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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.11.2001
Aktenzeichen: 14 Sa 1192/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 320
BGB § 326
BGB § 779
Zum Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers gemäß § 326 BGB und aus positiver Vertragsverletzung bei Nichterteilung eines im gerichtlichen Abfindungsvergleich vereinbarten Zwischenzeugnisses.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

14 Sa 1192/01

Verkündet am: 16.11.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 16.11.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Sauerland als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Dresler und den ehrenamtlichen Richter Dresen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 10.07.2001 - 5 Ca 1428/01 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger rechtswirksam von einem Prozessvergleich zurückgetreten ist.

Der Kläger war ab dem 01.10.1998 als Koordinator des Rechenzentrums im Bereich IT-Organisation der Beklagten zu einem Bruttomonatsverdienst von 7.676,-DM beschäftigt. Mit Schreiben vom 10.05.2000 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.06.2000. Der Kläger wandte sich gegen diese Kündigung vor dem Arbeitsgericht Krefeld mit einer Kündigungsschutzklage. Im Laufe des Rechtsstreits erhob die Beklagte Widerklage auf Rückzahlung von Gehalt. Im Kammertermin vom 13.12.2000 schlössen die Parteien folgenden Vergleich:

1. Die Parteien sind sich einig, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund ordnungsgemäßer betriebsbedingter Kündigung der Beklagten vom 10.05.2000 am 31.03.2001 sein Ende finden wird.

2. Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgewickelt, wobei sich die Parteien darüber einig sind, dass der Kläger unter Fortzahlung seiner Bezüge und unter Anrechnung auf eventuelle Resturlaubsansprüche von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt bleibt.

3. Die Beklagte zahlt an den Kläger als Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstandes eine Sozialplanabfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG, 3 Ziff. 9 EStG in Höhe von 18.126,-DM brutto, die sofern möglich, am 15.01.2001 ausgezahlt werden soll.

4. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Zwischenzeugnis, das sich auf Führung und Leistung erstreckt und ihn nicht in seinem beruflichen Fortkommen hindert, mit dem Ausstellungsdatum 30.11.2000. Zum Beendigungsdatum wird die Beklagte dem Kläger ein dem Zwischenzeugnis entsprechendes Endzeugnis erteilen.

5. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung sowie auch der vorliegende Rechtsstreit erledigt.

In der Folgezeit wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 09.01.2001 an die Beklagte und bat unter anderem um Erteilung des Zwischenzeugnisses bis zum 17.01.2001, da er dieses dringend für seine Bewerbungen benötige. Mit einem weiteren Schreiben vom 24.02.2001 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er noch kein Zwischenzeugnis erhalten habe und nunmehr um Zusendung bis spätestens zum 05.03.2001 bitte; bei fruchtlosem Verstreichen der Frist sei er gezwungen, ohne weitere Mahnung die Vollstreckung aus dem Prozessvergleich zu betreiben oder diesen wegen Nichterfüllung zu widerrufen. Die Beklagte erklärte darauf mit Schreiben vom 27.02.2001, das gewünschte Zwischenzeugnis bereits Mitte Januar zugeschickt zu haben; da es anscheinend nicht angekommen sei, werde ein neues Zeugnis ausgestellt und so schnell wie möglich an den Kläger gesandt. Mit Schreiben vom 26.03.2001 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Prozessvergleich, da Ziffer 4 immer noch nicht erfüllt sei. Am 29.03.2001 händigte die Beklagte dem Kläger alsdann durch Boten ein Zwischenzeugnis mit Datum vom 30.11.2000 und ein Abschlusszeugnis mit Datum vom 31.03.2001 aus.

Mit einem am 14.05.2001 beim Arbeitsgericht Krefeld eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger die Fortsetzung des Rechtsstreits beantragt.

Er hat dazu ausgeführt: Die Beklagte sei nach den vorliegenden Umständen verpflichtet gewesen, ihm das im Vergleich vereinbarte Zwischenzeugnis zu übersenden. Da die Beklagte mit der Erfüllung einer Hauptleistungspflicht erheblich in Verzug geraten sei, habe er vom Prozessvergleich zurücktreten können. An dem erst am 29.03.2001 zugegangenen Zwischenzeugnis habe er kein Interesse mehr gehabt. Ein Rücktrittsrecht ergebe sich jedenfalls aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Verfahren durch den unter dem 13.12.2000 vor dem Arbeitsgericht Krefeld abgeschlossenen Vergleich nicht beendet worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 10.05.2000, ihm zugegangen am 10.05.2000, nicht aufgelöst worden ist;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 2 zu den im Arbeitsvertrag vom 14.08.1998 geregelten Arbeitsbedingungen als Koordinator des Rechenzentrums im Bereich IT-Organisation bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

festzustellen, dass das Verfahren durch den unter dem 13.12.2000 vor dem Arbeitsgericht Krefeld abgeschlossenen Vergleich rechtskräftig beendet worden ist, und ansonsten die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert: Im Anschluss an den Protokollierungstermin sei vereinbart worden, der Kläger solle den Zeugnistext zunächst selbst formulieren. Nach seinem Schreiben vom 09.01.2001 habe sie ungeachtet dessen das Zwischenzeugnis unverzüglich verfasst und an den Kläger versandt. Nach der weiteren Mahnung des Klägers vom 24.02.2001 habe sie eine erneute Ausfertigung an ihn gesandt und die Angelegenheit damit als erledigt betrachtet.

Das Arbeitsgericht Krefeld hat durch Urteil vom 10.07.2001, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, die Beendigung des Verfahrens durch den Vergleich vom 13.12.2000 festgestellt. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge unverändert weiter.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis richtig entschieden, dass der Rechtsstreit durch den Prozessvergleich der Parteien sein Ende gefunden hat. Damit erübrigt sich eine Entscheidung über die vom Kläger gestellten Sachanträge.

I. Der Antrag des Klägers auf Fortsetzung des ursprünglichen Verfahrens ist zulässig. Der Streit der Parteien über die prozessbeendende Wirkung des Vergleichs vom 13.12.2000 ist nicht in einem neuen Rechtsstreit auszutragen.

Tritt eine Partei von einem Prozessvergleich zurück, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts über die Berechtigung des Rücktritts und damit über die Wirksamkeit des Vergleichs regelmäßig in dem Verfahren zu entscheiden, in dem der Vergleich abgeschlossen worden ist (vgl. BAG, Urteil vom 30.05.1956, AP Nr. 2 zu § 794 ZPO; Urteil vom 05.08.1982, AP Nr. 31 zu §794 ZPO; Urteil vom 28.03.1985 - 2 AZR 92/84 - n.v.; a.A. BGHZ 16, 388 ff.). Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur. Er enthält einerseits eine Prozesshandlung der Parteien, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts bestimmt. Zum anderen stellt er einen privatrechtlichen Vertrag dar, für den § 779 BGB und alle übrigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten. Die Einheit von Prozesshandlung und materiellem Rechtsgeschäft sowie prozesswirtschaftliche Gründe sind nach übereinstimmender Ansicht des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs maßgebend für die prozessrechtlichen Folgen materiellrechtlicher Mängel des Prozessvergleich, soweit diese auf Umständen beruhen, die bereits zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestanden haben, sei es, dass sie zur Nichtigkeit des Vergleich von Anfang an führen, sei es, dass sie ein Anfechtungsrecht begründen und nach dessen Geltendmachung der Vergleich rückwirkend nichtig wird (§ 142 BGB). Der Prozessvergleich ist dann auch als Prozesshandlung unwirksam, seine prozessbeendende Wirkung nie eingetreten, die Rechtshängigkeit des Prozesses hat fortbestanden, das bisherige Verfahren ist fortzusetzen und ein Streit über die Wirksamkeit des Vergleichs ist in diesem Verfahren auszutragen. Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer uneingeschränkt anschließt, entsprechend, wenn eine Partei von einem Prozessvergleich zurücktritt oder die Parteien übereinstimmend die Aufhebung eines Prozessvergleichs vereinbaren (vgl. BAG, Urteil vom 05.08.1982, a.a.O.; Urteil vom 28.03.1985, a.a.O). Da die Verfahrens- und materiellrechtlichen Elemente des Prozessvergleichs eine untrennbare Einheit bilden, erscheint es dogmatisch überzeugender, dem materiellrechtlichen Beendigungsgrund auch in diesen Fällen verfahrensrechtliche Wirkung beizumessen. Für die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sprechen, wie dieses näher ausgeführt hat, jedenfalls im arbeitsgerichtlichen Verfahren die dort gegebenen Besonderheiten (vgl. Urteil vom 05.08.1982, a.a.O.; Urteil vom 28.03.1985, a.a.O.).

II. Das Arbeitsgericht ist zu dem zutreffenden Schluss gelangt, dass der Kläger nicht rechtswirksam vom Prozessvergleich vom 13.12.2000 zurückgetreten ist. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

1. Mit der Vorinstanz und im Übrigen auch in Übereinstimmung mit beiden Parteien geht die erkennende Kammer davon aus, dass der Kündigungsrechtsstreit (zunächst) mit dem Abschluss des Prozessvergleichs wirksam beendet worden ist. Unwirksamkeitsgründe beim Abschluss des Vergleichs sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit die Formulierung unter Ziffer 5 den Eindruck erweckt, die Beendigung des Rechtsstreits sei insgesamt an die Erfüllung des Vergleichs geknüpft, handelt es sich offensichtlich um eine missglückte Wortwahl bzw. ein Redaktionsversehen. Es besteht keinerlei Grund für die Annahme, die Parteien hätten die Beendigung des Rechtsstreits in der vorgenannten, prozessual fragwürdigen Weise auf einen nicht näher bestimmten Zeitpunkt verschieben wollen (vgl. dazu: MünchKommZPO-Wolfsteiner, 2. Aufl., § 794 Rdn. 21). Hiergegen spricht schon der Umstand, dass hinsichtlich der Streitgegenstände von Klage und Widerklage im Prozessvergleich eine endgültige und abschließende Regelung getroffen wurde. Auch der Kläger selbst geht nicht davon aus, dass die Beendigung des Rechtsstreits unter der aufschiebenden Bedingung der Erfüllung von Forderungen durch die Beklagte gestanden habe. Vielmehr beruft er sich ausweislich des Schriftsatzes vom 12.05.2001 ausdrücklich darauf, die Erledigungswirkung des Vergleichs sei durch seine Rücktrittserklärung nachträglich entfallen, so dass das alte Verfahren fortgesetzt werden müsse.

2. Es bestand kein Recht des Klägers, wegen der verspäteten Erteilung des Zwischenzeugnisses durch die Beklagte vom Prozessvergleich zurückzutreten. Sowohl der mit Schreiben vom 26.03.2001 erklärte Rücktritt als auch die Wiederholung dieser Erklärung mit Schriftsatz vom 12.05.2001 gehen ins Leere.

a) Ein Rücktrittsrecht gemäß § 326 BGB wegen Verzugs der Beklagten scheitert bereits an dem Umstand, dass es sich bei der Verpflichtung zur Erteilung des Zwischenzeugnisses nach Ziffer 4 des Vergleichs nicht um eine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Rechtspflicht der Beklagten handelt.

aa) Der Kläger geht zutreffend davon aus, dass der Prozessvergleich der Parteien einen gegenseitigen Vertrag im Sinne von §§ 320 ff. BGB darstellt. Dem Verzicht des Klägers auf Kündigungsschutz nach § 1 KSchG und eine eventuelle Weiterbeschäftigung standen der Verzicht der Beklagten auf die Widerklageforderung sowie bestimmte Leistungsverpflichtungen gegenüber. Die Beklagte verpflichtete sich insbesondere, den Kläger in den erst nach Ausspruch der Kündigung im Zusammenhang mit einem größeren Personalabbau abgeschlossenen Sozialplan einzubeziehen und an ihn als Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstandes eine Abfindung nach den §§ 9, 10 KSchG zu zahlen. Da der Vergleich insoweit ein aufeinander bezogenes gegenseitiges Nachgeben enthält, wurden die Verzichte und Leistungsverpflichtungen wechselseitig im Sinne einer synallagmatischen Rechtsgrundabrede vereinbart. Der Umstand, dass der Kläger zugleich mit dem Abschluss des Vergleichs seine Leistung bereits erbracht hat, macht daraus keinen lediglich einseitig verpflichtenden Vertrag. Sinn eines Vergleichs über umstrittene Verbindlichkeiten ist in der Regel nicht nur die vertragliche Klarstellung noch zu erfüllender Ansprüche, sondern darüber hinaus, dass der Gläubiger die ihm als Ergebnis des Nachgebens noch zustehende Leistung auch bekommt. Insofern sind die §§ 320 ff. BGB anzuwenden mit der Folge, dass der Gläubiger einer einseitig verbliebenen Leistungspflicht grundsätzlich nach § 326 BGB vom Vergleich zurücktreten kann, wenn er das ihm Zugesagte nicht erhält (vgl. BAG, Urteil vom 30.05.1956, a.a.O.; BGH, Urteil vom 12.12.1991, AP Nr. 10 zu § 779 BGB; MünchKommBGB-Pecher, 3. Aufl., § 779 Rdn. 36; für arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge: Bauer/Haussmann, BB 1996, 901; Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 6. Aufl., Rdn. 91; Personalhandbuch 2001/Schmidt, Stichwort: Aufhebungsvertrag, Rdn. 79; a.A. von Puttkammer, BB 1996, 1440).

bb) Dem Kläger steht hier jedoch kein Rücktrittsrecht gemäß § 326 BGB zu, weil die Pflicht der Beklagten zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses gemäß Ziffer 4 des Prozessvergleichs nicht im Synallagma zu den von dem Kläger erbrachten Rechtsverzichten steht. Voraussetzung für die Anwendung des § 326 BGB ist, dass sich der Schuldner mit der Erfüllung einer Hauptleistungspflicht im Verzug befindet. Darunter versteht man diejenigen Leistungspflichten des Schuldners, die im Austausch- und Gegenseitigkeitsverhältnis zu einer Leistungspflicht des Gläubigers stehen. Um eine derartige Hauptleistungspflicht handelt es sich bei der in Rede stehenden Erteilung des Zwischenzeugnisses durch die Beklagte nicht. Welche Leistungen Hauptleistungen sein sollen, richtet sich nach dem Willen der Vertragsparteien, ist also gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Auszugehen ist davon, dass die Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 630 BGB ein schriftliches Zeugnis zu erteilen, lediglich eine gesetzlich fixierte Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.05.1979, AP Nr. 13 zu § 630 BGB; ErfK/Müller-Glöge, 2. Aufl., § 630 Rdn. 1). Der Anspruch des Arbeitnehmers auf ein Zwischenzeugnis ist nicht ausdrücklich geregelt. Es ist jedoch anerkannt, dass der Arbeitnehmer bei Vorliegen triftiger Gründe vom Arbeitgeber aus dem Gesichtspunkt der allgemeinen vertraglichen Nebenpflicht bzw. Fürsorgepflicht auch ein Zwischenzeugnis fordern kann. Ein triftiger Grund ist z.B. gegeben, wenn hierdurch eine vom Arbeitnehmer angestrebte Bewerbung auf eine andere Stelle gefördert wird (vgl. LAG Köln, Urteil vom 02.02.2000, NZA-RR 2000, 419 f.; ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., Rdn. 102 m.w.N.). Der Prozessvergleich vom 13.12.2000 bietet keinen Anhalt, dass die Parteien hiervon abgewichen sind und die Verpflichtung der Beklagten auf Erteilung des Zwischenzeugnisses in den Rang einer Hauptleistungspflicht erheben wollten. Für die gegenteilige Ansicht des Klägers streitet nicht der Umstand, dass die Parteien die Erteilung des Zwischenzeugnisses in einem besonderen Punkt des Vergleichs aufgenommen haben. Der Kläger sicherte sich dadurch nur, wie es in der gerichtlichen Praxis üblich ist, eine eventuelle zwangsweise Durchsetzung des Anspruchs. Aus diesem bloßen Titulierungsinteresse lässt sich nicht folgern, dass nach dem Willen der Parteien der Erteilung des Zwischenzeugnisses ein ähnliches Gewicht wie z.B. der Abfindungszahlung zukommen und diese damit im Austauschverhältnis zum Verzicht auf den Kündigungsschutz stehen sollte. Auch aus dem Vergleichstext selbst lässt sich nichts zu Gunsten des Klägers ableiten. Die allgemein gehaltenen Grundsätze für die Abfassung des Zeugnisses entsprechen dem, wozu die Beklagte ohnehin verpflichtet war (vgl. z.B. ErfK/Müller-Glöge, a.a.O., Rdn. 61 m.w.N.). Das Zwischenzeugnis war lediglich ein Nebenpunkt im Rahmen der Restabwicklung des Arbeitsverhältnisses. Auch der Kläger behauptet nicht, dass die Beklagte diesen Anspruch zu irgendeinem Zeitpunkt in Frage gestellt hätte. Ein wechselseitiges Nachgeben im Vergleichswege hat insoweit gerade nicht stattgefunden.

cc) Es kann danach offen bleiben, ob der Ansicht des Landesarbeitsgerichts Köln zu folgen ist, wonach bei einem gerichtlichen Abfindungsvergleich im Kündigungsrechtsstreit in der Regel davon auszugehen ist, dass ein Rücktrittsrecht nach §§ 325, 326 BGB stillschweigend ausgeschlossen ist (vgl. Urteil vom 05.01.1996, EzA Nr. 8 zu § 794 ZPO; so auch LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.04.1976, AR-Blattei Arbeitsgerichtsbarkeit IX, Entsch. 14; kritisch dazu: Bauer/ Haußmann, a.a.O.).

b) Beim gegenseitigen Vertrag ist zwar im Falle des Verzugs neben § 326 BGB auch § 286 Abs.1 BGB anwendbar (vgl. z.B. Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 286 Rdn. 1). Aus dieser Vorschrift ergibt sich jedoch kein Recht des Klägers zum Rücktritt. Der Gläubiger kann gemäß § 286 Abs. 1 BGB vom Schuldner bei der Verletzung einer vertraglichen Nebenverpflichtung nur den Ersatz des so genannten Verzögerungsschadens verlangen.

c) Der Kläger ist schließlich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung wirksam vom Prozessvergleich zurückgetreten. Die besonderen Voraussetzungen, unter denen ein solches Rücktrittsrecht in Betracht kommt, lagen nicht vor.

aa) Es ist anerkannten Rechts, dass sich eine Partei nicht am Vertrag festhalten zu lassen braucht, wenn der Vertragspartner bei der Abwicklung des Vertrags durch schuldhaftes Verhalten eine solche Unsicherheit in das Vertragsverhältnis hineinbringt, dass dem Vertragstreuen Teil die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 19.02.1969, NJW 1969, 975 f.). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann eine zum Rücktritt vom Vertrag berechtigende positive Vertragsverletzung in allen Handlungen des Schuldners liegen, die die Erreichung des Vertragszwecks gefährden. Darunter ist insbesondere die Verletzung von Nebenpflichten zu verstehen, wenn deren Verletzung dazu führt, dass dem anderen Teil die Fortsetzung des Vertrags nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.1977, NJW 1978, 260 f.; Urteil vom 13.03.1996, NJW-RR 1996, 950 m.w.N.; BAG, Urteil vom 30.05.1956, a.a.O.). Zu den Nebenpflichten, die Ausprägungen einer dem Schuldverhältnis immanenten gegenseitigen Treuepflicht sind, gehört auch die Leistungstreuepflicht, d.h. die generelle Verpflichtung, den Vertragszweck und den Leistungserfolg weder zu gefährden noch zu beeinträchtigen. Als positive Vertragsverletzung ist daher auch eine Unzuverlässigkeit des Schuldners zu werten, die so schwerwiegend ist, dass dem Gläubiger ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann. Hierzu gehören vor allem die Fälle der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung. Ein Rücktritt ist aber auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Vertragsuntreue in einer schuldhaften Verzögerung der Leistung besteht (vgl. BGH, Urteil vom 19.02.1969, a.a.O.).

bb) Eine Unzumutbarkeit im vorstehenden Sinne vermag die Berufungskammer in Gesamtwürdigung aller Umstände letztlich nicht zu erkennen. Folgt man dem Vortrag des Klägers, so mag die Beklagte zwar zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung mit Schreiben vom 26.03.2001 mit ihrer Verpflichtung aus Ziffer 4 des Vergleich in erheblichem Verzug geraten sein. Auf der anderen Seite hatte die Beklagte aber bis zu diesem Zeitpunkt alle sonstigen Verpflichtungen aus dem Prozessvergleich ordnungsgemäß erfüllt, insbesondere war die volle Sozialplanabfindung bereits vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an den Kläger ausgezahlt. Da danach gravierende Unzuverlässigkeiten hinsichtlich der sonstigen Restabwicklung des nur noch wenige Tage bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht zu besorgen waren, stünde es außer jedem Verhältnis, wollte man den Prozessvergleich der Parteien nur wegen der Verzögerung bei der Erteilung des Zwischenzeugnisses scheitern lassen. Dies gilt hier umso mehr, als der Kläger nicht substantiiert dargetan hat, dass seine Bemühungen um einen anderen Arbeitsplatz durch das fehlende Zwischenzeugnis konkret erschwert oder gar vereitelt wurden. Der von dem Kläger im Verzugsfalle zu fordernde Ersatz des Verzögerungsschadens nach § 286 Abs. 1 BGB hätte im Übrigen zu einem billigen Ausgleich des durch die verspätete Erteilung des Zwischenzeugnisses zwischen den Parteien entstehenden Interessengegensatzes geführt. Bei dieser Sachlage konnte dem Kläger nach Treu und Glauben durchaus zugemutet werden, an dem mit der Beklagten geschlossenen Prozessvergleich festzuhalten.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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