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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 07.01.2004
Aktenzeichen: 12 TaBV 69/03
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB, ZPO, StGB


Vorschriften:

BetrVG § 25 Abs. 1 Satz 2
BetrVG § 78 Satz 2
BetrVG § 83
BetrVG § 102 Abs. 2
BetrVG § 103
BetrVG § 103 Abs. 2
BGB § 562
BGB § 562 Abs. 1 Satz 2
BGB § 626
BGB § 626 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
BGB § 622 Abs. 2 Nr. 7
ZPO § 811 Nr. 1
ZPO § 812
StGB § 289
1. Zur Anwendbarkeit des Untersuchungsgrundsatzes (§ 83 ArbGG) zu Lasten des Betriebsratsmitgliedes im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG.

2. Zur Pfandkehr als Kuendigungsgrund, zur Unpfaendbarkeit gebrauchter Kuechenmoebel und einer gebrauchten Waschmaschine und zur Interessenabwaegung bei Eigentums-, Vermoegens- und aehnlichen Delikten.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

12 TaBV 69/03

Verkündet am 07. Januar 2004

In Sachen

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Anhörung vom 07.01.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plüm als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Thivessen und die ehrenamtliche Richterin Zachau

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.06.2003 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Die Arbeitgeberin (Antragstellerin) begehrt im vorliegenden Beschlussverfahren die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats (Beteiligter zu 2) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3).

Der Beteiligte zu 3), am 23.12.1951 geboren, verheiratet, acht Kinder, davon noch 5 bei ihm wohnend, trat am 01.04.1974 als Installateur in die Dienste der Arbeitgeberin, einer Wohnungsbaugenossenschaft in Düsseldorf mit derzeit 19 Arbeitnehmern. Nach der Ausbildung zum Kaufmann für Wohnungswirtschaft wurde der Beteiligte zu 3) als technischer Angestellter in der Verwaltung beschäftigt und war dort mit der Verwaltung der Mitglieder sowie der von diesen angemieteten Wohnungen der Arbeitgeberin befasst. Zuletzt hatte die Arbeitgeberin den Beteiligten zu 3) nicht mehr in der Verwaltung, sondern als Hausmeister eingesetzt. Der Beteiligte erhob hiergegen Klage; der Prozess ist im Hinblick auf die anschließend von der Arbeitgeberin beantragte streitgegenständliche Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung nicht weiter betrieben worden.

Die Beschäftigten der Arbeitgeberin haben einen - einköpfigen - Betriebsrat gewählt, nämlich den Beteiligten zu 3), und als Ersatzmitglieder die Mitarbeiter Q. und L. (LAG Düsseldorf, Urteil vom 06.01.2004, 6 Sa 1387/03).

Die Arbeitgeberin hatte eine Wohnung zu einer Monatsmiete von Euro 215,55 an die Tochter des Beteiligten zu 3), N. K., vermietet. Im Jahr 2002 war die N. K. mit Mietzahlungen in Rückstand geraten. Die Arbeitgeberin hatte die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses erklärt, jedoch von der Erwirkung eines Räumungstitels abgesehen. Andere Gläubiger der N.. K. hatten - fruchtlos verlaufene - Pfändungen in ihrer Wohnung durchgeführt.

Ende August 2002 fand die Arbeitgeberin in ihrem Briefkasten Haus- und/oder Wohnungsschlüssel der N. K. auf. Daraufhin öffnete sie im Beisein des Beteiligten zu 3) am 29.08.2002 die Wohnung. Zu diesem Zeitpunkt waren die Mietrückstände der N. K. auf Euro 1.060,63 angelaufen.

Bei der Wohnungsbesichtigung, die durch Fotos festgehalten wurde, wurde festgestellt, dass die eingerichtete Wohnung in einem desolaten Zustand und stark von Ungeziefer befallen war.

Einige Zeit nach dem 29.08.2002 ließ sich der Beteiligte zu 3) durch den - für Wohnungsbesichtigungen und Entrümpelungen bei der Arbeitgeberin zuständigen - Mitarbeiter S. den Haus- und Wohnungsschlüssel geben. Damit bekam er Zugang zu der Wohnung und schaffte, womit seine Tochter einverstanden war, eine ältere Waschmaschine und Küchenschränke heraus und transportierte sie zu seinem Sohn C. K., der, damals noch in der Ausbildung und werdender Vater, ebenfalls eine Wohnung der Arbeitgeberin angemietet hat.

Anfang Dezember 2002 räumte ein von der Arbeitgeberin beauftragtes Unternehmen die Wohnung der N. K., wobei nach Anweisung des Mitarbeiters S. alle Sachen zur Müllentsorgung gegeben wurden.

Am 11.03.2003 machte die Arbeitgeberin anlässlich einer Besichtigung der Wohnung des C. K. Fotoaufnahmen. Am Folgetag stellte sie bei einem Vergleich dieser Fotos mit den Fotos vom 29.08.2002 die Identität der Waschmaschine und von Küchenmobiliar fest. Mit Schreiben vom 25.03.2003 bat sie das Ersatzmitglied Q. mit der Begründung, der Beteiligte zu 3) habe dem Vermieterpfandrecht unterliegende Sachen aus der Wohnung der N. K. entwendet und unter dem Vorwand, persönliche Papiere und Urkunden seiner Tochter aus der Wohnung holen zu wollen, sich die Schlüssel verschafft, um Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3). Noch am 25.03.2003 erklärte das Ersatzmitglied Q. den Widerspruch des Betriebsrats zur Kündigung.

Am 26.03.2003 hat die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht Düsseldorf das Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) zu ersetzen.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben die Zurückweisung des Antrags der Arbeitgeberin beantragt.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 12.06.2003 den Antrag der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde greift die Arbeitgeberin den Beschluss an. Sie meint, dass die Begründung des Arbeitsgerichts tragend unrichtig sei und ob ihrer "Blauäugigkeit" nur verwundern könne. Das Arbeitsgericht habe, aus welchen Gründen auch immer, den eigentlichen Kündigungsvorwurf nicht erkannt, nämlich den durch den Beteiligten zu 3) begangenen Vertrauensbruch (Entfernung von Waschmaschine und Küchenmobiliar - Wert ca. 560 Euro -, Erschleichen der Wohnungsschlüssel).

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben die Zurückweisung der Beschwerde beantragt und behauptet: Bereits im Frühjahr 2002 habe die Arbeitgeberin gegenüber der Ehefrau des Beteiligten zu 3) die beabsichtigte Auslagerung von Mobiliar aus der Wohnung der N. K. gebilligt. Anlässlich einer Ende September 2002 erfolgten Besichtigung der Wohnung des C. K. sei den Vorstandsmitgliedern S. und W. der Arbeitgeberin auf deren Frage nach dem "Gerumpel im Keller" erklärt worden, dass es sich um Sachen aus der Wohnung der N. K. handele. Der Beteiligte zu 3) hat weiter geltend gemacht, dass er die Waschmaschine und Küchenmöbel im Jahr 1993 gekauft und seiner Tochter lediglich zum Gebrauch überlassen habe. Die (defekte) Waschmaschine und die Küchenmöbel seien im Übrigen wertlos und für die Müllentsorgung vorgesehen gewesen.

Der Zustand der Wohnung am 29.08.2002 habe ihn, den Beteiligten zu 3), schockiert und sei ihm peinlich gewesen. Deshalb habe er danach den Mitarbeiter S. um die Schlüssel, die jederzeit zugänglich gewesen seien, gebeten und an mehreren Tagen in der Wohnung aufgeräumt. Dem Arbeitskollegen S. habe er auch mitgeteilt, dass er einige Sachen aus der Wohnung seine Tochter schaffen wolle.

Die Beteiligten zu 2) und 3) halten die Anhörung des Ersatzmitglieds Q. für unwirksam: Herr Q. sei damals krankgeschrieben gewesen und habe seine Unterschrift am 25.03.2003 bei einem Gespräch in seinem Pkw geleistet.

Die Arbeitgeberin hält daran fest, dass der Beteiligte zu 3) seine Bitte nach den Schlüsseln gegenüber dem Mitarbeiter S. lediglich damit begründet habe, persönliche Papiere und Urkunden seiner Tochter aus der Wohnung holen zu wollen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen. Die Kammer hat am 07.01.2004 die Vorstandsmitglieder X. und T. sowie den Beteiligten zu 3) persönlich zu den Geschehnissen angehört.

II. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist erfolglos. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass es an einem wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB fehlt, und daher zu Recht die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) nicht gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG ersetzt.

1. Die Kammer geht zu Gunsten der Arbeitgeberin davon aus, dass die Arbeitgeberin den Betriebsrat ordnungsgemäß nach § 103 BetrVG angehört hat. Aus der Krankschreibung des (ersten) Ersatzmitgliedes Q. wegen Kniebeschwerden folgt nicht dessen Amtsunfähigkeit i. S. v. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG (Fitting, BetrVG, 21. Aufl., § 25 Rz. 17). Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2) und zu 3) wurde mit der im Pkw des Ersatzmitgliedes durchgeführten Anhörung und Beschlussfassung des Betriebrats auch nicht gegen das Gebot der Nichtöffentlichkeit (§ 30 Abs. 4 BetrVG) verstoßen. Zum einen ist der Pkw des Ersatzmitgliedes kein öffentliches, sondern ein privates Verkehrsmittel und daher von Natur aus für die diskrete Behandlung nichtöffentlicher Angelegenheiten geeignet. Zum anderen hat die Verletzung des Nichtöffentlichkeitsgebotes, insbesondere die Anwesenheit des Arbeitgebers bei Betriebsratssitzungen und Beschlussfassung, grundsätzlich nicht die Unwirksamkeit des Anhörungsverfahrens oder des Betriebsratsbeschlusses zur Folge (BAG, Urteil vom 13.06.1996, 2 AZR 745/95, ArbuR 1996, 408).

2. Die Kammer kann offen lassen, ob die Arbeitgeberin die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten hat. Immerhin wenden die Beteiligten zu 2) und 3) ein, dass dem Vorstandsmitglied T. der Arbeitgeberin länger als zwei Wochen vor der Einleitung des Anhörungsverfahrens, nämlich schon Ende September 2002, bekannt war, dass Einrichtungsgegenstände aus der Wohnung der N. K. in die Wohnung des C. K. verbracht worden waren, und das Vorstandsmitglied aufgrund eines Gesprächs mit der Ehefrau des Beteiligten im Frühjahr 2002 weiterhin davon ausgehen musste, dass der Beteiligte zu 3) den Transport zu verantworten hatte. Die Arbeitgeberin hat dies zwar bestritten, aber keinen zulässigen Beweis für die Tatsachen anbieten können, die die Einhaltung der zweiwöchigen Ausschlussfrist ergeben. Die Erklärungen des Vorstandsmitgliedes T. im Anhörungstermin haben die Kammer ebenfalls nicht von der Richtigkeit des Vorbringens der Arbeitgeberin überzeugt.

Es braucht im Streitfall nicht geklärt zu werden, wie sich ungenügendes Vorbringen oder Beweiserbieten des Arbeitgebers zu § 626 BGB im Zustimmungsersetzungsverfahren auswirkt. Nach der unveröffentlichten Spruchpraxis der Kammer (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 29.11.1993, 12 TaBV 82/93) ist allerdings der für das Beschlussverfahren geltende Untersuchungsgrundsatz (§ 83 ArbGG) auf das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG wegen der Präjudizwirkung für den Kündigungsschutzprozess (vgl. BAG, Urteil vom 15.08.2002, 2 AZR 214/01, AP Nr. 48 zu § 103 BetrVG 1972 = ArbuR 2003, 156 ) und wegen § 78 Satz 2 BetrVG nur eingeschränkt anwendbar und führt nicht dazu, dass die Arbeitsgerichte ungenügend vorgetragenen Kündigungssachverhalt auch zu Gunsten des Arbeitgebers aufklären und bei dieser Ermittlung von sich aus Beweis erheben müssen (ebenso APS/Bock, § 103 BetrVG Rz. 25, KR/Etzel, 6. Aufl., § 103 BetrVG Rz. 115 f.).

3. Für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung fehlt es an einem wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB.

a) Nach der Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts ist das vom Arbeitnehmer begangene Eigentums- oder Vermögensdelikt zum Nachteil des Arbeitgebers an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dies gilt auch, wenn es um Gegenstände von nur geringem Wert geht. Während einerseits gerade der besondere Unrechtsgehalt der Straftat oder das mit der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung verbundene Unwerturteil den "an sich" wichtigen Grund ausmachen (vgl. BAG, Urteil vom 12.08.1999, 2 AZR 923/98, AP Nr. 28 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung = ArbuR 1999, 486, BAG, Beschluss vom 08.06.2000, 2 ABR 1/00, AP Nr. 3 zu § 2 BeschSchG = ArbuR 2001, 271), kommt es andererseits nicht auf die strafrechtliche Würdigung des Fehlverhaltens an, sondern auf die Beeinträchtigung des für das Arbeitsverhältnis erforderlichen Vertrauens durch das Verhalten (BAG, Urteil vom 05.11.1992, 2 AZR 147/92, AP Nr. 4 zu § 626 BGB Krankheit = AiB 1993, 327).

Als erschwerend wertet es der 2. Senat, wenn die Straftat mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers zusammenhängt, der Arbeitnehmer eine sich aus dem Arbeitsvertrag ergebende Obhutspflicht verletzt und das Delikt innerhalb seines konkreten Aufgabenbereiches bei Gelegenheit der Arbeitsleistung verübt (vgl. BAG, Urteil vom 27.03.2003, 2 AZR 51/02, AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 = ArbuR 2003, 435, BAG, Urteil vom 12.08.1999, 2 AZR 923/98, AP Nr. 28 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung = AiB 2000, 173).

Danach stellt die vom Arbeitnehmer verübte Pfandkehr (§ 289 Abs. 1 StGB) wie auch die sonstige grobe Pflichtverletzung, mit der das Vermieterpfandrecht (§ 562 Abs. 1 BGB) des Arbeitgebers vereitelt wird, einen an sich geeigneten Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Dass Pfandkehr nur auf Antrag verfolgt wird (§ 289 Abs. 3 StGB), ändert nichts daran, dass die Strafvorschrift dem Schutz privater Pfandrechte und damit dem Schutz des Gläubigers auf Befriedigung aus dem Schuldnervermögen dient. Insoweit kommt Pfandkehr einem Vermögensdelikt gleich und gibt wie dieses einen an sich wichtigen Kündigungsgrund ab.

b) Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, dass der Beteiligte zu 3) den Straftatbestand der Pfandkehr (§ 289 Abs. 1 StGB) nicht erfüllt habe, weil Küchenmöbel und Waschmaschine nach § 811 Nr. 1 ZPO unpfändbarer Hausrat seien und daher nicht dem Vermieterpfandrecht nach § 562 Abs. 1 Satz 2 BGB unterlägen. Weil nach Auffassung der Kammer die Kündigung jedenfalls aus anderen Gründen unwirksam ist, braucht sie nicht zu entscheiden, ob Küchenschränke und Waschmaschine gemäß § 811 Nr. 1 ZPO unpfändbar sind (zum Streitstand: LG Konstanz, Urteil vom 28.09.1990, DGVZ 1991, 25, MüKo/Schilken, ZPO, 2. Aufl., § 811 Rz. 46, 50, Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 811 Rz. 28, Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 811 Rz. 23, Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 811 Rz. 12, Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 811 Rz. 15; LG Berlin, Urteil vom 04.01.1992, NJW-RR 1992, 1038, vgl. BVerwG, Urteil vom 01.10.1998, NJW 1999, 664) und ob dies auch dann gilt, wenn es sich - wie im Streitfall bei den Sachen in der Wohnung der N. K. - um den Hausrat einer Einzelperson handelt, den diese aktuell nicht nutzt, weil sie auf Ungewisse Zeit zu ihrem Freund gezogen ist. Allerdings greift die Arbeitgeberin mit der Beschwerde die Annahme des Arbeitsgerichts, dass die Sachen unpfändbar gewesen seien, nicht an.

Problematisch, aber hier ebenso wenig klärungsbedürftig ist die Anwendbarkeit des § 812 ZPO auf das Vermieterpfandrecht (dafür: AG Köln, Urteil vom 28.11.1986, WuM 1989, 296, Staudinger/Emmerich, BGB (2003), § 562 Rz. 26, Bamberger/Roth/Ehlert, BGB, § 562 Rz. 24, Palandt/Weidenkaff, BGB, 63. Aufl., § 562 Rz. 17; a.A. Zöller/Stöber, § 812 Rz. 1, Stein/Jonas/Münzberg, § 812 Rz. 1, Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 812 Rz. 1, 3). Immerhin ist bei Gegenständen des häuslichen Gebrauchs der Gerichtsvollzieher berechtigt, selbständig den vermutlichen Erlös einer Pfandsache zu schätzen und diesen zu ihrem Wert bzw. den zu erwartenden Vollstreckungskosten ins Verhältnis zu setzen. Im vorliegenden Fall bescheinigten Gerichtsvollzieher bei vorausgegangenen Pfändungen die Unpfändbarkeit des Hausrats der N. K..

Es kann außerdem dahin stehen, ob die Sachen jemals der N. K. gehörten.

Gemäß § 562 BGB entsteht das Vermieterpfandrecht nur an pfändbaren Sachen gerade des Mieters und nicht an Sachen, die bereits vor ihrer Einbringung der Sachen einem Dritten gehörten. Der Beteiligte zu 3) hat unwiderlegt vorgetragen, dass er die Sachen gekauft habe. Gleiches gilt für seine Behauptung, dass er die Sachen seiner Tochter N. K. leihweise zum Gebrauch überlassen und er sich je nach Bedarfsfall die Weitergabe der Sachen an ein anderes Kind vorbehalten habe. Darin sieht die Kammer nach Lage der Dinge in Ansehung der Erklärung der N. K. vom 26.03.2002 (Bl. 51 d.A.) keine bloße Schutzbehauptung. Allerdings erscheint im Hinblick auf den ca 10-jährigen Besitz auch die Bewertung angängig, dass die Gegenstände der N. K. übereignet waren und sie lediglich ihrem Vater, dem Beteiligten zu 3), versprochen hatte, die Gegenstände ihm oder einem anderen Familienmitglied zu schenken, wenn sie diese nicht oder ein anderer diese dringender benötigt.

c) Mit der Berufung auf ihr Vermieterpfandrecht schiebt die Arbeitgeberin lediglich eine formale Rechtsposition vor. Das ist rechtsmissbräuchlich (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.04.1998, JurBüro 1998, 437). Nach den Gesamtumständen steht fest, dass sie die Entfernung der Sachen ohne Gerichtsverfahren, insbesondere ohne Versteigerung oder sonstige Verwertung durch den Gerichtsvollzieher, der bereits die Geringwertigkeit bzw. Wertlosigkeit der Sachen reklamiert hatte, erreichen wollte.

Aus diesem Grund ist unerheblich, dass die Arbeitgeberin das undatierte Schreiben des Küchen-Ateliers C. aus F. vorlegt, wonach anhand der von der Arbeitgeberin zugesandten Fotos der Wert der Einbauküche ohne Elektrogeräte auf 480,00 € und der Wert des AEG Öko-Lavamat Waschautomaten auf 80,00 € beziffert wird (Bl. 71 d. A.). Die Erklärung ist ohne Indizkraft. Auch sind die geäußerte Wertschätzung eines Küchenstudios und die realen Möglichkeiten der Vermarktung von altem Hausrat zweierlei Dinge, dies nicht nur in Düsseldorf, sondern auch in F..

Danach braucht in diesem Zusammenhang nicht weiter gewürdigt zu werden, dass die Arbeitgeberin daher auf das Anerbieten der Beteiligten zu 3) vom 23.03.2002, ihr die Gegenstände wieder zur Verfügung zu stellen (B. 53 d.A.), nicht eingegangen ist. Ebenso wenig braucht vertieft zu werden, dass - wie der Beteiligte zu 3) unwidersprochen vorgetragen hat - die Mietzinsforderungen der Arbeitgeberin durch Verrechnung gegen die Genossenschaftsanteile der N. K. Ende 2002 erfüllt und auch die Räumungskosten beglichen wurden.

Weiterhin ist nach Auffassung der Kammer nicht das Tatbestandsmerkmal der "Wegnahme in rechtswidriger Absicht" (§ 289 Abs. 1 StGB) gegeben. Unabhängig davon, ob die Arbeitgeberin sich im Frühjahr 2002 damit einverstanden erklärte, ob der Beteiligte zu 3) bzw. dessen Ehefrau die Waschmaschine u. Küchenschränke aus der Wohnung der Tochter abtransportierten, und unabhängig davon, ob der Beteiligte zu 3) annahm, als Eigentümer über die Sachen verfügen, insbesondere sie an sich nehmen und seinem Sohn überlassen zu dürfen, konnte er keinesfalls davon ausgehen, dass die Arbeitgeberin an den Sachen ein Vermieterpfandrecht ausüben wollte. Zum einen wäre die Ausübung des Vermieterpfandrechts umständlich und unwirtschaftlich gewesen. Zum anderen sollten laut Anweisung des Mitarbeiters S. die ausgeräumten Sachen zur Müllentsorgung gegeben werden, was dann Anfang Dezember 2002 auch geschah. Schließlich war der Arbeitgeberin - auch aus Rücksichtnahme auf den Beteiligten zu 3) und zur Vermeidung zusätzlicher Kosten - erkennbar daran gelegen, ohne weiteren Räumungsprozess die Wohnung, die die N. K. nicht zurückgegeben hatte, unter Hinzuziehung des Beteiligten zu 3) quasi als ihres Vertreters alsbald in Besitz zu nehmen, um sie instand setzen und weiter vermieten zu können. Dies konnte nur durch einen auch so geäußerten Entrümpelungsakt und nicht durch die Ausübung des Vermieterpfandrechts bewerkstelligt werden. Der Beteiligte zu 3) hatte daher keine Veranlassung anzunehmen, mit dem Abtransport der - ca. 10 Jahre alten - Waschmaschine und Küchenschränke das Vermieterpfandrecht der Arbeitgeberin zu vereiteln. Vielmehr lag nahe, dass er meinte, der Arbeitgeberin durch die Verringerung des Räumungsgutes wie auch durch seine Beteiligung bei der Rückgabe der Wohnung einen Gefallen zu erweisen. Wenn er - was nicht geklärt ist - der Beteiligte zu 3) sich von dem Kollegen S. die Haus- und Wohnungsschlüssel mit der falschen, weil halbwahren Angabe, persönliche Papiere und Urkunden seiner Tochter aus der Wohnung holen zu wollen, geben ließ, liegt die Erklärung seines Tuns darin, dass ihm peinlich war, wie seine Tochter die Wohnung hinterlassen hatte, und dass es ihm gleichermaßen peinlich gewesen wäre, seinen Arbeitskollegen gegenüber offen einzuräumen, dass seiner Familie noch an Sachen aus der Wohnung gelegen war.

d) Die Arbeitgeberin rechtfertigt die beabsichtigte Kündigung damit, dass der Beteiligte zu 3) den Mitarbeiter S. getäuscht habe, indem er sich unter dem Vorwand, persönliche Papiere und Urkunden der N. K. aus der Wohnung zu holen, Haus- bzw. Wohnungsschlüssel aushändigen ließ.

Diesen Vorwurf vermag der Beteiligte zu 3) nicht von vornherein mit dem Einwand, dass die Schlüssel jederzeit zugänglich gewesen seien, auszuräumen, denn im Gegensatz zu dem - für Entrümpelungen zuständigen - Mitarbeiter S. gab es für ihn keinen dienstlichen Grund, die Schlüssel an sich zu nehmen und so Zutritt zu der Wohnung seiner Tochter zu verschaffen. Außerdem war er, wenn er Waschmaschine und Küchenschränke aus der Wohnung holen wollte, arbeitsvertraglich gehalten, darüber den Mitarbeiter S. zu informieren und dessen Einverständnis einzuholen. Die Angabe, persönliche Papiere und Urkunden aus der Wohnung holen zu wollen, war daher als Halbwahrheit eine Lüge. Selbst wenn es dem Beteiligten zu 3) "auch" um die Sicherstellung dieser Papiere ging, hätte er die Absicht, Hausratsgegenstände herauszuholen, nicht verheimlichen dürfen. Insoweit entlastet den Beteiligten zu 3) keine rechtliche Unsicherheit oder Peinlichkeit.

Der Umstand, dass - so die bestrittene Behauptung der Arbeitgeberin - der Beteiligte zu 3) den Mitarbeiter S. anlog bzw. ihm gegenüber verheimlichte, dass er Waschmaschine und Küchenschränke aus der Wohnung seiner Tochter N. K. zur Wohnung seines Sohns C. K. schaffen wollte, gewinnt zwar dadurch, dass er mit Hilfe des ihm ausgehändigten Schlüssels in die Wohnung der N. K. gelangen konnte und dies zum Abtransport der Gegenstände ausnutzte, an kündigungsrechtlicher Relevanz. Jedoch rechtfertigt, wenn man für einen an sich geeigneten Kündigungssachverhalt eine gewisse Schwere verlangt (vgl. zu dieser Problematik KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 100, Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl., Rz. 612, ErfK/Müller-Glöge, 4. Aufl., § 626 BGB Rz. 62), nach Auffassung der Kammer der Gesamtvorgang keine außerordentliche Kündigung. Denn nach Lage der Dinge und bei verständiger Betrachtung lag kein tieferer Vertrauensbruch vor.

Der Beteiligte zu 3) wollte die Arbeitgeberin nicht schädigen und tat dies auch nicht.

e) Keinesfalls ist die außerordentliche Kündigung nach der gebotenen umfassenden Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt, wobei mit der BAG-Rechtsprechung (BAG, Beschluss vom 10.02.1999, 2 ABR 31/98, AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969) bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 3) auf die "fiktive Kündigungsfrist" (nach § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB: sieben Monate zum Monatsende) abzustellen ist.

Das Interesse des Beteiligten zu 3) an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes ergibt sich in erster Linie aus der Dauer der bei der Beklagten verbrachten, störungsfrei verlaufenen Dienstzeit (annähernd 30 Jahre), seinem Familienstand (verheiratet) sowie seinen Unterhaltspflichten für die fünf bei ihm wohnenden Kinder. Außerdem verschlechtert sein Lebensalter (52 Jahre) signifikant die Aussichten, auf dem Arbeitsmarkt einen gleichwertigen Arbeitsplatz zu finden, zumal die fristlose Kündigung wegen ihrer diskriminierenden Wirkung seine Chancen weiter herabsetzt, eine neue adäquate Anstellung zu finden.

Das Interesse der Arbeitgeberin, sich vom Beteiligten zu 3) zu trennen, wiegt dessen Bestandsschutzinteresse des Beteiligten nicht auf. Die Verfehlungen des Beteiligten zu 3) sind, selbst wenn man den Sachvortrag der Arbeitgeberin in den streitigen Punkten als richtig unterstellt und wenn man eine durch den Beteiligten zu 3) begangene Pfandkehr i.S.v. § 289 StGB annimmt, nicht so gravierend, dass das Vertrauensverhältnis als zerrüttet angesehen werden kann. Dabei übersieht die Kammer nicht, dass die Tat mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des Beteiligten zu 3) zusammenhängt und er das Vertrauen seines Arbeitskollegen S. ausnutzte, wenn er ihn mit der Angabe, es ginge nur um die Sicherstellung persönlicher Papiere und Urkunden, zur Aushändigung der Schlüssel veranlasste. Wenn danach die Arbeitgeberin im Wesentlichen dem Beteiligten zu 3) einen Vertrauensbruch anlastet, hätte sie ihm zunächst zugute halten müssen, dass er bei seinem Verhalten zumindest einem Verbotsirrtum unterlegen war (vgl. BAG, Urteil vom 14.02.1996, 2 AZR 274/95, AP Nr. 26 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung = AiB 1997, 302) und dass im Übrigen der Grad seines Verschuldens und seiner Pflichtwidrigkeit gering war, weil er sie, die Arbeitgeberin, nicht schädigte, dies auch nicht wollte, sondern es ihm darum ging, seiner Familie noch nützliche Sachen zu erhalten und vor der Müllabfuhr zu retten sowie seinem Sohn in finanziell bedrängter Lage zu helfen.

Nach zutreffender BAG-Judikatur ist auch bei Störungen im Vertrauensbereich das Abmahnungserfordernis stets zu prüfen und eine Abmahnung jedenfalls dann vor Ausspruch der Kündigung erforderlich, wenn ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers in Rede steht und erwartet werden kann, dass das Vertrauen wiederhergestellt wird (BAG, Urteil vom 04.06.1997, 2 AZR 526/96, AP Nr. 137 zu § 626 BGB = ArbuR 1998, 127, BAG, Urteil vom 18.10.2000, 2 AZR 131/00, AP Nr. 169 zu § 626 BGB). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach einer Abmahnung bestand keine Wiederholungsgefahr, auch nicht dahingehend, dass der Beteiligte zu 3) nochmals die Arbeitgeberin anlügen oder gegenüber einem zuständigen Arbeitskollegen verheimlichen würde, weshalb er (auch) die Schlüssel für die von einem seiner Kinder angemietete Wohnung benötige. Damit konnte die Arbeitgeberin - aus objektiver, verständiger Sicht - vom Fortbestand der für den weiteren Vollzug des Arbeitsverhältnisses notwendigen Vertrauensgrundlage ausgehen, zumal - wie ausgeführt - die Verfehlung des Beteiligten zu 3) nicht besonders schwer wiegt und keine Vermögenseinbußen oder sonstigen Nachteile, z.B. eine Schädigung des Geschäftsrufs oder Beeinträchtigung der betrieblichen Ordnung oder des Betriebsfriedens, verursacht hat. Nach allem hält die Kammer den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung für eine unverhältnismäßige Reaktion (vgl. auch - unter Hinweis auf vatikanische Orientierungssätze - ArbG Düsseldorf, Urteil vom 05.04.1995, ArbuR 1995, 334 f., zur Armenspeisung mit verfallenen Lebensmitteln), zumal sich der Beteiligte zu 3) ansonsten jahrzehntelang an die betrieblichen Regeln gehalten hat und lediglich in einem Ausnahmefall und dann unter erheblich mildernden Umständen versagt haben könnte.

III. Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen, weil der Umfang der in § 83 BetrVG vorgesehene Amtsermittlung im Rahmen des Verfahrens nach § 102 Abs. 2 BetrVG und die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pfandkehr höchstrichterlich nicht geklärt sind. Zudem erscheint nach der bisher nur als Pressemitteilung Nr. 83/03 vorliegenden BAG-Entscheidung vom 11.12.2003 (2 AZR 36/03) und im Licht der dort für die Interessenabwägung vorgegebenen Grundsätze wissenswert, inwieweit begangene oder versuchte Pfandkehr und Anlügen des Arbeitgebers ein für den Arbeitnehmer negatives Ergebnis der Interessenabwägung indizieren oder nicht. Daher hat die Kammer die Rechtsbeschwerde nach § 92 abs. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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