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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.08.2006
Aktenzeichen: 12 Sa 734/06
Rechtsgebiete: GG, EG-Vertrag, VO (EWG) Nr. 1612/68, VersorgungsTV


Vorschriften:

GG Art. 3
EG-Vertrag Art. 39
VO (EWG) Nr. 1408/71 Art. 12
VO (EWG) Nr. 1612/68 Art. 7
VersorgungsTV § 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 17.05.2006 wird kostenfällig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin will das beklagte Land verpflichtet wissen, ihr die Versorgungsleistungen zu verschaffen, die ihr zustünden, wenn sie für die Zeit vom 01.06.1986 bis zum 31.12.2002 bei der VBL versichert worden wäre.

Die Klägerin, am 13.09.1942 geboren, griechische Staatsangehörige und in Griechenland beamtete Lehrkraft, trat gemäß Arbeitsvertrag vom 07.10.1977 als Lehrerin in die Dienste des beklagten Landes. Aufgrund arbeitsvertraglicher Verweisung finden der BAT und die diesen ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

Während ihrer Beschäftigungszeit beim Land ist die Klägerin den griechischen Vorschriften über soziale Sicherheit unterstellt geblieben; sie bezieht seit 1988 in Griechenland eine Beamtenpension, Zusatzpension sowie Leistungen aus der Beteiligungskasse für pensionierte Lehrer.

Aufgrund Vereinbarung nach Art. 17 VO (EWG) Nr. 1408/71 für die in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten beamteten griechischen Lehrkräfte wurde die Klägerin zunächst vom 01.06.1986 bis zum 31.05.1991 von der Anwendung des deutschen Sozialversicherungsrechts befreit. Die Befreiung wurde auf Wunsch der Klägerin dreimal, zuletzt bis zum 31.12.2005, verlängert. Des weiteren wurden der Klägerin auf ihren Antrag die von Oktober 1977 bis Mai 1986 entrichteten Pflichtversicherungsbeiträge erstattet.

In dem (hier interessierenden) Zeitraum vom 01.06.1986 bis zum 31.12.2002 konnte die Klägerin nicht bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) versichert werden: § 6 Abs. 2 Buchst. n des Versorgungs-TV (= § 28 Abs. 2 Buchst. n der VBL-Satzung) bestimmt, dass ein Arbeitnehmer, der mit Rücksicht auf seine Zugehörigkeit zu einem ausländischen System der sozialen Sicherung nicht der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag und sich dort auch nicht freiwillig versichert hatte, nicht bei der VBL versichert werden konnte.

Im Februar 2006 hat die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, dass ihr Ausschluss aus der Zusatzversorgung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, gegen Art. 39 EG-Vertrag und Artikel 7 der VO (EWG) Nr. 1612/68 verstoße. Sie hat sich für ihre Auffassung auf eine entsprechende Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 20.02.2006 (Bl.41 f. der Gerichtsakte) und Entscheidungen des EuGH (Urteil vom 15.01.1998, C-15/96 (Schöning-Kougebetopoulou), vom 24.09.1988, C-35/97, EuGHE I 1998, 5325 (Kommisssion/Frankreich) und vom 15.06.200, C-302/98, EuGHE I 2000, 4585 (Manfred Sehrer) berufen.

Sie hat beantragt,

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, sie, die Klägerin, so zu stellen, wie sie stünde, wenn sie in der Zeit vom 01.06.1986 bis zum 31.12.2002 bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in der Zusatzversorgung versichert worden wäre.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 17.05.2006 die Klage abgewiesen. Mit der Berufung greift die Klägerin das Urteil unter Wiederholung ihres Rechtsstandpunktes an. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - so macht sie geltend - sei ihr Ausschluss aus der Zusatzversorgung durch keinen Sachgrund gerechtfertigt. Die Regelung in § 28 Abs. 2 Buchst. n der VBL-Satzung bedeute ein Hemmnis zur Wahrung der Rechte auf Personenfreiheit und Freizügigkeit der Arbeitnehmer und verstoße damit gegen die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts.

Das beklagte Land hält der Klägerin vor, ständig bestrebt gewesen zu sein, sich dem deutschen Sozialversicherungssystem zu entziehen. Es stellt eine im Hinblick darauf, dass die Klägerin nicht mit den Arbeitnehmeranteilen zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag belastet worden sei, ihre Schlechterstellung in Abrede und weist darauf hin, dass nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherte Arbeitnehmer nach § 29 Abs. 3 VBL-Satzung Anwartschaften in der Zusatzversorgung nur dadurch erwerben können, dass sie zu den Arbeitgeberbeiträgen eigene Arbeitnehmeranteile (Erhöhungsbeträge) entrichten.

Danach hätte die Klägerin, wozu sie erkennbar nicht bereit sei, Euro 58.881,78 nachzuzahlen.

Die Klägerin hält das beklagte Land nach § 29 Abs. 1 VBL-Satzung für verpflichtet, allein die monatliche Umlage für den streitbefangenen Zeitraum zu zahlen, und erklärt, sich daher nicht für verpflichtet zu sehen, Arbeitnehmeranteile zur Zusatzversorgung gemäß § 29 Abs. 3 VBL-Satzung "nachzuzahlen".

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Kammer macht sich die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils zu eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG) und fügt ihnen Folgendes hinzu.

1. Wie vom Arbeitsgericht richtig gesehen, ist die Klage zulässig.

Die Klägerin will die Verpflichtung des beklagten Landes festgestellt wissen, ihr die Versorgungsleistungen zu verschaffen, die ihr zustünden, wenn sie für die Zeit vom 01.06.1986 bis zum 31.12.2002 bei der VBL versichert worden wäre. Ihr Klagebegehren hat sie mit Schriftsatz vom 29.08.2006 dahingehend präzisiert, dass ihr die Leistungen der Zusatzversorgung ohne Nachentrichtung von Arbeitnehmeranteilen zu verschaffen seien. Damit ist das streitige Rechtsverhältnis bestimmt.

Das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO ergibt sich daraus, dass mit der vorliegenden Klage eine einfache, prozesswirtschaftlich sinnvolle Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erreicht und vor der Klärung der Verschaffungspflicht keiner der beiden Parteien zugemutet wird, schwierige Rentenberechnungen durchzuführen (vgl. BAG, Urteil vom 12.10.2004, 3 AZR 571/03, AP Nr. 2 zu § 3g BAT).

2. Die Klage ist in der Sache unbegründet.

a) Die Klägerin hat kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme des BAT und der diesen ergänzenden Tarifverträge nur einen Anspruch darauf, nach Maßgabe des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder (Versorgungs-TV) versichert zu werden. Der Versorgungstarifvertrag schloss allerdings in § 6 Abs. 2 Buchst. n Versorgungs-TV (= § 28 Abs. 2 Buchst. n der VBL-Satzung) eine Versicherungspflicht aus, wenn der Beschäftigte mit Rücksicht auf seine Zugehörigkeit zu einem ausländischen System der sozialen Sicherung nicht der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag und sich dort auch nicht freiwillig versichert hatte. So verhielt es sich im Streitfall. Die Klägerin unterlag dem griechischen System der sozialen Sicherung. Als in Griechenland beamtete Lehrkraft bezieht sie eine Beamtenpension, Zusatzpension sowie Leistungen aus der Beteiligungskasse für pensionierte Lehrer.

b) Der Ausschluss der Klägerin aus der Zusatzversorgung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Bei dem durch den Versorgungs-TV etablierten Gesamtversorgungssystem geht es darum, eine Grundsicherung, wie sie durch die gesetzliche Rentenversicherung gewährt wird, durch tarifliche Zusatzleistungen zu ergänzen. Für eine solche Zusatzversorgung ist kein Raum, wenn der Angestellte nicht der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt und aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einem ausländischen System der sozialen Sicherung über eine originäre Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung verfügt (vgl. BAG, Urteil vom 22.05.2001, 3 AZR 515/00, EzA Nr. 21 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung). Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie vorliegend - das ausländische Sozialsystem eine adäquate, beamtenähnliche Versorgung gewährt und der Beschäftigte, um die Entrichtung eigener Beiträge bzw. Abführung von Arbeitnehmeranteilen zur Rentenversicherung zu vermeiden, sich der Pflichtversicherung entzogen und auch nicht freiwillig versichert hatte.

c) § 6 Abs. 2 Buchst. n Versorgungs-TV enthält jedenfalls insoweit, als Beamte im Rahmen eines für sie geltenden Sondersystems (i.c. in ihrem Heimatland) versichert sind, keine unzulässige Diskriminierung i.S.v. Art. 39 EG-Vertrag.

Allerdings wirkt sich die Tarifnorm typischerweise eher auf ausländische als auf inländische Beschäftigte aus, so dass sie eine Benachteiligung ausländischer Arbeitnehmer indiziert. Die Benachteiligung besteht, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, darin, dass den betroffenen Arbeitnehmern die VBL-Zusatzversorgung, die durch die vom Arbeitgeber allein oder überwiegend entrichtete Umlage finanziert wurde, versagt wurde.

Soweit der Ausschluss Arbeitnehmer betrifft, die im Ausland (Heimatland), i. c. in Griechenland, im Rahmen eines Sondersystems für Beamte versichert sind, ergibt sich die sachliche Rechtfertigung der Regelung allerdings schon aus Art. 14 e VO (EWG) Nr. 1408/71). Der ausländische Arbeitnehmer, dem Versorgung entsprechend einem Beamten zusteht, wird zudem prinzipiell nicht anders behandelt als ein inländischer Arbeitnehmer, der eine Anwartschaft oder einen Versorgungsanspruch nach beamtenrechtlichen Grundsätzen hat und der nach § 6 Abs. 2 Buchst. n VBL-Satzung nicht bei der VBL versicherbar ist.

d) Danach kann dahinstehen, ob unter der Prämisse, dass § 6 Abs. 2 Buchst. n Versorgungs-TV eine unzulässige Diskriminierung i.S.v. Art. 39 EG-Vertrag darstellt, die Klägerin lediglich die Anwendung des § 29 Abs. 3 VBL-Satzung mit der Konsequenz verlangen könnte, dass sie - neben dem Eigenanteil zur Umlage (ab 01.01.1999) - den Erhöhungsbetrag zur Hälfte (Arbeitnehmeranteil) zu tragen hätte. So will sie - nach Verdeutlichung ihres Klageziels - nicht gestellt sein.

II. Die Kosten der erfolglosen Berufung sind nach § 97 Abs. 1 ZPO der Klägerin aufzuerlegen.

Die Kammer hat den entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für die Klägerin die Revision an das Bundesarbeitsgerichts zugelassen.

Ende der Entscheidung

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