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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: 11 TaBV 47/05
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, EBRG


Vorschriften:

ZPO § 280 Abs. 1
ArbGG § 2 a Abs. 1 Nr. 3 b
ArbGG § 82 Abs. 2 Satz 1
EBRG § 2
EBRG § 3
EBRG § 23
1. In einem Beschlussverfahren nach § 2 a Abs. 1 Nr. 3 b ArbGG kann die abgesonderte Verhandlung über die Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit gemäß § 280 Abs. 1 ZPO angeordnet werden.

2. Für die Überprüfung der ordnungsgemäßen Wahl der inländischen Vertreter eines in einem außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Europäischen Betriebsrats sind gemäß § 82 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 2 Abs. 4 EBRG die deutschen Arbeitsgerichte international zuständig.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

11 TaBV 47/05

Verkündet am 15. Dezember 2005

In dem Beschlussverfahren

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Anhörung vom 15.12.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Vossen als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Smoch und den ehrenamtlichen Richter Vogtländer

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. - 3. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 21.06.2005 - 3 BV 30/05 - abgeändert:

Die Anträge sind zulässig.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten, soweit für diesen Beschluss von Interesse, über die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit.

Die T. Electric Industries T. mit Sitz in Frankreich (Beteiligte zu 5) ist die zentrale Leitung der T. Electric-Unternehmensgruppe, die Unternehmen und Betriebe in mehreren Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, u. a. in Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien unterhält. In der Unternehmensgruppe sind allein in Frankreich mehr als 1000 und in Deutschland mehr als 1400 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beteiligte zu 5 ist herrschendes Unternehmen hinsichtlich der Firmen T. Electric GmbH (Beteiligte zu 6), C.-M. GmbH & Co. KG (Beteiligte zu 7), O. H. GmbH (Beteiligte zu 8), D. GmbH (Beteiligte zu 9), F. GmbH (Beteiligte zu 10) und N. V. Systeme GmbH (Beteiligte zu 11). Die Unternehmen der Beteiligten zu 6 und 7 unterhalten mehrere Werke mit mehreren Betriebsräten. Für diese beiden Unternehmen existiert jeweils ein Gesamtbetriebsrat (Beteiligter zu 13 und 14). Hinsichtlich der anderen abhängigen und in Deutschland ansässigen Unternehmen existiert jeweils nur ein Betriebsrat (Beteiligter zu 14, 15, 16 und 17). Hinsichtlich der Zahl der in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer ist die Beteiligte zu 6 das größte Unternehmen und das Werk in S. der größte Betrieb der Unternehmensgruppe in Deutschland.

Bei der Beteiligten zu 5 ist am Sitz der Europazentrale in S. N. in Frankreich ein Europäischer Betriebsrat (Beteiligter zu 4) eingerichtet. Grundlage der Errichtung dieses Europäischen Betriebsrats ist eine am 29.01.1998 zwischen der Beteiligten zu 5 und einem besonderen Verhandlungsgremium abgeschlossene Vereinbarung i. S. der §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 17 ff. EBRG nebst Nachtrag vom 12.12.2000, dessen Art. 6 bestimmt, dass die Mitglieder des Europäischen Betriebsrats ab dem 29.01.2001 für die Dauer von vier Jahren ernannt werden.

Dementsprechend fanden Anfang 2005 auch hinsichtlich der zwei deutschen Arbeitnehmervertreter die turnusmäßigen Wahlen zur Bestellung für den Europäischen Betriebsrat statt. Diesbezüglich wurde am 01.02.2005 in T. eine Wahlversammlung zur Bestellung der inländischen Arbeitnehmervertreter abgehalten. Gewählt wurden als inländische Arbeitnehmervertreter für den Europäischen Betriebsrat Herr C. T. (Beteiligter zu 3) und Herr B. L. (Beteiligter zu 19) sowie als deren Vertreter Frau V. N. (Beteiligte zu 21) und Herr H. L. (Beteiligter zu 20). Die Wahl wurde nicht angefochten, allerdings wurde am 22.02.2005 in S. eine erneute Wahl durchgeführt, bei der Herr V. I. (Beteiligter zu 18) und Herr B. L. (Beteiligter zu 19) sowie als deren Stellvertreter Herr C. T. (Beteiligter zu 3) und Herr H. L. (Beteiligter zu 20) gewählt wurden.

Die Wahl vom 22.02.2005 wird von den Beteiligten zu 1 - 3 mit einem am 07.03.2005 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Antrag im Beschlussverfahren angefochten.

Die Beteiligten zu 1 - 3 haben, soweit hier von Interesse, die Auffassung vertreten, das Arbeitsgericht Düsseldorf, in dessen Bezirk - unstreitig - der Sitz des größten nationalen Betriebes liege, sei für die Entscheidung in diesem Verfahren örtlich und damit international zuständig.

Die Beteiligten zu 1 - 3 haben beantragt,

1. festzustellen, dass die Bestellung der inländischen Vertreter (deutsche Vertreter), die zum europäischen Betriebsrat aufgrund der Wahl vom 22.02.2005 gewählt worden sind, die Herren V. I., dessen Stellvertreter C. T., B. L., dessen Stellvertreter H. L. unwirksam war, hilfsweise die genannte Wahl für unwirksam zu erklären;

2. festzustellen, dass die Bestellung der inländischen Arbeitnehmervertreter aufgrund der Wahl vom 01.02.2005, gewählt C. T., seine Vertreterin V. N. sowie gewählt B. L., sein Stellvertreter H. L., wirksam war.

Die Beteiligten zu 5 - 11 haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie haben die Ansicht vertreten, das Arbeitsgericht Düsseldorf sei bereits örtlich und international nicht zuständig.

Die Beteiligten zu 4, 12 - 21 haben keine Stellungnahme abgegeben.

Mit seinem am 21.06.2005 verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht die Anträge zurückgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Anträge seien unzulässig, da das angerufene Gericht weder örtlich noch die Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland überhaupt international für das vorliegende Wahlanfechtungsverfahren zuständig sei. Denn gemäß § 82 Abs. 2 ArbGG sei das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk die zentrale Leitung der gemeinschaftsweit tätigen Unternehmensgruppe ihren Sitz habe. Demnach sei das für S. N. in Frankreich, wo sich der Sitz der Beteiligten zu 5 befinde, örtlich zuständige Arbeitsgericht auch international zuständig. Bei der Anfechtung der Wahl der deutschen Vertretung für den Europäischen Betriebsrat der Beteiligten zu 5 handele es sich um eine "Angelegenheit eines europäischen Betriebsrats" i. S. von § 82 Abs. 2 ArbGG. Diese Auslegung des Gesetzes werde gestützt durch die gesetzliche Neuregelung des § 82 Abs. 3 ArbGG, wo mit Wirkung ab 29.12.2004 die örtliche Zuständigkeit in Angelegenheiten aus dem SE-Beteiligungsgesetz geregelt sei. Auch dort habe der Gesetzgeber bewusst als Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit in Angelegenheiten aus dem SE-Beteiligungsgesetz den Ort des Sitzes der Europäischen Gesellschaft gewählt. Befinde sich dieser nicht in Deutschland, führe auch die Regelung des § 82 Abs. 3 ArbGG zur Verneinung der internationalen Zuständigkeit. Diese nach dem Wortlaut des § 82 Abs. 2 ArbGG und dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers vorgegebene Auslegung entspreche auch seinem Sinn und Zweck. Denn obgleich gemäß § 2 Abs. 4 EBRG die für Wahlanfechtungsverfahren bei der Entsendung der deutschen Arbeitnehmervertreter zum Europäischen Betriebsrat stets deutsches Recht anzuwenden sei, sei es gleichwohl sinnvoll, alle etwaigen Wahlanfechtungsverfahren im Zusammenhang mit der Zusammensetzung des in Frankreich gebildeten Europäischen Betriebsrats bei dem Arbeitsgericht am Sitz der zentralen Leitung in Frankreich zusammenzufassen.

Gegen den ihnen am 20.07.2005 zugestellten Beschluss haben die Beteiligten zu 1 - 3 mit einem am 26.07.2005 bei dem Landesarbeitsgericht eingereichten Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese - nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 20.10.2005 - mit einem am 19.10.2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beteiligten zu 1 - 3 machen unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:

Für die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl sei das angerufene Gericht zuständig. Aus § 82 Abs. 2 ArbGG folge keine allgemeine Zuständigkeit des Arbeitsgerichts am Sitz der herrschenden Gesellschaft für alle Streitfragen, die sich aus dem Europäischen Betriebsrätegesetz ergeben würden. Nach dem Inhalt des § 82 Abs. 2 ArbGG handele es sich in den dort genannten drei Regelungsbereichen um eine nationale Zuständigkeitsnorm. Eine Interpretation des Arbeitsgerichts werde daraus jedoch eine den Normgehalt überschießende internationale örtliche Zuständigkeitsnorm.

Die Beteiligten zu 1 - 3 beantragen,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 21.06.2005 - 3 BV 30/05 - nach den erstinstanzlichen Anträgen zu entscheiden.

Die Beteiligten zu 5 - 11 beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie meinen, der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 21.06.2005 sei nicht zu beanstanden.

Durch einen im Anhörungstermin vom 15.12.2005 verkündeten Beschluss hat das Gericht die abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit des Antrags angeordnet.

II.

1. Die Anordnung der abgesonderten Verhandlung über die Zulässigkeit der Anträge der Beteiligten zu 1 - 3 beruht auf § 280 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 525 Satz 1 ZPO, §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 87 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.

Die Anordnung der abgesonderten Verhandlung über die Zulässigkeit eines im Beschlussverfahren gestellten Antrags ist auch ohne ausdrückliche Verweisung auf diese Norm in § 80 Abs. 2 bzw. § 87 Abs. 2 ArbGG möglich. Die Verweisung in den vorgenannten Vorschriften auf das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren, das seinerseits auf dem Verfahren der Zivilprozessordnung aufbaut, macht deutlich, dass auch das Beschlussverfahren seine Grundlage im Verfahren der Zivilprozessordnung hat (GK-ArbGG/Dörner, Stand Juli 2002, § 80 Rz. 25; GMPM-G/Matthes, 5. Aufl. 2004, § 80 Rz. 42). Soweit die §§ 80 ff. ArbGG für das Beschlussverfahren keine eigenständige Regelung vorsehen, sind daher, soweit sich Lücken im Bereich der über § 80 Abs. 2 ArbGG bzw. § 87 Abs. 2 ArbGG anwendbaren Vorschriften ergeben, die Regelungen der Zivilprozessordnung anzuwenden (vgl. BAG 13.06.1989 - 1 ABR 4/88 - EzA § 80 BetrVG 1972 Nr. 36; GK-ArbGG/Dörner, § 80 Rz. 25; GMPM-G/Matthes, § 80 ArbGG Rz. 42). Das muss nach Auffassung der Kammer auch für § 280 Abs. 1 ZPO gelten (zu anderen im Beschlussverfahren anwendbaren Vorschriften der ZPO vgl. nur GK-ArbGG/Dörner, § 80 Rz. 26), zumal die §§ 17 a, 17 b GVG, wenn es um die Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit geht, nicht anwendbar sind (vgl. nur Schwab, in: Schwab/Weth, ArbGG, 2004, § 65 Rz. 15).

2. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 - 3, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist jedenfalls insoweit begründet, als die Anträge jedenfalls im Hinblick auf die Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit zulässig sind. Denn entgegen der Auffassung der Vorinstanz hält die Kammer die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Düsseldorf und damit auch seine internationale Zuständigkeit für den hier zu entscheidenden Fall für gegeben.

a) Richtig hat das Arbeitsgericht gesehen, dass sich die internationale Zuständigkeit im deutschen Recht nach den Vorschriften der örtlichen Zuständigkeit bestimmt (vgl. BAG 18.06.1971 - 5 AZR 13/71 - AP Nr. 5 zu § 38 ZPO Internationale Zuständigkeit; BAG 31.10.1975 - 1 ABR 4/74 - AP Nr. 2 zu § 106 BetrVG 1972; BGH - GSZ 1/65 - AP Nr. 3 zu § 512 a ZPO).

b) Zutreffend ist auch die Ansicht der Vorinstanz, wonach für die örtliche Zuständigkeit und damit die internationale Zuständigkeit für den hier zu entscheidenden Fall die Regelung in § 82 Abs. 2 Satz 1 ArbGG maßgebend ist.

Nach dieser Vorschrift ist in Angelegenheiten eines Europäischen Betriebsrats, im Rahmen eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung oder des besonderen Verhandlungsgremiums das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk das Unternehmen oder das herrschende Unternehmen nach § 2 EBRG seinen Sitz hat. Mit zutreffender Begründung, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, hat die Vorinstanz erkannt, dass es sich bei der Anfechtung der in § 23 EBRG vorgeschriebenen Wahl der deutschen Vertreter für den Europäischen Betriebsrat der Beteiligten zu 5 um eine "Angelegenheit eines Europäischen Betriebsrats" i. S. des § 82 Abs. 2 ArbGG handelt.

c) Schließlich folgt die erkennende Kammer dem Arbeitsgericht auch noch darin, dass für die Frage der örtlichen und damit internationalen Zuständigkeit Abs. 4 des von § 82 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Bezug genommenen § 2 EBRG einschlägig ist. Allerdings kommt sie zum gegenteiligen Auslegungsergebnis.

aa) Zu Recht ist das Arbeitsgericht bei der Klärung der Frage, ob es nach § 82 Abs. 2 Satz 1 ArbGG örtlich und damit international zuständig ist, weder auf Abs. 1 noch auf Abs. 2 des § 2 EBRG näher eingegangen.

(1.) Maßgeblich für die Anwendbarkeit des EBRG ist nach § 2 Abs. 1 EBRG der inländische Sitz des Unternehmens, das i. S. des § 3 Abs. 1 EBRG gemeinschaftsweit tätig ist, oder der in Deutschland befindliche Sitz des Unternehmens einer Unternehmensgruppe i. S. des § 3 Abs. 2 EBRG (GK-ArbGG/Dörner, § 82 Rz. 15; Weth in: Schwab/Weth, § 82 ArbGG Rz. 17). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, da sich der Sitz des herrschenden Unternehmens der gemeinschaftsweit tätigen T. Electric-Unternehmensgruppe, nämlich der Beteiligten zu 5, nicht im Inland, sondern in Frankreich befindet.

(2.) Aus § 82 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 2 Abs. 2 EBRG kann sich vorliegend keine örtliche und damit internationale Zuständigkeit ergeben. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 2 ist nämlich, wie aus seinem Satz 1 folgt, dass es um ein Unternehmen geht, das nicht in einem Mitgliedstaat der EG ansässig ist. Frankreich, der Sitz der Beteiligten zu 5, ist jedoch ein Mitgliedsstaat i. S. des EBRG, da es Mitglied der Europäischen Union ist (vgl. § 2 Abs. 3 EBRG).

bb) Die örtliche Zuständigkeit und damit internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Düsseldorf ergibt sich jedoch entgegen der Auffassung der Vorinstanz aus § 82 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 2 Abs. 4 EBRG.

(1.) Die Bestellung der inländischen Arbeitnehmervertreter für den in Frankreich sitzenden Europäischen Betriebsrat der Beteiligten zu 5 richtet sich vorliegend nach § 23 Abs. 3 lit. a EBRG, der ausdrücklich in § 2 Abs. 4 EBRG für anwendbar erklärt wird, wenn sich, wie im Streitfall, die zentrale Leitung nicht im Inland befindet.

(2.) Nach § 23 Abs. 3 lit. a EBRG werden, falls, wie vorliegend, kein Konzernbetriebsrat besteht, die in § 23 Abs. 1 Satz 1 EBRG auf die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer entfallenden Mitglieder des Europäischen Betriebsrats in gemeinschaftsweit tätigen Unternehmen wie folgt bestellt: Bestehen, wie im Streitfall, mehrere Gesamtbetriebsräte, werden diese Mitglieder auf einer gemeinsamen Sitzung der Gesamtbetriebsräte bestellt, zu der der Gesamtbetriebsratsvorsitzende des nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größten inländischen Unternehmens einzuladen hat. Danach ist der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Beteiligten zu 6, die das größte inländische Unternehmen ist und ihren Sitz in S., das zum Bezirk des Arbeitsgerichts Düsseldorf gehört, hat, die einladende Stelle. Da somit die Wahl der inländischen Vertreter für den in Frankreich ansässigen Europäischen Betriebsrat im Bezirk des Arbeitsgerichts Düsseldorf stattzufinden hat und es im Streitfall um die Wirksamkeit dieser am 22.05.2005 durchgeführten Wahl geht, ist eine örtliche Zuständigkeit im Inland und damit zugleich internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit für das vorliegende Beschlussverfahren gegeben.

(3.) Die Kammer kann nicht der Auffassung der Vorinstanz folgen, wonach es dem Sinn und Zweck - gemeint ist wohl § 82 Abs. 2 ArbGG - entspricht, die ordnungsgemäße Wahl der inländischen Vertreter eines in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union errichteten Europäischen Betriebsrats am Sitz des nicht im Inland residierenden herrschenden Unternehmens überprüfen zu lassen.

(3.1) Zum einen richtet sich, dies hat die Vorinstanz allerdings richtig erkannt, das Wahlanfechtungsverfahren gemäß § 2 Abs. 4 EBRG i. V. m. § 23 EBRG ausschließlich nach deutschem Recht. Eine entsprechende Vorschrift gibt es für die Wahl der französischen Arbeitnehmervertreter, wenn sich der Europäische Betriebsrat außerhalb Frankreichs befindet, in Art. L 439 - 19 Abs. 3 Code du Travail i. d. F. des Gesetzes Nr. 96 - 985 vom 12.11.1996. Da die inländischen Vertreter eines in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, was ihre Wahl betrifft, demnach ausschließlich inländischem Recht unterliegen, erscheint es gerade sinnvoll, dass die Gerichte des jeweiligen Nationalstaates über die Ordnungsgemäßheit dieser Wahl befinden. Dies gilt erst Recht, wenn man berücksichtigt - hieran hat die Vorinstanz selbst gedacht -, dass sich das Wahlverfahren für die jeweiligen inländischen Arbeitnehmervertreter eines außerhalb des jeweiligen Nationalstaates angesiedelten Europäischen Betriebsrats nach den unterschiedlichsten Rechtsordnungen richtet.

(3.2) Zum anderen ist noch darauf hinzuweisen, dass durch die hier vertretene Auffassung die durch Bildung des Europäischen Betriebsrats der jeweiligen zentralen Leitung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union entstehenden Kosten (vgl. § 30 Satz 1 EBRG) - man denke nur an weite Anreisen zu etwaigen Gerichtsterminen der im Inland ansässigen Beteiligten und ihrer Prozessvertreter in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Europäische Betriebsrat seinen Sitz hat - reduziert werden.

Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen und die Rechtsbeschwerde deshalb für den Betriebsrat zugelassen (vgl. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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