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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 03.11.2008
Aktenzeichen: 14 Sa 1034/08
Rechtsgebiete: KSchG, BGB, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 6
KSchG § 23 Abs. 1
BGB § 242
BetrVG § 1
1. Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen liegt nicht vor, wenn es an einer zusammengefassten Einbringung von Betriebsmitteln und Arbeitnehmern fehlt. Daran ändert auch nichts, dass bestimmte Dienstleistungen wie Personalverwaltung und Vergütungsabrechnung durch ein Unternehmen für die gesamte Firmengruppe erbracht werden und zudem eine Personenidentität in der Unternehmensleitung besteht (im Anschluss an BAG, Urteil v. 13.08.2008 - 7 ABR 21/07 - juris).

2. Der Unwirksamkeitsgrund der Treuwidrigkeit einer ordentlichen Kündigung gem. § 242 BGB kann noch im Berufungsverfahren geltend gemacht werden, wenn das Arbeitsgericht im Kündigungsschutzverfahren erster Instanz seine Hinweispflicht gem. § 6 Satz 2 KSchG verletzt hat.

3. Nach der Neufassung des § 6 KSchG hat das Berufungsgericht den Rechtsstreit nicht wegen Verletzung der Hinweispflicht an die erste Instanz zurückzuverweisen, sondern in der Sache selbst über den erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachten anderen Unwirksamkeitsgrund zu entscheiden.

4. Eine ordentliche Kündigung ist gem. § 242 BGB rechtsunwirksam, wenn der Arbeitgeber bei seiner Auswahlentscheidung das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme gegenüber dem Arbeitnehmer verletzt hat (BVerfG, Beschluss vom 27.01.1998, AP Nr. 17 zu § 23 KSchG 1969). Zuvor ausgesprochene Abmahnungen können die Auswahlentscheidung in diesem Zusammenhang jedenfalls dann nicht rechtfertigen, wenn die Beanstandungen eindeutig nicht gravierend waren (im Anschluss an BAG, Urteil vom 28.08.2003, AP Nr. 17 zu § 242 BGB Kündigung).


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 03.06.2008 - 4 Ca 266/08 - abgeändert.Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31.01.2008 nicht aufgelöst wird. Die Kosten des ersten Rechtszuges werden - bei einem Gerichtsgebührenwert von 17.728,-- € - dem Kläger zu 5/18 und der Beklagten zu 13/18 auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Der Gerichtsgebührenwert für den zweiten Rechtszug wird auf 8.298,-- € festgesetzt.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung.

Der am 14.05.1960 geborene Kläger ist verheiratet. In seinem Haushalt leben drei unterhaltsberechtigte eigene Kinder und zwei weitere aus der ersten Ehe seiner Frau. Der Kläger trat zum 01.07.1976 in die Dienste der Beklagten. Die Beklagte betreibt in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG ein Unternehmen des Glaserhandwerks mit zuletzt acht Arbeitnehmern und einem Auszubildenden. Von diesen Arbeitnehmern waren in dem Zeitraum bis zum 31.12.2003 neben dem Kläger nur drei weitere Arbeitnehmer beschäftigt. Es wird im Übrigen auf die von der Beklagten im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht vorgelegte Personalliste verwiesen (Bl. 20 d.A.). Das Arbeitsverhältnis des als Glaser/Monteur tätigen Klägers war von 1985 bis 1988 unterbrochen, weil dieser auf Wunsch der Beklagten in einem anderen Unternehmen eingesetzt war. Die Parteien vereinbarten jedoch, dass die Unterbrechungszeit auf die Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten anzurechnen sei. Der Kläger bezog zuletzt eine monatliche Vergütung von 2.766,-- € brutto.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Q.-Gruppe. Im Frühjahr 2006 zog die Beklagte, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand, aus dem bisherigen Geschäftslokal aus und mietete von der Firma Glas Q. GmbH & Co. KG am L. weg in W. Räume für ihr Lager und ihre Maschinen an. Die Glas Q. GmbH & Co. KG verfügt auf demselben Grundstück über eine Produktionsstätte für Isolierglas und vertreibt dieses an gewerbliche Kunden. Die Beklagte bezieht u.a. Produkte der Glas Q. GmbH & Co. KG. Letztere beschäftigt ca. 50 Arbeitnehmer. Diese haben einen Betriebsrat gewählt. Im Jahr 2007 waren für insgesamt 34 Stunden Arbeitnehmer der Glas Q. GmbH & Co. KG aushilfsweise bei der Beklagten eingesetzt. Es besteht weiterhin eine Firma J. Q. sen. GmbH & Co. KG, deren Verwaltung sich ebenfalls in W. nicht weit vom Sitz der Beklagten befindet. Dieses Unternehmen betreibt an insgesamt 26 Standorten einen Großhandel für Baubedarf. Sie beschäftigt ca. 240 Arbeitnehmer, die ebenfalls einen Betriebsrat gewählt haben. Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft ist bei allen drei Unternehmen Herr Q.-N.. Durch Servicevertrag vom 01.07.2002 übertrug die Beklagte die Geschäftsleitung sowie gegen Entgelt Leistungen im Zusammenhang mit dem Finanz- und Rechnungswesen, mit Hausverwaltung/Versicherungen, mit Personalwesen/Abrechnung, mit dem Fuhrpark und mit EDV- und Operating-Arbeiten auf die J. Q. sen. GmbH & Co. KG. Seit dem 01.03.2006 fungiert als "Geschäftsleiter" bei der Beklagten ein Herr T., der zuvor bei der Glas Q. GmbH & Co. KG beschäftigt war. Die wesentlichen Entscheidungen, z.B. bei Kündigungen, trifft jedoch nach außen der Geschäftsführer Q.-N.. Ein gleichartiger Servicevertrag wie im Falle der Beklagten besteht zwischen der Glas Q. GmbH & Co. KG und der J. Q. sen. GmbH & Co. KG. Die Glas Q. GmbH & Co. KG verfügt ebenfalls nicht über eine eigene Personalabteilung.

Die Beklagte erteilte dem Kläger, dem sie seit dem 01.06.2007 als Vorarbeiter eine monatliche Funktionszulage in Höhe von 150,-- € zahlte, mit getrennten Schreiben vom 21.11.2007 zwei Abmahnungen, in denen bei erneuter Pflichtverletzung mit weiteren arbeitsrechtlichen Maßnahmen oder fristloser bzw. fristgerechter Kündigung gedroht wurde.

In der einen Abmahnung hielt sie dem Kläger vor, am 13.11.2007 eine Baustelle in Meerbusch in einem unordentlichen Zustand verlassen zu haben; es gebe eine klare Anweisung zum Aufräumen von Baustellen, um für etwaige Folgeaufträge einen guten Eindruck beim Kunden zu hinterlassen. Nach einem telefonischen Hinweis des verärgerten Kunden habe man am Folgetag zwei Monteure zur Baustelle schicken müssen, um diese aufzuräumen. An dem genannten Tag hatte der Kläger mit einem Kollegen bei regnerischem und stürmischem Wetter einen Wintergarten aufzubauen. Es wurden dabei Sägespäne fortgeweht, die sich in der Umgebung verteilten.

In der weiteren Abmahnung warf die Beklagte dem Kläger vor, den Geschäftsleiter T. am 14.11.2007 angelogen zu haben. Er habe dem Vorgesetzten, der sich gegen 9.15 Uhr per Handy nach seinem Aufenthaltsort erkundigt habe, geantwortet, er befinde sich auf einer Baustelle in W.. Erst auf entsprechenden Vorhalt von Herrn T. habe der Kläger dann zugegeben, sich im Café "Backfactory" zu befinden. Dieses Café liegt etwa 800 m von der Baustelle entfernt. Es war mit dem Geschäftsleiter T. abgesprochen, dass Kaffee- und Mittagspausen in der Winterzeit nicht im Auto eingenommen werden müssten, sondern dafür z.B. ein Café aufgesucht werden könne.

Der Kläger hat im vorliegenden Rechtsstreit mit einem Antrag auf Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte die Berechtigung der Maßnahmen in Abrede gestellt.

Mit Schreiben vom 18.12.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die ihm gewährte Zulage mit Wirkung zum 01.12.2007 ersatzlos gestrichen habe, da er seit längerer Zeit der Funktion eines Vorarbeiters nicht mehr gerecht werde.

Die Beklagte kündigte schließlich mit Schreiben vom 31.01.2008, dem Kläger zugegangen am gleichen Tag, ordentlich zum 31.07.2008. Sie setzte u.a. das Arbeitsverhältnis mit dem Glaser/Monteur T. fort. Dieser ist ca. 40 Jahre alt, verheiratet, hat zwei unterhaltspflichtige Kinder und ist seit dem 01.07.2006 bei der Beklagten beschäftigt.

Mit der vorliegenden Klage, die am 08.02.2008 beim Arbeitsgericht Krefeld eingegangen ist, hat sich der Kläger u.a. gegen die Kündigung gewandt. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei gemäß § 1 KSchG sozialwidrig. Das Arbeitsverhältnis unterliege dem allgemeinen Kündigungsschutz, da zumindest die auf demselben Gelände tätigen Arbeitnehmer der Glas Q. GmbH & Co. KG berücksichtigt werden müssten. Die Beklagte habe zumindest mit diesem Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb. Die Personalführung werde einheitlich durch den Geschäftsführer Q.-N. gesteuert. Es bestünden gemeinsame Pausen- und Sozialräume Die Lohnabrechnung werde einheitlich durchgeführt, gelegentlich werde auch Personal wechselseitig eingesetzt. Darüber hinaus komme für den Gemeinschaftsbetrieb auch eine Einbeziehung der Arbeitnehmer der in der Nachbarschaft befindlichen J. Q. sen. GmbH & Co. KG in Betracht. Auch wenn dringende betriebliche Gründe für die Beklagte vorliegen sollten, sei die Kündigung jedenfalls wegen mangelnder Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte sozial ungerechtfertigt.

In einem Teilvergleich vom 03.06.2008 haben sich die Parteien unter Beilegung weiterer Streitpunkte darauf verständigt, dass die Vorarbeiterzulage noch bis einschließlich Juli 2008 an den Kläger gezahlt wird und die beiden Abmahnungen - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht der Beklagten - aus der Personalakte des Klägers entfernt werden.

Der Kläger hat alsdann noch beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31.01.2008 nicht beendet wird;

2. bei Erfolg mit dem Feststellungsantrag betreffend den Bestand des Arbeitsverhältnisses die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen als Glaser weiterzubeschäftigen;

3. hilfsweise für den Fall, dass dem Fortbestandsantrag betreffend den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht stattgegeben werden sollte, die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer der Tätigkeit und seine Leistung und sein Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vortragen, dass es sich bei den drei Firmen um völlig unterschiedlich ausrichtete Unternehmen handele, die weder rechtlich noch tatsächlich zusammenarbeiteten. Der stattgefundene Personaltransfer von Seiten der Glas-Q. GmbH & Co. KG habe auf einem Engpass bei der Beklagten beruht und sei geringfügig gewesen; ein solches "Entleihen" erfolge nur im Notfall. Durch die Serviceverträge werde keine gemeinschaftliche Betriebsstruktur hergestellt. Die vorhandenen Betriebsmittel seien nicht zu einem einheitlichen Zweck zusammengefasst. Mit dem Geschäftsleiter T. existiere eine eigenständige institutionalisierte Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten. Er führe das Unternehmen im Grunde eigenverantwortlich und wie ein Geschäftsführer. Seine Entscheidungen über den Personalbestand, Neueinstellungen und Entlassungen würden durch den Geschäftsführer Q.-N. lediglich abgenickt. Die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen erfolgt. Aufgrund eines Auftragsrückgangs sei der in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sich befindende Handwerksbetrieb in der Lage, seine Verpflichtungen mit reduziertem Personal zu erfüllen. Sie habe sich daher entschieden, das Arbeitsverhältnis des Klägers aus Kostengründen zu beenden. Zusätzlicher Grund sei das in den letzten Wochen und Monaten von dem Kläger an den Tag gelegte und immer wieder zu beanstandende Verhalten gewesen, das letztlich auch zu den beiden Abmahnungen geführt habe.

Das Arbeitsgericht hat den Kläger im ersten Rechtszug weder schriftlich noch mündlich darauf hingewiesen, dass sonstige Unwirksamkeitsgründe bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltend gemacht werden müssten.

Durch Urteil vom 03.06.2008 hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Gegen das ihm am 27.06.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.07.2008 Berufung eingelegt und diese am 27.08.2008 begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, es liege entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ein Gemeinschaftsbetrieb der drei Unternehmen der Q.-Gruppe vor, sodass das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung komme. Die Kündigung sei sozialwidrig. Es fehle bereits an ausreichenden betriebsbedingten Gründen. Es liege kein Arbeitsmangel vor. Dies ergebe sich vor allem daraus, dass die Beklagte nach seiner Kündigung in mehreren Zeitungsanzeigen nach Glasern gesucht habe. Die Kündigung sei im Übrigen gemäß § 242 BGB wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Die Beklagte habe ein Mindestmaß an sozialen Erwägungen nicht gewahrt, da sie den weitaus weniger schutzbedürftigen, vergleichbaren Arbeitnehmer T. weiterbeschäftigt habe. Die Beklagte könne sich in diesem Zusammenhang nicht auf eine Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten durch ihn stützen. Soweit sie hierzu überhaupt konkret vorgetragen habe, müsse ihr entgegengehalten werden, dass etwaige Pflichtverstöße in der Vergangenheit bereits durch die Abmahnungen verbraucht seien. Zudem habe sich die Beklagte zwischenzeitlich auch verpflichtet, die Abmahnungen aus seiner Personalakte zu entfernen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 03.06.2008 abzuändern und

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31.01.2008 nicht beendet wird;

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Arbeitsbedingungen mit Wirkung zum 01.08.2008 wieder als Glaser einzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, dass das Arbeitsverhältnis mangels ausreichender Arbeitnehmerzahl des Betriebs nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterfalle. Die Voraussetzungen für die Annahme eines Gemeinschaftsbetriebs lägen nicht vor. Hinsichtlich der Kündigungsgründe beziehe sie sich auf den bisherigen Vortrag. Die im Berufungsverfahren erwähnten Stellenausschreibungen seien erfolgt, weil Arbeitnehmer nach der Entlassung des Klägers ausgeschieden bzw. langfristig erkrankt seien. Entgegen der Ansicht des Klägers sei bei der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses auch ein Mindestmaß an sozialen Erwägungen berücksichtigt worden. Im Rahmen einer Interessenabwägung hätten jedoch die betrieblichen Belange überwogen, insbesondere im Hinblick auf das von dem Kläger an den Tag gelegte Fehlverhalten. Es werde hierzu auf die erstinstanzlichen Ausführungen zu den Abmahnungen verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, gegen die keine Zulässigkeitsbedenken bestehen, ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 31.01.2008 nicht zum 31.07.2008 aufgelöst.

A. Die Vorinstanz hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Kündigung der Beklagten vom 31.01.2008 nicht gemäß § 1 Abs. 1 KSchG sozialwidrig ist. Der Kläger genießt gemäß § 23 Abs. 1 KSchG keinen Kündigungsschutz nach dem Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes.

I. Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes findet gemäß § 23 Abs. 1 KSchG nur Anwendung, wenn in dem Betrieb, in dem der Arbeitnehmer tätig war, zum Kündigungszeitpunkt entweder in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind oder mehr als fünf (Alt-) Arbeitnehmer, die bereits am 31. Dezember 2003 im Betrieb beschäftigt waren. Ersatzeinstellungen für bereits ausgeschiedene "Alt-Arbeitnehmer" werden nicht berücksichtigt. Das folgt sowohl aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. KSchG. als auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung (vgl. BAG, Urteil vom 21.09.2006, AP Nr. 37 zu § 23 KSchG 1969).

II. Die Voraussetzungen für einen Kündigungsschutz nach dem Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes lagen bezogen auf die Arbeitnehmerzahl der Beklagten zum Zeitpunkt der streitbefangenen Kündigung nicht vor. Die Beklagte selbst beschäftigte nicht regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Von den zuletzt bei der Beklagten beschäftigten acht Arbeitnehmern waren insgesamt lediglich vier Arbeitnehmer bereits am 31.12.2003 bei der Beklagten tätig.

III. Dem Kläger kann nicht gefolgt werden, wenn er die Ansicht vertritt, der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG für das Eingreifen des Kündigungsschutzes nach dem Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes sei überschritten, weil die Beklagte einen gemeinsamen Betrieb mit den beiden anderen Unternehmen der Q.-Gruppe, zumindest aber mit der Glas Q. GmbH & Co. KG führe. Die Vorinstanz hat dies mit im Wesentlichen zutreffenden Erwägungen zu Recht verneint.

1. Ein Betrieb ist die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt (vgl. BAG, Urteil vom 11.02.2004, AP Nr. 22 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb; Fitting, BetrVG, 24. Aufl., § 1 Rn. 63 m.w.N). Ein Betrieb kann auch von mehreren Arbeitgebern als gemeinsamer Betrieb geführt werden. Von einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen ist auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Die einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten erstrecken. Eine bloße unternehmerische Zusammenarbeit genügt nicht. Vielmehr müssen die Funktionen des Arbeitgebers institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden. (vgl. BAG, Urteil vom 18.10.2000, AP Nr. 49 zu § 15 KSchG 1969; BAG, Beschluss vom 22.06.2005, AP Nr. 23 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, m.w.N.). Die mit einem Konzernverhältnis verbundene Beherrschung eines Unternehmens durch ein anderes genügt für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs nicht. Dies gilt auch, wenn das herrschende Unternehmen dem beherrschten Unternehmen Weisungen erteilt. Das herrschende Unternehmen wird dadurch nicht zusammen mit dem beherrschten Unternehmen Inhaber eines gemeinsamen Betriebs. Den gemeinsamen Betrieb kennzeichnet die für einen Gesamtzweck zusammengefasste Einbringung von Betriebsmitteln und Arbeitnehmern der verschiedenen Unternehmen. Für die Frage, ob der Kern der Arbeitgeberfunktionen in sozialen und personellen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung ausgeübt wird, ist vor allem entscheidend, ob ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz praktiziert wird, der charakteristisch für den normalen Betriebsablauf ist (vgl. BAG, Beschluss vom 24.01.1996, AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb; BAG, Beschluss vom 22.06.2005, a.a.O.). Die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelte Rechtsfigur des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen wurde durch das Gesetz zur Reform der Betriebsverfassung vom 23.07.2001 in § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BetrVG anerkannt. Die Vorschrift nimmt keine eigenständige Betriebsbestimmung vor, sondern regelt lediglich Voraussetzungen, unter denen ein Gemeinschaftsbetrieb widerlegbar vermutet wird. Sie legt dabei den von der Rechtsprechung entwickelten Begriff zugrunde, der damit weiterhin gültig ist (vgl. BAG, Beschluss vom 11.02.2004, AP Nr. 22 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb; ErfK/Kiel, 9. Aufl., § 23 KSchG Rn. 5).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze geht die Berufungskammer in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil nicht von einem gemeinsamen Betrieb der Beklagten mit den beiden anderen Unternehmen der Q.-Gruppe oder auch nur mit einem dieser Unternehmen aus.

a) Es fehlt für die Annahme eines gemeinsamen Betriebs bereits an einer zusammengefassten Einbringung von Betriebsmitteln und Arbeitnehmern der verschiedenen Unternehmen. Das handwerklich geprägte Unternehmen der Beklagten hat, jedenfalls was die zur Verfolgung der betrieblichen Zwecke primär erforderlichen Betriebsmittel betrifft, keinerlei Berührungspunkte mit dem Großhandel für Baustoffe der J. Q. sen. GmbH & Co. KG, der von W. aus an insgesamt 26 Standorten betrieben wird. Es findet auch kein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz statt. Soweit durch den Servicevertrag vom 01.07.2002 bestimmte Dienstleistungen durch die J. Q. sen. GmbH & Co. KG gegenüber der Beklagten erbracht werden, handelt es sich lediglich um eine arbeitsteilige unternehmerische Zusammenarbeit, wie sie im Rahmen einer Firmengruppe oder im Konzernbereich häufig anzutreffen ist. Nichts anderes gilt im Grundsatz für das Verhältnis der Beklagten zur Glas Q. GmbH & Co. KG. Die Beklagte hat zwar nach ihrem Umzug im Jahr 2006 von diesem Unternehmen Räume angemietet. Es kann aber nach dem unstreitigen Parteivortrag nicht angenommen werden, dass beide Unternehmen in rechtserheblicher Weise Betriebsmittel gemeinschaftlich nutzen. Die Produktionsstätte der Glas Q. GmbH & Co. KG mit angeschlossenem Großhandel besteht völlig getrennt von den Arbeitsbereichen der Beklagten. Eine Nutzung von Pausenräumen der Glas Q. GmbH & Co. KG durch Arbeitnehmer der Beklagten erfolgt allenfalls in geringem Umfang. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass zwei ihrer Mitarbeiter dort über einen Spind für die mitgebrachte Motorradkleidung verfügen. Aus dem Vortrag des Klägers ist eine weitergehende Nutzung nicht herzuleiten. Die Beklagte benötigt ersichtlich keine besonderen Pausen- oder Sozialräume, da ihre Arbeitnehmer überwiegend für Montagen oder Reparaturen beim Endkunden eingesetzt sind. Es findet ferner auch im Verhältnis zur Glas Q. GmbH & Co. KG kein arbeitgeberübergreifender Personalaustausch statt. Es besteht weder eine gemeinsame Diensteinsatz- oder Urlaubsplanung noch erfolgt eine arbeitgeberübergreifende Vertretung während der Urlaubs- und Krankheitszeiten. Soweit Arbeitnehmer der Glas Q. GmbH & Co. KG im Jahr 2007 für insgesamt 34 Stunden wegen eines personellen Engpasses bei der Beklagten ausgeholfen haben, ist dies schon vom zeitlichen Umfang her ohne jeden Belang. Ein solcher Einsatz von Arbeitskräften des benachbarten Unternehmens ist für den normalen Betriebsablauf bei der Beklagten keinesfalls prägend. Es handelt sich im Übrigen ebenfalls lediglich um eine unternehmerische Kooperation zwischen Arbeitgebern, bei der sich die Beteiligung eines Arbeitgebers auf das Zur-Verfügung-Stellen seiner Arbeitnehmer an einen anderen Arbeitgeber beschränkt (vgl. BAG, Beschluss vom 13.08.2008 - 7 ABR 21/07 - juris).

b) Die Vorinstanz hat weiterhin zutreffend angenommen, dass die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in den sozialen und personellen Angelegenheiten hier nicht institutionell einheitlich für einen gemeinschaftlichen Betrieb wahrgenommen werden. Dem Umstand, dass aufgrund der zwischen der Beklagten sowie der Glas Q. GmbH & Co. KG mit der Joh. Q. sen. GmbH & Co. KG abgeschlossenen Serviceverträge bei der Letztgenannten eine Personalverwaltung aller Unternehmen der Q.-Gruppe besteht, kann keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden. Das Vorhandensein einer gemeinsamen Personalabteilung kann zwar ein wesentliches Indiz für einen gemeinsamen Leitungsapparat darstellen, wenn die für sie handelnden Personen zur Wahrnehmung der personellen Arbeitgeberfunktionen bevollmächtigt sind bzw. sie von einer Person geleitet wird, die für die beteiligten Unternehmen die Entscheidungen in wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten trifft (vgl. BAG, Beschluss vom 11.02.2004, a.a.O.; BAG, Beschluss vom 13.08.2008, a.a.O.). Eine solche Indizwirkung besteht aber nicht, wenn es sich bei der (gemeinsamen) Personalabteilung wie im Streitfall um eine verwaltungstechnische Einheit handelt, die ausweislich der im Rechtsstreit vorgelegten Unterlagen in Bezug auf die Beklagte keine Entscheidungen in mitbestimmungsrechtlich relevanten Angelegenheiten trifft, sondern sich im Wesentlichen auf Beratungs- und Unterstützungsleistungen beschränkt. Die Vergütungsabrechnung und die Personalaktenführung durch die J. Q. sen. GmbH & Co. KG sind als bloße Serviceleistungen anzusehen, die für sich genommen nicht für das Vorhandensein einer einheitlichen Leitungsstruktur sprechen (vgl. BAG, Beschluss vom 13.08.2008, a.a.O.). Das Arbeitsgericht hat zu Recht auch nicht aus der Identität des Geschäftsführers der Komplementärgesellschaften der Unternehmen der Q.-Gruppe den Schluss gezogen, dass ein institutionell einheitlicher Leitungsapparat der beteiligten Firmen zur Führung eines gemeinsamen Betriebes besteht. Dem Kläger ist zwar einzuräumen, dass die Personenidentität in der Unternehmensleitung ein Indiz für das Bestehen eines einheitlichen Leitungsapparats auch auf der betrieblichen Ebene sein kann. Daraus allein kann aber nicht zwingend abgeleitet werden, es gebe eine gemeinschaftliche Leitung in den maßgeblichen personellen und sozialen Angelegenheiten. Der Umstand, dass Herr Q.-N. Geschäftsführer der drei Komplementärgesellschaften ist, bedeutet noch nicht, dass er diese Aufgabe für alle Unternehmen auch einheitlich wahrnimmt. Derselbe Geschäftsführer kann die Unternehmen auch organisatorisch voneinander getrennt leiten (vgl. BAG, Beschluss vom 11.02.2004, a.a.O.; BAG, Beschluss vom 25.05.2005, EzA Nr. 3 zu § 1 BetrVG 2001). Gegen eine institutionell einheitliche Leitung im Sinne eines gemeinsamen Betriebes spricht, dass die arbeitstechnischen Zwecke der drei Unternehmen völlig verschieden sind und kein organisatorischer Zusammenhang in Bezug auf die Arbeitseinsätze der ihnen zuzuordnenden Arbeitnehmer hergestellt werden kann. Die Unternehmen der Q.-Gruppe arbeiten jeweils mit ihrem eigenen und arbeitsorganisatorisch von den anderen abgegrenzten Personalkörper. Eine Koordination aufgrund einheitlicher Leitung ist auch nach dem Vortrag des Klägers nicht feststellbar.

c) Auch wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen von einem einheitlichen Leitungsapparat ausginge, wäre dies vorliegend ohne Bedeutung, da es in jedem Fall an einer für den Gemeinschaftsbetrieb erforderlichen Zusammenfassung der Arbeitnehmer sowie der materiellen und immateriellen Betriebsmittel zu einem Gesamtzweck fehlt (vgl. BAG, Beschluss vom 22.06.2005, a.a.O.; BAG, Beschluss vom 13.08.2008, a.a.O.).

B. Der Kläger macht im zweiten Rechtszug jedoch zu Recht geltend, dass die Kündigung der Beklagten gemäß § 242 BGB wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben rechtsunwirksam ist.

I. Der Kläger stützt sich im Berufungsverfahren erstmals auf die Treuwidrigkeit der Kündigung gemäß § 242 BGB. Es handelt sich dabei im Verhältnis zur erstinstanzlich gerügten Sozialwidrigkeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG um einen anderen Unwirksamkeitsgrund im Sinne von § 13 Abs. 3 KSchG (vgl. dazu: ErfK/Kiel, a.a.O., § 13 KSchG Rn. 19 m.w.N.), über dessen Vorliegen die erkennende Kammer zu befinden hat.

1. Nach § 6 Satz 1 KSchG in der zum 01.01.2004 erfolgten Neufassung durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 kann sich ein Arbeitnehmer, der innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung im Klagewege geltend gemacht hat, in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit auch auf innerhalb der Klagefrist noch nicht geltend gemachte Gründe berufen. § 6 KSchG ist eine Folge der Ausdehnung der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG auf alle Unwirksamkeitsgründe einer schriftlichen Kündigung (BT-Drucks. 15/1204; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., Rn. 1816 a; KR/Friedrich, 8. Aufl., § 6 KSchG Rn. 7). § 6 KSchG ermöglicht es dem Arbeitnehmer nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift, die Klage im Laufe des Verfahrens auch auf die Feststellung der Sozialwidrigkeit der Kündigung zu erstrecken, vorausgesetzt, dass die wegen Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen erhobene Klage innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG eingereicht wurde. Darüber hinaus umfasst die neue Regelung - wegen der Erstreckung der Klagefrist des § 4 KSchG auf sämtliche Unwirksamkeitsgründe - auch den umgekehrten Fall, dass der Arbeitnehmer form- und fristgerecht Klage gegen die von ihm als sozialwidrig angesehene Kündigung erhoben hat und nach Ablauf der Klagefrist weitere Unwirksamkeitsgründe nachschieben will, wie zB die unterbliebene oder mit Mängeln behaftete Anhörung des Betriebsrats oder den tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung. Auch diese Unwirksamkeitsgründe können bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch nachgeschoben werden (vgl.: BAG, Urteil vom 08.11.2007, AP Nr. 63 zu § 4 KSchG 1969, zustimmend: ErfK/Kiel, a.a.O. § 6 KSchG Rn. 5; KR/Friedrich, a.a.O.; APS/Ascheid/Hesse, 3. Aufl., § 6 KSchG Rn. 5; eine Präklusionswirkung des § 6 KSchG ablehnend: Quecke, RdA 2004, 102 f.; Bayreuther, ZfA 2005, 398 f.; Ziemann, jurisPR-ArbR 30/2008).

2. Der Kläger hat hier den anderweitigen Unwirksamkeitsgrund nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz geltend gemacht. Das Überschreiten dieser zeitlichen Grenze ist jedoch unschädlich, da das Arbeitsgericht seine Hinweispflicht aus § 6 Satz 2 KSchG verletzt hat.

a) Nach § 6 Satz 2 KSchG soll das Arbeitsgericht den Arbeitnehmer auf seine Rechte aus § 6 Satz 1 KSchG hinweisen. Die Sollvorschrift beinhaltet eine entsprechende Pflicht des Gerichts. Es ist nicht in sein Belieben gestellt, ob es davon Gebrauch macht. Eine Pflicht zum Hinweis auf die Möglichkeit des § 6 Satz 1 KSchG besteht allerdings nur, soweit das Parteivorbringen zu einem derartigen Hinweis Anlass bietet. Andere Unwirksamkeitsgründe müssen erkennbar in Betracht kommen (APS/Ascheid/Hesse, a.a.O., § 6 KSchG Rn. 22 m.w.N.). Einen solchen Hinweis gemäß § 6 Satz 2 KSchG hat die Vorinstanz im Streitfall nicht erteilt, obwohl die konkrete prozessuale Situation ihn nahe legte. Dem Arbeitsgericht waren die Sozialdaten des Klägers im Einzelnen schriftsätzlich mitgeteilt. Aus der im Gütetermin zu den Akten gereichten Personalliste war ferner zu ersehen, dass die Beklagte zum Kündigungszeitpunkt noch über mehrere Glaser/Monteure beschäftigte, darunter auch der Arbeitskollege T., die über eine Betriebszugehörigkeit von lediglich bis zu zwei Jahren verfügten. Angesichts der um ein Vielfaches längeren Betriebszugehörigkeit des Klägers, seines Alters und der ihm auferlegten zahlreichen Unterhaltspflichten musste sich die Frage geradezu aufdrängen, ob die Beklagte mit ihrer Auswahlentscheidung gegen den Kläger, wenn schon kein allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz bestand, jedenfalls die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verletzt hatte. Das Arbeitsgericht hätte den Kläger bei dieser Sachlage zwingend auf die notwendige gerichtliche Geltendmachung des Unwirksamkeitsgrundes bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz hinweisen müssen. Das gilt umso mehr, als der Kläger im Rahmen seines Vorbringens zu § 1 KSchG bereits gerügt hatte, dass die nach Angaben der Beklagten aus betriebsbedingten Gründen erfolgte Kündigung wegen fehlender Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte ungerechtfertigt sei.

b) Die Verletzung der Hinweispflicht durch die Vorinstanz führt dazu, dass sich der Kläger noch im Berufungsverfahren auf die Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 242 BGB berufen kann. Umstritten ist in diesem Zusammenhang lediglich, ob der Verfahrensmangel unter Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteils zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an die erste Instanz führt oder das Berufungsgericht selbst in der Sache zu entscheiden hat (vgl. ErfK/Kiel, a.a.O., § 6 KSchG Rn. 7; zu § 6 KSchG a.F.: BAG, Urteil vom 16.04.2003, AP Nr. 2 zu § 17 TzBfG).

3. Nach der Neufassung des § 6 KSchG mit Wirkung vom 01.01.2004 sprechen die besseren Gründe für eine Zuständigkeit des Berufungsgerichts zur Entscheidung in der Sache. Denn die Vorschrift erfasst trotz der aus der alten Fassung herrührenden, missverständlichen Überschrift ("verlängerte Anrufungsfrist") - anders als zuvor - nach ihrem Wortlaut keinen Antragswechsel bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug, sondern das Einbringen weiterer Unwirksamkeitsgründe in ein Verfahren, das ansonsten dasselbe bleibt (zutreffend: Bayreuther, a.a.O., 402). Hiervon ausgehend kann die Berufungsinstanz wie auch in anderen vergleichbaren Fällen den Verfahrensmangel des Arbeitsgerichts ohne weiteres dadurch beheben, indem sie über den sonstigen geltend gemachten Unwirksamkeitsgrund entscheidet und dazu als zweite Tatsacheninstanz die notwendige Sachverhaltsaufklärung betreibt (§§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG). Die dagegen vorgebrachten Bedenken überzeugen nicht. § 6 KSchG gibt keine Vorgabe, wie nach einem Verstoß gegen die Hinweispflicht durch das Arbeitsgerichts zu verfahren ist. Dagegen regelt § 68 ArbGG unzweideutig, dass wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts die Zurückverweisung des Rechtsstreits an die erste Instanz nicht zulässig ist. Nach ganz einhelliger Meinung ist hiervon nach Sinn und Zweck der Norm nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, der im zweiten Rechtszug nicht mehr korrigiert werden kann (vgl. dazu GMP/Germelmann, ArbGG, 6. Aufl., § 68 Rn. 4 m.w.N.). Für die hier vertretene Auffassung streitet nicht zuletzt auch der allgemeine arbeitsgerichtliche Beschleunigungsgrundsatz, der für Kündigungsschutzverfahren in besonderem Maße gilt (vgl. §§ 61 a, 64 Abs. 8 ArbGG). Der Hinweis auf den Verlust einer Tatsacheninstanz enthält demgegenüber kein stichhaltiges Argument. Es ist gemäß Art. 19 Abs. 4 GG nicht zwingend, dass in einem gerichtlichen Verfahren eine Rüge durch zwei Tatsacheninstanzen geprüft wird (im Ergebnis wie hier: KR/Friedrich, a.a.O.,§ 6 KSchG Rn. 38; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Aufl., § 6 Rn. 15; HaKo-Gallner, 3. Aufl., § 6 KSchG Rn. 26; AnwK-ArbR/Dreher/Schmitz-Scholemann, § 6 KSchG, Rn. 18; Bader, NZA 2004, 65, 68; Bayreuther, a.a.O., 402; ablehnend: APS/Ascheid/Hesse, a.a.O., § 6 KSchG Rn. 27 f.; ErfK/Kiel, a.a.O., Rn. 7; offen gelassen: BAG, Urteil vom 12.05.2005, AP Nr. 53 zu § 4 KSchG 1969).

II. Die Beklagte hat mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Streitfall ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme gegenüber dem Kläger nicht gewahrt und dadurch die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verletzt. Die Kündigung ist deshalb unwirksam.

1. Ein Arbeitnehmer ist außerhalb des Schutzbereichs des Kündigungsschutzgesetzes gemäß § 242 BGB vor treuwidrigen Kündigungen geschützt. Das gilt auch für Kündigungen, bei denen unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen ist.

a) Auch für Kündigungen, die außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes ausgesprochen werden, gelten die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Für die Bestimmung des Inhalts und der Grenzen dieses Kündigungsschutzes außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes ist die Bedeutung grundgesetzlicher Schutzpflichten zu beachten. Wie das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 27.01.1998 - 1 BvL 15/87 - AP Nr. 17 zu § 23 KSchG 1969) hierzu ausgeführt hat, ist den Arbeitnehmern in Kleinbetrieben das größere rechtliche Risiko eines Arbeitsplatzverlustes angesichts der schwerwiegenden und grundrechtlich geschützten Belange der Arbeitgeber zuzumuten. Sie sind aber nicht völlig schutzlos gestellt. Wo die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen, sind die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt (§§ 242, 138 BGB). Im Rahmen dieser Generalklauseln ist auch der objektive Gehalt der Grundrechte, hier vor allem aus Art. 12 Abs. 1 GG, zu beachten.

b) Im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat der für Kündigungssachen zuständige Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts die materiellen Voraussetzungen eines Kündigungsschutzes außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes und die Anforderungen an die prozessuale Geltendmachung weiter konkretisiert (vgl. BAG, Urteil vom 21.02.2001, AP Nr. 12 zu § 242 BGB Kündigung; BAG, Urteil vom 06.02.2003, AP Nr. 30 zu § 23 KSchG 1969; BAG, Urteil vom 28.08.2003, AP Nr. 17 zu § 242 BGB Kündigung).

aa) Das Bundesarbeitsgericht hat ausgeführt, dass dann, wenn bei einer Kündigung eine Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern zu treffen ist, auch der Arbeitgeber im Kleinbetrieb, auf den das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren muss und ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt lassen darf. Dies bedeutet allerdings nicht, dass damit im Kleinbetrieb die Grundsätze des § 1 KSchG über die Sozialauswahl entsprechend anwendbar wären. Die Herausnahme des Kleinbetriebs aus dem Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes trägt ihrerseits gewichtigen, durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützen Belangen des Kleinunternehmers Rechnung, dessen Kündigungsrecht in hohem Maße schützwürdig ist. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 27.01.1998 (a.a.O.) dargelegt hat, hängt in einem Betrieb mit wenigen Arbeitskräften der Geschäftserfolg mehr als bei Großbetrieben von jedem einzelnen Arbeitnehmer ab. Auf dessen Leistungsfähigkeit kommt es ebenso an wie auf Persönlichkeitsmerkmale, die für die Zusammenarbeit, die Außenwirkung und das Betriebsklima von Bedeutung sind. Neben weiteren Umständen fällt auch die regelmäßig geringere Finanzausstattung ins Gewicht. Schließlich belastet auch der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, den Kleinbetrieb stärker als ein größeres Unternehmen (vgl. BAG, Urteil vom 06.02.2003, a.a.O.).

bb) Die Auswahlentscheidung eines Arbeitgebers kann im Kleinbetrieb nur darauf überprüft werden, ob sie unter Berücksichtigung der Belange des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes (vgl. hierzu BVerfG, a.a.O.) und der schützenswerten Interessen des Kleinunternehmers gegen Treu und Glauben verstößt. Ein solcher Treueverstoß bei der Kündigung des sozial schutzbedürftigeren Arbeitnehmers ist um so eher anzunehmen, je weniger bei der Auswahlentscheidung eigene Interessen des Arbeitgebers eine Rolle gespielt haben. Hat der Arbeitgeber keine spezifischen eigenen Interessen, einem bestimmten Arbeitnehmer zu kündigen bzw. anderen vergleichbaren Arbeitnehmern nicht zu kündigen, und entlässt er gleichwohl den Arbeitnehmer mit der bei weitem längsten Betriebszugehörigkeit, dem höchsten Alter und den meisten Unterhaltspflichten, so spricht alles dafür, dass der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme außer Acht gelassen hat. Bestehen andererseits derartige betriebliche, persönliche oder sonstige Interessen des Arbeitgebers, so ist der durch § 242 BGB vermittelte Grundrechtsschutz des Arbeitnehmers um so schwächer, je stärker die mit der Kleinbetriebsklausel geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers im Einzelfall betroffen sind. In sachlicher Hinsicht geht es vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen (vgl. BAG, Urteile vom 21.02.2001 und 06.02.2003, a.a.O.).

cc) Im Kündigungsrechtsstreit gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast: Es obliegt zunächst grundsätzlich dem Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen, dass die Kündigung nach § 242 BGB treuwidrig ist. Die Regel des § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG, wonach der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen hat, die die Kündigung bedingen, gilt außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes nicht. Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Arbeitnehmers auch im Prozessrecht ist jedoch dadurch gewährleistet, dass insoweit die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast gelten. In einem ersten Schritt muss der Arbeitnehmer, der die Auswahlüberlegungen des Arbeitgebers, die zu seiner Kündigung geführt haben, regelmäßig nicht kennt, nur einen Sachverhalt vortragen, der die Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB indiziert. Ist danach auf den ersten Blick erkennbar, dass der Arbeitgeber einen erheblich weniger schutzbedürftigen, vergleichbaren Arbeitnehmer als den Kläger weiterbeschäftigt, so spricht dies dafür, dass der Arbeitgeber das erforderliche Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme außer Acht gelassen hat und deshalb die Kündigung treuwidrig (§ 242 BGB) ist. Der Arbeitgeber muss sich nach § 138 Abs. 2 ZPO qualifiziert auf diesen Vortrag einlassen, um ihn zu entkräften. In diesem Zusammenhang obliegt es dem Arbeitgeber aus Gründen der Sachnähe auch, Angaben zu seinen Auswahlüberlegungen zu machen. Kommt er dieser sekundären Behauptungslast nicht nach, gilt der schlüssige Sachvortrag des Arbeitnehmers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Trägt der Arbeitgeber hingegen die betrieblichen, persönlichen oder sonstigen Gründe vor, die ihn dazu bewogen haben, den auf den ersten Blick sozial schutzbedürftigeren Arbeitnehmer zu entlassen, so hat der Arbeitnehmer die Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit der Kündigung ergeben soll, zu beweisen (vgl. BAG, Urteile vom 21.02.2001 und 06.02.2003, a.a.O.).

2. In Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze kommt die Berufungskammer unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zu dem Schluss, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger das verfassungsgemäß gebotene Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme nicht gewahrt und mit dem Ausspruch der streitbefangenen Kündigung treuwidrig gehandelt hat.

a) Der Kläger hat nach Ansicht der Berufungskammer einen Sachverhalt vorgetragen, der die Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB indiziert. Es kann zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass trotz der späteren Zeitungsanzeigen, in denen Glaser gesucht wurden, zum Zeitpunkt der Kündigung die angeführten betriebsbedingten Gründe tatsächlich vorlagen. Auch wenn man hiervon ausgeht, war jedenfalls die von der Beklagten getroffene Auswahlentscheidung in Bezug auf den im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmer T. evident fehlerhaft. Dieser Mitarbeiter und der Kläger waren miteinander vergleichbar. Sie waren nach dem Vortrag der Parteien als Glaser/Monteure mit denselben Arbeitsaufgaben betraut. Die Funktion eines Vorarbeiters hatte die Beklagte dem Kläger bereits vor dem Ausspruch der Kündigung entzogen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme stand zuletzt nicht mehr im Streit. Nach den Sozialdaten des Arbeitnehmers T. ist in sachlicher Hinsicht nicht nachzuvollziehen, weshalb die Beklagte bei ihrer Auswahlentscheidung auf den Kläger zurückgegriffen hat. Der Kläger war zum Kündigungszeitpunkt nicht nur sieben Jahre älter als dieser Arbeitnehmer, sondern auch wegen der meisten Unterhaltspflichten sozial schutzwürdiger. Vor allem aber hatte der Kläger eine Betriebszugehörigkeit von 31 1/2 Jahren; damit hatte er praktisch sein Berufsleben von Anfang an bei der Beklagten verbracht. Dagegen war der Arbeitnehmer T. zum Kündigungszeitpunkt gerade 1 1/2 Jahre beschäftigt. Insbesondere wegen des extremen Auseinanderklaffens der Zeiten der Betriebszugehörigkeit kann es im Ergebnis keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass die Beklagte, wenn sie keine sonstigen betrieblichen Gründe für die getroffene Auswahl hatte, bei der Entlassung des Klägers ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme nicht gewahrt hat.

b) Die von der Beklagten angeführten betrieblichen Belange sind nicht geeignet, ihre Auswahlentscheidung zu Lasten des Klägers zu rechtfertigen. Die Beklagte beruft sich ohne Erfolg darauf, es müsse das in den letzten Wochen und Monaten des Arbeitsverhältnisses immer wieder zu beanstandete Verhalten des Klägers berücksichtigt werden, das letztlich auch zu den beiden Abmahnungen geführt habe.

aa) Soweit die Beklagte in erster Instanz geltend gemacht hat, es liege damit an sich ein zusätzlicher Grund im Verhalten des Klägers vor, kann ihr schon vom Ausgangspunkt her nicht gefolgt werden. Der ohnehin nur in Hinblick auf die abgemahnten Vorfälle nachvollziehbare Sachvortrag der Beklagten könnte für sich betrachtet eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch unter Beachtung des fehlenden Kündigungsschutzes nach dem Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes nicht rechtfertigen.

Mit dem Ausspruch einer Abmahnung verzichtet der Arbeitgeber in der Regel zugleich auf das Recht zur Kündigung aus den Gründen, wegen derer die Abmahnung erfolgt ist. Das gilt nur dann nicht, wenn gemäß §§ 133, 157 BGB der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber die Sache mit der Abmahnung nicht als erledigt ansieht. Ansonsten erlischt mit dem Verzicht das Recht zur Kündigung. Hat der Arbeitgeber auf das Recht zur Kündigung aus den abgemahnten Gründen verzichtet, kann er eine spätere Kündigung nicht allein auf die abgemahnten Gründe stützen, sondern hierauf nur unterstützend zurückgreifen, wenn weitere kündigungsrechtlich erhebliche Umstände zeitlich danach eintreten oder ihm erst nachträglich bekannt werden (vgl. BAG, Urteil vom 06.03.2003, AP Nr. 30 zu § 611 BGB Abmahnung; BAG, Urteil vom 02.02.2006, AP Nr. 52 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Diese Grundsätze gelten auch außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes, denn sie beruhen nicht auf spezifischen kündigungsschutzrechtlichen Erwägungen, sondern auf allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, kann der Arbeitgeber auf eine Kündigung aus einem bestimmten Grund verzichten mit der Folge, dass das Kündigungsrecht dann erlischt (BAG, Urteil vom 13.12.2007, AP Nr. 83 zu § 1 KSchG 1969).

Den beiden Schreiben der Beklagten vom 21.11.2007 ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Beklagte die abgemahnten Vorfälle, mögen sie auch Endpunkt einer vorangegangenen Entwicklung gewesen sein, gegenüber dem Kläger mit den Abmahnungen als erledigt betrachtete. Eine fristlose bzw. fristgerechte Kündigung kündigte die Beklagte darin ausdrücklich (nur) für den Fall an, dass der Kläger in der von ihr abgemahnten Art und Weise erneut gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen würde. Ein weiteres Fehlverhalten des Klägers in dem Zeitraum nach Ausspruch der Abmahnungen hat die Beklagte auch auf ausdrücklichen Vorhalt der Berufungskammer in der letzten mündlichen Verhandlung nicht darlegen können.

bb) Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, sie habe das von ihr zuvor abgemahnte Fehlverhalten dennoch bei ihrer Kündigung aus betriebsbedingten Gründen zu Lasten des Klägers berücksichtigen können.

Die Berufungskammer will nicht grundsätzlich ausschließen, dass sich der Arbeitgeber bei einer Auswahlentscheidung im Kleinbetrieb zu Recht auch auf gegenüber einem erheblich schutzbedürftigeren Arbeitnehmer erfolgte Abmahnungen berufen kann. Das dürfte vor allem dann in Betracht kommen, wenn das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers durch ein pflichtwidriges Verhalten erschüttert und das Arbeitsverhältnis hierdurch bereits besonders belastet ist. Die gebotene Berücksichtigung des durch langjährige Beschäftigung entstandenen Vertrauens erfordert jedoch, dass der Grund für die Kündigung gegenüber langjährig beschäftigten Arbeitnehmern auch angesichts der Betriebszugehörigkeit "einleuchten" muss. Es kann deshalb als treuwidrig zu werten sein, wenn der Arbeitgeber die Kündigung auf auch im Kleinbetrieb eindeutig nicht ins Gewicht fallende einmalige Fehler eines seit Jahrzehnten beanstandungsfrei beschäftigten Arbeitnehmers stützen will (vgl. BAG, Urteil vom 28.08.2003, a.a.O.).

Die beiden abgemahnten Vorfälle sind nach Auffassung der Berufungskammer bei verständiger Abwägung der beiderseitigen Interessen aber auf keinen Fall geeignet, die Auswahlentscheidung der Beklagten zu rechtfertigen. Das Fehlverhalten, das sie dem Kläger vorwirft, erscheint nicht derart gewichtig, dass demgegenüber die offensichtlich beanstandungsfreie Tätigkeit in den vielen Jahren zuvor als nicht mehr maßgeblich angesehen werden kann. Der Anlass für die beiden Beanstandungen der Beklagten war nach den unstreitigen Fallumständen eindeutig nicht gravierend. Wäre dies anders, hätte sich die Beklagte trotz der Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsverfahrens nicht im Wege eines Teilvergleichs verpflichtet, die beiden Abmahnungen, deren Berechtigung der Kläger in Abrede gestellt hatte, aus der Personalakte zu entfernen. Die Beklagte verkennt zudem, dass sie mit dem Schreiben vom 18.12.2007 im Anschluss an die Abmahnungen dem Kläger noch die Vorarbeiterfunktion entzogen hat. Auch wegen dieser zusätzlichen Sanktion ist nicht ersichtlich, welche hinreichenden Gründe die Auswahlentscheidung gegen den nur noch als Glaser beschäftigten Klägers tragen könnten.

C. Soweit das Arbeitsgericht dem Hilfsantrag des Klägers auf Erteilung eines qualifizierten Endzeugnisses stattgegeben hat, wird diese Verurteilung der Beklagten mit der Entscheidung der Berufungskammer wirkungslos. Der Kläger hat den Zeugnisantrag als echten Eventualantrag nur für den Fall gestellt, dass sein gegen die Kündigung gerichteter Feststellungsantrag keinen Erfolg hat. Diese Bedingung ist auf der Grundlage der vorliegenden Entscheidung nicht eingetreten.

D. Nebenentscheidungen:

I. Die Kostenentscheidung ist unter Berücksichtigung der §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO zu treffen.

1. Bei der Verteilung der erstinstanzlichen Kosten ist unter Neufestsetzung des Gerichtsgebührenwerts gemäß § 63 Abs. 3 GKG von einem Gesamtwert von 17.728,-- € auszugehen. Der Kündigungsschutzantrag ist gemäß § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG mit 8.298,-- € zu bewerten. Der zusätzlich gestellte allgemeine Feststellungsantrag wirkt nicht werterhöhend. Hinzu kommen die Anträge auf Entfernung der beiden Abmahnungen (3.688,-- €), Erteilung eines Zwischenzeugnisses (922,-- €) und Entfernung der Daten des Klägers von der Internetseite (500,-- €). Abweichend von der Bewertung des Arbeitsgerichts ist der die Vorarbeiterzulage betreffende Antrag des Klägers auf Feststellung einer monatlichen Zahlungspflicht gemäß § 42 Abs. 3 GKG mit dem dreifachen Jahresbetrag zu berücksichtigen, wobei ein Abschlag in Höhe von 20 % für die fehlende Vollstreckbarkeit angemessen erscheint (4.320,-- €). Die bei Einreichung der Klage bereits fälligen Beträge, die der Kläger eingeklagt hatte, werden nicht hinzugerechnet (§ 42 Abs. 5 Satz 1 GKG). Unberücksichtigt bleiben schließlich die Hilfsanträge des Klägers, da über sie nicht entschieden wurde.

2. Geht man von den vorgenannten Einzelwerten aus, ergibt sich für den ersten Rechtszug eine Kostenverteilung von 5/18 (Kläger) zu 13/18 (Beklagte). Es ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger im Kündigungsrechtsstreit obsiegt hat. Hinsichtlich der Gegenstände des Teilvergleichs vom 03.06.2008 ist gemäß § 98 ZPO von einer Kostenteilung auszugehen.

3. Soweit im zweiten Rechtszug noch in der Hauptsache zu befinden war, hat die Beklagte als unterlegene Partei gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten zu tragen. Die Rücknahme des hilfsweise gestellten Weiterbeschäftigungsantrags ist ohne Belang, da er keine Mehrkosten ausgelöst hat.

II. Die Revision an das Bundesarbeitsgericht ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Es liegt noch keine höchstrichterliche Klärung der Rechtsfrage vor, wie nach der Neufassung des § 6 KSchG zu verfahren ist, wenn bei Verletzung der Hinweispflicht durch das Arbeitsgericht der Unwirksamkeitsgrund für eine Kündigung erstmals im Berufungsverfahren geltend gemacht wird.

Ende der Entscheidung

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