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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.01.2004
Aktenzeichen: 12 Sa 1188/03
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BetrVG, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 66 Abs. 1 S. 2
ZPO § 138 Abs. 4
ZPO § 517
ZPO § 511 Abs. 1
ZPO § 517 S. 2., 2. Hs.
BetrVG § 102
BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3
KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 4
KSchG § 1 Abs. 3
KSchG § 1 Abs. 3 S. 1 a.F.
KSchG § 1 Abs. 3 S. 2
KSchG § 2
Die zugunsten des älteren und länger beschäftigten Arbeitnehmers getroffene Sozialauswahl kann nicht deshalb als fehlerhaft beanstandet werden, weil diesen Arbeitnehmer aufgrund seiner Rentennähe eine Arbeitslosigkeit weniger hart träfe als einen Arbeitskollegen, der, weil jünger, vom Erreichen der Altersgrenze noch weiter entfernt ist.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 Sa 1188/03

Verkündet am 21. Januar 2004

In Sachen

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 21.01.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Faber und die ehrenamtliche Richterin Franken

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 06.08.2003 wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der Kläger, am 17.02.1954 geboren, verheiratet, ist seit dem 15.02.1982 als Elektriker bei der Beklagten beschäftigt. Der Monatsverdienst des Klägers belief sich in Anlehnung an Lohngruppe 09 zuletzt auf Euro 2.609,01 brutto.

Die Beklagte, ein in X. ansässiges Unternehmen, befasst sich mit der Herstellung von Werkzeugmaschinen und dem Getriebebau. Im Frühjahr 2003 beschäftigte sie noch über 200 Mitarbeiter. Der Kläger war in der Abteilung 'Elektroinstallation und Montage' beschäftigt. Die Abteilung wird von dem Meister H. geleitet und gliedert sich in die Bereiche 'Inbetriebnahme' und 'Installation'. Während in der 'Inbetriebnahme' die Elektriker A., N. und Q. eingesetzt waren, war der Kläger in der 'Installation' tätig. In diesem Bereich war ganz überwiegend auch der Mitarbeiter H. (geboren 26.09.1941, seit 01.02.1960 bei der Beklagten, schwerbehindert - GdB 50) beschäftigt.

Außerdem setzte die Beklagten in der Abteilung den Mitarbeiter C. in unmittelbarem Anschluss an seine Ausbildung zum Mechatroniker mit einem auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag ab Februar 2003 ein.

Im Frühjahr 2003 entschloss sich die Beklagte - angesichts von Verlusten in den Vorjahren und eines erheblichen Auftragsrückgang - dazu, unter teilweiser Einschränkung der Eigenfertigung zu Gunsten der Fremdvergabe von Arbeiten ihre Belegschaft um 48 Arbeitnehmer zu reduzieren. Am 21.03.2003 schlossen die Betriebspartner einen Interessenausgleich, am 27.03.2003 einen Sozialplan.

Am 21.03.2003 hörte die Beklagte schriftlich und mündlich den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Am 27.03.2003 bestätigte der Betriebsrat, angehört worden zu sein. Am 31.03.2003 sprach die Beklagte schriftlich gegenüber dem Kläger die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2003 aus.

Mit der am 11.04.2003 beim Arbeitsgericht Wuppertal eingereichten Klage hat der Kläger die Kündigung angegriffen. Er hat zum einen die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats und zum anderen den Wegfall von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestritten. Schließlich hat er die Sozialauswahl in Bezug auf den Mitarbeiter H. gerügt und der Beklagten vorgehalten, nicht auf die von dem Zeugen H. bekundete Bereitschaft eingegangen zu sein, vorzeitig in Rente zu gehen, wenn dadurch der Arbeitsplatz des Klägers erhalten werde.

Die Beklagte hat näher zur Betriebsratsanhörung vorgetragen. Sie hat die Kündigung als notwendige Personalanpassungsmaßnahme nach erheblichen Auftragsrückgängen dargestellt und vorgetragen, dass nach ihrem Konzept die bisher in der Abteilung 'Elektroinstallation und Montage' durchgeführten Installationen an externe Unternehmer vergeben würden. Die verbleibenden Arbeiten, insbesondere die Inbetriebnahme von Maschinen, würden seit dem Ausscheiden des Klägers von den anderen Mitarbeitern ohne Überstunden erledigt. Schließlich hat die Beklagte die getroffene Sozialauswahl verteidigt.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 06.02003 der Kündigungsschutzklage stattgeben. Mit Schriftsatz vom 12.08.2003, am 14.08.2003 bei Gericht eingegangen, hat die Beklagte Berufung eingelegt. Am 08.10.2003 ist ihr das abgefasste Urteil zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 08.12.2003, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, hat die Beklagte die Berufung begründet. Sie greift die im erstinstanzlichen Urteil vertretene Auffassung, dass der Mitarbeiter H. mit dem Kläger vergleichbar, aber angesichts seiner Rentennähe sozial weniger schutzbedürftig sei, mit tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen an und beantragt die Klageabweisung.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung. Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt er das Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen verwiesen. Gemäß Beschluss vom 21.01.2004 hat die Kammer durch Vernehmung des Fertigungsleiters H. und des Elektrikers H. Beweis erhoben. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21.01.2004 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig. Die Berufungseinlegung vor Zustellung des Urteils war zulässig. Die Berufungsbegründung wahrte die Zweimonatsfrist des § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG.

Vor der ZPO-Reform war es nahezu einhellige Rechtsmeinung, dass die nach Verkündung, aber vor Zustellung des Urteils eingelegte Berufung zulässig ist (vgl. Vossen, GK-ArbGG, § 66 Rz. 12). Zwar legt der Wortlaut des § 517 ZPO (§ 516 ZPO a.F.), § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG nahe, dass, weil erst die Urteilszustellung die Berufungs- und die Berufungsbegründungsfrist in Gang setzt, vor Urteilszustellung keine wirksame Berufung eingelegt werden kann. Jedoch ist aus § 511 Abs. 1 ZPO, wonach gegen "die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile" die Berufung stattfindet, gefolgert worden, dass mit dem "Erlass", d.h. grundsätzlich mit der Verkündung (§ 310, § 318 ZPO), Berufung eingelegt werden kann. Auch die Fünf-Monatsfrist des § 517 S. 2., 2. Hs. ZPO wurde als Hinweis dafür genommen, dass die Berufungseinlegung nicht die Zustellung des (in vollständiger Form abgefassten) Urteils voraussetzt (vgl. allgemein BAG, Urteil vom 08. 06.2000, 2 AZR 584/99, AP Nr. 21 zu § 66 ArbGG 1979, BGH, Beschluss vom 15.10.2003, BGHReport 2004, 49). Diese Argumentation gilt auch nach der ZPO-Reform. Daher wird eine Berufung, die vor Urteilszustellung eingelegt ist, wegen anschließender Versäumung der Berufungsbegründungsfrist erst dann unzulässig, wenn sie bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils (§ 66 Abs. 1 ArbGG, § 520 ZPO) nicht begründet worden ist.

Zwar ist nicht zu übersehen, dass der Zweck von Fristen, innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens, i.e. insgesamt zwei Monate für Berufung und Begründung, dem Gegner und dem Gericht Klarheit über die Zulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels zu verschaffen, nach der ZPO-Reform nicht in gleicher Weise wie vor der Reform gewahrt ist. Indem nunmehr die Begründungsfrist von der Berufungseinlegung abgekoppelt ist, führt die Berufungseinlegung vor der Urteilszustellung dazu, dass u.U. bei den anderen Prozessbeteiligten eine monatelange Unsicherheit darüber entstehen kann, ob der Rechtsmittelkläger noch angesichts der ihm bekannt werdenden Urteilsgründe an der zuvor eingelegten Berufung festhalten wird oder nicht. Da der Berufungskläger zunächst nicht befürchten muss, dass die sofort nach Verkündung eingelegte Berufung wegen fehlender Begründung verworfen wird, gewinnt überdies die schnelle Berufungseinlegung als prozesstaktisches Mittel neue Bedeutung. Gleichwohl rechtfertigt diese Überlegung keine Gesetzesauslegung, die die Unzulässigkeit der vor Zustellung des Urteils eingelegten Berufung ergibt oder dem Rechtsmittelkläger auferlegt, nach der Urteilszustellung binnen Monatsfrist die Berufung zu wiederholen (vgl. BAG, Urteil vom 06.03.2003, 2 AZR 596/02, AP Nr. 32 zu § 64 ArbGG 1979; ferner Urteil vom 13.09.1995, 2 AZR 855/94, AP Nr. 12 zu § 66 ArbGG 1979, dazu, dass trotz der wiederholten Berufung nur ein Rechtsmittel vorliegt).

II. Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Kündigung der Beklagten vom 31.03.2003 ist rechtswirksam und hat das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2003 aufgelöst.

1. Die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung ergibt sich nicht aus § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG.

Mit Anschreiben vom 21.03.2002 (Bl. 23 d.A.), am selben Tag dem Betriebsrat zugegangen, hörte die Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß und unter Darstellung des Kündigungssachverhalts zur beabsichtigten Kündigung an. In dem Schreiben bezieht sie sich auf ein "heutiges Anhörungsgespräch", dessen Inhalt sie im Schriftsatz vom 05.05.2003 (dort Seite 5) wiedergegeben hat. Nachdem der Betriebsrat unter dem 27.03.2003 erklärte, "gehört worden" zu sein, sprach die Beklagte am 31.03.2003 schriftlich die Kündigung aus.

Dieser Geschehensablauf steht fest, nachdem der Kläger der Darstellung der Beklagten zur Betriebsratsanhörung keine relevanten Einwände entgegen gesetzt hat. Wenn - wie im Streitfall - der Arbeitgeber im Prozess die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG im Detail schlüssig dargelegt hat, muss nach der BAG-Judikatur (BAG, Urteil vom 16.03.2000, 2 AZR 75/99, AP Nr. 114 zu § 102 BetrVG 1972, Urteil vom 27.06.2002, 2 AZR 489/01, EzA Nr. 119 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung), der die Kammer folgt, der Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast deutlich machen, welche der Angaben er aus welchem Grund weiterhin bestreiten will. Soweit es um Tatsachen außerhalb seiner eigenen Wahrnehmung geht, kann er sich dabei gemäß § 138 Abs. 4 ZPO auf Nichtwissen berufen; ein pauschales Bestreiten des Arbeitnehmers ohne jede Begründung genügt dagegen nicht.

Der Kläger hat "die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten" (Schriftsatz vom 02.07.2003, Seite 6), indessen weder behauptet, dass die Beklagte mit dem Anhörungsbogen vom 21.03.2003 die Kopie einer unechten Urkunde vorgelegt habe, noch ist er dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten entgegen getreten. Der Kläger hat vielmehr die Fehlerhaftigkeit der Anhörung daraus herleiten wollen, dass die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat die Sozialauswahl nicht hinsichtlich der Arbeitnehmer M., S. und F. begründet habe. Abgesehen davon, dass er (objektiv) mit den Mitarbeitern M. und S. nicht vergleichbar ist und der Mitarbeiter F. bereits ausgeschieden war, verfängt der Einwand des Klägers schon aus Rechtsgründen nicht. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 29.03.1984 (2 AZR 429/83, AP Nr. 31 zu § 102 BetrVG 1972) ausgeführt, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat von vornherein, auch ohne ein entsprechendes Verlangen, die Gründe mitzuteilen habe, die ihn zur Auswahl gerade dieses Arbeitnehmers veranlasst haben. Es hat diesen Ansatz später jedoch durch den Gesichtspunkt der "subjektiven Determination" ergänzt (BAG, Urteil vom 30.06.1988, 2 AZR 49/88, n.v.) und erkannt, dass die Betriebsratsanhörung nicht fehlerhaft ist, wenn der Arbeitgeber sich entschlossen hat, nicht nach sozialen Gesichtspunkten auszuwählen und das dem Betriebsrat so mitteilt. "Aus welchen Gründen der Arbeitgeber die soziale Auswahl für überflüssig hält, ist nicht maßgebend. Auch muss er die Gründe dem Betriebsrat nicht mitteilen. Der Arbeitnehmer ist ausreichend dadurch geschützt, dass im Streit um die soziale Rechtfertigung der Kündigung solche Kündigungsgründe nicht berücksichtigt werden können, zu denen der Betriebsrat nicht angehört worden ist" (BAG, Urteil vom 24.02.2000, 8 AZR 167/99, AP Nr. 47 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, Urteil vom 22.01.1998, 8 AZR 243/95, AP Nr. 173 zu § 613a BGB). Im Licht der "subjektiven Determinierung" des Anhörungsverfahrens brauchte die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat die Sozialauswahl hinsichtlich der Arbeitnehmer M., S. und F. schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil sie (subjektiv) diese Arbeitnehmer für nicht vergleichbar mit dem Kläger hielt.

Danach steht fest, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß vor der Kündigung des Klägers angehört worden ist.

2. Die Kündigung vom 31.03.2003 war aus betriebsbedingten Gründen i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gerechtfertigt.

a) Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Die unternehmerische Organisationsentscheidung ist nicht auf ihre soziale Rechtfertigung, Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, sondern nur darauf zu überprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. In den Bereich der unternehmerischen Entscheidung fällt die Organisation und Gestaltung des Betriebes und damit auch die Festlegung der Stärke der Belegschaft, mit der der Unternehmer das von ihm definierte Betriebsziel erreichen will (BAG, Urteil vom 05.12.2002, 2 AZR 549/01, AP Nr. 59 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, Urteil vom 07.05.1998, 2 AZR 536/97, AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Urteil vom 24.04.1997, 2 AZR 352/96, AP Nr. 42 zu § 2 KSchG 1969, Urteil vom 10.11.1994, 2 AZR 242/94, AP Nr. 63 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Wenn das unternehmerische Konzept der Personalanpassung nicht von vornherein gesetz-, tarif- oder vertragswidrig erscheint, ist es als geeignetes Mittel zum rationelleren Einsatz der Arbeitnehmer anzusehen und schafft, falls es auf Dauer angelegt ist, die Voraussetzung für die auf betriebliche Erfordernisse gestützte Kündigung. Dabei muss der dem Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG obliegende Vortrag erkennen lassen, dass infolge der Umsetzung des Konzepts das Bedürfnis an der Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers entfällt (BAG, Urteil vom 12.04.2002, 2 AZR 256/01, AP Nr. 120 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; vgl. BAG, Urteil vom 22.05.2003, 2 AZR 326/02, AP Nr. 129 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

Weil maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung der Kündigungszeitpunkt ist, ist es im Grundsatz unerheblich, ob die Umsetzung des unternehmerischen Konzeptes gelingt oder misslingt.

Allerdings lässt sich, wenn die Umsetzung plangemäß verläuft, an der nachfolgend eingetretenen betrieblichen Lage verifizieren, ob das Konzept von einer betriebswirtschaftlich vernünftigen Prognose getragen und realisierbar gewesen ist (Kammerurteil vom 07.05.2003, 12 Sa 1437/02, LAG Report 2003, 267 = EZA-SD 2003, Nr. 13, 8).

b) Die Beklagte hat in erster Instanz detailliert und plausibel geschildert, welche Gründe sie zu den betrieblichen und personellen Einschränkungsmaßnahmen veranlassten, dass nach ihrem unternehmerischen Konzept der Arbeitsplatz des Klägers in Wegfall gebracht werden konnte und eine betriebswirtschaftlich sinnvolle, anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht mehr bestanden hat. Nach diesem Vortrag war es - in Anwendung der Grundsätze über die abgestufte Darlegungs- und Beweislast (BAG, Urteile vom 17.06.1999, 2 AZR 522/98 und 2 AZR 456/98, AP Nr. 102 und 103 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, Urteil vom 21.09.2000, 2 AZR 385/99, AP Nr. 111 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) - Sache des Klägers aufzuzeigen, dass die anfallende Arbeit nach dem 31.10.2003 einen Personalbedarf auslöste, zu dessen Deckung ein Elektriker seiner Qualifikation erforderlich war. Das ist ihm nicht gelungen.

c) Der Kläger hat allerdings bestritten, dass die Beklagte vor der Kündigung "eine Unternehmerentscheidung" getroffen und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose den Wegfall der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach dem Kündigungstermin ergeben habe. Im besonderen hat er das Konzept der Beklagten als ungenügend beanstandet, dass sie die Installation möglichst vollständig extern vergeben werde.

Beide Einwände des Klägers greifen nicht durch.

(11) Nach der Vernehmung des Zeugen H. steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagte sich angesichts der erheblichen Auftragsrückgänge im Frühjahr 2003 entschlossen hatte, ihren Personalbestand von knapp über 200 Mitarbeitern auf 160 Mitarbeiter zu reduzieren und dabei in der Abteilung Elektroinstallation und Montage einen der fünf dort tätigen Elektriker, nämlich den Kläger, zu entlassen. Nach der Aussage des Zeugen gehörte es zum weiteren Konzept der Beklagten, die Elektroinstallation der Maschinen extern an Werkunternehmer zu vergeben und sich auf die Beschäftigung von Elektrikern für die Inbetriebnahme zu beschränken und diese nur insoweit, als die Inbetriebnahme zu ihrer Arbeitsauslastung nicht genügt, auch mit Elektroinstallationen zu beschäftigen. Die Kammer erachtet die Aussage des Zeugen für glaubhaft. Der Zeuge hat lebensnah und plausibel die damaligen Vorgänge, insbesondere die Vornahme der unternehmerischen Entscheidung der Personalreduzierung und deren Gründe geschildert. Seine Darstellung steht im Einklang sowohl mit der negativen Auftragsentwicklung und dem absehbaren Arbeitsmangel nach Erledigung der bearbeiteten Maschinenbauaufträge als auch mit der im Interessenausgleich vom 21.03.2003 vereinbarten Betriebsänderung.

Die Aussage des Zeugen ist angesichts seines sachlichen und ehrlichen Aussageverhalten glaubwürdig. Die Aussage kann nicht schon deshalb, weil der Zeuge als Fertigungsleiter in einer verantwortlichen Position bei der Beklagten beschäftigt ist und zu dieser in einem beruflichen und wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis steht, als parteiisch und unzuverlässig gelten. Es ist nicht ersichtlich gewesen, dass der Zeuge ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat bzw. sich von dem Interesse, dass die Beklagte obsiegt, zu einer unwahren Aussage hat verleiten lassen.

(22) Entgegen der Auffassung des Klägers hatten die betrieblichen Gründe im Kündigungszeitpunkt greifbare Formen angenommen. Grundsätzlich brauchen betriebliche Gründe noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein, sondern es genügt, wenn sie sich konkret und greifbar abzeichnen. Sie liegen dann vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auf Grund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben (BAG, Urteil vom 11.03.1998, 2 AZR 414/97, AP Nr. 43 zu § 111 BetrVG 1972, Urteil vom 16.05.2002, 8 AZR 319/01, AP Nr. 237 zu § 613a BGB).

Zunächst steht nach der Zeugenaussage, dem Interessenausgleich vom 21.03.2003, dem Soziaplan vom 27.03.2003 und dem Umstand, dass die Beklagte danach gegenüber 48 Mitarbeitern die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen erklärte, fest, dass die Beklagte die beschlossene Betriebseinschränkung umsetzte.

Der Beklagten stand es frei, die Installationsarbeiten an externe Unternehmer zu vergeben, anstatt sie mit eigenen Arbeitnehmern zu erledigen (BAG, Urteil vom 18.01.2001, 2 AZR 514/99, AP Nr. AP Nr. 115 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Wenn sie insoweit sich in der Zukunft darauf beschränken wollte, die Inbetriebnahme der Maschinen durch eigene Elektriker, nämlich die verbliebenen drei Mitarbeiter Z., M., P. und ggf. dem Mitarbeiter H., vorzunehmen und diese bei mangelnder Auslastung mit der Elektroinstallation zu beschäftigen, liegt es in der Konsequenz dieses Konzepts, dass für Elektriker im Bereich Elektroinstallation Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten entfielen.

Es mag sein, dass im Kündigungszeitpunkt nicht genau abzusehen war, wann und in welchem Umfang die "eigenen" Installationsarbeiten abgearbeitet sein würden und die externe Vergabe von Neuinstallationen und an Werkunternehmer stattfinden würde. Die Beklagte konnte jedoch nach dem Auftragsrückgang und der Lieferplanübersicht davon ausgehen, dass sie ab November 2003 ohne den Kläger auskommen würde. Die ihrer Planung inne wohnenden Ungewissheiten stellen nicht in Frage, dass eine vernünftige, betriebswirtschaftliche Betrachtung und keine "intuitive Prognose" (dazu BAG, Urteil vom 12.04.2002, 2 AZR 256/01, AP Nr. 120 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) vorlag. Dabei ist, weil im allgemeinen die konkrete Auftragslage und Personalsituation um so weniger vorhersehbar ist, je weiter man in die Zukunft schaut, von einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Prognose nicht zu erwarten, dass sie "punktgenau" für alle Tage bis zu einem Termin, der noch Monate entfernt ist, den qualitativen und quantitativen Personalbedarf, das verfügbare Personal, Arbeitsmenge und Auftragsbestand angibt. Vielmehr muss es eine realistische Planung dabei bewenden lassen, dass der Personalabbau bis zum Kündigungstermin (hier: 31.10.2003) darstellbar ist und etwaige zwischenzeitliche Abweichungen vom Planverlauf durch vorbereitete Reaktionsmöglichkeiten oder durch allfällige Improvisation korrigiert werden können. Allein der Umstand, dass bei der tatsächlichen Umsetzung eines Konzepts Probleme auftreten können, macht weder eine Prognose fehlerhaft noch rechtfertigt er den Befund, dass die Prognose unrealistisch war. Vielmehr ist mit jeder Umorganisation verbunden, dass es Umsetzungsprobleme und Modifikationsbedarf geben kann. Entscheidend ist, dass die Planung für diese Fälle flexible Reaktionsweisen vorhält und dadurch absichert, dass das Konzept bis zu dem maßgebenden Termin umsetzbar ist. Nach diesem Ausgangspunkt lässt sich an der nachfolgend eingetretenen betrieblichen Lage verifizieren, ob das Konzept von einer betriebswirtschaftlich vernünftigen Prognose getragen und realisierbar gewesen ist.

Die Prognose der Beklagten erweist sich unter diesem Aspekt als tragfähig. Nach dem 31.10.2003 reichten die in der Abteilung verbliebenen Elektriker aus, um die Arbeit zu erledigen. Der Ausfall des Klägers musste weder durch Mehrarbeit noch Beschäftigung von Leiharbeitnehmern o. ä. kompensiert werden.

Schließlich hat sich gezeigt, dass aufgrund der Vergabe von Neuinstallationen an Drittunternehmen der eigene Personalbestand auf Dauer gesenkt werden konnte.

In diesem Zusammenhang braucht die Kammer nicht zu bewerten, inwieweit der Umstand, dass die Beklagte im November 2003 zwei weiteren Elektrikern, nämlich dem Zeugen H. und Herrn Q., kündigte, auf einem unvorhergesehenen weiteren Auftragseinbruch oder auf dem Befund beruhte, dass die Fremdvergabe von Elektroinstallationen über die Entlassung des Klägers hinaus zusätzliche Personaleinsparungen ermöglichte. Denn für die Beurteilung der Betriebsbedingtheit der streitbefangenen Kündigung genügt die Feststellung, dass prognose- und plangemäß der Kläger als Arbeitskraft nach dem 31.10.2003 entbehrlich war.

d) Nach dem Kündigungstermin gab es auch keinen anderen freien und für den Kläger geeigneten Arbeitsplatz, um ihn weiterzubeschäftigen.

3. Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG (a.F.) sozialwidrig.

a) Der Arbeitgeber hat in die Sozialauswahl die Arbeitnehmer einzubeziehen, die miteinander vergleichbar sind. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer beruflichen, fachlichen und persönlichen Qualifikation und nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages austauschbar sind. Die "qualitative" Austauschbarkeit bestimmt sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, d.h. nach der ausgeübten Tätigkeit. Dabei ist Austauschbarkeit auch gegeben, wenn der Beschäftigte aufgrund seiner bisherigen Aufgaben im Betrieb und angesichts seiner beruflichen Qualifikation dazu in der Lage ist, die andersartige, aber gleichwertige Arbeit eines Kollegen zu verrichten (BAG, Urteil vom 17.09.1998, 2 AZR 725/97, AP Nr. 36 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). Die "arbeitsvertragsrechtliche" Austauschbarkeit liegt vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig, d.h. kraft seines Direktionsrechts, auf einen anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann (BAG, Urteil vom 17.02.2000, 2 AZR 109/99, AP Nr. 46 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, 17.09.1998, 2 AZR 725/97, AP Nr. 36 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). Hingegen fehlt in Fällen, in denen es für die Um- oder Versetzung einer Vertragsänderung oder Änderungskündigung bedarf, die Vergleichbarkeit.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterliegt es grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers, das Anforderungsprofil für einen eingerichteten Arbeitsplatz festzulegen. Soweit die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen für die sachgerechte Erledigung der Arbeitsaufgaben erforderlich sein soll, kann die unternehmerische Entscheidung nur daraufhin überprüft werden, ob sie offenbar unsachlich ist. So ist die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit besonderer Qualifikation ausführen zu lassen, grundsätzlich zu respektieren (BAG, Urteil vom 21.02.2001, 2 AZR 39/00 EzA Nr. 8 zu § 1 KSchG Interessenausgleich).

Die Befugnis des Arbeitgebers, durch freie Entscheidung das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze festzulegen, wird allerdings eingeschränkt durch das ultima-ratio-Prinzip, das ihm gebietet, - soweit möglich und zumutbar - den bisherigen Arbeitsplatzinhaber weiterzubeschäftigen (BAG, Beschluss vom 30.08.1995, 1 ABR 11/95, AP Nr. 5 zu § 99 BetrVG 1972 Versetzung). Ist dessen Arbeitsplatz aufgrund Umgestaltung der Arbeitsabläufe weggefallen, jedoch auf einem freien Arbeitsplatz im wesentlichen dieselbe Tätigkeit zu verrichten, ist die Kündigung wegen fehlender Betriebsbedingtheit oder, falls der Arbeitsplatz durch einen sozial weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer besetzt ist, wegen fehlerhafter Sozialauswahl sozial ungerechtfertigt. Der Umsetzbarkeit/Vergleichbarkeit steht eine geringere Höherwertigkeit, die Bezeichnung als "Beförderungsstelle" oder die Aufwertung der Stelle durch geforderte Formalqualifikationen jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Arbeitnehmer nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage ist, die Arbeitsleistung auch auf dem neuen Arbeitsplatz zu erbringen oder nach gewisser Einarbeitungszeit, zumutbarer Umschulung oder Fortbildung die präsumierte Qualifikation zu erlangen. Würde man allein an das vom Arbeitgeber verfasste Anforderungsprofil die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers binden, hätte es der Arbeitgeber sonst in der Hand, einem weniger geschätzten Arbeitnehmer betriebsbedingt mit der Begründung zu kündigen, eine Beschäftigung auf seinem inzwischen aufgewerteten bzw. umstrukturierten Arbeitsplatz könne er nicht verlangen und auch andere Arbeitsmöglichkeiten kämen - mangels Erfüllung des Anforderungsprofils - nicht in Betracht.

b) Das Arbeitsgericht hat die Vergleichbarkeit des Klägers mit dem Mitarbeiter H. angenommen. Es hat weiter die Auffassung vertreten, dass der Zeuge H. sozial weniger schutzbedürftig sei. Zwar sei der Zeuge älter (geboren 26.09.1941) und länger im Betrieb (seit 01.02.1960). Der Zeuge hätte jedoch nach dem Bezug von Arbeitslosengeld bis zu 32 Monaten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit beanspruchen können und sei daher sozial weniger schutzbedürftig gewesen als der Kläger, dem angesichts seiner - auch altersbedingt - schlechten Vermittelbarkeit eine lange Zeit der Arbeitslosigkeit bevor stehe.

(11) Die Kammer vermag dem Arbeitsgericht nicht beizupflichten, wenn es die soziale Schutzbedürftigkeit an der Dauer der zu erwartenden Arbeitslosigkeit misst und damit älteren, aber noch relativ rentenfernen Jahrgängen den Vorrang vor rentennahen Jahrgängen gibt.

Das Gebot der ausreichenden Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte (§ 1 Abs. 3 S. 1 KSchG) führt weder zu einer allgemeinen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Prägung der Sozialauswahl, noch lässt es Umstände ausschlaggebend werden, die dem Privatbereich zuzurechnen sind, etwa die wirtschaftliche oder familiäre Lage des Arbeitnehmers. Vielmehr werden - nach näherer Bestimmung durch das KSchG - Art und Gewicht der Sozialfaktoren durch das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis definiert. Damit ist es in erster Linie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die zu sozialem Bestandsschutz iSv § 1 Abs. 3 KSchG führt (Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl., Rz. 1096 f., mwN; abw. ErfK/Ascheid, 4. Aufl., § 1 KSchG, Rz. 493). Danach ist das Lebensalter zu berücksichtigen, weil nach typisierender Betrachtung (vgl. § 10 Abs. 2 KSchG) es für ältere Arbeitnehmer schwieriger als für jüngere Arbeitnehmer ist, einen neuen Arbeitsplatz zu finden (EfK/Ascheid, § 1 KSchG Rzz. 495; krit. Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 12. Aufl., § 1 Rz. 466 b). Schließlich sind seit je her die Unterhaltspflichten als weiteres Auswahlkriterium anerkannt, auch wenn sie außerhalb der vertraglichen Pflichtenstruktur des Arbeitsverhältnisses stehen (KR/Etzel, 6. Aufl., § 1 KSchG Rz. 649).

Hiernach hat die Beklagte i.S.v. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG a.F. soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt, wenn sie dem Kläger und nicht dem Mitarbeiter H. kündigte. Denn aufgrund der deutlich längeren Betriebszugehörigkeit und des höheren Lebensalters ist der Mitarbeiter H. schutzbedürftiger als der Kläger. Auch wenn der Kläger (kinderlos) verheiratet ist und die Kündigung ihn wegen einer möglicherweise langen Arbeitslosigkeit hart trifft, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte - zumal in Anwendung eines mit dem Betriebsrat vereinbarten Punkteschemas - den Kläger und nicht den Mitarbeiter H. für die Kündigung ausgewählt hat. Die Beklagte musste insbesondere nicht den möglichen Bezug von Altersrente zu Lasten des Mitarbeiters H. berücksichtigen (vgl. Stahlhacke/Preis, Rz. 1114; a.A. ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rz. 495). Inwieweit die Erhebung der Rentennähe dieses Mitarbeiters zum Auswahlfaktor eine unzulässige mittelbare Diskriminierung wegen des Alters impliziert, bedarf danach keiner Erörterung mehr.

(22) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf die schon legendäre 'Vater-Sohn'-Entscheidung des BAG (Urteil vom 07.12.1995, 2 AZR 1008/94, AP Nr. 29 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). Im Streitfall geht es nämlich nicht darum, ob die Beklagte berechtigt gewesen wäre, einen Arbeitsplatzverzicht des Mitarbeiters H. zu Gunsten des Klägers einzustellen, sondern ob sie dazu verpflichtet gewesen wäre. Letzteres ist zu verneinen. Die Beklagte durfte sich zudem an die Rangfolge nach dem Punkteschema halten und überdies es als berechtigtes betriebliches Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Zeugen nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG ansehen, dass - wie nach der Vernehmung des Zeugen H. unstreitig geworden ist - dieser als Vetreter des Abteilungsleiters H. in Abwesenheitsfällen fungierte und dass - wie nach der Vernehmung der Zeugen ebenfalls fest steht (§ 286 Abs. 1 ZPO) - der Zeuge H. für Inbetriebnahmen einsetzbar ist. Ob die Schwerbehinderung des Zeugen und daraus resultierende Kündigungserschwernis auch in die Sozialauswahl einzubeziehen wäre (vgl. Stahlhacke/Preis, Rz. 1109), kann dahin stehen.

Im Übrigen war es nach der Aussage des Zeugen H. nicht so, dass dieser zu Gunsten des Klägers auf seinen Arbeitsplatz verzichten wollte. Vielmehr verfolgte der Zeuge Eigeninteressen, nämlich unter ihm günstigen, für die Beklagte teueren Konditionen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden zu können. Darauf brauchte sich die Beklagte nicht einzulassen.

c) Der Kläger hat erstinstanzlich (Schriftsatz vom 02.07.2003, Seite 5) den Mitarbeiter C. lediglich dafür erwähnt, dass nach dem Ausscheiden dieses Mitarbeiters (sowie angesichts des Zivildienstes von zwei Jugendvertretern) für ihn, den Kläger, ein Beschäftigungsbedürfnis bestehe. Er hat jedoch, im besonderen nach der Entgegnung der Beklagten vom 31.07.2003, im Hinblick auf den Mitarbeiter C. nicht die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl gerügt. Damit sieht die Kammer es als verspätet an (§ 67 Abs. 4 S. 2 ArbGG), wenn der Kläger in der Verhandlung am 21.01.2004 die Möglichkeit ins Spiel brachte, ob an seiner Stelle nicht der Mitarbeiter C. hätte entlassen werden können, bzw. er der Beklagten vorgehalten hat, noch im Februar 2003 einen befristeten Arbeitsvertrag mit diesem Mitarbeiter eingegangen zu sein. Die Beklagte konnte danach in der Verhandlung den an sich beachtlichen Einwand, dass Herr C. nach betrieblicher Übung und in Anlehnung an den MTV-Metall NRW (dort § 21 IV Nr. 1) im Anschluss an die Ausbildung seine befristete Beschäftigung für ein Jahr zugestanden gewesen sei (vgl. allgemein: Stahlhacke/Preis, Rz. 1072) nicht präzisieren, so dass die erforderliche Vertagung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte.

Im Übrigen wird es an der qualitativen und an der arbeitsvertraglichen Austauschbarkeit des Klägers in Bezug auf den - als Jungfacharbeiter in Lohngruppe 07 beschäftigten - Mitarbeiter C. mangeln. Dieser hat als Mechatroniker einerseits ein anderes theoretisches Berufswissen; andererseits hat, was in der unterschiedlichen Eingruppierung zum Ausdruck kommt, der Kläger als Elektriker aufgrund seiner Ausbildung und vor allem seiner Berufserfahrung vertraglich eine höherwertige Tätigkeit zu leisten.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat nach § 91 Abs. 1 ZPO der Kläger als unterlegene Partei zu tragen.

Die Kammer hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 72 Abs. 2 ArbGG angenommen und daher die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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