritte (2), (3) und (4) gemäß dem Interessenausgleich vom 03.07.1998 seien nicht durchgeführt worden. Auch habe es keine weiteren Namenslisten gegeben und seien auch dem Gericht nicht vorgelegt worden. Im Übrigen könne die nach der Rechtsprechung zulässige Kündigung in "Wellen" zur Durchführung einer Betriebsänderung durch Massenentlassungen nur erfolgreich sein, wenn dem Ausspruch der Kündigungen ein einheitlicher Beschluss der Parteien zugrunde liege. Aus den im Interessenausgleich vom 03.07.1998 beschriebenen Kündigungswellen (1) -(4) könne ein einheitlicher, bestandkräftiger Beschluss nicht hergeleitet werden. Könne mit der Darstellung der "Welle 1" noch weitgehend eine zeitliche und anzahlmäßige Personalabbauplanung für den Zentralbereich/Bereich Dampferzeuger abgeleitet werden, mangele es bei der "Welle 2" für die Bereiche -EM- und -WS- an einer zeitlichen Festlegung der Maßnahme. Insgesamt könne nicht festgestellt werden, dass es durch einen einheitlichen Beschluss, niedergelegt im Interessenausgleich vom 03.07.1998 und einem daraus resultierenden Personalabbau, zu einer Betriebsänderung durch Massenentlassungen i. S. des § 111 BetrVG bei der Beklagten gekommen sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch die Beklagte vom 16.11.1998 rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31.05.1999 hinaus fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 8.469,49 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Der deutliche Auftragsrückgang und die Reduzierung des Inlandsanteils der Aufträge habe sie genötigt, einschneidende ergebnissteigernde Maßnahmen am Standort O. durchzuführen, um diesen zu erhalten. Dabei habe sich die Notwendigkeit zur Personalreduzierung um insgesamt 350 Mitarbeiter ergeben. Sie habe sich entschieden, die notwendige Personalreduzierung in insgesamt 4 Schritten durchzuführen. Wie die Formulierung des § 111 BetrVG deutlich mache, komme es allein auf die geplante Betriebsänderung an. Von daher reiche es aus, dass ein Personalabbau in dem geschuldeten Umfang im Betracht komme, auch wenn dieser in mehreren "Wellen" durchgeführt werde. Im Interessenausgleich vom 03.07.1998 sei aufgrund eines einheitlichen Beschlusses eine Personalreduzierung von insgesamt 350 Mitarbeitern vereinbart worden. Der in diesem Interessenausgleich vorgesehene 1. Schritt der Personalreduzierung mit einem Abbau von 73 Mitarbeitern sei vollständig durchgeführt worden. 29 Mitarbeiter habe sie betriebsbedingt gekündigt, 44 Mitarbeiter seien einvernehmlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und in die Beschäftigungsgesellschaft G. gewechselt. Für die Bereiche Inbetriebnahme (EM) und Service (WS) sei in einem 2. Schritt ein Personalabbau von 45 Mitarbeitern geplant gewesen. Auch dieser sei vollständig durchgeführt worden. Die 45 Mitarbeiter seien einvernehmlich durch den Abschluss von Aufhebungsverträgen aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten ausgeschieden und in die Beschäftigungsgesellschaft G.übergewechselt. Auch die im Interessenausgleich vorgesehene weitere Personalreduzierung von 200 Mitarbeitern sei vollständig durchgeführt worden. Von diesen 200 Mitarbeitern hätten 181 das Angebot angenommen, in die Beschäftigungsgesellschaft G. überzuwechseln und einvernehmlich aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten auszuscheiden. 19 Mitarbeiter, die von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hätten, seien von ihr betriebsbedingt gekündigt worden. Der Personalabbau im Bereich Service sei entsprechend den Regelungen des Interessenausgleichs vom 03.07.1998 Anfang des Jahres 1999 durchgeführt worden. Schließlich sei vorgesehen gewesen, im Bereich Fertigung (SFO) einen Personalabbau um 77 Mitarbeiter durchzuführen. Dieser sei aber nicht durchgeführt worden, da sich die Auftragssituation im Bereich Fertigung verbessert habe. Diese zeitlich nach Ausspruch der Kündigung vom 16.11.1998 getroffene Entscheidung, in diesem Bereich keine Personalreduzierung durchzuführen, führe nicht zu einer Anwendung des § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG a. F.

Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung der Zeugen V. und W., auf deren protokollierte Aussagen vom 10.04.2001 ausdrücklich Bezug genommen wird, der Feststellungsklage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Soweit die Beklagte darauf verwiesen habe, dass es nach § 111 BetrVG allein auf die geplante Betriebsänderung ankomme, sei ihr darin im H i n blick auf diese Bestimmung zwar Recht zu geben, für den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 KSchG a. F. bzw. § 20 Ziff. 4 MTV Metall NW, die nur von "Betriebsänderung" nicht aber von "geplanter Betriebsänderung" sprächen, könne dies nicht gelten. Zu beachten sei insoweit der unterschiedliche Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschriften. § 111 BetrVG erfordere eine möglichst frühzeitige Einschaltung des Betriebsrats bei geplanten Betriebsänderungen zwecks Beratung und gegebenenfalls Abschluss eines Interessenausgleichs, damit der Betriebsrat im Rahmen der Beratungen und der Verhandlungen über einen Interessenausgleich noch die Möglichkeit habe, auf die endgültige Entscheidung des Arbeitgebers im Interesse der von der Betriebsänderung betroffene Arbeitnehmer einzuwirken, bevor der Arbeitgeber vollendete Tatsachen schaffe. Im Rahmen des Kündigungsschutzes sei dagegen kein möglichst frühzeitiges Handeln gefragt bzw. erlaubt, sondern ein möglichst spätes. Insofern sei bei § 1 Abs. 5 KSchG a. F. bzw. § 20 Nr. 4 MTV Metall NW eine eher restriktive Betrachtungsweise bei einer lediglich geplanten aber noch nicht durchgeführten Betriebsänderung als Tatbestandsmerkmal der vorgenannten Bestimmungen zu fordern. Es müssten daher bei der hier Rede stehenden Betriebsänderung und ihrer Überprüfung die gleichen Maßstäbe angelegt werden, wie sie bei erstgeplanten Maßnahmen als Kündigungsgrund i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG aufgestellt worden seien. Dies bedeute, dass die im Interessenausgleich vom 03.07.1998 niedergelegten Maßnahmen so, wie vorgesehen, auch tatsächlich konsequent hätten umgesetzt werden sollen und nicht lediglich eine angedachte Größenordnung und vorläufige Planung enthielten. Zwar habe nach dem Vortrag der Beklagten eine einheitliche unternehmerische Planung vorgelegen, die, wie im Interessenausgleich vom 03.07.1998 niedergelegt, mit Ausnahme der Stufe 3 auch konsequent umgesetzt worden sein soll. Nachdem der Kläger jedoch das Vorliegen eines einheitlichen Beschlusses und die Durchführung der behaupteten Personalabbaumaßnahmen der Stufen (2) und (4) sowie damit das Vorliegen einer Betriebsänderung bestritten habe, habe der diesbezügliche Beweis der Beklagten oblegen. Diesen habe sie jedoch nicht im Rahmen der im Termin vom 10.04.2001 durchgeführten Beweisaufnahme erbracht.

Gegen das ihr am 14.05.2001 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen hat die Beklagte mit einem am 13.06.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23.07.2001 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte hat unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend gemacht:

Die Vorinstanz habe die Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG a. F. verkannt. Aus dem Regelungszusammenhang zwischen § 1 Abs. 5 Satz 1 und Satz 3 KSchG a. F. ergebe sich, dass die vom Bundesarbeitsgericht geforderte Darlegungslast dafür, dass eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vorgelegen habe, dahingehend zu verstehen sei, dass sie die Absicht des Arbeitgebers zur Durchführung einer mitstimmungspflichtigen Betriebsänderung i. S. von § 111 BetrVG sowie die Vereinbarung eines Interessensausgleichs mit dem Betriebsrat wegen dieser beabsichtigten Betriebsänderung betreffe. Anhand der im Interessenausgleich beschriebenen unternehmerischen Maßnahmen habe der Arbeitgeber darzulegen, dass er die Durchführung einer mitbestimmungspflichtigen Betriebsänderung i. S. von § 111 BetrVG beabsichtige. Nur in diesem Sinne könne die Regelung in Satz 3 verstanden werden, wonach der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür trage, dass sich im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 10.04.2001 - 3 Ca 2685/98 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und führt unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen aus:

Der Arbeitgeber sei sehr wohl dafür darlegungs- und beweisbelastet, dass überhaupt eine Betriebsänderung vorliege. Zu den von ihm darzulegenden Umständen würde nämlich nicht nur das wirksame Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste, sondern auch die Darlegung und gegebenenfalls der Beweis einer Betriebsänderung i. S. des § 111 BetrVG gehören. Der Zeuge V. habe bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung ausdrücklich erklärt, dass entsprechende Personalabbaumaßnahmen unabhängig von Interessenausgleich und Namensliste erfolgt seien, da es hauptsächlich auf die Endzahl angekommen sei. Der Interessenausgleich vom 03.07.1998 sei seinerzeit unterzeichnet worden, ohne dass bereits die Namensliste vom 03.07.1998 vorgelegen habe. Diese sei erst später nachgereicht worden. Die Verfahren von 12 Mitarbeitern, deren Verfahren zweitinstanzlich positiv entschieden worden seien, seien zum Zeitpunkt des erneuten Personalabbaus noch beim Bundesarbeitsgericht anhängig gewesen. Auch die Auflistung der Beklagten von 36 Mitarbeitern, die in die G. gewechselt seien, sei bereits im Juli 1998 vor der Beteiligung des Betriebsrats erfolgt. Die zweite Kündigungswelle des Interessensausgleichs vom 03.07.1998 sei nicht entsprechend umgesetzt worden, sondern stelle sich als nachträgliche Liste dar, nachdem zuvor durch den Bereichsleiter K. mit so vielen wie möglich und vorwiegend älteren Mitarbeitern Aufhebungsverträge vereinbart worden seien. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass sein besonderer Kündigungsschutz nach § 20 Nr. 4 MTV NW nicht zureichend berücksichtigt worden sei, da auch bei einer Betriebsänderung zumindest ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz hätte angeboten werden müssen und darüber hinaus zu berücksichtigen gewesen sei, dass er nach seinem Arbeitsvertrag als Richtmeister eingestellt worden sei. Schließlich könne von einer zureichenden Anhörung des Betriebsrats im Hinblick auf die konkrete Kündigung vom 16.11.1998 nicht gesprochen werden unabhängig davon, welcher Betriebsrat zuständig gewesen sei.

Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird ergänzend auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach ihrem Streitgegenstand zulässig (§ 64 Abs. 2 lit. c ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 518 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 ArbGG) begründet worden.

B. Die Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat die Vorinstanz der Feststellungsklage des Klägers stattgegeben. Denn das Arbeitsverhältnis der Parteien ist aufgrund rechtswirksamer ordentlicher Kündigung der Beklagten vom 16.11.1998 mit Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist am 31.05.1999 aufgelöst worden.

l. Zunächst ist festzustellen, dass die streitbefangene Kündigung nicht gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam ist, da sie durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt war und die getroffene soziale Auswahl gesetzlichen Anforderungen entsprach (§ 1 Abs. 3 KSchG).

1. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung u. a. dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen. Trifft der Arbeitgeber die unternehmerische Entscheidung, ist diese selbst zwar nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist (st. Rspr. vgl. nur BAG 17.06.1999 - 2 AZR 141/99 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102). Vom Gericht voll nachzuprüfen ist aber, ob durch die innerbetriebliche Umsetzung dieser Unternehmerentscheidung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfallen ist (st. Rspr., z. B. BAG 17.06.1999 - 2 AZR 141/99-a. a. O.).

a) Das Arbeitsgericht hat zu Recht § 1 KSchG i. d. F. des Arbeitsrechtlichen Gesetzes zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz) vom 25.09.1996 (BGB l. l S. 1476) auf den Streitfall angewendet. Das sog. Korrekturgesetz vom 19.12.1998 (BGB l. l S. 3843) konnte für die Kündigung vom 16.11.1998 keine Bedeutung mehr erlangen. Ob eine Willenserklärung, wie die Kündigung, rechtsgestaltend wirkt, kann nur nach der bei ihrem Zugang (§ 130 BGB) bestehenden Rechtslage beurteilt werden (BAG 21.02.2001 - 2 AZR 39/00 - EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 8 m. w. N.). Die mit dem sog. Korrekturgesetz erfolgten, inhaltlichen Änderungen des § 1 Abs. 3 und Abs. 5 KSchG a. F. erfassen deshalb vordem 01.01.1999 zugegangene Kündigungen nicht.

b) Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a. F. wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt ist, wenn bei der Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet sind. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann gemäß § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG a. F. nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat (§ 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG a. F.).

c) Die Voraussetzungen der gesetzlichen Vermutung gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a. F. sind erfüllt.

aa) Die Kündigung vom 16.11.1998 wurde aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG ausgesprochen.

(1.) Schon der bloße Personalabbau, wie er hier in der zweiten Jahreshälfte 1998 im Betrieb der Beklagten in O. anstand, erfüllte den Tatbestand einer Betriebseinschränkung i. S. von § 111 Nr. 1 BetrVG. Richtschnur dafür, wann "erhebliche Teile der Belegschaft" betroffen sind, sind die Zahlen und Prozentangaben in § 17 Abs. 1 KSchG. Für Großbetriebe - wie den Standort O. der Beklagten - wird diese Staffel eingeschränkt. Für diese Betriebe ist eine Betriebseinschränkung erst bei einer Entlassung 5 v. H. der Belegschaft gegeben (st. Rspr., z. B. BAG 02.08.1983 - 1 AZR 516/81 - EzA § 111 BetrVG 1972 Nr. 16; BAG 07.08.1990 - 1 AZR 445/98 - EzA § 111 BetrVG 1972 Nr. 27; Fitting, BetrVG, 20. Aufl. 2000, § 111 Rz. 135 m. w. N.). Diese Größenordnung überschritt jedenfalls die Zahl der in den ersten beiden "Wellen" beabsichtigten Kündigungen bei einem Zahlenverhältnis von 118 zu 1881 Mitarbeitern.

(2.) Die vorstehend wiedergegebene Betriebsänderung hat die Beklagte durch die Vorlage des Interessenausgleichs vom 03.07.1998 nachgewiesen (vgl. Nr. 1 und Nr. 2 dieses Interessensausgleichs). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann dieser Urkundenbeweis nicht durch das im angefochtenen Urteil auf Seite 14 in den Entscheidungsgründen wiedergegebene Bestreiten des Klägers erschüttert werden. Dieses betraf das Vorliegen eines einheitlichen Beschlusses und die Durchführung der von der Beklagten behaupteten Personalabbaumaßnahmen der Stufen 2 und 4. Die Vorinstanz hat hier verkannt, dass es für das Vorliegen der Voraussetzungen der Vermutungswirkung in § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG, was die Betriebsänderung i. S. des § 111 BetrVG betrifft, ausschließlich auf eine nachgewiesene beabsichtigte Betriebsänderung ankommt. Ob diese dann später tatsächlich durchgeführt wird, ist ausschließlich im Rahmen der Prüfung des § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG a. F. von Interesse.

bb) Zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat ist ein wirksamer Interessenausgleich über die Betriebsänderung zustande gekommen. Hierüber herrscht zwischen den Parteien kein Streit.

cc) Der Kläger war als Arbeitnehmer, dem "gekündigt werden soll", im Interessenausgleich namentlich bezeichnet.

(1.) Der Kläger war in der Anlage 1 zum Interessenausgleich namentlich aufgeführt. Der Interessenausgleich umfasste die Anlage 1. Hierfür genügt es, dass der zu kündigende Arbeitnehmer in einer nicht unterschriebenen Namensliste benannt ist, die mit dem Interessenausgleich, der auf die Namensliste als Anlage ausdrücklich Bezug nimmt, mittels Heftmaschine fest verbunden ist (BAG 07.05.1998 - 2 AZR 55/98 - EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 6).

(2.) Selbst wenn der Interessenausgleich vom 03.07.1998, wie vom Kläger behauptet, ohne die auf den 03.07.1998 datierte Namensliste unterzeichnet worden sein sollte, ist dies unschädlich. Es genügt nämlich, wenn ein Interessenausgleich vor Ausspruch der Kündigung durch eine weitere Betriebsvereinbarung um eine Namensliste ergänzt wird (KR-Etzel, 5. Aufl. 1998, § 1 KSchG Rz. 742 b; Schiefer DB 1998, 925, 927).

(3). Der Interessenausgleich muss nicht den Wortlaut des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a. F. übernehmen. Es genügt, wenn die Kündigung des Arbeitnehmers bei einem bestimmten von den Betriebspartnern angenommenen Geschehensablauf vorgesehen ist. Sie kann auch von Bedingungen abhängig sein. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, allen namentlich bezeichneten Arbeitnehmern zu kündigen. Allerdings darf ihm nicht nach eigenem Belieben eine Auswahl überlassen bleiben. Denn die Namensliste ist auf eine bestimmte Betriebsänderung bezogen. Die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a. F. kann nur an die von Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam zugrunde gelegte Betriebsänderung anknüpfen (BAG 24.02.2000 - 8 AZR 180/99 - EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 7).

(4.) Der Beklagten blieb nach dem Interessenausgleich vom 03.07.1998 kein Spielraum für eine eigene Auswahl der Arbeitnehmer. Die Betriebspartner gingen von einer Beendigung der Arbeitsverhältnisse zur Beklagten der in der Anlage 1 des Interessenausgleichs und der noch bis zum 31.07.1998 für die zweite Kündigungswelle vorgesehenen Arbeitnehmer aus. Allein diese beiden Namenslisten sind von Relevanz, da die Anzahl der zu kündigenden Arbeitnehmer, wie bereits in anderem Zusammenhang dargestellt, den Tatbestand der Betriebsänderung i. S. von § 111 BetrVG erfüllten. Sofern die Vorinstanz aus der Aussage der Zeugen V. den Eindruck gewonnen haben sollte, dass es nach Abschluss des Interessensausgleichs kein gezieltes Vorgehen anhand der mit dem Betriebsrat vereinbarten Namenslisten hinsichtlich der Beendigung der anstehenden Arbeitsverhältnis gegeben haben soll, ist dies für die Feststellung der Voraussetzungen der Vermutungswirkung nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a. F. ohne Bedeutung. Die Frage der Umsetzung der laut Interessausgleich in Verbindung mit den Namenslisten beabsichtigten Kündigungen ist allein im Anwendungsbereich des § 1 Abs.5 Satz 3 KSchG a. F. von Relevanz.

d) Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, dass sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert habe mit der Folge, dass die in § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG normierte Vermutung der Betriebsbedingtheit der streitbefangenen Kündigung nicht mehr zur Anwendung käme (§ 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG a. F.).

a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob sich die Sachlage geändert hat, ist der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Bei späteren Änderungen kommt nur ein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht (BAG 21.02.2001- 2 AZR 39/00 - EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 8; Fischermeier, NZA 1997, 1089, 1098; Löwisch, RdA 1997, 80, 82). Außerdem kommen die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung und der geänderte Prüfungsmaßstab für die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG a. F. nur dann nicht zur Anwendung, wenn sich die Sachlage nach dem Zustandekommen des Interessenausgleichs so wesentlich geändert hat, dass von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage auszugehen ist (BAG 21.02.2001 -2 AZR 39/00 - a. a. O.; LAG Köln 01.08.1997 - 11 Sa 355/97 - LAGE § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 1).

b) Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger (vgl. Bader NZA 1996, 1125, 1133; Fischmeier NZA 1997, 1089, 1097 f.; Schiefer DB 1998, 927, 928) hat weder konkret dargelegt noch hierfür Beweis angetreten, dass sich die Sachlage nach dem Zustandekommen des Interessenausgleichs am 03.07.1998 so wesentlich geändert hat, dass von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgegangen werden könnte. Voraussetzung für einen derartigen Wegfall der Geschäftsgrundlage wäre gewesen, dass die Zahl der Arbeitnehmer, die im Zentralbereich/Dampferzeuger (72 Mitarbeiter) und die in den Bereichen EM-und WS- (45 Mitarbeiter) entlassen werden sollten, in dem Zeitraum vom Abschluss des Interessenausgleichs (03.07.1998) bis zum Zeitpunkt des Zugangs der streitbefangenen Kündigung vom 16.11.1998 soweit abgesunken wäre, dass die in den vorstehend genannten Bereichen beabsichtigten Maßnahme nach § 111 BetrVG, § 17 KSchG keine Betriebsänderung mehr dargestellt hätte (vgl. BAG 21.02.2001 - 2 AZR 39/00 - EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 8). Dies kann jedoch weder dem wenig substanziierten erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers noch seiner Berufungserwiderung entnommen werden. In dieser hat er lediglich die Namen einiger Arbeitnehmer genannt, die seiner Meinung nach nicht in ursächlichen Zusammenhang mit der in dem Interessenausgleich vom 03.08.1998 dokumentierten Betriebsänderung gestanden haben sollen. Im Übrigen hat die Beklagte durch die Vorlage der aufgrund des Interessensausgleichs vom 03.07.1998 geschlossenen betriebsbedingten Aufhebungsverträge und Arbeitsverträge mit der G.(Anlagen zur Berufungsbegründung der Beklagten) nachgewiesen, dass so viele Arbeitnehmer bei ihr ausgeschieden sind, dass von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage des Interessenausgleichs vom 03.07.1998 keine Rede sein kann.

e) Der Kläger hat die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a. F. nicht widerlegt.

aa) Bei Vorliegen der Voraussetzungen der § 1 Abs. 5 KSchG a. F. musste der Kläger darlegen und beweisen, dass die Beschäftigungsmöglichkeit für ihn nicht weggefallen sei (vgl. näher BAG 07.05.1998 - 2 AZR 536/97 - EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 5). Hierfür wäre es erforderlich gewesen, dass der Kläger durch substanziierten Tatsachenvortrag dargelegt und im Streitfall bewiesen hätte, dass keine dringenden betrieblichen Erfordernisse für die streitbefangene Kündigung vorliegen. Das ist ihm im Streitfall nicht gelungen. Der Kläger hat weder dargelegt noch etwa Beweis dafür angetreten, dass die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

bb) Der Kläger hat auch nicht substanziiert dargetan, bei der Beklagten würde noch eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für ihn bestehen.

(1.) Für die betriebsbedingte Kündigung ergibt sich schon aus dem Relativsatz in § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG, dass dringende betriebliche Erfordernisse nur anzukennen sind, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in dem Betrieb nicht möglich ist. Außerdem wird dies zusätzlich in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b KSchG festgelegt, wonach eine Kündigung auch dann sozial ungerechtfertigt ist, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in dem selben Betrieb weiterbeschäftigt werden kann. Auch insofern gilt aber die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG, die dahin geht, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. des Absatzes 2 bedingt ist. Damit erstreckt sich nach dem ausdrücklichen Gesetzestext die Vermutung der Betriebsbedingtheit auch auf eine fehlende anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb (BAG 07.05.1998 - 2 AZR 536/97 - a. a. O.).

(2.) Im Streitfall hat sich der Kläger lediglich darauf berufen, er sei als Richtmeister eingestellt worden. Damit hat er aber nicht auf eine spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31.05.1999 bestehende anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit hingewiesen, geschweige denn hierfür Beweis angetreten.

II. Die Kündigung ist auch nicht etwa gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG wegen fehlerhafter Auswahl sozial ungerechtfertigt. Der insoweit darlegungs-und beweispflichtige Kläger (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG) hat hierzu nichts konkretes vorgetragen.

IM. Die streitbefangene ordentliche Kündigung der Beklagten ist auch nicht gemäß § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV Metall NW unwirksam.

1. Nach § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV Metall NW kann einem Arbeitnehmer, der das 55., aber noch nicht das 56. Lebensjahr vollendet hat und den Betrieb/Unternehmen 10 Jahre angehört nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Diese tarifliche Unkündbarkeitsregelung gilt jedoch nach § 20 Satz 2 2. Halbs. 2. Spiegelstrich MTV Metall NW nicht bei Betriebsänderungen, wenn ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz nicht vorhanden ist.

2. Zwar gehört der Kläger zum Personenkreis der in § 20 Nr. 4 Satz 1 MTV Metall NW normierten Unkündbarkeitsregelung. Auf diese kann ersieh jedoch wegen der zitierten Ausnahmeregelung nicht berufen. Zum einen sind unter Betriebsänderungen i. S. von § 20 Satz 2 2. Halbs. 2. Alt. MTV NW Maßnahmen von i. S. von § 111 BetrVG zu verstehen, da die Tarifvertragsparteien hier einen legal definierten gesetzlichen Begriff benutzen und ihn damit auch mit dem gesetzlichen Inhalt verwenden (vgl. nur BAG 11.08.1988 - 2 AZR 95/88 - EzA § 620 BGB Nr. 105). Wie bereits zu § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a. F. dargestellt, beruht die streitbefangene ordentliche Kündigung der Beklagten auf einer Betriebsänderung i. S. von § 111 BetrVG. Zum anderen war, wie bereits ebenfalls zu § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a. F. ausgeführt, zum Zeitpunkt des Zugangs der streitbefangenen ordentlichen Kündigung der Beklagten kein anderer zumutbarer Arbeitsplatz für den Kläger vorhanden.

IV. Schließlich ist die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 16.11.1998 auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

1. Die Erstellung eines Interessensausgleichs mit Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a. F., § 112 BetrVG entband den Arbeitgeber nicht von der Betriebsratsanhörung zu den konkret auszusprechenden Kündigung nach § 102 BetrVG (vgl. näher BAG 20.05.1999 - 2 AZR 148/99 - EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 101).

2. Nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Dabei steht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, die nicht ordnungsgemäße Anhörung der unterbliebenen Anhörung gleich (vgl. nur BAG 24.02.2000 - 8 AZR 167/99 - EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 104; BAG 21.09.2000 - 2 AZR 385/99 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 107).

3. Nachdem die Beklagte schon im ersten Rechtszug durch Vorlage des Anhörungsschreibens vom 11.11.1998 sowie ergänzende Angaben in ihrem Schriftsatz vom 08.07.1999 und 09.06.2000 die ordnungsgemäß Betriebsanhörung im Detail schlüssig dargelegt hatte, wäre es im Rahmen der ihm obliegenden abgestuften Darlegungslast Sache des Klägers gewesen, konkret zu beanstanden, in welchen Punkten er die Betriebsratsanhörung für fehlerhaft hält (BAG 20.01.2000 - 2 AZR 378/99 - EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 47; BAG 16.03.2000 - 2 AZR 75/99 - EzA § 626 BGB n. F. Nr. 179). Dies hat er jedoch unterlassen. Er hat sich in seiner Berufungserwiderung allein mit dem im Tatbestand (Klägervortrag zweiter Instanz, letzter Satz) wiedergegebenen Hinweis begnügt.

Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen und somit die Revision an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs.2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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