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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.03.2006
Aktenzeichen: 12 Sa 1331/05
Rechtsgebiete: BGB, TVG, ZPO, MTV-Tageszeitungen


Vorschriften:

BGB § 400
BGB § 611
TVG § 1
ZPO § 850 e
MTV-Tageszeitungen § 4
MTV-Tageszeitungen § 10
1. § 4 des Manteltarifvertrages für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen lässt nicht die Kürzung der Jahresleistung für Zeiten der Streikteilnahme zu.

2. Ebensowenig führen Streikzeiten zur Verringerung des Urlaubsgeldes nach § 10 MTV.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 Sa 1331/05

Verkündet am 08. März 2006

In Sachen

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 08.03.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Offermanns und den ehrenamtlichen Richter Mundkowski

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 08.09.2005 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2. Euro 662,73 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2004 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits zwischen dem Kläger zu 2. und der Beklagten werden der Beklagten auferlegt. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat der Kläger zu 1. zu tragen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen; im übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte berechtigt ist, tarifliche Sonderleistungen (Jahresleistung, Urlaubsgeld) zeitanteilig für Tage zu kürzen, an denen bei ihr beschäftigte Redakteure an einem rechtmäßigen Arbeitskampf teilnahmen.

Die Beklagte ist Mitglied der Arbeitgebervereinigung "Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV)". Der bei ihr beschäftigte Redakteur F. N. gehört dem Kläger zu 1) (DJV) an. Der Kläger zu 2), ebenfalls als Redakteur bei der Beklagten tätig, ist Mitglied von ver.di. BDZV, DJV und ver.di sind Tarifpartner u. a. eines Manteltarifvertrags und eines Gehaltstarifvertrag für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen.

Ende 2003/Anfang 2004 fand ein Arbeitskampf statt, von dem die Beklagte betroffen wurde. Der Kläger zu 2) blieb an 24 Streiktagen der Arbeit fern; der Redakteur F. N. versäumte die Arbeit an 21 Streiktagen und reduzierte außerdem seine Arbeitszeit. Die Beklagte kürzte später zeitanteilig gegenüber dem Kläger zu 2) die tarifliche Jahresleistung um Euro 414,05 brutto und das tarifliche Urlaubsgeld um Euro 348,68 brutto (Gesamtbetrag: Euro 762,73 brutto), gegenüber dem Redakteur F. N. die tarifliche Jahresleistung um Euro 305,71 brutto und das tarifliche Urlaubsgeld um Euro 257,42 brutto (Gesamtbetrag: Euro 563,33 brutto). Der Kläger zu 2) und der Redakteur F. N. erhielten in Höhe der vorgenannten Gesamtbeträge Streikgeld und traten ihre Bruttoentgeltforderungen an den Kläger zu 1) ab.

Nach einer Musterprozessvereinbarung mit der Unternehmensgruppe, der die Beklagte angehört, hat der Kläger zu 1) vor dem Arbeitsgericht Essen Zahlungsklage erhoben.

Er hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte weder nach § 4 MTV zur Kürzung der Jahresleistung noch nach § 10 MTV zur Kürzung des Urlaubsgeldes berechtigt sei. Außerdem verstoße die Kürzung gegen das am 25.02.2004 von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Maßregelungsverbot zu Nr. 5 c) ["Soweit Ansprüche oder Anwartschaften von der ununterbrochenen Beschäftigung oder Betriebszugehörigkeit abhängen oder davon abhängen, dass das Arbeitsverhältnis nicht geruht hat, gelten die Beschäftigungsdauer oder Betriebszugehörigkeit durch die Arbeitskampfmaßnahmen nicht als unterbrochen, das Arbeitsverhältnis nicht als ruhend."

Der Kläger zu 1) hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.325,86 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 762,73 € seit dem 01.03.2004 , auf 257,42 € seit dem 01.08.2004 sowie auf 305,71 € seit dem 01.12.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, dass tarifliche Jahresleistung und tarifliches Urlaubsgeld reinen Entgeltcharakter hätten und daher um Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis geruht habe (Streik), gekürzt werden dürften. Mit der deklaratorischen Bestimmung in Nr. 5 c des Maßregelungsverbots seien lediglich nicht-tarifliche Ansprüche, namentlich Betriebsrenten, gemeint gewesen.

Durch Urteil vom 08.09.2005 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgeben. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Beklagte das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, mit Rechtsausführungen an.

Nach vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken, ob Bruttoentgeltansprüche abtretbar seien, ob der vom Kläger zu 1) gestellte Hilfsantrag auf Zahlung des sich aus Euro 1.325,86 brutto ergebenden Nettobetrags zulässig sei und er im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft mit dem weiteren Hilfsantrag Zahlung an die Redakteure N. und an den Kläger zu 2) verlangen könne, hat der Kläger zu 1) an Gerichtsstelle in der mündlichen Verhandlung am 08.03.2006 an den dies annehmenden Kläger zu 2) den Anspruch auf Jahresleistung in voller Höhe (Euro 414,05 brutto) und auf Urlaubsgeld in Höhe des Teilbetrags von 248,68 brutto rückabgetreten. Danach sind - mit Zustimmung aller Beteiligten zu dem partiellen Parteiwechsel auf den Kläger zu 2) und zur Klageänderung - folgende Klageanträge zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht worden:

Der Kläger zu 2) beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 662,73 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2004 zu zahlen.

Der Kläger zu 1) beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1. als Erwerber

a) des Urlaubsgeldanspruchs des Redakteurs G. N. 257,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2004,

b) des Anspruchs auf Jahresleistung des Redakteurs G. N. 305,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2004;

c) des Urlaubsgeldanspruchs des Redakteurs I. L. 100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2004

zu zahlen;

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) den sich aus 663,13 € brutto ergebenden Nettobetrag nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 100,00 € seit dem 01.03.2004, auf 257,42 € seit dem 01.08.2004 sowie auf 305,71 € seit dem 01.12.2004 zu zahlen;

weiterhin hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen,

an den Redakteur G. N. Urlaubsgeld in Höhe von 257,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2004 sowie eine Jahresleistung in Höhe von 305,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2004 und an den Redakteur I. L. Urlaubsgeld in Höhe von 100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Essen vom 08.09.2005 die Klagen auch mit den geänderten Anträgen abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Parteiwechsel und Klageänderung sind im Berufungsverfahren zulässig, wenn eine zulässige Berufung vorliegt, das Hereinziehen der neuen Partei im Interesse der bisherigen Parteien liegt, mit deren Zustimmung erfolgt und Parteiwechsel und Klageänderung auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht ohnehin seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen hat (§ 531, § 533 § ZPO).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die vom Kläger zu 2) verfolgten Ansprüche sind, vom Kläger zu 1) aus abgetretenem Recht geltend gemacht, Gegenstand der Klage gewesen. Die für das Berufungsverfahren maßgebliche Tatsachengrundlage ist durch den Parteiwechsel und die Klageänderung nicht verändert worden. Kläger zu 1) und Beklagte haben der (im übrigen sachdienlichen) Umstellung zugestimmt.

II. Klage des Klägers zu 2.

1. Dem Kläger steht, wie im erstinstanzlichen Urteil zutreffend ausgeführt ist (§ 69 Abs. 2 ArbGG), die tarifliche Jahresleistung in voller Höhe zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Jahresleistung nicht Entgelt i.e.S. und vermindert sich daher grundsätzlich nicht zeitanteilig um Ausfallzeiten wie Streiktage. Ausgenommen sind lediglich "Zeiten unbezahlter Arbeitsbefreiung". Hierunter fällt nicht die Unterlassung der Arbeitsleistung zwecks Teilnahme an einem Arbeitskampf. Ob, weil der Anspruch auf Jahresleistung an den Bestand des Arbeitsverhältnisses und nicht den Umfang der Jahresarbeitsleistung oder dem Jahresarbeitsverdienst geknüpft ist, die Regelung in Nr. 5 c des Maßregelungsverbots vom 25.02.2004 auch der Kürzung entgegen steht, wie die Vorinstanz angenommen hat, kann die Kammer dahin stehen lassen.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 22.06.2005, 10 AZR 631/04, ZTR 2006, 78) den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt. Ein evtl. vom Wortlaut abweichender Wille der Tarifvertragsparteien kann nur dann zur Auslegung herangezogen werden, wenn er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Dies ist im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit wegen der weitreichenden Wirkungen der Tarifnormen auf die Rechtsverhältnisse der Tarifunterworfenen geboten. Diese sind an den Tarifverhandlungen nicht beteiligt. Sie müssen deshalb aus den Normen selbst erkennen, welchen Regelungsgehalt diese haben, ohne auf Auskünfte ihrer Koalitionen angewiesen zu sein. Daher ist - unabhängig davon, dass zum einen die Gerichte in der Wahl ihrer Mittel zur Rechtsanwendung und ihrer dazu benötigten Erkenntnisquellen und daher hinsichtlich der Einholung von Tarifauskünften grundsätzlich frei sind (BAG, Urteil vom 25.08.1982, 4 AZR 1064/79, AR-Blattei ES 1550.9 Nr. 47, Urteil vom 19.11.1996, 9 AZR 712/95 AR-Blattei ES 1640.6.1 Nr. 3) und zum anderen von den Tarifvertragsparteien keine einheitliche Antwort auf eine Tarifauskunft zu erwarten ist (BAG, Urteil vom 18.11.1988, 8 AZR 238/88, DB 1989, 832) - regelmäßig keine Beweiserhebung über die "wahren Regelungsabsichten" der Tarifvertragsparteien veranlasst (BAG Urteil vom 07.08.2002, 10 AZR 692/0, EzA Nr. 30 zu § 4 TVG Druckindustrie, Urteil vom 17.02.2005, 8 AZR 544/03, Urteil vom 16.12.1998, 5 AZR 365/98, AR-Blattei ES 1000.3.1 Nr. 205, Urteil vom 24.04.1996, 4 AZR 961/94, AR-Blattei ES 1530 Nr. 28). Dass die Berufung der Beklagten unter Erinnerung an ihr pauschales erstinstanzliches Vorbringen und ein Zeugenangebot reklamiert, dass Absicht der Tarifvertragsparteien gewesen sei, der Jahresleistung ausschließlichen Entgeltcharakter beizumessen, gibt der Kammer daher keine Veranlassung zu entsprechender Sachaufklärung und Beweiserhebung.

b) Der Befund, dass § 4 MTV den Anspruch auf Jahresleistung grundsätzlich nur vom rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig macht, indiziert die Annahme, dass die Jahresleistung auch für Zeiten zu gewähren ist, in denen keine Arbeitsleistung erbracht wird und keine Arbeitsvergütung geschuldet wird (vgl. BAG, Urteil vom 20.12.1995, 10 AZR 742/94, AR-Blattei ES 820 Nr 139). Hinzu kommt, dass nach ständiger BAG-Rechtsprechung die Teilnahme am Streik zum "Ruhen" der beiderseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis führt. Den Tarifvertragsparteien ist die Rechtsprechung geläufig. Wenn sie - wie hier - keine Kürzung der Jahresleistung für Zeiten des "Ruhens" des Arbeitsverhältnisses vorsehen, müssen demnach Streikzeiten als anspruchsunschädlich angesehen werden (vgl. BAG Urteil vom 10.05.1989, 6 AZR 660/87, AR-Blattei ES 680 Nr. 2, Urteil vom 03.08.1999, 1 AZR 735/98, DB 2000, 677). Mit dem verwendeten Begriff der "unbezahlten Arbeitsbefreiung" wird ein Unterfall des Ruhens, nämlich der unbezahlte Sonderurlaub, angesprochen (vgl. BAG, Urteil vom 13.10.1982, 5 AZR 401/80, FamRZ 1983, 385, Urteil vom 16.08.2000, 10 AZR 500/99, n.v.). Hingegen umfasst die "unbezahlte Arbeitsbefreiung" keineswegs sämtliche Fälle von Arbeitsausfall oder Arbeitsversäumnis unter Wegfall der Vergütungsansprüche. Indem der Begriff mit dem der "bezahlten Arbeitsbefreiung" korrespondiert, werden andere Fälle, die - wie der Streik - das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers ebenfalls zum Ruhen bringen, gerade nicht erfasst und wirken sich daher nicht auf die tarifliche Jahresleistung aus.

c) Mit dieser Auslegung des § 4 MTV will die Kammer nicht sagen, dass stets der bloße Bestand des Arbeitsverhältnisses den Anspruch auf Jahresleistung auslöst und unentschuldigte Fehlzeiten bzw. Zeiträume beharrliche Arbeitsverweigerung nicht anspruchsmindernd sein könnten. Insoweit spricht hier - wie beim Urlaub (entgegen der BAG-Judkatur LAG Düsseldorf, Urteil vom 17.06.1998, 12 Sa 520/98, LAGE Nr. 10 zu § 7 BurlG Abgeltung) - manches dafür, dass in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer bewusst und unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben ist, der Bestand des Arbeitsverhältnisses allein nicht zur Anspruchsbegründung ausreicht. Der vorliegende Fall erfordert keine Vertiefung dieser Thematik. Der Kläger zu 2) ist während des Streiks nicht widerrechtlich der Arbeit ferngeblieben. Einer anderen Betrachtung stünde hier zudem das tarifliche vereinbarte Maßregelungsverbot entgegen.

2. a) Die Klage auf Zahlung des Urlaubsgelds ist zulässig. Auch wenn der Urlaubsgeldanspruch mangels wirksamer Abtretung insgesamt bei dem Kläger zu 2) verblieben und also vorliegend eine Teil(betrags)klage erhoben ist, begegnet diese Klage keinen durchgreifenden Zulässigkeitsbedenken, denn die Forderung auf Urlaubsgeld ist nicht den unteilbaren und nur einheitlich einklagbaren Ansprüchen zuzurechnen.

b) In der Sache folgt die Kammer den Ausführungen der Vorinstanz sowie des LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 24.11.2005, 4 Sa 294/05). Eine tatsächliche Arbeitsleistung wird für den Anspruch auf Urlaubsgeld nicht vorausgesetzt. Nach § 10 Nr. 1 b) entsteht der Anspruch für jeden Monat "Verlagszugehörigkeit" mit 1/12. Verlagszugehörigkeit ist jeder Monat des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Dazu zählen auch Zeiten ohne Arbeitsleistung (vgl. BAG, Urteil vom 15.04.2003, 9 AZR 137/02, AR-Blattei ES 656 Nr. 1).

3. Gegen die rechnerische Höhe des Anspruchs und gegen die Zinsforderung macht die Berufung keine Einwände geltend.

III. Klage des Klägers zu 1.

1. Der Hauptantrag ist unbegründet. Dem Kläger zu 1) steht gegen die Beklagte kein "Bruttoentgeltanspruch" zu.

Nach § 400 BGB können Forderungen nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen sind. Arbeitseinkommen ist nach § 850 Abs. 1 ZPO nur nach Maßgabe der §§ 850a bis i ZPO pfändbar. Nach § 850e ZPO sind bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens nicht mitzurechnen die Beträge, die unmittelbar aufgrund steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind. Daher kann nicht der Bruttobetrag des Arbeitseinkommens abgetreten werden. Ob dies ausnahmsweise anders ist, wenn der Zessionar oder der Schuldner die Bruttolohnbestandteile an das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger abgeführt hat, kann dahinstehen. Solches ist bzw. konnte nicht geschehen.

Der Kläger zu 1) kann die auf die abgetretenen Bruttobeträge entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge auch nicht selbst an das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger abführen. Er ist nicht Arbeitgeber und Lohnschuldner.

Ob die Beklagte der Vollstreckung des Bruttobetrags durch den Kläger zu 1) entgegen halten könnte, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge für den Redakteur F. N. und den Kläger zu 2) ordnungsgemäß abgeführt zu haben, ist unmaßgeblich. Der Kläger zu 1) kann nach dem ausgeurteilten Antrag dies nicht erzwingen, sondern selbst auf den Bruttobetrag vollstrecken (vgl. BAG GS, Beschluss vom 07.03.2001, GS 1/00, AR-Blattei ES 1860 Nr. 20).

2. Der Hilfsantrag auf Zahlung des sich aus den Bruttobeträgen ergebenden Nettolohns hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Nettolohnklage ist unzulässig.

Sie ist nicht hinreichend bestimmt i.S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil der Kläger zu 1) nicht die Nettolohnbeträge beziffert hat. Das Begehren, den sich aus einem bestimmten Bruttobetrag ergebenden Nettobetrag zu zahlen, ist weder bestimmt noch bestimmbar (vgl. BAG, Beschluss vom 18.01.2000, 9 AZR 122/95 (B), AR-Blattei ES 1860 Nr. 19).

Des weiteren gehört zur schlüssigen Begründung einer Nettolohnklage, dass der Kläger die für den Tag des Zuflusses des Arbeitsentgelts geltenden Besteuerungsmerkmale im einzelnen darlegt (BAG, Urteil vom 26.02. 2003, 5 AZR 223/02, AR-Blattei ES 1160 Nr. 38). Der Kläger zu 1) hat nicht ansatzweise versucht, die Höhe der Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben näher darzustellen. Soweit es auf den Tag des Zuflusses des Arbeitsentgelts ankommt, ist diese Darlegung im Erkenntnisverfahren auch kaum möglich, so dass in der Praxis allein die Bruttolohnklage bleibt; die Nettolohnklage wird nur in Ausnahmefällen, etwa bei einer Nettolohnvereinbarung, zulässig sein.

3. a) Der Kläger zu 1) kann schließlich nicht mit dem weiteren Hilfsantrag im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft die Beklagten auf Zahlung an den Redakteur F. N. und den Kläger zu 2) in Anspruch nehmen. Die Klage ist unzulässig. Die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft sind nicht gegeben.

Nach gefestigter Rechtsprechung (BAG, Urteil vom 19.03.2002, 9 AZR 752/00, JuS 2003, 299, BGH, Urteil vom 21.01.2004, MDR 2004, 700, Urteil vom 07.06.2001, VersR 2002, 117) bedarf die gerichtliche Verfolgung eines fremden Rechts im eigenen Namen der Ermächtigung durch den Berechtigten und eines eigenen schutzwürdiges Interesse der klagenden Partei. Außerdem dürfen die Interessen des Prozessgegners durch das vom früheren und neuen Gläubiger gewählte Verfahren nicht unbillig beeinträchtigt werden.

Die fehlende Übertragbarkeit eines Rechts steht einer Prozessstandschaft entgegen, wenn das verfolgte Recht seiner Natur nach nur vom Rechtsinhaber geltend gemacht werden kann. Anders verhält es sich, wenn durch das Abtretungsverbot lediglich erreicht werden soll, dass der ursprüngliche Gläubiger die Leistung erhält und durch die Prozessführung des Prozessstandschafters nicht Rechte Dritter beeinträchtigt werden (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 02.05.2002, GmbHR 2002, 1123, Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., vor § 50, Rz. 46).

Die Unübertragbarkeit der Bruttoforderung nach § 400 BGB, § 850 e ZPO bezweckt nicht nur im Interesse der Allgemeinheit den Schutz des Arbeitsvertragsparteien vor steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Nachteilen und Konsequenzen (vgl. BAG, Urteil vom 24.04.2002, 10 AZR 42/01, MDR 2002, 1321), sondern liegt zudem im Interesse des Fiskus und der Sozialversicherungsträger. Die aus der Übertragung der Forderung auf einen Dritten oder mit der gewillkürten Prozessstandschaft verbundene Befugnis des Dritten, mit Rechtskraftwirkung über die Lohnforderung auch hinsichtlich der Bruttobestandteile zu verfügen, bedeutet einen Eingriff in die gesetzlich geschützten Interessen der Finanzverwaltung und der Sozialversicherung und kann diese beeinträchtigen. Daher setzt gewillkürte Prozessstandschaft voraus, dass auch das betroffene Finanzamt und die Sozialversicherungsträger der Verfolgung von Bruttoentgeltansprüchen durch den Dritten zustimmen.

Der Kläger zu 1) ist nicht durch Finanzamt und Sozialversicherungsträger ermächtigt worden, die Bruttoentgeltansprüche des Redakteurs N. und des Klägers zu 2) einzuklagen.

b) Die Bruttolohnklage kann aus den Gründen zu III 2 nicht in eine zulässige Klage auf Zahlung des "entsprechenden Nettolohns" an den Redakteur N. und den Kläger zu 2) umgedeutet werden.

IV. Die Beklagte hat nach § 91 Abs. 1, § 97 ZPO die Kosten des Rechtsstreits gegenüber dem Kläger zu 2) insoweit zu tragen, als sie diesem nach dem Parteiwechsel unterlegen ist. Die übrigen Kosten hat nach § 91 Abs. 1, § 269 Abs. 3 ZPO analog der unterlegene Kläger zu 1) zu tragen.

V. Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen, soweit die Beklagte zur Zahlung der Jahresleistung und des tariflichen Urlaubsgeldes an den Kläger zu 2) verurteilt wurde, und daher für die Beklagte die Revision zugelassen, § 72 Abs. 2 ArbGG. Sie hat keinen Grund gesehen, die Revision für den Kläger zu 1) zuzulassen. Wegen der Einzelheiten der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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