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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 30.10.2008
Aktenzeichen: 15 TaBV 245/08
Rechtsgebiete: AÜG, BetrVG


Vorschriften:

AÜG § 14
BetrVG § 5
BetrVG § 99
Mitglieder der DRK-Schwesterschaft - auch wenn es sich um männliche "Rote-Kreuz-Schwestern" handelt - sind keine Arbeitnehmer im Sinne des § 5 BetrVG (ständige Rspr. des BAG, so zuletzt z.B. BAG v. 22.04.1997 - 1 ABR 74/96).
Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 04.06.2008 - 3 BV 3/08 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner ist in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins mit Sitz in F. organisiert und als Mitglied des Verbandes der Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz e.V. ein Teil des Deutschen Roten Kreuzes e.V. In ihm sind Mitglieder zusammengeschlossen, die vornehmlich in der Kranken-, Kinderkranken-, Altenpflege- und Geburtshilfe tätig sind. Die Tätigkeit wird bei dem Antragsgegner selbst, seinen Einrichtungen und - im Rahmen von Gestellungsverträgen - bei anderen Einrichtungen der Pflege kranker und hilfsbedürftiger Menschen, z.B. dem Universitätsklinikum Essen, ausgeübt. Zusätzlich sind bei dem Antragsgegner 375 Angestellte beschäftigt, mit denen Arbeitsverhältnisse geschlossen wurden. Diese werden ebenfalls in den vorbezeichneten Pflegeberufen und -bereichen eingesetzt.

Der antragstellende Betriebsrat ist zuständig für das Pflegepersonal, das nicht in einem Mitgliedschaftsverhältnis zum Antragsgegner steht.

Derzeit gestellt der Antragsgegner 372 Angestellte und 1.053 Mitglieder dem Universitätsklinikum Essen gemäß Gestellungsvertrag vom 26.01.2006.

Am 02.05.2007 gab der Antragsgegner dem Antrag des Zeugen S. statt, ihn als außerordentliches Mitglied in die DRK-Schwesternschaft F. e.V. aufzunehmen. Dieser wird seither aufgrund entsprechender Gestellung als Krankenpfleger im Universitätsklinikum Essen beschäftigt. Zwischenzeitlich ist er ordentliches Mitglied.

Der antragstellende Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, vor Einstellung des Herrn S. hätte der Antragsgegner seine Zustimmung gemäß § 99 BetrVG einholen müssen. Er hat die Auffassung vertreten, der Antragsgegner umgehe durch die Begründung vereinsrechtlicher Arbeitspflichten in unzulässiger Weise zwingende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen. Herr S. sei als Arbeitnehmer anzusehen. Er habe einen Arbeitsplatz als Krankenpfleger gesucht und sich beim Universitätsklinikum beworben. Erst nachdem er dort die Auskunft erhalten hätte, es bestehe zwar Beschäftigungsbedarf, man beschäftige aber keine eigenen Pflegekräfte, sondern diese würden durch den Antragsgegner des vorliegenden Verfahrens gestellt, habe er sich bei ihm um ein Arbeitsverhältnis beworben und nur, weil man ihm erklärt habe, er müsse Mitglied werden, habe er einen entsprechenden Antrag gestellt und danach seine Arbeit im Klinikum aufnehmen können.

Im April 2003 habe der Vorstand des Antragsgegners beschlossen, künftig ausschließlich Mitglieder in den Verein aufzunehmen, also keine Arbeitsverträge mehr mit Bewerbern um eine Pflegekraftstelle abzuschließen.

Da es sich der Sache nach um ein Arbeitsverhältnis handele und das formal begründete mitgliedschaftsrechtliche Verhältnis sich objektiv als missbräuchliche Umgehung der arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen darstelle, seien die für Arbeitsverhältnisse maßgeblichen Vorschriften anwendbar, wozu auch § 99 BetrVG zähle.

Dass der Antragsgegner den Mitarbeiter S. dem Klinikum zur Arbeitsleistung überlasse, führe nicht zum Wegfall seines Beteiligungsanspruchs gemäß § 99 BetrVG, vielmehr greife § 14 AÜG ein, der auch auf die Fälle nicht gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung anzuwenden sei.

Er könne deshalb die Aufhebung der Einstellung verlangen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

dem Antragsgegner aufzugeben, die Einstellung des Arbeitnehmers P. S. aufzuheben.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner hat geltend gemacht, dass die Argumentation des Antragstellers mit der Vorschrift des § 14 AÜG nicht durchgreife. Diese Vorschrift sei vorliegend überhaupt nicht anwendbar. Selbst eine sinngemäße Anwendung könnten keine Rechte zugunsten des "Verleihbetriebsrats" begründen. Ausschließlich maßgeblich sei, dass es sich bei der Aufnahme des Zeugen S. als außerordentliches Mitglied nicht um eine "Einstellung in den Betrieb" des Antragsgegners im Sinne des § 99 BetrVG handele. Die Aufnahme sei zwecks ausschließlicher Beschäftigung im Universitätsklinikum Essen erfolgt. Der Zeuge S. erledige keine weisungsgebundene Tätigkeit unter der Leitung des Antragsgegners. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG bestehe nur dann, wenn eine Person derart in die Arbeitsorganisation des Betriebsinhabers eingegliedert werde, dass von diesem die von der Person zu verrichtende Tätigkeiten ihrer Art nach bestimmt würden. Die entscheidungsrelevanten, arbeitsrechtlichen Weisungsbefugnisse lägen vorliegend nicht beim Antragsgegner. Aufgrund des Gestellungsvertrages zwischen dem Antragsgegner und dem Universitätsklinikum Essen seien die entscheidungsrelevanten Weisungsbefugnisse dem Universitätsklinikum Essen eingeräumt. Dieses setze tatsächlich das Pflegepersonal auch wie eigenes Personal ein. Das Universitätsklinikum Essen führe ein Mitbestimmungsverfahren durch, soweit der Personalrat des Universitätsklinikums Essen beim Ersteinsatz von Gestellungspersonal ein Mitbestimmungsrecht habe.

Da die Aufnahme des Zeugen S. ausschließlich zur sofortigen Gestellung an das Universitätsklinikum Essen erfolgt sei, sei auch über eine sinngemäße Anwendung des § 14 AÜG keine mitbestimmungspflichtige Einstellung gegeben, da die Einstellung einer Person durch den "Verleiher" nach § 99 Abs. 1 BetrVG lediglich dann vom "Verleiherbetriebsrat" mitzubestimmen sei, wenn die Einstellung zur späteren Überlassung erfolge.

Im Übrigen seien Rote-Kreuz-Schwestern gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts keine Arbeitnehmerinnen im Sinne des § 5 Abs. 1 ArbGG bzw. des § 5 Abs. 1 BetrVG.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 04.06.2008 den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der Antragsgegner keine personelle Maßnahme im Sinne von § 99 BetrVG durchgeführt habe, da es an einer Eingliederung in den Betrieb des Antragsgegners fehle. Herr S. werde ausschließlich im Universitätsklinikum Essen eingesetzt und sei in die dortige Organisation eingegliedert. Bei dem Antragsgegner verbleibe auch kein Rest von Personalhoheit. Im Übrigen sei Herr S. auch kein Arbeitnehmer im Sinne von § 5 BetrVG, weil er auf vereinsrechtlicher Grundlage tätig werde. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Essen ist dem Antragsteller am 23.07.2008 zugestellt worden. Am 18.08.2008 ging die Beschwerdeschrift beim Landesarbeitsgericht ein und am 22.09.2008 die Beschwerdebegründungsschrift.

Zur Begründung seiner Beschwerde hat der Antragsteller im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesarbeitsgericht, auf dessen Rechtsprechung das Arbeitsgericht sich in dem angefochtenen Beschluss bezogen habe, nicht entschieden habe, dass im Falle des Tätigwerdens aufgrund eines Arbeitsvertrages keine Einstellung erfolge, wenn der arbeitsvertragschließende Mensch gar nicht im Betrieb des Arbeitgebers selbst tätig werde, sondern von dem vertragsschließenden Arbeitgeber an einen anderen Betrieb überlassen werde. § 14 AÜG ordne an, dass der Leiharbeitnehmer Angehöriger des Verleiherbetriebes bleibe und weise dessen Betriebsrat grundsätzlich die Zuständigkeit zu. Ein Teil der Personalhoheit verbleibe beim Verleiharbeitgeber. Entscheidend für das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers komme es mithin darauf an, ob der Krankenpfleger S. Arbeitnehmer im Sinne des § 5 BetrVG sei. Die vom Arbeitsgericht herangezogene einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei in der Literatur kritisiert und angegriffen worden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Bundesarbeitsgericht selbst zeitnah zu seiner letzten Entscheidung zur "Arbeitnehmereigenschaft von Rote-Kreuz-Schwestern zur Scientology Kirche Hamburg e.V." die Auffassung vertreten habe, es lägen dort Arbeitsverhältnisse vor, obwohl nur mitgliedschaftsrechtliche Verpflichtungen begründet worden waren. Dort sei eine objektive Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäfts der Begründung einer Vereinsmitgliedschaft mit Arbeitspflichten anstelle des Abschlusses eines Arbeitsvertrages angenommen worden. So habe Diller in seiner Anmerkung zu dem die Rote-Kreuz-Schwestern betreffenden Beschluss vom 06.07.1995 die Widersprüchlichkeit der im Übrigen stets wechselnden Argumentation des Bundesarbeitsgerichts zutreffend herausgearbeitet. Insbesondere die Verfahrensweise im vorliegenden Fall - wie in fast allen anderen Fällen auch, dass ein Krankenpfleger, der sich beim Universitätsklinikum Essen direkt um eine Anstellung bemühe, von diesem mit dem Hinweis an den Beschwerdegegner verwiesen werde, nur dieser stelle Personal für das UKE ein, vom Beschwerdegegner vor die Wahl gestellt werde, entweder Mitglied zu werden und sich damit des arbeitsrechtlichen Schutzes zu entäußern oder aber arbeitslos zu bleiben, zeige, dass objektiv eine funktionswidrige Verwendung des Rechtsinstituts der Vereinsmitgliedschaft vorliege. Nach alledem handele es sich bei Herrn S. in Wahrheit um einen Arbeitnehmer, bei dessen Einstellung der antragstellende Betriebsrat gemäß § 99 BetrVG zu beteiligen gewesen sei.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Essen vom 04.06.2008 - 4 BV 18/08 - dem Beschwerdegegner aufzugeben, die Einstellung des Krankenpflegers P. S. aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und vertieft im Wesentlichen seine erstinstanzlichen Ausführungen zur fehlenden Einstellung und Eingliederung des Herrn S. beim Antragsgegner.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Den Antrag des Antragstellers, die Einstellung des Arbeitnehmers P. S. aufzuheben, hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

1. Dem Antragsteller ist zuzugeben, dass ein Mitbestimmungsrecht seinerseits nach § 99 BetrVG im Hinblick auf die Einstellung des hier betroffenen Herrn S. nicht deshalb zu verneinen ist, weil dieser nicht in den Betrieb des Antragsgegners eingegliedert, sondern ausschließlich für den Einsatz im Universitätsklinikum Essen vorgesehen ist.

Auch nicht gewerbsmäßig überlassene Arbeitnehmer sind entsprechend § 14 Abs. 1 AÜG betriebsverfassungsrechtlich dem Betrieb des Vertragsarbeitgebers zugehörig. Nach § 14 Abs. 1 AÜG bleiben Leiharbeitnehmer auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebes. Der tatsächlichen Eingliederung in den Betrieb des Entleihers wird dadurch Rechnung getragen, dass Leiharbeitnehmer nach § 14 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 AÜG einzelne betriebsverfassungsrechtliche Rechte im Entleiherbetrieb zustehen. Eine vollständige betriebsverfassungsrechtliche Zugehörigkeit des Leiharbeitnehmers zum Entleiherbetrieb wird dadurch nicht begründet (BAG vom 20.04.2005 - 7 ABR 20/04 - NZA 2005, S. 1006 ff.). Aus der Regelung des § 14 Abs. 1 AÜG wird ersichtlich, dass der Gesetzgeber im Falle der bei einem Leiharbeitsverhältnis zwischen Verleiher und dem Entleiher eintretenden Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen unter betriebsverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten der auf vertraglicher Grundlage beruhenden Rechtsbeziehung zum Verleiher ein größeres Gewicht als der tatsächlichen Eingliederung im Betrieb des Entleihers beimisst (BAG vom 10.03.2004 - 7 ABR 49/03 - NZA 2004, S. 1340 ff.). Aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 AÜG ("bleiben") lässt sich nicht ableiten, dass der Arbeitnehmer vor seiner Überlassung in die Betriebsorganisation des Entleihers tatsächlich eingegliedert gewesen sein muss. Denn das ist bei den auch vom Arbeitnehmerüberlassungsgesetz erfassten Verleihern, die ihre Arbeitnehmer ausschließlich zum Zwecke der Arbeitnehmerüberlassung einstellen und gewerbsmäßig anderen Unternehmen mit Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit überlassen, typischerweise nicht der Fall. § 14 Abs. 1 AÜG soll nach seinem Sinn und Zweck gerade für diese Arbeitgeber klar stellen, dass der individualrechtlich bei seinem Verleiher verbleibende Arbeitnehmer trotz seiner tatsächlichen Eingliederung in die Betriebsorganisation des Entleihers auch betriebsverfassungsrechtlich dem Betrieb seines Vertragsarbeitgebers zugeordnet ist. Mit dem in § 14 Abs. 1 AÜG verwandten Begriff "bleiben" wird lediglich verdeutlicht, dass der überlassene Arbeitnehmer nicht nur individualrechtlich, sondern auch betriebsverfassungsrechtlich bei seinem Vertragsarbeitgeber verbleibt, d. h. trotz seiner Eingliederung in den Entleiherbetrieb seinem Vertragsarbeitgeber zuzuordnen ist (BAG vom 20.04.2005, a.a.O.).

Der Verleiherbetriebsrat ist mithin bei der Einstellung, der Eingruppierung und Umgruppierung sowie Versetzungen des Leiharbeitnehmers gemäß § 99 BetrVG zu beteiligen. Die personellen Einzelmaßnahmen des § 99 Abs. 1 BetrVG knüpfen an die arbeitsvertragliche Stellung des Leiharbeitnehmers an (Schüren-Hamann, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, 3. Aufl., § 14 Rdnr. 336).

2. Einen solchen arbeitsvertraglichen Leiharbeitnehmerstatus besitzt Herr S. jedoch nicht, weshalb aus diesem Grunde eine Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG vorliegend ausscheidet.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Rote-Kreuz-Schwestern keine Arbeitnehmerinnen im Sinne des § 5 BetrVG, weil sie ihre Arbeitsleistung aufgrund vereinsrechtlicher Mitgliedschaft erbringen (BAG vom 03.06.1975 - 1 ABR 98/74 - AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz; BAG vom 20.02.1986 - 6 ABR 5/85 - AP Nr. 2 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz; BAG vom 06.07.1995 - 5 AZB 9/93 - AP Nr. 22 zu § 5 ArbGG 1979; BAG vom 22.04.1997 - 1 ABR 74/96 - AP Nr. 18 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung).

Die von Seiten des Antragstellers an dieser Rechtsprechung geübte Kritik ist nicht gerechtfertigt. Soweit er diesbezüglich auf die Anmerkung von Diller zum Beschluss vom 06.07.1995 (AP Nr. 22 zu § 5 ArbGG 1979) Bezug nimmt und insoweit auf allgemeine Abgrenzungsgesichtspunkte, Widersprüchlichkeiten und wechselnde Argumentationen des Bundesarbeitsgerichts verweist, soll zunächst ganz allgemein mit einem Aufsatz von Reinecke geantwortet werden ("Der Kampf um die Arbeitnehmereigenschaft - prozessuale, materielle und taktische Probleme - NZA 1999, S. 729 - 784), in dem zu den Schwierigkeiten der Abgrenzung des Arbeitnehmerbegriffs im Wesentlichen zwei Gründe genannt werden:

"Der eine ist tatsächlicher Natur. Der Arbeitnehmerbegriff muss sich nämlich an vielen "Fronten" bewähren. Hier seien nur einige Lebens- und Wirtschaftsbereiche genannt. Medien (Rundfunk und Fernsehen, Presse), Unterricht, Transportwesen, Handel und Vertrieb, Gesundheit und Betreuung. Der Arbeitnehmerbegriff muss also viel "leisten", muss also notwendig sehr allgemein sein. Mancher, der sich mit dem Arbeitnehmerbegriff beschäftigt, mag sich an den Spruch von Herbert Wehner erinnert fühlen: "Nageln Sie einmal einen Pudding an die Wand."

Der zweite Grund ist rechtlicher Natur: Zum Streit um die Arbeitnehmereigenschaft kommt es in der Regel nur, wenn das Rechtsverhältnis anders bezeichnet wurde, etwa als freies Mitarbeiter- und freies Dienstverhältnis, als Werk- oder Frachtführervertrag, als freier Handelsvertreter-, Franchise- oder Kommissionierungsvertrag, als Gesellschaftsverhältnis ... Traditionelle Merkmale des Arbeitnehmerbegriffs sind Weisungsgebundenheit und Eingliederung. Die Problematik besteht darin, dass es häufig auch in Rechtsverhältnissen, die unzweifelhaft keine Arbeitsverhältnisse sind, Abhängigkeit, einseitige Bestimmungsrechte, Weisungsrechte und eine mehr oder weniger weitgehende Eingliederung in fremde Arbeitsorganisationen gibt ..."

b) Bei der Mitgliedschaft in einem Verein, wie sie hier in Rede steht, ist der Ausgangssachverhalt an sich zunächst eindeutig. Die wechselseitigen Rechte und Pflichten sind hier nicht aufgrund entsprechender vertraglicher Absprachen (durch Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages) begründet worden. Um die rechtliche Qualifizierung dieser Art vertraglicher Absprachen geht es in aller Regel nur dann, wenn sich - bei fehlender oder anderslautender Bezeichnung des Vertrages durch die Parteien - die Frage stellt, ob es sich nach dem Inhalt bzw. der tatsächlichen Durchführung dieses Vertrages (nicht in Wirklichkeit) um ein Arbeitsverhältnis handelt. In diesem Zusammenhang stellt die persönliche Abhängigkeit ein wesentliches Abgrenzungskriterium dar. Geht es, wie vorliegend, ausschließlich um die Mitgliedschaft in einem Verein, bedeutet dies zwangsläufig, dass vereinsrechtliche Grundsätze anzuwenden sind. Daran gibt es zunächst einmal nichts "herumzudeuten". Rechte und Pflichten der Vereinsmitglieder und des Vereins werden im Allgemeinen durch die Satzung des Vereins begründet (§ 25 BGB). Aufgrund der allgemeinen Freiheit rechtsgeschäftlichen Handelns kann sich der Verein in freier Selbstbestimmung eine eigene innere Ordnung geben. In der Satzung eines Vereins können bestimmte Verhaltenspflichten, die sich allerdings an der Erreichung des Vereinszwecks orientieren müssen, vorgeschrieben werden. Die Mitgliedschaft in einem Verein kann auch Rechtsgrundlage für die Leistung von Diensten in persönlicher Abhängigkeit sein (BAG vom 06.07.1995, a.a.O.; BAG vom 10.05.1990 - 2 AZR 607/89 - AP Nr. 51 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Abgrenzungsprobleme können sich allenfalls dann ergeben, wenn über die Vereinsmitgliedschaft hinausgehend bzw. neben dieser (gesondert) auf vertraglicher Ebene Rechte und Pflichten zwischen dem Verein und dem Vereinsmitglied begründet werden (vgl. dazu BAG vom 10.05.1990, a.a.O.). Diese Art Abgrenzungsprobleme haben jedoch nichts damit zu tun, dass vereinsrechtlich begründete Arbeitspflichten als Teil der Vereinsautonomie zu respektieren sind und nicht in einen Arbeitsvertrag "umgedeutet" werden können.

c) Von der zuvor angesprochenen Frage zu unterscheiden ist die nach den Schranken der Vereinsautonomie, welche sich u. a. aus §§ 134, 138,242 BGB ergeben. Die Begründung vereinsrechtlicher Arbeitspflichten darf nicht zur Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen führen. Letzteres ist jedoch für Rote-Kreuz-Schwestern (oder wie hier: "Brüder") zu verneinen. Wegen der mitgliedschaftlichen Rechte zur Einflussnahme auf die Vereinsleitung und damit auf die Arbeitsorganisation liegt insoweit keine Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzbestimmungen vor (vgl. dazu zuletzt BAG vom 22.04.1997, a.a.O.; ausführlich dazu auch LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27.05.2008 - 2 Ta 91/08). Des Weiteren stehen den Vereinsmitgliedern nach der Mitgliederordnung des Antragsgegners im Wesentlichen diejenigen Ansprüche zu, wie sie in einem Arbeitsverhältnis üblicherweise gegeben sind. Im Übrigen kann nach Art. 5 Ziff. 7 der Satzung die Mitgliedschaft des Vereinsmitglieds nach der Einführungszeit gegen seinen Willen nur aus bestimmten in der Satzung genannten wichtigen Gründen beendet werden, wodurch im Übrigen auch die - über die üblichen arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern hinausgehende - besondere Verbundenheit der Mitglieder des Antragsgegners zu diesem und umgekehrt des Antragsgegners zu seinen Mitgliedern zum Ausdruck kommt.

Weder ein Rechtsmissbrauch noch eine objektiv funktionswidrige Verwendung des Rechtsinstituts der Vereinsmitgliedschaft ist vorliegend gegeben - dies auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der Antragsgegner seit 2003 zugunsten einer Mitgliedschaft seiner Pflegekräfte keine Arbeitsverträge mit diesen mehr abschließt und seit 2006 auch Männer aufnimmt. Den Grundsätzen und Zielen des Antragsgegners (vgl. dazu die Mitgliederordnung) ist es immanent, solche Pflegekräfte zu beschäftigen, die über eine "schlichte Arbeitnehmermentalität" hinausgehend dem Antragsgegner und seinen Zielen in besonderem Maße verbunden sind, eine gewisse Mitverantwortung tragen und ein Zusammengehörigkeitsbewusstsein entwickeln, wozu die Vereinsmitgliedschaft, wenn auch nicht unbedingt das einzige, jedenfalls aber das geeignetere Mittel im Vergleich zu einem Arbeitsvertrag ist.

Nach alledem konnte der Beschwerde des Antragstellers kein Erfolg beschieden sein.

III.

Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da es die Voraussetzung der §§ 92 Abs.1, 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG als gegeben angesehen hat.

Ende der Entscheidung

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