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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.08.2001
Aktenzeichen: 12 Sa 827/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
1. Beruft sich der Arbeitnehmer zur Entschuldigung seines Fehlverhaltens (Arbeitsverweigerung) auf einen Rechtsirrtum (irrtümliche Annahme eines Zurückbehaltungsrechts), hat er konkret vorzutragen, wie und bei wem er sich nach der Rechtslage erkundigt und welche Auskünfte er erhalten hat.

2. Der Umstand, dass der Rechtsirrtum auf falsche anwaltliche Beratung zurückgeht und für den Arbeitnehmer unverschuldet ist, führt nicht zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung, wenn die Pflichtverletzung besonders schwer wiegt und die Gefahr ihrer Fortdauer (Wiederholung) besteht.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 Sa 827/01

Verkündet am: 29.08.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 29.08.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Welters und den ehrenamtlichen Richter Foitlinski

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 18.04.2001 wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Rechtswirksamkeit von zwei fristlos, hilfsweise fristgerecht ausgesprochenen arbeitgeberseitigen Kündigungen.

Der Kläger ist der Bruder des Alleingeschäftsführers und Mehrheitsgesellschafters der Beklagten, einem in M./R. ansässigen Immobilienunternehmen. Die Beklagte wurde vom Vater der Beteiligten gegründet. Der Bruder des Klägers wurde 1982 testamentarisch zum Alleinerben einsetzt.

Der Kläger ist seit 1966 oder 1969 für die Beklagte tätig, zuletzt als Mitarbeiter des Verkaufs gegen ein Monatsentgelt von DM 6.090,00 brutto. Seine Ehefrau war ebenfalls bei der Beklagten beschäftigt. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2000 und gründete anschließend eine eigene Immobiliengesellschaft.

Zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten gab es in der Vergangenheit eine Vielzahl persönlicher, familiärer, erb- und gesellschaftsrechtlicher Auseinandersetzungen. Im August 2000 stellten sie den persönlichen Kontakt zueinander ein und korrespondierten fortan ausschließlich über ihre Prozessbevollmächtigten.

Der Kläger wurde vom 24.08.2000 bis zum 05.12.2000 arbeitsunfähig krank geschrieben, zuletzt durch den Arbeitsmedizinischen Dienst der Krankenkassen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.11.2000 kündigte der Kläger an, nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit seinen Erholungsurlaub von 24 Arbeitstagen anzutreten. Außerdem forderte er die Beklagte zur Schaffung einer ordnungsgemäßen Arbeitsatmosphäre auf. Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.11.2000, dessen Zugang der Kläger bestreitet, widersprach die Beklagte dem Urlaubsverlangen. Unter dem 24.11.2000 monierte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die fehlende Beantwortung seines Schreibens vom 07.11.2000 und führte aus, dass er deshalb (seil, im frühren Schreiben genannte verbale Entgleisungen des Geschäftsführers der Beklagten), wenn nicht kurzfristig die Erklärung der Beklagten komme, künftig einen ordnungsgemäßen Umgangston an den Tag zu legen, seinem Mandanten (dem Kläger) anraten werde, von seinem arbeitsrechtlichen Zurückbehaltungsrecht Gebrauch zu machen und den Dienst erst wieder anzutreten, wenn diese atmosphärische Grundfrage der gedeihlichen Zusammenarbeit geklärt sei.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 11.12.2000 widersprach die Beklagte einem Urlaubsantrag des Klägers im Dezember und erklärte, dass sie das Nichterscheinen des Klägers als Arbeitsverweigerung mit entsprechenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen ansehe werde. Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.12.2000 machte der Kläger geltend, dass Voraussetzung für eine gedeihliche weitere Zusammenarbeit sei, dass der Geschäftsführer der Beklagten klipp und klar sage, dass er sich jeder Ausfälligkeit in Wort und Taten enthalte. Er mache von seinem vertraglichen Zurückbehaltungsrecht Gebrauch, bis die entsprechende Erklärung der Beklagten zum umfassenden Wohlverhalten im Sinne einer sachlichen Zusammenarbeit abgegeben sei. Die Beklagte erwiderte mit anwaltlichem Schreiben vom 24.01.2001, dass der Kläger ohne Zustimmung Urlaub genommen habe und ihm ein Rückbehaltungsrecht nicht zustehe, weil die betrieblichen Verhältnisse so gestalten seien, dass er ohne weiteres seinen Dienst wieder aufnehmen und pflichtgemäß verrichten könne. Sie forderte ihn unter Androhung arbeitsrechtlicher Maßnahmen zum Dienstantritt sowie zur Auskunftserteilung, u. a. in dem Vorgang T. und B., auf. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.01.2001 wies der Kläger die Abmahnung und Aufforderung zur Wiederaufnahme des Dienstes wegen der fehlenden Wohlverhaltenserklärung zurück.

Nachdem der Kläger weiter der Arbeit fernblieb, sprach die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 05.02.2001 die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitsverweigerung aus. Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.02.2001 erklärte sie eine weitere außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung mit der Begründung, dass der Kläger unberechtigt und beharrlich die Arbeit und darüber hinaus die verlangte Auskunft zu den Vorgängen T. und B. verweigere.

Der Kläger hat mit der vor dem Arbeitsgericht Oberhausen erhobenen Kündigungsschutzklage die Kündigungen der Beklagten vom 05. und 27.02.2001 angegriffen und geltend gemacht, dass eine Arbeitsverweigerung nicht vorliege. Um seinen mühsam wiederhergestellten Gesundheitszustand nicht zu gefährden habe er, der Kläger, in dem Betrieb der Beklagten nicht zurückkehren können, ohne dass die Frage des ordnungsgemäßen Arbeitsklimas geklärt sei. Daher habe er seine Arbeitsleistung bis zur Abgabe einer Wohlverhaltenserklärung durch die Beklagte verweigert. Der Kläger hat behauptet, dass der Geschäftsführer durch exzessive Verhaltensausbrüche und verbale Entgleisungen vor seiner (des Klägers) Erkrankung am 24.08.2000 ein unwürdiges Arbeitsklima verursacht habe. Über die Vorgänge T. und B. habe die Beklagte selbst ausreichende eigene Kenntnisse besessen, so dass er, der Kläger, sich nicht pflichtwidrig verhalten habe.

Die Beklagte hat ihrerseits dem Kläger vorgeworfen, den Geschäftsführer im jahrelangen Streit beschimpft und beleidigt zu haben.

Durch Urteil vom 18.04.2001 hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass der Kläger zwar nicht wegen der verlangten Wohlverhaltenserklärung die Arbeitskraft hätte zurückbehalten dürfen, jedoch wegen seines Rechtsirrtums, der zudem durch das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten hervorgerufen worden sei, nicht die Arbeit beharrlich verweigert habe.

Gegen das Urteil, auf das hiermit zur näheren Sachdarstellung verwiesen wird, wendete sich die Beklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Sie greift das Urteil im Wesentlichen mit Rechtsausführungen an und bestreitet, dass der Kläger hinsichtlich der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes einem Rechtsirrtum unterlegen sei. Es sei nicht anzunehmen, dass der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten nicht auf das rechtliche Risiko hingewiesen worden sei. Jedenfalls müsse sich der Kläger eine falsche Rechtsberatung als eigenes Verschulden zurechnen lassen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Er wiederholt und ergänzt das erstinstanzliche Vorbringen und trägt zu den prozessualen und außerprozessualen Auseinandersetzungen der Parteien über seine Weiterbeschäftigung vor.

Die Beklagte tritt den Darstellungen des Klägers entgegen und bestreitet, dass der Kläger ernsthaft beabsichtigt habe, jemals die Arbeit bei ihr, der Beklagten, wieder aufzunehmen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen vollinhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist begründet. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 05.02.2001 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien wirksam aufgelöst. Daher sind unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Kündigungsschutzklage und Weiterbeschäftigungsklage abzuweisen.

1. a) Die beharrliche Arbeitsverweigerung ist an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 BGB geeignet (BAG, Urteil vom 05.04.2001, 2 AZR 580/99, z. V. v., zu II 1 a der Gründe, Urteil vom 21.11.1996, 2 AZR 357/95, AP Nr. 130 zu § 626 BGB, zu II 4 a, KR-Fischermeier, 5. Aufl., § 626 BGB Rz. 412, Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 7. Aufl., Rz. 507, GK-Dörner, § 626 BGB Rz. 210). Als Arbeitsverweigerung ist die bewusste, willentlich gesteuerte Nichtleistung von Arbeit anzusehen (vgl. BAG, Urteil vom 10.11.1993, 7 AZR 682/92, AP Nr. 4 zu § 78 BetrVG 1972, zu 7). Die Arbeitsverweigerung ist beharrlich, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers den nachhaltigen, intensiven, hartnäckigen Willen erkennbar macht, die Arbeit nicht leisten zu wollen. Das Moment der Beharrlichkeit ist regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitnehmer auch nach einer Abmahnung die Arbeitsleistung verweigert oder wenn - auch ohne Abmahnung - die Nichtleistung der Arbeit den Grad und die Auswirkung einer beharrlichen Arbeitsverweigerung erreicht (BAG, Urteil vom 17.03.1988, 2 AZR 576/87, AP Nr. 99 zu § 626 BGB, zu II 7 a), z. B. bei eigenmächtiger Urlaubsnahme, längerem unentschuldigten Fernbleiben von der Arbeit oder vorherigem Hinweis des Arbeitgebers auf eine drohende fristlose Kündigung im Weigerungsfall (vgl. BAG, Urteil vom 05.04.2001, a. a. O., zu II 3 b, Urteil vom 16.03.2000, 2 AZR 75/99, AP Nr. 114 zu 102 BetrVG 1972, zu II 1 b dd, KR-Etzel, § 1 KSchG Rz. 460).

Während das berechtigterweise geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung eine (rechtswidrige) Arbeitsverweigerung ausschließt, (BAG, Urteil vom 09.05.1996, 2 AZR 387/95, AP Nr. 5 zu § 273 BGB, zu II 1 c), ist dies bei der unberechtigten Reklamierung eines Zurückbehaltungsrechtes nicht der Fall. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz lässt ein Rechtsirrtum, dem der Arbeitnehmer bei der Zurückbehaltung unterlegen ist, nicht die Beharrlichkeit seiner Verweigerungshaltung entfallen. Ein möglicher Rechtsirrtum des Arbeitnehmers ändert nichts an dem Befund, dass die Arbeitsverweigerung beharrlich war. Eine andere, im Rahmen der Interessenabwägung zu erörternde Frage ist es, ob dem Arbeitnehmer der Rechtsirrtum bei der Feststellung des Verschuldensgrades, der Wiederholungsgefahr und der beeinträchtigten Interessen des Arbeitgebers zu Gute zu halten ist.

b) Der Kläger verweigerte in den letzten zwei Wochen vor Zugang der Kündigung vom 05.02.2000 beharrlich die Arbeit. Die Beklagte hatte ihn mit Schreiben vom 11.12.2000 und nochmals mit Schreiben vom 24.01.2001 zur unverzüglichen Arbeitsaufnahme aufgefordert und ihm für den Fall des Nichterscheinens zur Arbeit arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht. Im Abmahnungsschreiben vom 24.01.2001 ist sie überdies dem vom Kläger geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht entgegen getreten. Der Kläger nahm auch nach diesem Schreiben nicht die Arbeit auf, sondern bestätigte ausweislich des anwaltlichen Antwortschreibens vom 29.01.2001 seine Weigerungshaltung.

c) Dem Kläger stand kein Arbeitsleistungsverweigerungsrecht zu (§§ 273, 298 BGB). Die Kammer folgt in diesem Punkt den zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils (§ 543 Abs. 1 ZPO). Abgesehen davon, dass eine Wohlverhaltenserklärung, wie sie der Kläger von der Beklagten bzw. ihrem Geschäftsführer verlangte, von vornherein wenig tauglich ist, die Vertrauensgrundlage des Arbeitsverhältnisses wieder herzustellen (vgl. BAG, Beschluss vom 10.02.1999, 2 ABR 31/98, AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969, zu B II 6), fehlt es an dem Rechtsanspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Abgabe einer derartigen Erklärung. Vorliegend kommt hinzu, dass das nach dem Verlangen des Klägers die abzugebende Wohlverhaltenserklärung weder bestimmt noch bestimmbar war und die "ordnungsgemäße Arbeitsatmosphäre" (anwaltliches Schreiben des Klägers vom 07.11.2000) oder das "umfassende Wohlverhalten im Sinne einer sachlichen Zusammenarbeit" (anwaltliches Schreiben des Klägers vom 31.12.2000) keine konkretisierbaren Kriterien darstellen. Im Kern läuft das Verlangen des Klägers darauf hinaus, die Beklagte zu veranlassen, seine selektive Sichtweise und Bewertung mindestens vier Monate und länger zurückliegender Geschehnisse, die in langjährigen und tiefen familiären Zwistigkeiten wurzeln und sich auch in ihren Ausdruckformen aus dem privaten Verhältnis der Brüder zueinander erklären, anzuerkennen und mit der "Wohlverhaltenserklärung" gegenteilige Standpunkte aufgeben.

Die Kammer übersieht nicht, dass in dem Verwandtschaftsverhältnis gründende Unstimmigkeiten und Streitigkeiten zu einer erheblichen Belastung des zwischen den Beteiligten bestehenden Arbeitsverhältnisses im "Familienbetrieb" führen und, wenn die persönlichen nicht von den dienstlichen Beziehungen getrennt werden können, die Zusammenarbeit für die eine und/oder andere Seite als unerträglich erscheinen lassen können. Die Beteiligten bleiben jedoch im Allgemeinen darauf angewiesen, auf das arbeitsvertragliche Fehlverhalten der anderen Partei mit den verfügbaren arbeitsrechtlichen Mitteln, z. B. einer auch außerordentlichen Eigenkündigung und Schadensersatzansprüchen (§ 628 BGB), zu reagieren. Das Verlangen nach einer "Wohlverhaltenserklärung" und die Zurückhaltung der Arbeitskraft gehört hingegen regelmäßig nicht zu diesen Mitteln.

2. Auch unter der Berücksichtigung der besonderen Fallumstände und Abwägung der wechselseitigen Interessen hält die streitbefangene außerordentliche Kündigung der gerichtlichen Überprüfung stand.

a) Zu Gunsten des Klägers fallen seine über 30jährige Tätigkeit für die Beklagte und sein Lebensalter, dass seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigt, ins Gewicht und begründen sein Interesse an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes.

Indessen überwiegt das Interesse der Beklagten an der sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses: Zum einen verletzte der Kläger mit der beharrlichen Arbeitsverweigerung und während der letzten zwei Wochen vor der Kündigung ohnehin gravierend seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Zum anderen hatte der Kläger bereits ab dem 05.12.2000 eigenmächtig Urlaub genommen und war auch danach unberechtigt der Arbeit ferngeblieben. Schließlich musste die Beklagte, was das Geschehen nach der Kündigung bestätigt hat, damit rechnen, dass der Kläger an seiner strickten Leistungsverweigerung festhielt und nicht einmal bereit war, die ihm mögliche und zumutbare Auskunft über geschäftliche Vorgänge (T., B.), zu erteilen.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz war dem Kläger nicht Urlaub vom 05.12.2000 bis 11.01.2001 bewilligt worden. Seine anwaltlichen Schreiben vom 07. und 24.11.2000 stellten schon deshalb keinen wirksamen Urlaubsantrag dar, weil der Kläger in dieser Zeit arbeitsunfähig krank, das Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht konkret absehbar und vom Kläger selbst der Urlaubswunsch nicht datumsmäßig konkretisiert war. Auch wenn dem Kläger das Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 09.11.2000 nicht zugegangen sein sollte, konnte er schon im Hinblick auf die erheblichen Zerwürfnisse nicht unterstellen, dass die Beklagte mit der Inanspruchnahme des vollen Jahresurlaubs nach Wiedergenesung einverstanden war. Damit hatte der Kläger im Kündigungszeitpunkt bereits zwei Monate lang unentschuldigt gefehlt, ohne dass seine künftige Arbeitswilligkeit zu erwarten war. Bei dieser Sachlage machte aus verständiger Sicht der Beklagten die Fortsetzung des Dienstverhältnisses (§ 626 Abs. 1 BGB), die den tatsächlichen Vollzug des Arbeitsverhältnisses bedeutet (vgl. BAG, Urteil vom 11.03.1999, 2 AZR 507/98, AP Nr. 149 zu § 626 BGB, zu II 2 d), keinen Sinn mehr.

b) Die Interessenabwägung fällt nicht deshalb zu Gunsten des Klägers aus, weil ersieh bei der Arbeitsverweigerung im Rechtsirrtum befand, d. h. Rechtsannahmen, bis zur Abgabe der geforderten Wohlverhaltenserklärung durch die Beklagte die Arbeitsleistung zurückhalten zu dürfen.

(11) Beruft sich der Arbeitnehmer zur Entschuldigung seines Fehlverhaltens auf einen Rechtsirrtum, muss er die tatsächlichen Umstände, aus denen er den Entschuldigungsgrund herleitet, substantiiert darlegen (KR-Fischermeier, § 626 BGB Rz. 384, Stahlhacke/Preis/Vossen, Rz. 465, GK-Dörner, § 626 BGB Rz. 177). Er hat daher konkret vorzutragen, wie und bei wem er sich nach der Rechtslage erkundigt und welche Auskünfte er erhalten hat. Der Kläger hat in beiden Instanzen dazu nichts vorgetragen. In den vorgelegten Anwaltsschreiben vom 24.11.2000, 31.12.2000 und 29.01.2001 berühmt sich der Kläger zwar eines Zurückbehaltungsrechtes. Auch heißt es in dem Schreiben vom 24.11.2000, dass er (der Prozessbevollmächtigte des Klägers) seinem Mandanten anraten werden, vom seinem arbeitsrechtlichen Zurückbehaltungsrecht Gebrauch zu machen, wenn nicht kurzfristig die Wohlverhaltenserklärung der Beklagten komme. Die Überreichung vor gerichtlicher Anwaltsschreiben ersetzt jedoch keinen prozessualen Sachvortrag, zumal aus den Schreiben nicht die tatsächlich dem Kläger von seinem Prozessbevollmächtigten gegebene Rechtsauskunft und ihre Relevanz für die Arbeitsverweigerung des Klägers ersichtlich wird. Es kann beispielsweise so sein, dass der Kläger nicht mehr arbeitswillig war und mit dem Verlangen nach einer Wohlverhaltenserklärung lediglich die eigene Arbeitsunwilligkeit zu kaschieren und zu rechtfertigen versuchte. Ebenso ist vorstellbar, dass in anwaltlichen Schreiben an die Gegenseite zwar die Überzeugtheit von der Richtigkeit des eigenen Rechtsstandpunktes dargestellt wird, jedoch in Wahrheit diese Überzeugung fehlt und die Partei im internen Beratungsgespräch auf die gegenteilige Rechtslage oder zumindest auf das Risiko, das dem eingenommenen Rechtsstandpunkt die gerichtliche Anerkennung versagt werden könnte, hingewiesen worden ist. Dabei spricht angesichts der an einen Rechtsanwalt gestellten Anforderungen an die Beratungspflicht und den Haftungsgrundsätzen bei fehlerhafter Anwaltsberatung einiges dafür, dass der Rechtsanwalt anhand der Gesetze und veröffentlichten Rechtsprechung die Rechtslage sorgfältig geprüft und die Partei auf die Zweifelhaftigkeit und Risiken eines abweichenden und nicht durch obergerichtliche Judikate belegbaren Rechtsstandpunktes hingewiesen hat.

Damit oblag es im Streitfall dem Kläger, durch schriftsätzlichen Vortrag ein "Rechtsirrtum" in den Prozess einzuführen und durch konkrete Tatsachen zu substantiieren. Dies ist nicht geschehen.

(22) Im Übrigen schließt das Vorliegen eines Rechtsirrtums eine Kündigung nicht ohne weiteres aus (GK-Dörner, § 1 KSchG Rz. 277, 286). Allerdings wird, weil die verhaltensbedingte Kündigung regelmäßig ein Verschulden des Arbeitnehmers voraussetzt (BAG, Urteil vom 21.01.1999, 2 AZR 665/98, AP Nr. 151 zu § 626 BGB, zu II 4 a-c), der unverschuldete (unvermeidbare) Rechtsirrtum gegen eine außerordentliche Kündigung sprechen. Auch ein fahrlässiger Rechtsirrtum kann, weil er den Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers verringert, nicht außer Betracht bleiben.

Hat der rechtsunkundige Arbeitnehmer anwaltliche Rechtsberatung eingeholt, spricht einiges dafür, dass ein auf der (falschen) Beratung gegründeter Rechtsirrtum unverschuldet ist. Zwar muss der Arbeitnehmer in Rechnung stellen, dass sich sein Anwalt irren kann, es diesem persönlich, fachlich oder sachlich an Erkenntnismöglichkeiten fehlt und er aus der Position des Interessenvertreters und des - auch gebührenrechtlichen - Eigeninteresses, den Mandanten zu behalten, die Aussichten der angeratenen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung schönt. Andererseits ist die rechtsunkundige Partei nicht befähigt, die anwaltliche Beratung selbst zu überprüfen, und es kann ihr nicht zugemutet werden bei anderen aller Rechtsanwälten eine weitere Rechtsberatung einzuholen, wobei ohnehin Quantität nicht Qualität ersetzt. Auch lässt sich wenn es um das Verschulden des Arbeitnehmers geht, § 278 BGB nicht nutzbar machen. Die Vorschrift ermöglicht die Zurechnung des Verschuldens des Erfüllungsgehilfen. Sie hilft aber nicht darüber hinweg, dass für die verhaltensbedingte Kündigung der Grad des Eigenverschuldens des Arbeitnehmers maßgebend ist.

Kann daher den Arbeitnehmer den auf falscher anwaltlicher Beratung beruhenden Rechtsirrtum grundsätzlich entlasten, so kann unter besonderen Umständen auch schuldlos rechtsirriges Fehlverhalten des Arbeitnehmers den Arbeitgeber zur verhaltensbedingten Kündigung berechtigen (BAG, Urteil vom 21.01.1999, a. a. O.). Der Anerkennung dieses Ausnahmefalles bedarf es, weil § 626 Abs. 1 BGB kein Verschulden verlangt und es dem Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer nicht zur Einholung einer richtigen (anderen) Rechtsberatung zwingen kann, das Fehlverhalten sanktionslos hinzunehmen. Daher kann ausnahmsweise eine verhaltensbedingte Kündigung auch ohne Verschulden des Arbeitnehmers oder bei geringem Verschulden gerechtfertigt sein, wenn eine besondere Schwere der Pflichtverletzungen vorliegt. Die besondere Schwere kann den Leistungsbereich wie den Vertrauensbereich betreffen und in der Art der Pflichtverletzungen (z. B. Tätlichkeiten, Beleidigungen, Eigentums- und Vermögensdelikte) und ihrer fortdauernden und wiederholten Begehung und der daraus begründeten Wiederholungsgefahr bestehen. Der Arbeitnehmer kann sich dann nicht mehr mit falscher anwaltlicher Beratung exkulpieren, sondern muss sich darauf verweisen lassen, wegen seines finanziellen Schadens den Anwalt in Regress zu nehmen.

Unterstellt man im Streitfall, dass der Kläger hinsichtlich des Zurückbehaltungsrechtes fortlaufend und auch nach anwaltlichen Abmahnungen der Gegenseite falsch beraten worden ist, so ist die streitbefangene Kündigung objektiv als letzte Maßnahme unausweichlich, weil der Kläger zwei Monate lang die Arbeit verweigert hatte und im Kündigungszeitpunkt keine Anstalten machte, von seiner Haltung abzurücken, sich nicht einmal bis dahin bereit gezeigt hatte, der Beklagten Auskunft über von ihm bearbeitete Vorgänge zu geben.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat nach § 91 Abs. 1 ZPO der Kläger als unterlegene Partei zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht ist ein gesetzlicher Grund nicht ersichtlich. Wegen der Einzelheiten der Nichtzulassungsbeschwerde wird der Kläger auf § 72 a ArbGG hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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