Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.11.1998
Aktenzeichen: 16 Sa 1046/98
Rechtsgebiete: MTV-Metall NRW


Vorschriften:

MTV-Metall NRW § 3
MTV-Metall NRW § 4
MTV-Metall NRW § 5
Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt für Arbeitnehmer im Geltungsbereich des MTV-Metall NRW (ab 01.10.1995) 35 Stunden.Ist eine Verlängerung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit gem. § 3 Nr. 3 MTV nicht vereinbart und ist auch sonst keine Vereinbarung über eine anderweitige Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit gem. § 4 Nr. 1 und 2 MTV getroffen worden, ist die über 7 Stunden pro Tag hinaus geleistete Arbeit zuschlagpflichtige Mehrarbeit.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäfts-Nr.: 16 Sa 1046/98

Verkündet am: 17.11.1998

In dem Rechtsstreit

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kaup als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Moutarde und den ehrenamtlichen Richter Karmaat für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 24.04.1998 - 2 Ca 2924/97 - wird mit der Klarstellung zurückgewiesen, daß die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger (für den Zeitraum 05.05. bis einschließlich 16.05.1997) restliche 100,40 DM brutto zu zahlen.

2. Die Kosten der Berufungsinstanz - mit Ausnahme der Kosten für den Teil-Vergleich vom 17.11.1998 - trägt die Beklagte.

3. Urteilsstreitwert: 100,40 DM.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Zahlung tariflicher Mehrarbeitszuschläge, und zwar im vorliegenden Berufungsrechtsstreit zunächst für den Monat Mai 1997.

Die Beklagte betreibt ein Stahlbauunternehmen mit zur Zeit 48 Arbeitnehmern. Ein Betriebsrat besteht nicht. Auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer wendet sie die Tarifverträge der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens an. Der Einsatz der Arbeitnehmer erfolgt im Werk der T.hyss Stahl AG in D.uisbu. Die regelmäßige Arbeitszeit der dortigen T.hyss- Arbeitnehmer beträgt acht Stunden pro Tag.

Der zur Zeit 60-jährige Kläger, geboren am 31.01.1938, ist seit dem 01.10.1987 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die vorgenannten Tarifverträge der Eisen-/Metallindustrie NRW kraft Vereinbarung Anwendung. Der Kläger ist Meister der Gehaltsgruppe M 4 im Sinne des § 3 Gehaltsrahmenabkommens Eisen/Metall NRW. Sein Tarifgehalt betrug im Monat Mai 1997 nach dem entsprechenden Gehaltsabkommen vom 11.12.1996 über die Tarifgehälter der Eisen-/Metallindustrie NRW 6.104,-- DM brutto. Er arbeitete in der Zeit vom 05.05.1997 bis einschließlich 16.05.1997 an zehn Arbeitstagen, und zwar an sechs Tagen jeweils acht Stunden, an drei Tagen jeweils neun Stunden und an einem Tag zehn Stunden, insgesamt 85 Stunden. Auf die Aufstellung (Bl. 10 d. A.) wird Bezug genommen. Die Beklagte zahlte ihm tarifliche Mehrarbeitszuschläge für die an den vier Tagen jeweils über acht Stunden hinaus geleisteten Arbeitsstunden. Der Kläger vertritt demgegenüber die Auffassung, ihm seien die tariflichen Mehrarbeitszuschläge für die pro Tag über sieben Stunden hinaus geleisteten Arbeitsstunden zu zahlen. Dies ergebe sich aus den hier anzuwendenden Tarifregelungen des Manteltarifvertrags für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW (MTV-Metall vom 29.02.1988 in der Fassung des Änderungs-TV vom 11.12.1996). Dort heißt es:

§ 3 Nr. 1

Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ... beträgt ... ab 01.10.1995 35 Stunden. § 3 Nr. 3

Soll für einzelne Arbeitnehmer die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden verlängert werden, bedarf dies der Zustimmung des Arbeitnehmers ...

§ 3 Nr. 5

Wenn keine andere Regelung getroffen wird, beträgt die regelmäßige tägliche Arbeitszeit bis zu acht Stunden.

§ 4 Nr. 1

Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit sowie ... können gleichmäßig oder ungleichmäßig grundsätzlich auf fünf Werktage von Montag bis Freitag verteilt werden. ...

§ 4 Nr. 2

Durch Betriebsvereinbarung werden u. a. festgelegt:

a) die Verteilung der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit ... sowie die Verteilung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit entsprechend Nr. 1, ...

§ 5 I Nr. 1

Mehrarbeit sind die über die nach den §§ 3 und 4 festgelegte individuelle regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden; ...

§ 6 Nr. 1

Der Zuschlag beträgt für

a) die beiden ersten täglichen Mehrarbeitsstunden 25 v. H.

von der dritten täglichen Mehrarbeitsstunde an 50 v. H.

...

In einem Vorrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Oberhausen - 1 Ca 1062/97 - haben die Parteien sich mit Vergleich vom 21.08.1997 über die streitigen Ansprüche des Klägers aus dem Zeitraum bis 30.04.1997 geeinigt. Für den Monat Mai 1997 hat der Kläger restliche Mehrarbeitszuschläge in Höhe von 100,40 DM brutto errechnet, für die nachfolgenden Monate weitere Zuschläge in näher bezeichneter Höhe. Nach vergeblicher Geltendmachung hat der Kläger im nunmehr vorliegenden Rechtsstreit erstinstanzlich zuletzt neben weiteren Ansprüchen beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn (für den Monat Mai 1997 als Mehrarbeitszuschläge) 100,40 DM brutto ... zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei nach den Tarifregelungen zur Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen erst für die über acht Stunden pro Tag hinaus geleisteten Arbeitsstunden verpflichtet. Dies folge aus § 3 Nr. 5 MTV, wonach die regelmäßige tägliche Arbeitszeit bis zu acht Stunden betrage. Auch führe es andernfalls im Rahmen des § 16 MTV bei der Berechnung des regelmäßigen Arbeitsentgelts zu unbilligen Ergebnissen. Im übrigen sei die Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag der bei der Firma T.hyss geltenden Arbeitszeit angeglichen worden, was anders auch gar nicht möglich sei.

Das Arbeitsgericht Oberhausen hat mit Teil-Urteil vom 24.04.1998 - 2 Ca 2924/97 - die Beklagte zur Zahlung für den Monat Mai 1997 verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß mangels gegenteiliger Vereinbarungen mit dem Kläger über dessen individuelle Arbeitszeit die streitigen Mehrarbeitszuschläge für diejenigen Arbeitsstunden zu zahlen seien, die pro Tag über sieben Stunden hinaus geleistet würden. Auf die Entscheidungsgründe im einzelnen wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Arbeitsgericht zugelassenen Berufung, die sie zu den im Terminsprotokoll vom 17.11.1998 genannten Zeitpunkten eingelegt und begründet hat. Nach Erledigung der übrigen für den Monat Mai 1997 zwischen den Parteien streitigen Punkte wendet sie sich gegen die Zahlung der für diesen Monat noch streitigen 100,40 DM brutto, während der Kläger die Zurückweisung der Berufung beantragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig: Sie ist aufgrund erfolgter Zulassung statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO).

II.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Berufungsgericht schließt sich der Auffassung des Arbeitsgerichts an, wonach die tariflichen Mehrarbeitszuschläge an den Kläger für die von ihm über sieben Stunden pro Tag hinaus geleisteten Arbeitsstunden zu zahlen sind.

1. Unstreitig beträgt für den Kläger die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit nach § 3 Nr. 1 MTV 35 Stunden. Eine Vereinbarung der Parteien im Sinne des § 3 Nr. 3 Satz 1 MTV, wonach für einzelne Arbeitnehmer die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden verlängert werden kann, ist nicht getroffen worden. Sie liegt auch nicht darin, daß der Kläger in der Vergangenheit auf Veranlassung der Beklagten regelmäßig mehr als 35 Stunden pro Woche gearbeitet hat. Der Streit der Parteien über die Zahlung der Mehrarbeitszuschläge nach Ableistung von sieben Stunden pro Tag, gleich 35 Stunden pro Woche, verdeutlicht, daß keine Verlängerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers auf bis zu 40 Stunden vereinbart war/ist, so daß für ihn weiterhin die 35-Stunden-Woche aus § 3 Nr. 1 MTV gilt.

2. Auch aus § 3 Nr. 5 Satz 1 MTV läßt sich nichts anderes herleiten, wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat.

a) Danach kann zwar die regelmäßige tägliche Arbeitszeit bis zu acht Stunden betragen. Diese Regelung ändert aber nicht die in § 3 Nr. 1 festgelegte Wochenarbeitszeit von 35 Stunden ab, sondern dient in Verbindung mit § 4 Nr. 1 Satz 1 MTV über die Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit vornehmlich der Flexibilisierung. Danach kann die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit, im Falle des Klägers die Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche, gleichmäßig oder ungleichmäßig grundsätzlich auf fünf Werktage von Montag bis Freitag verteilt werden, mithin an einzelnen Tagen der Woche bis zu acht Stunden betragen, dafür an anderen Tagen entsprechend weniger, so daß sich am Ergebnis der 35-Stunden-Woche für den Kläger aus § 3 Nr. 1 MTV nichts ändert.

b) Folgte man der Auffassung der Beklagten, wonach die regelmäßige tägliche Arbeitszeit des Klägers - automatisch - bis zu acht Stunden betragen könne, bedeutete dies bei regelmäßig fünf Arbeitstagen pro Woche eine 40-Stunden-Woche, ohne daß es dann noch auf die Zustimmung des Klägers hierzu im Sinne des § 3 Nr. 3 Satz 1 MTV ankäme. Die auch für den Kläger nach § 3 Nr. 1 MTV geltende 35-Stunden- Woche wäre dann gegenstandslos.

c) Darüber hinaus ist § 3 Nr. 5 Satz 1 MTV ein Relikt aus dem MTV-Metall vom 30.04.1980 (damaliger § 2 Nr. 2 Satz 1). Seine Wiederholung - auch in eingeschränkter Form - hätte angesichts der heute weitergehenderen tariflichen Arbeitszeitflexibilisierungsmöglichkeiten unterbleiben können bzw. aus Verständlichkeitsgründen unterbleiben müssen (so ausdrücklich Ziepke/Weiss, Kommentar zum MTV-Metall NRW, 4. Aufl. 1998, § 3 Anm. 21, nach deren Auffassung die rechtliche Substanz dieser Vorschrift zudem immer schon gering war).

3. Nach § 5 I Nr. 1 MTV sind die über die nach den §§ 3, 4 MTV festgelegte individuelle regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden Mehrarbeit. Mit dem Kläger ist - wie bereits ausgeführt - weder eine Verlängerung seiner individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im Sinne des § 3 Nr. 1 Satz 1 MTV vereinbart worden noch existiert eine Regelung nach § 4 MTV über eine anderweitige Verteilung, so daß es für ihn bei der regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Stunden pro Woche (§ 3 Nr. 1 MTV), grundsätzlich verteilt auf fünf Werktage von Montag bis Freitag (§ 4 Nr. 1 MTV), verbleibt. Dies bedeutet sieben Arbeitsstunden pro Tag, so daß die an diesen Tagen darüber hinausgehenden Arbeitsstunden mit den sich aus § 6 MTV ergebenden Mehrarbeitszuschlägen zu vergüten sind.

4. Inwieweit diese Mehrarbeitszuschläge im Rahmen des § 16 MTV in die Berechnung des regelmäßigen Arbeitsentgelts" einzubeziehen sind, wie die Beklagte meint, ist im vorliegenden Berufungsrechtsstreit nicht zu entscheiden. Im übrigen wird auf den Wortlaut des § 16 MTV in der ab 01.01.1997 geltenden Fassung des Änderungs-TV vom 11.12.1996 verwiesen.

5. Bei den im Zeitraum 05.05.1997 bis einschließlich 16.05.1997 geleisteten Stunden an zehn Arbeitstagen handelte es sich nach der Aufstellung des Klägers und der Abrechnung der Beklagten für den Monat Mai 1997 um insgesamt 85 Arbeitsstunden. Hieraus errechnen sich (10 x 7 =) 70 Normalstunden und 15 Stunden mit Mehrarbeitszuschlägen, von denen die Beklagte laut Klageschrift sieben Stunden berechnet hat, so daß acht Stunden verbleiben. Hieraus hat der Kläger in der Klageschrift (Bl. 3 d. A.) 100,40 DM brutto (190,40 DM abzüglich 90,-- DM) errechnet. Die rechnerische Richtigkeit der mitgeteilten Zahlen hat die Beklagte nicht bestritten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

Zurück