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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.08.2004
Aktenzeichen: 12 (3) Sa 1104/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
1. Eine einzelvertragliche Vereinbarung, die - unmittelbar durch Einschränkung der arbeitgeberseitigen Kündigungsmöglichkeit oder mittelbar durch Anrechnung unternehmensfremder Vordienstzeiten - einem Arbeitnehmer erhöhten Kündigungsschutz zugesteht, wirkt sich zu seinen Gunsten im Rahmen der Sozialauswahl aus, wenn die Vereinbarung wegen vorliegender Sachgründe keinen unverhältnismäßigen Eingriff in den durch § 1 Abs. 3 KSchG vermittelten Bestandsschutz der anderen Arbeitnehmer bedeutet.

2. Der Arbeitgeber hat bei seiner Auswahlentscheidung nach § 1 Abs. 3 KSchG regelmäßig die "Betriebszugehörigkeit" vor anderen Sozialkriterien zu berücksichtigen.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 (3) Sa 1104/04

Verkündet am 25. August 2004

In Sachen

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25.08.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Märzke und den ehrenamtlichen Richter Nause

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Duisburg vom 13.05.2004 wird die Kündigungsschutzklage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Kosten erster Instanz tragen der Kläger zu 3/5 und die Beklagte zu 2/5.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung, zu deren sozialen Rechtfertigung sich die Beklagte auf betriebsbedingte Gründe beruft. Der Kläger bestreitet das Vorliegen solcher Gründe und rügt die vorgenommene Sozialauswahl.

Der Kläger, am 23.04.1961 geboren, gelernter Bürokaufmann, trat am 15.08.1995 "als Ausbilder im Bereich Bürokaufleute" in die Dienste der Beklagten.

Die Beklagte, eine gemeinnützige Gesellschaft für Beschäftigungsförderung mit Sitz in E., befasst sich mit der Durchführung geförderter Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz und mit Berufsfortbildung. Sie finanziert sich durch Fördermittel, EU-Mittel sowie durch Zuschüsse ihrer Hauptgesellschafterin, der Stadt E., für die ihr weiterhin übertragene Aufgabe der Beratung und Vermittlung von Sozialhilfeempfängern. Die Beklagte führt u.a. von der Arbeitsverwaltung geförderte Ausbildungen in den Bereichen 'Bürokaufleute', 'Groß- und Außenhandelskaufleute' und 'Speditionskaufleute' durch. Der Auftragsvergabe durch die Arbeitsverwaltung gehen jeweils Ausschreibungen voraus, die in einem Personalschlüssel die Zahl der Auszubildenden pro Ausbilder festlegen. Bei dem auf eine Ausschreibung abgegebenen Gebot steht die Beklagte im (preislichen) Wettbewerb zu privaten Anbietern.

Die Beschäftigtenzahl der Beklagten sank von 210 (Jahr 2003) auf 135 Arbeitnehmer (Jahr 2004). Im Jahr 2003 schränkte die Arbeitsverwaltung die Ausbildungsförderung von Bürokaufleuten aufgrund negativer Einschätzung der Berufsaussichten auf dem Arbeitsmarkt ein. Als Folgeaufträge in diesem Bereich ausblieben, traf die Beklagte im November 2003 ("Liste vom 13.11.03" Bl. 51 GA) die Prognose, dass die Zahl der Auszubildenden im Bereich Bürokaufleute von 61 (Stand 31.10.2003) auf 30 (31.07.2004) zurückgehen und ­ nach dem zugrunde gelegten Personalschlüssel von 15 Auszubildende: 1 Ausbilder ­ zwei Ausbilder ausreichen würden. Zum Abbau des Personalüberhangs beschloss sie, den Kläger zum 30.06.2004 zu entlassen und im Bereich Bürokaufleute die Ausbilder Herr v. A. und Frau G. zu belassen.

Unter dem 15.12.2003 hörte sie den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an (Bl. 19 GA.). Nach dessen Widerspruch vom 23.12.2003 (Bl. 90 GA.) erklärte sie mit Schreiben vom 06.01.2004 gegenüber dem Kläger die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2004. Seit der Entlassung des Klägers wird die Ausbildung im Bereich Bürokaufleute nur noch von Herrn v. A. und Frau G. durchgeführt. Infolge einer hohen Durchfallquote verblieben in allen Bereichen 67 Auszubildende (prognostiziert 57). Im Bereich Bürokaufleute sank allerdings die Zahl der derzeit tatsächlichen Auszubildenden auf 31 (prognostiziert 30), nachdem es dort zu einer Kündigung mit nachfolgendem Aufhebungsvertrag, Inanspruchnahme von Elternzeit durch zwei Auszubildende und in drei Fällen zur Übernahme der Ausbildung durch Partnerbetriebe gekommen war.

Mit der vor dem Arbeitsgericht Duisburg erhobenen Klage hat der Kläger die Betriebsbedingtheit der Kündigung bestritten und der Prognose der Beklagten eine erfahrungsgemäß höhere Durchfallquote mit der Folge, dass mehr Auszubildende bei der Beklagten verbleiben würden, entgegengehalten. Außerdem hat er geltend gemacht, dass die Beklagte ihn im sog. Kaufmännischen Kompetenzcenter (KKC) anstelle von Honorarkräften (Dozenten) einsetzen könne. Schließlich hat er die vorgenommene Sozialauswahl gerügt: Vor ihm hätten Herr T. (Ausbilder für Groß- und Außenhandelskaufleute) und insbesondere Herr v. A., der als Ausbilder für Bürokaufleute mit ihm vergleichbar sei, entlassen werden müssen.

Mit der - im August 2000 erfolgten - Einstellung des Ausbilders Herrn v. A. (geboren 31.01.1948, - wie der Kläger - ohne Unterhaltspflichten) hatte es folgende Bewandtnis:

Herr v. A. war seit 1990 als Ausbilder bei dem Qualifizierungszentrum S. GmbH angestellt gewesen. Als das Qualifizierungszentrum R. GmbH Mitte 2000 in die Insolvenz ging, wurde die Beklagte mit der weiteren Ausbildung der dortigen Auszubildenden (ca. 200) betraut. Daraufhin stellte sie im August 2000 vier Ausbilder aus dem Qualifizierungszentrum R. ein. Drei Ausbilder, u.a. Herrn v. A., lehnten den von der Beklagten angebotenen Arbeitsvertrag ab. In ihrer vor dem Arbeitsgericht Duisburg erhobenen Klage machten sie geltend, dass die Beklagte nach § 613 a BGB in die Rechte und Pflichten ihres Arbeitsverhältnisses mit dem Qualifizierungszentrum R. eingetreten sei, wohingegen die Beklagte die Auffassung vertrat, dass lediglich Funktionsnachfolge vorliege. Nach Hinweisen des Gerichts zur Grenzwertigkeit des Falles und zu den beiderseitigen Prozessrisiken legten die klagenden Ausbilder und die Beklagte die Rechtsstreite durch gleichlautende Prozessvergleiche bei. In dem zwischen Herrn v. A. und der Beklagten am 20.10.2000 geschlossene Vergleich ist bestimmt:

1. Die Parteien sind sich einig, dass zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis zu den Konditionen besteht, wie sie sich aus dem Arbeitsvertragsangebot der Beklagten an den Kläger vom 21.08.2000 ergeben.

2. Die Parteien sind sich ferner einig, dass der Kläger hinsichtlich der Frage seines sozialen Besitzstandes, also hinsichtlich aller Fragen, die über die Entgeltberechnung hinaus gehen, mit einer Betriebszugehörigkeit seit dem 01.10.1990 zu behandeln ist.

.....

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 06.01.2004, zugegangen am 08.01.2004, nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den Ablauf der Kündigungsfrist zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre Prognose damit verteidigt, dass die Zahl der Auszubildenden sich nicht nur durch Prüfungsabgänge, sondern erfahrungsgemäß auch durch Abgänge aus anderen Gründen (Kündigungen usw.) verringere und sieht sich durch die tatsächlich eingetretene Entwicklung bestätigt. Sie hat ihre Entscheidung verteidigt, im KKC nur Dozenten auf Honorarbasis stundenweise zu beschäftigen, und darauf hingewiesen, dass der Kläger nicht das Anforderungsprofil für Dozenten erfülle. Mit dem Ausbilder T. sei ­ so hat sie gemeint ­ der Kläger nicht vergleichbar. Im Übrigen seien soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt, dies nicht nur in Bezug auf Herrn T., sondern auch auf Herrn v.A., selbst wenn man dessen Vordienstzeit nicht einbeziehe.

Das Arbeitsgericht hat am 13.05.2004 die Bereichsleiterin der Beklagten, Frau I., als Zeugin vernommen und durch Urteil vom selben Tag der Kündigungsschutzklage und der auf § 102 Abs. 5 BetrVG gestützten Weiterbeschäftigungsklage stattgegeben. Mit der fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Stattgabe der Kündigungsschutzklage. Im Hinblick auf das Weiterbeschäftigungsurteil setzt sie derzeit den Kläger als Aufsicht und Hilfe zusätzlich zu einem Schreinermeister und einem Bautechniker in dem Projekt "Fachhelfer-Handwerk" (bis 15.10.2004) und dem kurzfristig akquirierten Projekt "Fit fürs Handwerk" (18.08.2004 bis 17.08.2004) ein.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Beklagte das erstinstanzliche Urteil, auf das hiermit zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, an und beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Duisburg vom 13.05.2004 die Kündigungsschutzklage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beide Parteien wiederholen im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet. Die Kündigung vom 06.01.2004 ist rechtswirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.06.2004 aufgelöst. Daher ist die Kündigungsschutzklage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

I. Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

1. Zu Unrecht hält der Kläger die Betriebsratsanhörung deshalb für fehlerhaft, weil die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat keine Angaben zur Gewichtung der Kriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten gemacht habe.

Im Anhörungsverfahren muss der Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vom Arbeitgeber so viel erfahren, dass er - auch unter Rückgriff auf vorhandene Kenntnisse - die ihm in § 102 BetrVG eingeräumten Rechte bezogen auf die konkret beabsichtigte Kündigung ausüben kann (BAG, Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 536/02, AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). Diesen Anforderungen wird die Unterrichtung vom 15.12.2003 gerecht. Das Anhörungsschreiben stellt nicht nur klar, dass die Beklagte dem Kläger kündigen wollte, weil nach dem von ihr prognostizierten Rückgang der Auszubildendenzahl im Bereich Bürokaufleute mangels Drittfinanzierung für den Kläger zum 30.06.2004 die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung entfallen würde, sondern enthält auch die erforderliche namentliche Auflistung der anderen Ausbilder und Angabe ihrer Sozialdaten (vgl. BAG, Urteil v. 22.05.2003, 2 AZR 326/02, AP Nr. 128 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Urteil v. 29.03.1984, 2 AZR 429/83, AP Nr. 31 zu § 102 BetrVG 1972). Der Beklagten oblag es nicht, Überlegungen zur "Gewichtung" der Sozialdaten anzustellen und dem Betriebsrat mitzuteilen. Weil es für die Sozialauswahl im Ergebnis darauf ankommt, ob soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt worden sind, bedarf es keiner Erläuterungen des Arbeitgebers zu seinem Auswahlverfahren. Dies gilt jedenfalls für das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG, das nicht auf prozessualem Substantiierungsniveau stattfinden muss. Daher genügte die Beklagte ihrer Informationspflicht. Der Betriebsrat rügte in seinem Widerspruch vom 23.12.2003 auch keine unzutreffende oder unvollständige Unterrichtung durch den Arbeitgeber (vgl. BAG, Urteil vom 17.02.2000, 2 AZR 913/98, AP Nr. 113 zu § 102 BetrVG 1972).

2. Der weitere Einwand des Klägers, die Beklagte habe (unzulässigerweise) dem Betriebsrat die Auswahl des kündigenden Arbeitnehmers überlassen, geht in tatsächlicher Hinsicht fehl. In dem Anhörungsschreiben machte die Beklagte unmissverständlich klar, dass sie den Kläger für die Kündigung vorsehe, weil er "mit 42 Jahren der mit Abstand jüngste Ausbilder" sei, und gestand keineswegs dem Betriebsrat zu, einen anderen Mitarbeiter für die Kündigung auszuwählen.

3. Dem Anhörungsschreiben ist zwar zu entnehmen, dass die Beklagte von einer längeren Betriebszugehörigkeit des Ausbilders v. A. ("13 Jahre und 2 Monate") ausging und daher sich nicht veranlasst sah, dem höheren Lebensalter dieses Mitarbeiters eine kürzere Betriebszugehörigkeit (im Falle der Unerheblichkeit der angerechneten Vordienstzeit) gegenüberzustellen. Das macht jedoch die Anhörung im Licht des Grundsatzes der sog. subjektiven Determination (BAG, Urteil vom 21.02.2002, 2 AZR 581/00, EzA Nr. 10 zu § 1 KSchG Interessenausgleich) nicht fehlerhaft. Auch ist, was die materiellrechtliche Überprüfung des Kündigungsgrundes anbelangt, die Beklagte deshalb nicht gehindert, im Prozess ihren Vortrag zum Kündigungssachverhalt zu ergänzen (vgl. BAG, Urteil vom 21.09.2000, 2 AZR 385/99, AP Nr. 111 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

II. Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gerechtfertigt. Bei Ausspruch der Kündigung lagen hinreichend greifbare Anhaltspunkte dafür vor, dass bei der Beklagten mit dem 30.06.2004 ein Beschäftigungsbedarf für den Kläger entfallen würde.

1. Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich aus außerbetrieblichen Gründen (Absatzrückgang usf.) oder innerbetrieblichen Gründen (Umstrukturierung, Rationalisierung usf.) ergeben. Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. In der Regel entsteht das betriebliche Erfordernis nicht unmittelbar und allein durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen, sondern erst aufgrund einer der durch wirtschaftliche Entwicklungen und Überlegungen, insbes. zur Ertragslage und Kostensituation, ausgelösten Entscheidung des Arbeitgebers, den Arbeitsablauf anders zu organisieren, der sog. unternehmerischen Entscheidung (BAG, Urteil vom 22.05.2003, 2 AZR 326/02, AP Nr. 128 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Die unternehmerische Organisationsentscheidung ist nicht auf ihre soziale Rechtfertigung, Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, sondern nur darauf zu überprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. In den Bereich der unternehmerischen Entscheidung fällt die Organisation und Gestaltung des Betriebes und damit auch die Festlegung der Stärke der Belegschaft, mit der der Unternehmer das von ihm definierte Betriebsziel erreichen will (BAG, Urteil vom 05.12.2002, 2 AZR 549/01, AP Nr. 59 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, Urteil vom 07.05.1998, 2 AZR 536/97, AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Urteil vom 24.04.1997, 2 AZR 352/96, AP Nr. 42 zu § 2 KSchG 1969, Urteil vom 10.11.1994, 2 AZR 242/94, AP Nr. 63 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Wenn das unternehmerische Konzept der Personalanpassung nicht von vornherein gesetz-, tarif- oder vertragswidrig erscheint, ist es als geeignetes Mittel zum rationelleren Einsatz der Arbeitnehmer anzusehen und schafft, falls es auf Dauer angelegt ist, die Voraussetzung für die auf betriebliche Erfordernisse gestützte Kündigung. Dabei muss der dem Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG obliegende Vortrag erkennen lassen, dass infolge der Umsetzung des Konzepts das Bedürfnis an der Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers auf Dauer entfällt (BAG, Urteil vom 12.04.2002, 2 AZR 256/01, AP Nr. 120 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; vgl. BAG, Urteil vom 22.05.2003, 2 AZR 326/02, AP Nr. 129 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

Weil maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung der Kündigungszeitpunkt ist, ist es im Grundsatz unerheblich, ob die Umsetzung des unternehmerischen Konzeptes gelingt oder misslingt. Allerdings lässt sich, wenn die Umsetzung plangemäß verläuft, an der nachfolgend eingetretenen betrieblichen Lage verifizieren, ob das Konzept von einer betriebswirtschaftlich vernünftigen Prognose getragen und realisierbar gewesen ist (BAG, Urteil vom 27.11.2003, 2 AZR 48/03, AP Nr. 64 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, Kammerurteile vom 21.08.2002, 12 Sa 538/02, n.v., und vom 07.05.2003, 12 Sa 1437/02, LAGE Nr. 66 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung).

2. a) Die Beklagte hat in erster Instanz detailliert und plausibel geschildert, welche Gründe sie zu der personellen Einschränkungsmaßnahme veranlassten, dass nach ihrem unternehmerischen Konzept der Arbeitsplatz des Klägers in Wegfall gebracht werden konnte, weil für den Bereich Bürokaufleute zwei Ausbilder ausreichen würden, und dass eine betriebswirtschaftlich sinnvolle, anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht bestanden hat. Die realistische Prognose der Beklagten ist eingetroffen: Der Kläger wird seit dem Kündigungstermin als Ausbilder im Bereich Bürokaufleute auf Dauer nicht mehr benötigt.

b) Die mit der Berufung wiederholten Einwände des Klägers greifen teilweise zu kurz, im Übrigen sind sie in tatsächlicher Hinsicht widerlegt.

Die tatsächliche Durchfallquote bei den Auszubildenden im Bereich Bürokaufleute lag zwar über der prognostizierten Quote, so dass sich ­ zunächst ­ aus der geringeren Zahl von Prüfungsabgängen eine höhere Zahl verbleibender Auszubildender ergibt. Dieser Befund widerlegt jedoch nicht die Annahme, dass im Kündigungszeitpunkt hinreichend greifbare Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass ein Beschäftigungsbedarf für den Kläger mit dem 30.06.2004 entfallen würde. Die ihrer Planung inne wohnenden Ungewissheiten stellen nicht in Frage, dass eine vernünftige, betriebswirtschaftliche Betrachtung und keine "intuitive Prognose" (vgl. BAG, Urteil vom 12.04.2002, 2 AZR 256/01, AP Nr. 120 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) vorlag. Dabei ist, weil im allgemeinen die konkrete Auftragslage und Personalbedarfssituation um so weniger vorhersehbar ist, je weiter man in die Zukunft schaut, von einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Prognose nicht zu erwarten, dass sie "punktgenau" für alle Tage bis zu einem entfernten Termin den qualitativen und quantitativen Personalbedarf, das verfügbare Personal und den konkreten Personalbedarf angibt. Vielmehr muss es eine realistische Planung dabei bewenden lassen, dass der Personalabbau bis zum Kündigungstermin (hier: 30.06.2004) darstellbar ist. Allein der Umstand, dass bei der tatsächlichen Umsetzung eines Konzepts Probleme auftreten können, macht weder eine Prognose fehlerhaft noch rechtfertigt er den Befund, dass die Prognose unrealistisch war. Hinzu kommt, dass mit jeder Umorganisation und Neuausrichtung verbunden ist, dass es Umsetzungsprobleme und Modifikationsbedarf geben kann. Entscheidend ist, dass die Planung für diese Fälle flexible Reaktionsweisen vorhält und dadurch absichert, dass das Konzept bis zu dem maßgebenden Termin umsetzbar ist. Nach diesem Ausgangspunkt lässt sich an der nachfolgend eingetretenen betrieblichen Lage verifizieren, ob das Konzept von einer betriebswirtschaftlich vernünftigen Prognose getragen und realisierbar gewesen ist.

Die Prognose der Beklagten hat sich unter diesem Aspekt als tragfähig erwiesen. Im Kündigungszeitpunkt war nicht abzusehen, ob und in welchem Umfang Auszubildende in Prüfungen durchfallen und bei der Beklagten verbleiben oder Prüfungen bestehen und aus der Ausbildung ausscheiden würden. Nach der glaubhaften Aussage der Zeugin I. vor dem Arbeitsgericht "kann es sein, dass 50 % durchfallen ... , aber auch 100 % die Prüfung bestehen". Insoweit beruht allerdings die von ihr im November 2003 erstellten Prognose, dass die Auszubildenden die Prüfung bestehen, auf einer sehr optimistischen Annahme, wohingegen die vom Kläger geschätzte Durchfallquote von 30 % ­ 40 % der Wirklichkeit näher kommt. Allerdings lässt der Kläger die gewöhnliche Fluktuation außerhalb von Prüfungen unberücksichtigt, nämlich dass immer wieder Abgänge stattfinden aufgrund von Kündigungen, Aufhebungsverträgen, Vermittlungen an Betriebe oder aus anderen Gründen, z.B. Inanspruchnahme von Elternzeit. Die Beklagte durfte in ihre Prognose einbeziehen, dass es, wenn nicht aufgrund bestandener Prüfung, aus diesen anderen Gründen zu der angenommenen Zahl von Abgängen kommen würde und davon ausgehen, dass sie ab Juli 2004 den Kläger nicht mehr als Ausbilder benötigen würde. Dabei ist unerheblich, ob die für den Bereich Bürokaufleute prognostizierte Zahl von 30 Auszubildenden, auf die nach dem in den Ausschreibungen enthaltenen Personalschlüssel 2 Ausbilder entfallen würden, exakt getroffen wurde oder nicht. Denn auch für eine geringfügig höhere Zahl von Auszubildenden reichen ohne weiteres 2 eingesetzte Ausbilder aus. Beschäftigungsbedarf und fremde Finanzierungsmittel für einen dritten, vollzeitbeschäftigten Ausbilder ergeben sich dadurch nicht. Ebenso lässt der RdErl. 8/98 zu § 241 SGB III DA eine Abweichung von dem dort vorgegebenen Personalschlüssel zu.

c) Seit dem Kündigungstermin ist der Arbeitsplatz des Klägers entfallen. Die Realisierbarkeit und Ernsthaftigkeit der Prognose der Beklagten, dass der Arbeitsanfall dauerhaft durch die verbliebenen Arbeitnehmer zu bewältigen sei, ist durch die tatsächlich eingetretene Entwicklung bestätigt worden. Nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung werden die Auszubildenden im Bereich Bürokaufleute (derzeit 31) von Herrn v. A. und Frau G. betreut. Ein weiterer Ausbilder wird nicht mehr eingesetzt. Wenn sich durch Rückkehr aus der Elternzeit Anfang September die Zahl der Auszubildenden um eine Person erhöhen sollte, resultiert daraus keine Beschäftigungsmöglichkeit für einen dritten Ausbilder, i. c. den Kläger.

d) Für den Kläger gibt es bei der Beklagten auch keinen anderen freien und geeigneten Arbeitsplatz, auf dem er weiterbeschäftigt werden könnte.

Seinen erstinstanzlichen Vortrag, dass die Beklagte ihn im Kaufmännischen Kompetenzcenter (KKC) weiterbeschäftigen und für ihn aus dem Arbeitszeitkontingent der im KKC in Teilzeit (stundenweise) eingesetzten Dozenten (Honorarkräfte) einen Arbeitsplatz schaffen könne, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht wiederholt. Dem zutreffenden Hinweis des Arbeitsgerichts, dass der Kläger nicht das Anforderungsprofil für Dozenten erfülle, ist hinzuzufügen, dass es der Beklagten im Rahmen ihrer unternehmerischen Organisationsentscheidung, die weder offenbar unvernünftig noch willkürlich ist, frei stand und frei steht, die Lehraufgaben im KKC an freie Mitarbeiter zu vergeben, anstatt sie mit eigenen Arbeitnehmern zu erledigen (vgl. BAG Urteil vom 18.01.2001, 2 AZR 514/99, AP Nr. AP Nr. 115 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Die Voraussetzungen für eine unzulässige Austauschkündigung (vgl. BAG, Urteil vom 21.09.2000, 2 AZR 440/99, AP Nr. 112 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) liegen allemal nicht vor, weil der Arbeitsplatz des Klägers ersatzlos gestrichen wurde.

III. Die Kündigung ist auch nicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSChG sozial ungerechtfertigt.

1. In die Sozialauswahl sind die miteinander vergleichbaren, d.h. austauschbaren Arbeitnehmer einzubeziehen: Der gekündigte Arbeitnehmer muss die Funktion des anderen Arbeitnehmers ausüben können. Nach der Rechtsprechung (BAG, Urteil vom 27.09.2001, 2 AZR 246/00, EzA Nr. 41 zu § 2 KSchG) bestimmt sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit steht der Vergleichbarkeit nicht entgegen. Der Vergleich der Arbeitnehmer vollzieht sich auf derselben Ebene der Betriebshierarchie (horizontale Vergleichbarkeit) und setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann; eine Vergleichbarkeit scheidet daher aus, wenn eine anderweitige Beschäftigung nur auf Grund einer Änderung der Arbeitsbedingungen durch Vertrag oder Änderungskündigung in Betracht kommt. Vergleichbarkeit bedeutet Austauschbarkeit in Ausübung des Direktionsrechts (BAG, Urteil vom 06.11.1997, 2 AZR 94/97 AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969; ferner Urteil vom 03.12.1998, 2 AZR 341/98, AP Nr. 39 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl).

Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG obliegt die Darlegungs- und objektive Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Unrichtigkeit der Sozialauswahl ergibt, nämlich zunächst dem Arbeitnehmer. Nach ständiger BAG-Rechtsprechung ist dabei aber von einer abgestuften Darlegungslast auszugehen. Es ist danach zunächst Sache des Arbeitnehmers, die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen, sofern er über die hierzu erforderlichen Informationen verfügt. Demnach ist es im Prozess zunächst Sache des Arbeitnehmers, zu begründen, warum er mit Arbeitnehmern einer bestimmten Gruppe vergleichbar ist. Die bloße Behauptung, eine Vergleichbarkeit sei gegeben, reicht nicht aus. Vielmehr hat er, soweit es ihm möglich ist, darzulegen, welche Qualifikationsanforderungen bei der Ausübung der Tätigkeiten, für die er sich geeignet hält, zu erfüllen sind. Gleichzeitig hat er mitzuteilen, welche Fertigkeiten er wann und wie erworben hat und ob sie ihn zur Ausfüllung des von ihm angestrebten Arbeitsplatzes befähigen (BAG, Urteil vom 05.12.2002, 2 AZR 697/01, AP Nr. 60 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, vgl. Urteil vom 20.05.1999, 2 AZR 278/98, n.v).

2. Der Kläger hat im Berufungsverfahren seine Rüge, dass an seiner Stelle der Mitarbeiter T. hätte entlassen werden müssen, erneuert. Die Rüge ist indessen unbegründet. Abgesehen davon, dass sich die Kammer der zutreffenden Begründung des erstinstanzlichen Urteils, dass der Kläger nicht sozial schutzwürdiger sei, anschließt (§ 69 Abs. 2 ArbGG), fehlt es zum einen an der arbeitsvertraglichen Austauschbarkeit, denn der Beklagten steht nach dem Anstellungsvertrag kein Versetzungsrecht zu, und zum anderen an der qualifikationsmäßigen Austauschbarkeit: Weder nach ausgeübter Tätigkeit und nach beruflicher Vorbildung noch hinsichtlich der erforderlichen Ausbildereignung ist der Kläger mit dem Mitarbeiter T. vergleichbar.

3. Die von der Beklagten vorgenommene Sozialauswahl ist auch nicht dahingehend zu beanstanden, dass die Beklagte vor dem Kläger den Mitarbeiter v. A. hätte entlassen müssen.

a) Das Arbeitsgericht hat für seine gegenteilige Auffassung argumentiert, dass, auch wenn Herrn v. A. älter sei, die Chancen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls sehr problematisch sein dürften. Danach gebe zugunsten des Klägers seine um 5 Jahre höhere Betriebszugehörigkeit den Ausschlag, so dass unter Anerkennung des dem Arbeitgeber zustehenden Wertungsspielraums soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Die im Prozessvergleich vom 20.10.2000 zwischen Herrn v. A. und der Beklagten vereinbarte Anrechnung der Vordienstzeit sei nach § 1 Abs. 3 KSchG als Vertrag zu Lasten Dritter unzulässig. Da das Arbeitsverhältnis des Herrn v. A. auch nicht gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte übergegangen sei, sei dessen Vorbeschäftigung beim Qualifizierungszentrum R. nicht zu berücksichtigen.

Die Kammer stimmt dem Arbeitsgericht darin zu, dass im Streitfall für die Annahme, dass der Betrieb des Qualifizierungszentrums R. gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte übergegangen sei, keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen sind. Des Weiteren ist zutreffend, dass einerseits die Beklagte in dem Prozessvergleich ihren Standpunkt, dass kein Betriebsübergang vorliege, durchgesetzt hatte und die Beteiligten sich im Wege eines Tatsachenvergleichs auf die Neueinstellung des Klägers zum 01.08.2000 zu den Arbeitsbedingungen der Beklagten geeinigt hatten. Andererseits kam die Beklagte im Hinblick auf ihr Prozessrisiko dem Klageziel des Herrn v. A. in der Weise entgegen, dass seine Beschäftigungszeit beim Qualifizierungszentrum R. als Besitzstand im neuen Arbeitsverhältnis angerechnet wurde. Insoweit ist nach dem erkennbaren übereinstimmenden Willen der Vergleichsparteien, dem Wortlaut des Prozessvergleichs und seinem Regelungszweck unzweifelhaft, dass der Herrn v. A. zugestandene "soziale Besitzstand in allen Fragen" kündigungsschutzgesetzliche Wirkung nach § 1 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 KSchG entfalten sollte. Darüber besteht zwischen den Parteien im vorliegenden Prozess auch kein Streit. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sieht allerdings die Kammer in der in Ziffer 2 des Vergleichs 20.10.2000 getroffenen Vereinbarung, mit der der soziale Besitzstand, den der Ausbilder v. A. beim Qualifizierungszentrums R. erworben hatte, auf das Anschlussarbeitsverhältnis mit der Beklagten angerechnet wurde, keinen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter. Ist daher dem Mitarbeiter v. A. die Vordienstzeit gutzubringen, ist die vorgenommene Sozialauswahl nicht zu beanstanden.

Im Einzelnen gilt folgendes:

b) Die Frage, ob eine einzelvertragliche Vereinbarung über das Sozialdatum Betriebszugehörigkeit zulässig ist, hat das Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden (BAG, Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 536/02, AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). Immerhin ist dem BAG-Urteil vom 17.02.2000 (2 AZR 142/99, AP Nr. 46 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl) zu entnehmen, dass die sozialauswahlwirksame Vertragsneugestaltung anlässlich einer Kündigungsmaßnahme als Vertrag zu Lasten Dritter zu missbilligen sei. Das LAG Hamm hat in einem Urteil vom 27.05.2002 (8 Sa 134/02, n.v., zum Fall eines 'Ringtauschs') offen gelassen, ob die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten im Konzern oder in einem Wiedereinstellungsvergleich im Kündigungsschutzprozess zulässig sein könne, indessen grundsätzlich gemeint, dass der zwingende Charakter des § 1 Abs. 3 KSchG die Arbeitsvertragsparteien am Abschluss einer Vereinbarung hindere, deren Abweichungen von der gesetzlichen Regelung zu Lasten Dritter gehen, und daher die Anrechnung von Vordienstzeiten unzulässig sei. Das LAG Köln (Urteil vom 17.09.1998, 10 Sa 631/98, RzK I 5 Nr. 71) hatte an der vertraglichen Anrechnung der Vorbeschäftigung bei einem anderen konzernzugehörigen Unternehmen nichts zu beanstanden. In der Literatur wird teilweise die einzelvertragliche Anrechnung von Beschäftigungszeiten bei einem anderen Unternehmen als unzulässige Benachteilung anderer Beschäftigten nach § 1 Abs. 3 KSchG erachtet (Löwisch/Spinner, KSchG, 9. Aufl., § 1 Rz. 366 [316]), Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl., Rz. 1095) und aus dem zwingenden drittschützenden Charakter der Gesetzesregelung zur Sozialauswahl hergeleitet, dass einzelvertraglich angerechnete Vordienstzeiten einen Vertrag zu Lasten Dritter darstellen und im Rahmen der sozialen Auswahl unbeachtlich seien. Dagegen akzeptieren andere Teile der Literatur die einzelvertragliche Gutschrift von Vorbeschäftigungszeiten, jedenfalls solange dadurch nicht eine konkrete Auswahlentscheidung manipuliert werden soll (ErfK/Ascheid, 4. Aufl., § 1 KSchG, Rz. 475, KR/Etzel, 7. Aufl., § 1 KSchG Rz. 672 [659], APS/Kiel, 2. Aufl., § 1 KSchG, Rz. 708/699, vgl. Preis, Der Arbeitsvertrag, II K 10 Rz. 31 [S. 937]) und ziehen eine Parallele zur einzelvertraglich zulässigen Verkürzung der Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG (vgl. APS/Dörner, § 1 KSchG Rz. 23).

Das Problem, ob einzelvertraglich angerechnete Vordienstzeiten bei der Sozialauswahl Drittwirkung zum Nachteil anderer Arbeitnehmer haben, steht im Zusammenhang mit der tariflich oder einzelvertraglich vereinbarten Unkündbarkeit, dies weniger deshalb, weil tarifliche Unkündbarkeitsvorschriften, wenn sie den relativen Sozialschutz nach § 1 Abs. 3 KSchG zu einem Vertragsschutz verstärken, an die Dauer der Betriebszugehörigkeit (unter Mitberücksichtigung des Lebensalters) anzuknüpfen pflegen, sondern vor allem deshalb, weil Anrechnung wie Unkündbarkeit auf Vertragsebene die Besserstellung des begünstigten Arbeitnehmers bei der Sozialwahl bewirkt: Durch die Unkündbarkeit wird er definitiv aus der Sozialauswahl herausgenommen; durch die Gutschrift von Vordienstzeiten wird er relativ geschützt und es kann, nach Lage des Falles, die sonst gegebene Kündbarkeit ebenfalls ausgeschlossen sein. Stellt man hier die Frage zurück, ob wegen der Verschiedenartigkeit von Anrechnung und Unkündbarkeit die Zulässigkeit unterschiedlich zu beurteilen ist, werden in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum überwiegend die tarifliche Unkündbarkeit und in der Konsequenz auch die einzelvertragliche Unkündbarkeit für zulässig erachtet mit der Konsequenz, dass die unkündbaren Arbeitnehmer nicht in den auswahlrelevanten Personenkreis bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG einzubeziehen seien (LAG Brandenburg, Urteil vom 29.10.1998, LAGE Nr. 29 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl, KHzA/Isenhardt, 2. Aufl., 6.3, Rz. 567, ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rz. 474, Stahlhacke/Preis, Rz. 1074 f., a. A. Oetker, FS-Wiese, S. 340 f., MünchArbR/Berkowsky, 2. Aufl., § 139 Rz. 10, 112, v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 13. Aufl., § 1 Rz. 455a, 459).

c) Nach Auffassung der Kammer ist die einzelvertragliche Gutschrift von Vordienstzeiten "sozialauswahlwirksam", wenn sie wegen vorliegender Sachgründe keinen unverhältnismäßigen Eingriff in den durch § 1 Abs. 3 KSchG vermittelten Bestandsschutz Dritter bedeutet. Diesen Maßstab entnimmt die Kammer daraus, dass dem kündigungsschutzgesetzlichen Bestandsschutz mit seinem egalitären Ansatz die privatautonome Vertragsgestaltung mit ihren Sonderheiten und möglichen Privilegierungen gegenüber steht und daher beide kollidierenden Grundrechtspositionen in eine praktische Konkordanz zu bringen sind.

(11) Über den Ausgangspunkt besteht kein Streit: § 1 KSchG ist einseitig zwingendes Gesetzesrecht, von dem die Parteien nur zugunsten des Arbeitnehmers abweichen können. Das gilt namentlich für die Regelung der Sozialauswahl (BAG, Urteil vom 14.05.1987, 2 AZR 380/86, AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit, Urteil vom 11.03.1976, 2 AZR 43/75, AP Nr. 1 zu § 95 BetrVG 1972, KHzA/Isenhardt, 6.3, Rz. 382, APS/Dörner, § 1 KSchG Rz. 6, KR/Etzel, § 1 KSchG Rz. 659). Lässt der gesetzliche Mindestschutz günstigere Vertragsregelungen zu, sind etwa die Verkürzung der Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG, die Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfristen oder eine mit Befristungsabreden oder anderen Absprachen verbundene Einschränkung des gesetzlichen Kündigungsrechts unbedenklich, seien sie nun unmittelbar durch eine entsprechende Bestandsschutzzusage oder mittelbar durch Anrechnung von Vordienstzeiten auf die Betriebzugehörigkeit bewirkt. Ist einerseits die Erhöhung des Bestandsschutzes im Verhältnis zu dem Arbeitnehmer, dem sie zugute kommen, zulässig, wird sie andererseits doch problematisch, wenn sie sich nämlich zu Lasten anderer Arbeitnehmer auswirkt. Dass Besitzstandsklauseln diese Kehrseite haben, liegt schlicht daran, dass die ausnahmslose Anwendung des Gesetzes Gleichbehandlung erzeugt und die vertragliche Besserstellung einzelner Arbeitnehmer die Schlechterstellung anderer Arbeitnehmer bedeutet, wenn die Beschäftigten um zu wenige Arbeitsplätze konkurrieren müssen. So ist etwa im Hinblick darauf, dass Arbeitnehmer vor Ablauf der Wartefrist dem Schutz von § 1 KSchG noch nicht unterstehen und in eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht einzubeziehen sind (BAG, Urteil vom 18.10.2000, 2 AZR 494/99, AP Nr. 49 zu § 15 KSchG 1969) denkbar, dass es zum Nachteil anderer Arbeitnehmer ausschlagen könnte, wenn vertraglich vorzeitiger Kündigungsschutz gewährt wird. Ebenso können individuell verlängerte Kündigungsfristen oder eine mit Befristungsabreden oder anderen Absprachen verbundene Einschränkung des gesetzlichen Kündigungsrechts darauf hinauslaufen, dass anstelle des begünstigten Arbeitnehmers ein anderer, gesetzlich kündbarer Arbeitnehmer gekündigt werden muss.

(22) § 1 KSchG stellt für die Sozialauswahl eine Lösung, wie mit individuellem Sonderschutz umzugehen ist, nicht bereit. Immerhin indiziert die Regelungsabstinenz im Kontext mit dem zwingenden Gesetzescharakter die Dominanz der gesetzlichen Sozialauswahl. So gewährt § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG Bestandsschutz im Rahmen der (sich aus den zu berücksichtigenden Sozialkriterien ergebenden) Rangfolge . Damit hat die Gesetzesregelung drittschützenden Charakter. Indem Vertragsklauseln den Bestandsschutz einzelner Arbeitnehmer entweder unmittelbar ("Unkündbarkeit") oder mittelbar ("Anrechnung von Vordienstzeiten") verbessern, greifen sie zum Nachteil anderer Arbeitnehmer in deren gesetzlich egalitär angelegten Bestandsschutz ein. Die Klauseln wirken sich im Ernstfall, für den sie konzipiert sind, dahingehend aus, dass den anderen Arbeitnehmern deshalb gekündigt werden muss, weil "Unkündbare" weiterzubeschäftigen sind, oder weil sie infolge anderen Mitarbeitern gutgeschriebener Vordienstzeiten in der sozialen Rangliste zurückfallen.

Dieser Befund, nämlich dass der kollektiv- oder arbeitsvertraglich erhöhte Bestandsschutz zugunsten einzelner Arbeitnehmer die Benachteiligung der anderen Arbeitnehmer bedeutet und daher in deren gesetzlich durch § 1 Abs. 3 KSchG definierten Besitzstand eingreift, kann nicht dadurch ausgeräumt werden, dass diese Folge als "unbeachtlicher Reflex" von Kündigungseinschränkungen abgetan wird, die lediglich den Schutz einzelner Arbeitnehmer bezwecken und sich nicht gegen andere Arbeitnehmer richten (so aber Stahlhacke/Preis, Rz. 1074, KR/Etzel, § 1 KSchG Rz. 640, Bitter/Kiel, FS-Schwerdtner, S. 27, Wendeling-Schröder, WissR 27, 168 f.). Die Benachteiligung Dritter ist kein bloßer Reflex, sondern normtypische Konsequenz. Die einem einzelnen Arbeitnehmer zugestandene "Unkündbarkeit" oder "Anrechnung von Vordienstzeiten" ist auf den Fall betriebsbedingter Personalabbaumaßnahmen geradezu zugeschnitten und soll die Schlechterstellung der anderen, gesetzlich kündbaren Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitnehmer mit vertraglichem Sonderschutz bewirken (zutr. Oetker, ZfA 2001, 319, MünchArbR/Berkowsky, a.a.O., v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 Rz. 457 [459]). Zwar ist namentlich für tarifvertraglicher Kündigungsverbote richtig, dass sie wegen ihrer generellabstrakten Normstruktur nicht zur Umgehung der Sozialauswahl in konkreten Einzelfällen taugen. Auch mag, was hier nicht vertieft zu werden braucht, für die Konstellation tariflich statuierter Unkündbarkeit aus § 1 Abs. 4 KSchG ein Zulässigkeitsargument gewonnen werden. Das ändert jedoch nichts an der Erkenntnis, dass mit Vertragsklauseln, die dem einzelnen Arbeitnehmer erhöhten Bestandsschutz gewähren, die zwangsläufige Schlechterstellung der nur gesetzlich geschützten Arbeitsverhältnisse einhergeht.

In diesem Licht ist die vertragliche Anrechnung von Vordienstzeiten zwar gegenüber dem vertragsschließenden Arbeitnehmer wirksam, jedoch bei der Sozialauswahl gegenüber anderen Arbeitnehmern unwirksam. Die relative Unwirksamkeit gilt jedenfalls für angerechnete Vordienstzeiten bei anderen Unternehmen. Insoweit war zu dem Sozialdatum Betriebszugehörigkeit bereits vor seiner expliziten Benennung in § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG anerkannt, dass grundsätzlich nur die im Unternehmen des Arbeitgebers verbrachte Betriebszugehörigkeit gemeint war. Darauf weisen nicht nur der Gesetzeswortlaut und der systematische Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 KSchG hin, sondern auch und vor allem der Gesetzeszweck (vgl. BAG, Urteil vom 06.02.2003, 2 AZR 623/01, EzA Nr. 51 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl). Gegen die vertragliche Disponibilität der Betriebszugehörigkeitsdauer mag zudem sprechen, dass Kriterien wie Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung sich nach den objektiven Verhältnissen bestimmen. Betriebszugehörigkeit knüpft zwar an ein Rechtsverhältnis, nämlich den Bestand des Arbeitsverhältnisses, an. Sie kann jedoch genauso wenig wie ein Arbeitsverhältnis rückwirkend begründet, sondern nur rückwirkend fingiert werden.

(33) Dem kündigungsschutzgesetzlichen Bestandsschutz, der in § 1 Abs. 3 KSchG das Grundrecht nach Art. 12 Abs. 1 GG ausformt, steht die - ebenfalls in Art. 12 Abs. 1 GG gegründete - Vertragsfreiheit gegenüber, von der Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit der einzelvertraglichen Vereinbarung von Besitzstands- und Anrechnungsklauseln oder Kündigungsverboten Gebrauch machen. Den vertraglich erhöhten Bestandsschutz respektiert der Gesetzgeber, indem er sich auf die Festlegung von Mindeststandards, z.B. in § 622 BGB, beschränkt oder wie in § 15 Abs. 3 TzBfG - die Vertragsabsprache durch ein prinzipielles Kündigungsverbot flankiert. Indem der Gesetzgeber die Wirksamkeit der aufgrund ausgeübter Vertragsfreiheit getroffenen Vereinbarungen nicht einschränkt bzw. Einschränkungen explizit normiert (vgl. § 113 InsO), vielmehr die Entscheidungsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien schützt, verlangt der individuell vereinbarte Sonderbestandsschutz Berücksichtigung bei der Sozialauswahl. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, wie die Parteien ­ im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit - die Vereinbarung, mit der sie die Kündbarkeit des Arbeitnehmers einschränken, ausgestaltet haben. Daher greift es nach Auffassung der Kammer zu kurz, Wirksamkeit oder relative Unwirksamkeit davon abhängig zu machen, ob die Klausel sich unmittelbar zur Kündbarkeit selbst verhält oder ob sie sich mittelbar über angerechnete Vorbeschäftigungszeiten auf die Kündbarkeit auswirkt (vgl. Bitter/Kiel, a.a.O., S. 321). Denn zum einen gibt die Anrechnungsklausel, wenn auch mit geringerer Intensität, Vertragsschutz vor Kündigungen wie die Unkündbarkeitsklausel. Zum anderen kann jede der Klauseln durch Sachgründe bedingt und genauso gut mit flagranter Umgehungsabsicht vereinbart sein.

(44) Die über § 1 Abs. 3 KSchG vermittelte Bestandssicherung konkretisiert eine Grundrechtsposition des Arbeitnehmers (vgl. APS/Kiel, § 1 KSchG, Rz. 662). Gleiches gilt freilich auch für den vom Arbeitnehmer in ausgeübter Vertragsfreiheit ausgehandelten Sonderbestandsschutz. Das Kündigungsschutzgesetz greift einerseits in die unternehmerische Freiheit ein, indem es Arbeitsplatz und Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers in den Grenzen des sozial und wirtschaftlich Vertretbaren sichert (BAG, Urteil vom 29.03.1990, 2 AZR 369/89, AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Andererseits setzt es sich nicht über die unternehmerische Betätigungsfreiheit hinweg, gibt vielmehr die getroffene Unternehmerentscheidung dem anschließend einsetzenden gesetzlichen Schutzmechanismus vor. Den grundrechtlichen Schutz der Privatautonomie kann daneben auch der Arbeitnehmer reklamieren, der mit dem Arbeitgeber günstigere als die gesetzlichen Bestandsschutzregelungen aushandelt. Die autonome Vertragsgestaltung gehört überdies zu den Vorgaben für die Sozialauswahl (vgl. APS/Kiel, § 1 KSchG Rz. 70). Somit treffen im Licht von grundrechtlich geschützten Positionen die Interessen der Beschäftigten, die nur gesetzlichen Bestandsschutz über § 1 Abs. 3 KSchG erwarten können, auf das Interesse des Arbeitnehmers, der den Bestand seines Arbeitsverhältnisses durch eine vereinbarte Anrechnungsklausel oder Einschränkung seiner Kündbarkeit abgesichert hat. Dem Arbeitgeber, der die Dreiecksbeziehung komplettiert, wird es regelmäßig um den Vorrang des von ihm einzelvertraglich Vereinbarten gehen, hilfsweise wird er die Möglichkeit haben wollen, sich außerordentlich von der Vertragsbindung lösen zu können (vgl. BAG, Urteil vom 07.03.2002, 2 AZR 173/01, AP Nr. 6 zu § 620 BGB Schuldrechtliche Kündigungsbeschränkung). Mangels gesetzlicher Konfliktlösung ist es unumgänglich, die kollidierenden Grundrechtspositionen in eine praktische Konkordanz zu bringen. Die Problematik ist deshalb unter Abwägung der wechselseitig geschützten Grundrechtspositionen im Einzelfall zu lösen. Die kollidierenden Grundrechte bzw. die gegenläufigen Positionen aus einem Grundrecht, hier dem Schutz der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, sind in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass die geschützten Rechtspositionen für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BAG, Urteil vom 28.06.2000, 7 AZR 904/98, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Wiedereinstellung, Urteil vom 28.06.2001, 6 AZR 114/00, AP Nr. 24 zu § 611 BGB Arbeitszeit, Urteil vom 10.10.2002, 2 AZR 472/01, AP Nr. 44 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Nach dieser Maxime kann kollektiv- oder einzelvertraglich vereinbarten Klauseln, die die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitnehmers ausschließen oder erschweren, Drittwirkung im Rahmen der Sozialauswahl generell weder zu- noch aberkannt werden. Vielmehr ist fallbezogen festzustellen, ob der mit der Klausel verbundene Eingriff in die durch § 1 Abs. 3 KSchG den übrigen Arbeitnehmern vermittelte Auswahlsicherung unverhältnismäßig ist oder ob ein Sachgrund vorliegt, der die vereinbarte Anrechnungsklausel im Hinblick auf das Sozialdatum 'Betriebzugehörigkeit' und die dadurch mitbestimmte Rangfolge nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG rechtfertigt. Danach setzt die Anrechnung von Vordienstzeiten für ihre Wirksamkeit zu Lasten anderer Arbeitnehmer voraus, dass die Vertragsparteien einen sachlichen Grund dafür haben, dass sie durch die Anrechnung von Vordienstzeiten zugunsten des Arbeitnehmers dessen Bestandsschutz - im Verhältnis zu den übrigen Beschäftigten ­ heraufsetzen und davon absehen, die Absicherung des Arbeitnehmers andersartig zu gestalten. Daraus ergibt sich zunächst, dass eine Konnexität zwischen der Vorbeschäftigung und dem neuen Arbeitsverhältnis bestehen und dass mit der Berücksichtigung der gegenüber dem Vorarbeitgeber erbrachten Betriebszugehörigkeit einer sozialen Schutzwürdigkeit und daher einem berechtigten Anliegen des Arbeitnehmers Rechnung getragen werden muss. Unter diesem Aspekt kann etwa nur tatsächlich geleistete Betriebszugehörigkeit und keine fiktive Vorbeschäftigung anerkannt werden. Die Verhältnismäßigkeit muss des weiteren hinsichtlich des Umfangs der angerechneten Vordienstzeiten gewahrt sein. So wird regelmäßig die im Unternehmen des Arbeitgebers maximal erreichbare Anciennität die Gutschrift von Vordienstzeiten nach oben begrenzen.

Danach lassen sich Konstellationen bilden, die von der Kammer wie folgt beurteilt werden:

- Die Anrechnungsklausel, die anlässlich eines Personalabbaus zu dem Zweck vereinbart wird, das für den Arbeitnehmer negative Ergebnis der anstehenden Sozialauswahl zu umgehen, ist relativ unwirksam. Der Arbeitnehmer ist in den auswahlrelevanten Personenkreis einzubeziehen (allg. M., BAG, 17.02.2000, a.a.O., ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rz. 475, APS/Kiel, § 1 KSchG Rz. 700).

Gleiches gilt, wenn die Zusage die Anrechnung einer nicht oder in fremden Unternehmen geleisteten Vordienstzeit beinhaltet und sie als zusätzlicher Anreiz für die Eingehung des Arbeitsverhältnisses oder Kompensation für niedrigere Vergütung gedacht ist. Auch wenn die Einstellung des Arbeitnehmers im betrieblichen Interesse liegt und ohne Besitzstandszusage nicht zustande kommen mag, ist ein sachzweckgerechter Zusammenhang mit der in § 1 Abs. 3 KSchG gesicherten 'Betriebszugehörigkeit' nicht mehr darstellbar. Der gleichwohl durch Anrechnung fiktiver Betriebzugehörigkeitszeiten erhöhte vertragliche Bestandsschutz kann nicht den durch tatsächliche Betriebzugehörigkeit erworbenen gesetzlichen Bestandsschutz der Beschäftigten verdrängen. Der Arbeitgeber muss daher, falls nicht die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zieht (vgl. BAG, Urteil vom 07.03.2002, a.a.O.), vergegenwärtigen, dass er weder den angeworbenen Arbeitnehmer (wegen der vereinbarten 'Anrechnungsklausel') noch andere Arbeitnehmer (weil länger im Betrieb und daher nach § 1 Abs. 3 KSchG sozial schutzwürdiger) nicht kündigen kann.

Im Fall der Wiedereinstellung eines Arbeitnehmers ist die Anrechnung seiner in demselben Unternehmen verbrachten Vordienstzeiten unbedenklich (vgl. BAG, Urteil vom 30.06.1988, 2 AZR 71/88, n.v., Urteil vom 10.05.1989, 7 AZR 450/88, AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit, Löwisch/Spinner, § 1 Rz. 367).

Die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten beim Arbeitgeberwechsel im Konzern aufgrund konzerninterner Personalsteuerung wird ebenfalls zu billigen sein. Zwar ist die Vorbeschäftigungszeit nicht in demselben, sondern in anderen Unternehmen geleistet worden. Jedoch stellt die Konzernbindung einen inneren Zusammenhang her. Zwischen konzernweit oder nur im Konzernunternehmen eingesetzten Arbeitnehmer besteht hinsichtlich der sozialen Schutzwürdigkeit kein signifikanter Unterschied. Die Anrechnung der bei einem anderen Konzernunternehmen absolvierten Betriebzugehörigkeit wird bei einer Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG im allgemeinen in der Betriebsbelegschaft auch akzeptiert werden.

d) Sucht man für den vorliegenden Konflikt nach einem Ausgleich in praktischer Konkordanz und passt man ihn den Streitfall in das Spektrum der geschilderten Konstellationen ein, ist es im Rahmen der Sozialauswahl gerechtfertigt, Vordienstzeiten des Mitarbeiters v. A. als 'Betriebszugehörigkeit' anzusetzen. Die im Prozessvergleich vom 20.10.2000 zwischen der Beklagten und dem Ausbilder v. A. vereinbarte Anrechnung seiner Vordienstzeit beim Qualifizierungszentrum R. wirkte sich zwar für die beschäftigten Ausbilder und damit auch für den Kläger als Nachteil bei der Sozialauswahl aus. Sie war jedoch aus Sachgründen gerechtfertigt und nicht unverhältnismäßig. Herr v. A. hatte, zwar bei einem anderen Unternehmen, die Vordienstzeit tatsächlich erbracht. Auch wenn man nur eine 'Funktionsnachfolge' der Beklagten annimmt, wurde freilich durch die Übernahme der Auszubildenden und ihrer Ausbilder eine Kontinuität gerade auch hinsichtlich der Beschäftigung des Mitarbeiters v. A. beim Qualifizierungszentrum R. und bei der Beklagten hergestellt, denn seine Anstellung bei der Beklagten war die nahtlose Fortsetzung seiner Tätigkeit beim Qualifizierungszentrum R. GmbH. Spricht danach schon viel für die sozialauswahlwirksame Anrechnung der Vordienstzeit, wird sie jedenfalls durch den zusätzlichen Umstand gerechtfertigt, dass die Beklagte vor dem Arbeitsgericht zum Abschluss eines Prozessvergleichs mit der gegenständlichen Besitzstandsklausel veranlasst wurde. Entscheidend kommt hinzu, dass ein gerichtlicher Vergleich eo ipso eine Sachgerechtigkeitsvermutung enthält (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG), der Inhalt des Vergleichs vom 20.10.2000 die Nähe des Geschehenen zum Betriebsübergang nach § 613 a BGB und damit zur unterbrechungslosen Betriebzugehörigkeit (vgl. ErfK/Dörner, § 1 KSchG, Rz. 46) dokumentiert und sich auf einen üblichen und angemessenen Ausgleich beschränkt. Angesichts des Umstandes, dass die Insolvenz des Qualifizierungszentrums R. GmbH den Arbeitgeberwechsel auslöste, und angesichts der sozialen Schutzwürdigkeit des Mitarbeiters v. A. entspricht es zulässiger sozialer Rücksichtnahme, ihn durch gutgeschriebene Vordienstzeit in die soziale Rangfolge nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG aufzunehmen.

Mit seinem Hinweis, einer der ersten Mitarbeiter der Beklagten gewesen zu sein, liefert der Kläger keinen Grund dafür, die im Prozessvergleich vom 20.10.2000 vereinbarte Besitzstandsklausel mit dem Verdikt relativer Unwirksamkeit zu belegen. Geht man davon aus, dass im Verhältnis zum Kläger, der bei der Beklagten seit deren Anfängen (1995) beschäftigt war, die mit dem Mitarbeiter v. A. vereinbarte Anrechnung der Vordienstzeiten insoweit unverhältnismäßig war, als sie Zeiten vor 1995 einbezog, steht die Wirksamkeit der ab 1995 anzurechnenden Vordienstzeiten nicht in Frage. Dann ergibt sich für den Kläger und den Ausbilder v. A. eine gleich lange Betriebszugehörigkeit. Mithin bleibt unter Berücksichtigung des höheren Lebensalters des Mitarbeiters v. A. im Ergebnis die Sozialausauswahl zu Lasten des Klägers nicht zu beanstanden.

e) Erweist sich wegen der sozialauswahlwirksamen Anrechnung der Vordienstzeiten die Kündigung als rechtens, kann dahin stehen, ob die Sozialauswahl fehlerhaft wäre, wenn als Betriebszugehörigkeit des Ausbilders v. A. nur dessen tatsächliche Beschäftigung bei dem Beklagten ab August 2000 zählen würde. Das Arbeitsgericht hat dies angenommen und argumentiert, dass - angesichts der auch für den Kläger schlechten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt das höhere Lebensalter des Mitarbeiters v. A. (56 Jahre gegenüber 43 Jahre) nicht dessen geringere Betriebszugehörigkeitsdauer kompensiere und die Entscheidung, den Kläger auszuwählen, außerhalb des der Beklagten nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zustehenden Wertungsspielraums liege. Die Kammer stimmt mit dem Arbeitsgericht darin überein, dass vorliegend dem Sozialdatum 'Betriebszugehörigkeitsdauer' höheres Gewicht beizumessen ist als dem Sozialdatum 'Lebensalter'. Allerdings passieren nach modifizierter Spruchpraxis des Bundesarbeitsgerichts nicht nur "geringfügige Unterschiede in der sozialen Schutzbedürftigkeit" die gerichtliche Kontrolle (vgl. BAG, Urteil vom 18.10.1984, 2 AZR 543/83, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, KHzA/Isenhardt, 6.3., Rz. 574), sondern es kann nur der deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl rügen; die Auswahlentscheidung muss nur vertretbar sein (BAG, Urteil vom 05.12.2002, 2 AZR 549/01, AP Nr. 59 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). Daher ist es kritisch, der Sozialauswahl das Prädikat "ausreichend" verweigern zu wollen. Die Kammer belässt es bei folgenden Anmerkungen:

Maßgebend nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG ist soziale Schutzwürdigkeit nicht persönliche Bedürftigkeit. Auf Bedürftigkeit stellen andere Rechtsmaterien und Regelwerke ab, etwa die Tabelle zu § 115 ZPO. Das Verständnis von sozialer Schutzwürdigkeit erhält in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG eine genuine, arbeitsrechtliche Prägung durch die Hauptkriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung. Sie kanalisieren die Auswahlentscheidung und legen die Basis für die Zuweisung des jeweiligen Kündigungsrangs. Sie zielen indessen, auch nicht typisierend, auf die Feststellung individueller Bedürftigkeit ab. Daher ist es fehlsam, in einer handgesteuerten Endauswahl herauszufinden, inwieweit der jeweilige Arbeitnehmer auf den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses und das Arbeitseinkommen angewiesen ist oder nicht. Nach überwiegender Rechtsmeinung (KHzA/Isenhardt, 6.3., Rz. 571, ErfK/Ascheid § 1 KSchG, Rz. 493, Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl., Rz. 1096), der die Kammer gefolgt ist (LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2004, 12 Sa 1188/03, LAG-Report 2004, 130) ist es in erster Linie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die zu sozialem Bestandsschutz i. S. v. § 1 Abs. 3 KSchG führt. "Denn mit zunehmender Betriebszugehörigkeit wächst im allgemeinen auch der Beitrag, den der Arbeitnehmer zum Wert des Unternehmens leistet. Außerdem nimmt typischer Weise die persönliche Bindung zu, die etwa in einer arbeitsplatzbezogenen Wahl des Wohnortes und der Entwicklung von Freundschaften und Lebensgewohnheiten zum Ausdruck kommen kann. Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses trifft deshalb den langjährig beschäftigten Arbeitnehmer oft besonders hart" (BAG, Urteil vom 06.02.2003, 2 AZR 623/01, EzA Nr. 51 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl). Allein hat die Betriebszugehörigkeit einen unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis; beim Lebensalter und den Unterhaltspflichten handelt es sich um der Privatsphäre zuzurechnende Umstände (vgl. BAG, Urteil vom 05.04.2001, 2 AZR 159/00, AP Nr. 171 zu § 626 BGB). Mit der Berücksichtigung des Lebensalters honoriert § 1 Abs. 3 KSchG weder Arbeitsleistung (Alter allein ist kein Verdienst) noch Betriebstreue, sondern nimmt, worauf das Arbeitsgericht zutreffend abgestellt hat, die Chancen des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt nach einer Kündigung ins Visier und fixiert die Vermutung, dass es für ältere Arbeitnehmer schwieriger als für jüngere Arbeitnehmer sei, einen neuen Arbeitsplatz zu finden (EfK/Ascheid, § 1 KSchG Rz. 495). Für Zeiten der Hochkonjunktur traf diese Vermutung zu. Für andere Zeiten gilt dies nicht. So kann für jüngere Arbeitnehmer bei der heutigen Arbeitsmarktlage die Arbeitssuche in ihrem Beruf ebenfalls schwierig sein (ErfK/Ascheid, § 1 KSchG, Rz. 495, APS/Kiel, § 1 KSchG, Rz. 704 f.). Die Einschätzung des Arbeitsgerichts, dass aufgrund ihres Alters sowohl für den Kläger als auch für den Mitarbeiter v. A. die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sehr problematisch sein dürften, hat die Berufung der Beklagten auch nicht angegriffen. Zu den Sozialdaten Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung erübrigen sich Ausführungen, weil diese Umstände weder Kläger noch Mitarbeiter v. A. unterhaltspflichtig oder schwerbehindert sind.

f) Schließlich rügt der Kläger in beiden Instanzen ohne Erfolg, dass die "Doppelverdienereigenschaft" weiterer Mitarbeiter im Rahmen der Sozialauswahl hätte berücksichtigt werden müssen. Es kann dahinstehen, inwieweit dieses Kriterium nach der Neufassung des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG noch Gewicht haben kann. Keinesfalls ist eine Sozialauswahl, die "Doppelverdienereigenschaft" nicht berücksichtigt hat, deswegen fehlerhaft. Vielmehr läuft die Berücksichtigung dieses Kriteriums oder etwa der Vermögenslage darauf hinaus, dass die Auswahl nach "sozialer Härte" im Sinne wirtschaftlicher Bedürftigkeit gefragt wird. Zudem würde amorphes, unstrukturiertes Kriterienanhäufeln die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG (im Unterschied zur Situation nach § 1 Abs. 5 KSchG) weiter unberechenbar im Betrieb und vor Gericht machen. Danach braucht die Kammer nicht zu entscheiden, ob aufgrund "Doppelverdienereigenschaft" eine andere Sozialauswahl hätte getroffen werden müssen. Der Kläger bezieht seine Rüge auf die Ausbilderinnen Frau G. und Frau K. (S. 4 des Schriftsatzes vom 05.03.2004). Sieht man einmal davon ab, dass eine Vergleichbarkeit mit Frau K. nicht ersichtlich ist, verfügen seine Kolleginnen (verheiratet/LStKl. IV) nahezu über dieselbe Betriebszugehörigkeitsdauer und sind 12 bzw. 7 Jahre älter. Nach dem Gesamtsozialdatenvergleich spricht viel dafür, die getroffene Auswahl als "ausreichend" anzusehen (vgl. BAG, Urteil vom 08.08.1985, 2 AZR 464/84, AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, KHzA/Isenhardt, 6.3., Rz. 571).

II. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz waren gem. § 92 Abs. 1

ZPO zu verteilen. Die Kosten zweiter Instanz hat der Kläger als unterlegene Partei zu tragen, § 91 ZPO.

III. Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher für den Kläger die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, § 72 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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