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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 31.08.2007
Aktenzeichen: 15 Sa 724/07
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 305 Abs. 1
BGB § 305 c Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 15.02.2007 - 8 Ca 4612/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13.09.2005 derzeit auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist oder die Regelungen eines im Dezember 2004 von den damaligen Verhandlungsführern paraphierten Notlagentarifvertrages I und Notlagentarifvertrages II Anwendung finden, welche nach Auffassung der Beklagten aufgrund der Unterzeichnung einer vorformulierten Erklärung vom 10.12.2004 Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden sein sollen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach der Regelung des § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft und zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung, die sich die Kammer gem. § 69 Abs. 2 ArbGG zu eigen macht, hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien zumindest ab dem 01.07.2006 der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom 13.09.2005 anzuwenden ist und der Anwendbarkeit dieses Tarifvertrages die schriftliche Erklärung der Klägerin vom Dezember 2004 nicht entgegensteht.

Zusammenfassend und eingehend auf das Berufungsvorbringen ist lediglich Folgendes herauszustellen:

1. Bei der hier streitgegenständlichen Erklärung, die die Beklagte vorformuliert und an alle Mitarbeiter zusammen mit dem Anschreiben vom 10.12.2004 versandt, also betriebseinheitlich verwendet hat, handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. des § 305 Abs. 1 BGB.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind.

Nach § 305 c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Diese Regelung gibt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz wieder, der schon vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes auch im Arbeitsrecht Geltung besaß. Die Unklarheitsregel gilt auch für den Fall, dass die Tragweite der Verweisung auf Tarifnormen zweifelhaft ist (BAG v. 09.11.2005 - 5 AZR 128/05 - AP Nr. 4 zu § 305 c BGB m.w.N.).

2. Vorliegend geht es um die Frage, ob in der klägerseits unterschriebenen, vorformulierten Erklärung "hiermit erkenne ich die Regelungen der Notlagentarifverträge I und II als Ergänzung meines Arbeitsvertrages an" lediglich eine Bezugnahmeklausel, wie sie in Arbeitsverträgen häufig vorkommen, zu sehen ist, also eine bloße Unterwerfungserklärung unter kollektivrechtlich geltende Rechtsnormen und entsprechende Transformation derselben in den Individualarbeitsvertrag - sofern die fraglichen Tarifverträge nicht ohnedies kraft Tarifbindung anzuwenden sind -, oder ob mit dieser Erklärung unabhängig vom Bestehen bzw. Zustandekommen der in Bezug genommenen Notlagentarifverträge eine eigenständige Abänderung (allein) auf individualrechtlicher Ebene hat erfolgen sollen.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die hier streitgegenständliche Klausel im Sinne der zuerst genannten Variante ausgelegt. Die dagegen beklagtenseits erhobenen Einwände rechtfertigen ein anderes Ergebnis nicht:

a) Der Umstand, dass seinerzeit auf schnellstem Wege eine Lösung der Liquiditätsprobleme gefunden und baldmöglichst auch umgesetzt werden sollte, ist angesichts der durch das Arbeitsgericht getroffenen - beklagtenseits nicht widerlegten - Feststellung, dass beide Parteien davon ausgegangen waren, dass die Notlagentarifverträge von ver.di unterzeichnet werden würden, ohne Relevanz. Ohne eine den Arbeitnehmern verdeutlichte oder sonst erkennbar gewordene Unsicherheit im Hinblick auf das Zustandekommen der Notlagentarifverträge konnten diese aus deren sofortiger Umsetzung allenfalls schließen, dass ein vorgreifliches Handeln erforderlich ist und nicht erst die sich unter Umständen längerfristig hinziehende Erfüllung einer insoweit noch erforderlichen "Formalie" abgewartet werden soll.

Diesbezüglich fragt sich hier überdies, inwieweit in der Belegschaft, d.h. bei Arbeitnehmern mit durchschnittlichem Kenntnisstand, bekannt sein musste, dass die Wirksamkeit der Notlagentarifverträge noch von der Entscheidung der Clearingstelle abhing. Der Inhalt des Begleitschreibens vom 10.12.2004 und die auf der Mitgliederversammlung vom 09.12.2004 getätigte Äußerung ""Wir haben es geschafft! Das ist unser Vertrag zur Rettung der Klinik. Die Maßnahmen werden in jedem Fall ab Januar umgesetzt" sind zu entsprechender Aufklärung jedenfalls nicht geeignet, sondern vermittelten im Gegenteil den Eindruck, als seien die Notlagentarifverträge bereits rechtswirksam zustande gekommen.

b) Soweit die Beklagte damit argumentiert hat, dass bei Zustimmung der Clearingstelle der Gewerkschaft ver.di die Notlagentarifverträge I und II 2004 auch ohne Einbeziehungsklausel angesichts der Bezugnahmeklausel in dem Arbeitsvertrag bereits eine unmittelbare Wirkung auf Klägerseite entfaltet hätten, so dass es einer ausdrücklichen Einbeziehung der Notlagentarifverträge durch die Erklärung vom Dezember 2004 gar nicht bedurft hätte, ignoriert sie, dass sich auch in Bezug auf die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel Auslegungsfragen stellen im Hinblick auf deren Tragweite - hier insbesondere dahingehend, ob mit dieser auch die Geltung eines teil - und zeitweise umstrukturierenden Tarifvertrages vereinbart worden ist (zu dieser Problematik im Falle der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers vgl. BAG v. 14.12.2005 - 10 AZR 296/05 - AP Nr. 37 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag). Entsprechend hat die Beklagte selbst schon im Vorfeld ein Absicherungsbedürfnis gesehen, heißt es insoweit in § 4 Abs. 2 bzw. § 6 Abs. 2 der Notlagentarifverträge doch ausdrücklich:

"Der vorliegende Tarifvertrag soll den BAT inhaltlich aufgreifen und in einzelnen Punkten für die Geltung zwischen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einerseits und der Klinik andererseits verändern. Die rechtliche Wirksamkeit dieser Änderungen soll durch individuelle arbeitsvertragliche Vereinbarungen mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abgesichert werden."

Hätte die Beklagte seinerzeit keine Absicherung mit der den Arbeitnehmern diesbezüglich zugesandten "Anerkennungserklärung zu diesem Tarifvertrag" bezweckt, sondern ein Angebot zu einer eigenständigen, vom Schicksal der anerkannten Tarifverträge losgelösten individualvertraglichen Abänderung des Arbeitsvertrages, hätte Ziffer 2 der hier in Rede stehenden Klauseln folgerichtig lauten müssen: "Die rechtliche Wirksamkeit dieser Änderungen soll durch individuelle arbeitsvertragliche Vereinbarungen mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern herbeigeführt werden."

c) Dass die Beklagte die Anerkennungserklärungen ihrer Arbeitnehmer selbst nur als bloße Transformationsvereinbarungen bzw. Einbeziehungsklauseln verstanden hat, zeigt schließlich der Umstand, dass sie das Verfahren vor der Clearingstelle bzgl. beider Tarifverträge in der Folgezeit tatsächlich betrieben und sodann (von zukünftigen Absichtserklärungen abgesehen) die Notlagentarifverträge 2006 mit gleichem - wegen des Zeitablaufs weitestgehend überhaupt nicht mehr passenden - Wortlaut mit Geltung für den zurückliegenden, abgelaufenen Zeitraum abgeschlossen hat - dies alles wohl mit Blick darauf, sich der seinerzeit abgegebenen Anerkennungserklärungen ihrer Arbeitnehmer auch bezüglich der nunmehr abgeschlossenen wortgleichen Notlagentarifverträge 2006 bedienen zu können.

d) Nach alledem lässt sich als Auslegungsergebnis keines finden, das der beklagtenseits vertretenen Ansicht Recht geben könnte - erst recht kein solches, mit dem sich die Vielzahl der vorliegend stellenden Zweifel würde beheben lassen können.

Der Berufung konnte mithin kein Erfolg beschieden sein.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision waren nicht gegeben, da der Rechtssache unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Voraussetzungen für die Divergenzrevision gegeben sind (§ 72 Abs. 2 Ziff. 1, 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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