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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 06.06.2006
Aktenzeichen: 14 Sa 998/05
Rechtsgebiete: TVG, ZVK-TV Brot- und Backwarenindustrie


Vorschriften:

TVG § 1
ZVK-TV Brot- und Backwarenindustrie § 1
Ein Betrieb zur industriellen Produktion halbfertiger, tiefgefrorener Backspezialitäten wird vom fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten in der Brot- und Backwarenindustrie dann erfasst, wenn die Produkte mit Waren aus dem Angebot der handwerklichen Bäckereien auf dem Markt unmittelbar konkurrieren (hier: Backwaren zum Aufbacken bzw. Fertigbacken).
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 14 Sa 998/05

Verkündet am 06. Juni 2006

In dem Rechtsstreit

hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 06.06.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Sauerland als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Straten und die ehrenamtliche Richterin Jait

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.04.2005 - 12 Ca 8668/04 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin einen Beitrag zur Zusatzversorgung zu zahlen.

Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung des Verbandes der Deutschen Brot- und Backwarenindustrie und der Gewerkschaft Nahrung-GenussGaststätten aufgrund des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten der Brot- und Backwarenindustrie in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin-West in der Fassung vom 28.06.1996 (im Folgenden: ZVK-TV). Zweck der Zusatzversorgungskasse ist es, aus den ihr zufließenden Mitteln Beihilfen zur Erwerbsunfähigkeitsrente oder zum Altersruhegeld zu zahlen. Die Regelungen zum Geltungsbereich in § 1 ZVK-TV lauten:

"a) Räumlich:

Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin-West im Geltungsbereich des Grundgesetzes vor dem 3. Oktober 1990.

b) Fachlich:

1. Für Betriebe der Brot- und Backwarenindustrie sowie Betriebe, die Brot- und Backwaren vertreiben und verkaufen (Verkaufsstellen), insbesondere für Mitglieder der Industrie- und Handelskammern mit Ausnahme der dem Revisionsverband Deutscher Konsumgenossenschaften angeschlossenen Unternehmen mit Bäckereien.

2. Erfasst werden auch solche Betriebe, die im Rahmen eines mit den unter Nr. 1 erfassten Betrieben bestehenden Zusammenschlusses - unbeschadet der gewählten Rechtsform - ausschließlich oder überwiegend für die angeschlossenen Betriebe nach Nr. 1 die kaufmännische Verwaltung, den Vertrieb, Planungsarbeiten, Laborarbeiten oder Prüfarbeiten übernehmen, soweit diese Betriebe nicht von einem speziellen Tarifvertrag erfasst werden.

c) Persönlich:

Für alle Arbeitnehmer der vom fachlichen Geltungsbereich erfassten Betriebe - ausgenommen sind Arbeitnehmer, die unterhalb der sozialversicherungsrechtlichen Geringfügigkeitsgrenze (§ 8 SGB IV) beschäftigt werden.

Gemäß § 4 ZVK-TV ist der Arbeitgeber verpflichtet, in jedem Kalenderjahr 0,66 % der Entgeltsummen des Vorjahres, die von den dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften angeschlossenen Berufsgenossenschaften für die Berechnung des Beitrages zur gesetzlichen Unfallversicherung zugrunde gelegt werden, spätestens bis zum 30. Juni eines Kalenderjahres an die Klägerin zu zahlen. Der hinsichtlich des Geltungsbereichs gleichlautende und ebenfalls allgemeinverbindliche Verfahrenstarifvertrag bestimmt in § 3 Abs. 2 Satz 3, dass für Beiträge, die nach dem 31. Dezember eines Geschäftsjahres bei der Zusatzversorgungskasse eingehen, Verzugszinsen in Höhe von 4 % erhoben werden.

Die Beklagte stellt in ihrem Betrieb im C.er Stadtbezirk O. tiefgefrorene Backspezialitäten her ("Backwaren mit Frischegarantie") und vertreibt diese Produkte. Dabei handelt es sich nach der zu den Akten gereichten Artikelliste vor allem um Semmeln und Brötchen, Brötchenspezialitäten, Partygebäck (Minibrötchen), Baguettes, feine Butterbackwaren, fertiggebackene Butterbackwaren, traditionelle Backspezialitäten wie Ciabatta, Laugenbrezeln usw., Snacks (u.a. sog. Pizza-Zungen), Kirmesbrötchen, gefüllte Baguettes, Strudel und Blätterteig sowie Cash & Carry-Produkte (vgl. zum Sortiment: Bl. 89 ff. und Bl. 98 ff.). Abnehmer der Produkte der Beklagten sind sowohl Großverbraucher als auch der Einzel- und Großhandel. Im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg ist als Gegenstand des Unternehmens die Herstellung und der Vertrieb von frischen und gefrosteten Backwaren aller Art und die Führung aller hiermit in Zusammenhang stehenden Geschäfte genannt. Die Beklagte wirbt in ihrem Internetauftritt "mit einem anspruchsvollen und vielseitigen Backwarenangebot für Großverbraucher, Caterer und Händler."

Die Beklagte beschäftigt in dem Betrieb insgesamt 180 Arbeitnehmer, davon ca. 70 % in der Produktion. Der Produktionsleiter ist ein im Fachbereich Stärke ausgebildeter Lebensmitteltechniker. Die Fertigung läuft im Dreischichtbetrieb ab. Es gibt drei Schichtleiter, die über eine Ausbildung als Elektriker bzw. Schlosser verfügen. Unter den 14 Maschinenbedienern befinden sich ein Bäckermeister, sieben Bäcker, ein Konditor, vier Metzger und ein Mechaniker. Die Beklagte beschäftigt im Produktionsbereich allein 49 Verpackungskräfte. Es wird im Übrigen auf die zu den Akten gereichte Personalliste für den gewerblichen Bereich verwiesen (Bl. 76 d.A.).

Die automatisierte Produktion erfolgt im Betrieb der Beklagten an fünf Anlagen im Einzelnen wie folgt:

Pizzen: Nach Herstellung des Teigs werden die Teigwaren ausgerollt und geformt. Im weiteren Verlauf werden die Pizzen belegt und dann zur Stabilisierung angebacken.

Strudel: An zwei Anlagen wird Blätterteig produziert. Danach wird er ausgerollt und geformt, später dann bestrichen bzw. belegt und eingerollt. Die Waren werden nicht vor- oder angebacken. Dies geschieht später durch den Verbraucher.

vorgefertigte Teige: Es werden Teigblöcke und sog. Teiglinge produziert, die später an den Lebensmittelhandel abgegeben werden. Die Hälfte der Produkte wird in einem Ofen bzw. einer Maschine vorgegart.

teilgebackene Produkte: Hier werden Brötchen, Kornspitz usw. hergestellt. Die Waren werden vorgebacken. In einer Ergänzungsanlage wurden bis Ende 2004 noch zusätzlich Produkte mit Kräutern befüllt.

Die Produktion auf den vorgenannten Anlagen schließt jeweils mit dem Frosten und dem automatischen Verpacken der Waren sowie dem Palletieren und Lagern in Kühlhäusern ab.

In einem vorausgegangenen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf verständigten sich die Parteien in einem Vergleich darauf, dass für die Jahre bis einschließlich 2002 keine Beitragspflicht der Beklagten bestehe, diese aber als Beitrag für das Jahr 2003 an die Klägerin einen Betrag von 20.446,10 € zu zahlen habe. Mit Beitragsrechnung vom 09.06.2004 forderte die Klägerin von der Beklagten dann einen Beitrag von 18.396,80 € für das Jahr 2004. Nach vergeblichen vorgerichtlichen Mahnungen verfolgt die Klägerin mit der vorliegenden Klage ihr Begehren weiter.

Sie hat die Ansicht vertreten, bei dem Betrieb der Beklagten handele es sich um einen solchen der Brot- und Backwarenindustrie. Der tariflichen Zuordnung stehe nicht entgegen, dass der Verbraucher die Produkte der Beklagten später noch aufbacken oder zu Ende backen müsse. Das Tiefgefrieren sei nur ein Teil des Produktionsvorgangs, um die Ware für den Vertriebsweg und die Angebotsdauer in den Kühltruhen des Handels haltbar zu machen.

Die Klägerin hat - soweit im Berufungsverfahren noch bedeutsam - beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.396,80 € nebst 4 % Zinsen seit dem 01.01.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, ihr Betrieb falle nicht unter den fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV. Sie stelle im Tarifsinne keine Brot- und Backwaren, sondern Tiefkühlprodukte her. Es handele sich um Halbfertigerzeugnisse, die zum Verzehr noch weiterbearbeitet werden müssten. Der Ablauf der betrieblichen Produktion sei mit der Herstellung von Fertiggerichten zu vergleichen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 08.04.2005, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, stattgegeben. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter, während die Klägerin um Zurückweisung der Berufung bittet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass der Betrieb der Beklagten vom Geltungsbereich des ZVK-TV erfasst wird und die Beklagte daher zur Beitragszahlung für das Jahr 2004 in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 18.396,80 € nebst Verzugszinsen verpflichtet ist.

I. Die Vorinstanz hat nicht geprüft, ob sich der Betrieb der Beklagten gemäß § 1 a ZVK-TV im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages befindet. Diese Voraussetzung ist nach den Feststellungen der erkennenden Kammer aber erfüllt. Die tarifliche Regelung stellt für Betriebe im Gebiet der Bundeshauptstadt Berlin maßgeblich darauf ab, ob diese im Bereich "Berlin-West" des Geltungsbereichs des Grundgesetzes vor dem 03.10.1990, dem Tag der Wiedervereinigung Deutschlands, bestehen. Der Betriebssitz der Beklagten in der 0. strasse im Stadtbezirk O. liegt in diesem früheren Westteil der Bundeshauptstadt. Das Betriebsgelände befindet sich nördlich des C. Zweigkanals und damit noch innerhalb des in § 1 a ZVK-TV genannten Bereichs "Berlin-West". Etwas anderes hat auch die Beklagte nicht geltend gemacht.

II. Der Betrieb der Beklagten ist ferner gemäß § 1 b Nr. 1 ZVK-TV dem fachlichen Geltungsbereich zuzuordnen. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass es sich um einen Betrieb der Brot- und Backwarenindustrie handelt. Die Einwände der Berufung hiergegen greifen nicht durch.

1. Die Vorinstanz hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den Betrieb der Beklagten als Einheit betrachtet und für die Beurteilung der Frage, ob er dem fachlichen Geltungsbereich des ZVK-TV unterfällt, auf die den Betrieb prägende Zweckbestimmung, den Zweck der gesamten betrieblichen Tätigkeit, abgestellt. Diese Zweckbestimmung richtet sich nicht allein nach den zeitlichen Anteilen der einzelnen Tätigkeiten an der Gesamtarbeitszeit (vgl. BAG, Urteil vom 17.01.1996, AP Nr. 1 zu § 1 Tarifverträge:

Bäcker; BAG, Urteil vom 18.10.2000 - 10 AZR 455/99 - juris; BAG, Urteil vom 14.11.2001, AP Nr. 6 zu § 1 Tarifverträge: Brotindustrie). Arbeiten, die für einen selbständigen Wirtschaftszweck erforderlich sind oder diesem dienen, sind zuzuordnen. Dies gilt insbesondere für Büro- und Verwaltungsnebenarbeiten, aber auch für Lager- und Verpackungsarbeiten (vgl. BAG, Urteil vom 25.02.1987, AP Nr. 81 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; LAG Hamm, Urteil vom 30.01.1991 - 9 Sa 855/90 - juris; vgl. zuletzt: BAG, Urteil vom 13.05.2004 - 10 AZR 488/03 - juris). Bei unterschiedlichen Betriebszwecken kommt es für die Tarifgeltung entscheidend darauf an, mit welchen Aufgaben die Arbeitnehmer des Betriebs überwiegend beschäftigt werden. Wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz oder Verdienst oder handels- und gewerberechtliche Kriterien sind grundsätzlich unbeachtlich; sie können lediglich ergänzend und zur Bestätigung mit herangezogen werden (vgl. BAG, Urteil vom 25.11.1987, AP Nr. 18 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel). Bei so genannten Mischtätigkeiten ist zusätzlich darauf abzustellen, ob sie von Arbeitnehmern des einen oder anderen Handwerks ausgeführt oder doch wenigstens von Fachkräften des einen oder anderen Handwerks beaufsichtigt werden (vgl. BAG, Urteil vom 17.01.1996, a.a.O.; BAG, Urteil vom 14.11.2001, a.a.O.; BAG, Urteil vom 24.09.2003, EzA Nr. 2 zu § 4 TVG Bäcker).

2. Eine Anwendung dieser Rechtsgrundsätze im Streitfall ergibt, dass es sich entgegen der Ansicht der Beklagten vorliegend um einen Betrieb der Brot- und Backwarenindustrie im Sinne von § 1 b Nr. 1 ZVK-TV handelt.

a) Das Arbeitsgericht hat im Ausgangspunkt richtig gesehen, dass die zwischen den Parteien strittige Bedeutung des Begriffs "Backwaren" durch Auslegung der Tarifvorschrift zu ermitteln ist.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben sodann noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. BAG, Urteil vom 14.11.2001, a.a.O.). Diese Grundsätze gelten auch für die Bestimmung des fachlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrages (vgl. BAG, Urteil vom 14.11.2001, a.a.O.; BAG, Urteil vom 24.09.2003, a.a.O., Wiedemann/Wank, TVG, 6. Aufl., § 4 Rn. 106).

bb) Das Bundesarbeitsgericht hat in dem erwähnten Urteil vom 14.11.2001 - 10 AZR 76/01 - den Bedeutungsumfang des Begriffs "Backwaren" im Sinne von § 1 b Nr. 1 ZVK-TV von der Satzung des Bundesverbandes der Deutschen Brot- und Backwarenindustrie e.V. her erläutert. Dem tritt die erkennende Kammer vollständig bei. Es ist nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien bei der Normierung des fachlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrages ihre Tarifzuständigkeit überschreiten wollten. Jedenfalls könnten sie diese nicht mit der Folge überschreiten, dass der Tarifvertrag auch Betriebe erfassen würde, für die keine Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien bestünde. In Zusammenhang mit der Mitgliedschaftsregelung in der Satzung des Bundesverbandes der Deutschen Brot- und Backwarenindustrie ergibt sich, dass es sich um Backwaren handeln muss, die in "Großbäckereien" hergestellt werden, d.h. in Backbetrieben, die sich durch Marktbedeutung, Umsatz, Vertriebsreichweite und Technologie von herkömmlichen handwerklichen Bäckereien unterscheiden. Handwerkliche Bäckereien sind dadurch gekennzeichnet, dass sie überwiegend Brot, Brötchen, sonstiges Kleingebäck und Feinbackwaren aus Blätterteig, Mürbe- und Hefeteig herstellen und/oder vertreiben; überwiegen diese Tätigkeiten, so ändert es nichts, wenn sie daneben auch Torten und Desserts herstellen und/oder vertreiben (§ 1 Nr. 2 Manteltarifvertrag für das Bäckerhandwerk in NRW vom 26.03.1999). Für Betriebe, die bei herkömmlicher handwerklicher Herstellung nicht als Bäckereien (sondern als Konditoreien) anzusehen wären, war der Bundesverband der Deutschen Brot- und Backwarenindustrie e.V. nach seiner Satzung dagegen nicht tarifzuständig, auch wenn es sich um Großbetriebe handelt und die Herstellung der Backprodukte industriell erfolgt. § 1 b Nr. 1 ZVK-TV kann daher solche Betriebe nicht erfassen (vgl. BAG, Urteil vom 14.11.2001, a.a.O.).

cc) Der Beklagten ist einzuräumen, dass das vorgenannte Urteil des Bundesarbeitsgerichts in erster Linie auf die hier nicht im Streit stehende Unterscheidung von industriellen Bäckerei- und Konditorbetrieben abstellt und sich nicht mit der grundlegenden Frage befasst, ob auch Betriebe, die tiefgefrorene Backspezialitäten in Form von Halbfertigerzeugnissen industriell herstellen, unter den Geltungsbereich des ZVK-TV fallen. Das ist nach Ansicht der Kammer jedoch dann zu bejahen, wenn es sich nicht um bloße Vorprodukte für andere Waren handelt. Geht man vom allgemeinen Sprachgebrauch aus, so versteht man unter "Backen" das Überführen von Getreidemehlen in leichter verdauliche und geschmacklich ansprechendere Lebensmittel unter Zuhilfenahme von Flüssigkeit, Lockerungsmitteln und Hitze, wobei das Backen in drei Verfahrensstufen durchgeführt wird, nämlich Teigbereitung, Teiglockerung und eigentlicher Backprozess (vgl. Meyers Enzyklopädisches Lexikon Bd. 3, 1980, S. 300 Stichwort "Backen"). Dem entspricht im Wesentlichen die lebensmittelrechtliche Betrachtung. Sie verweist darauf, dass nach der Verkehrsauffassung, die durch die frühere Backwaren-Marktverordnung vom 01.07.1944 geprägt ist, Backwaren ganz oder teilweise aus Mahlerzeugnissen des Roggens, Weizens oder anderer Getreidearten oder diesen gleichgestellten mehlartigen Stoffen (z.B. Stärkearten) durch Einteigen und Formgebung unter Einschaltung von Lockerungsverfahren und Ausbacken hergestellt werden, wobei heute allerdings zusätzliche Verfahren wie Rösten oder Trocknen hinzukämen (vgl. Zipfel, Lebensmittelrecht, Bd. IV, Stand Juli 2002, unter C. 305 A). Danach ist zwar zutreffend, dass bei Halbfertigerzeugnissen, wie sie die Beklagte herstellt, der Vorgang des Backens letztlich nicht zu Ende geführt, sondern bei einzelnen Verfahrensstufen unterbrochen bzw. abgebrochen wird, um die Produkte anschließend zu gefrieren. Für die Tarifgeltung kann es auf diesen Umstand aber nicht ankommen. Unter Berücksichtigung des Sinns und des Zwecks der tariflichen Vorschrift ist vielmehr maßgeblich, ob die mit Hilfe der industriellen Technologie hergestellten Produkte mit Waren aus dem Angebot der handwerklichen Bäckereien auf dem Markt unmittelbar konkurrieren. Dies ist aber bei den hier in Rede stehenden Halbfertigerzeugnissen durchweg der Fall. Die Produkte sind nach dem Aufbacken oder Fertigbacken durch den Käufer dem entsprechenden Bäckereiangebot in jeder Hinsicht vergleichbar. Sie stellen für den Kunden, der z.B. frisches Brot, Brötchen oder Strudel erwerben will, eine naheliegende Alternative dar. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es für die tarifliche Bewertung unerheblich, dass die Produkte zum Zwecke der längeren Haltbarkeit tiefgefroren werden. Darauf hat bereits die Vorinstanz zutreffend hingewiesen. Die Berufungskammer nimmt auf die entsprechenden Ausführungen Bezug und macht sich diese ausdrücklich zu Eigen. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass Tarifverträge für die Hersteller von Tiefkühlprodukten nicht existieren. Tarifliches Abgrenzungskriterium bei den Herstellern von Tiefkühlprodukten ist das Produkt selbst.

b) Der Betrieb der Beklagten ist unter Berücksichtigung dieses Auslegungsergebnisses eindeutig als ein solcher der Brot- und Backwarenindustrie zu qualifizieren. Die Beklagte stellt in Konkurrenz zu den handwerklichen Bäckereien ihre Backspezialitäten her und vertreibt diese. Eine Ausnahme dürfte für die Fertigung von Pizzen gelten. Es handelt sich dabei wohl in der Tat um ein Fertiggericht eigener Art, das nicht als bäckereitypisch anzusehen ist. Dieser Teil der Produktion ist jedoch von untergeordneter Bedeutung. Er findet nur auf einer der ingesamt fünf Anlagen im Betrieb der Beklagten statt.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten aufzuerlegen; die geringfügige Klagerücknahme im zweiten Rechtszug bleibt gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO außer Ansatz. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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