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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.02.2005
Aktenzeichen: 16 Sa 1723/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 4
KSchG § 7
Wird innerhalb der Frist des § 4 KSchG ein tatsächlich existierendes Unternehmen verklagt, das nicht Arbeitgeber des Klägers ist, und werden Unterlagen (Arbeitsvertrag, Kündigungsschreiben), aus denen der wahre Arbeitgeber zu ersehen ist, erst nach Fristablauf nachgereicht, führt eine später vorgenommene Parteiberichtigung nicht zur Rechtzeitigkeit der Klage.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 Sa 1723/04

Verkündet am 15. Februar 2005

In dem Rechtsstreit

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 15.02.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kaup als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Göllner und den ehrenamtlichen Richter Eckwert

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 26.08.2004 - 1 Ca 2358/04 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Streitwert: unverändert (6.300,00 €).

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Die (jetzige) Beklagte, B. Deutschland GmbH, mit Hauptsitz in F. befasst sich mit der Installation und Wartung von Sicherheitsanlagen. Der am 09.03.1978 geborene Kläger war seit dem 04.05.1998 zunächst bei einer Firma D.J.Q.F. FRANCE (Deutschland) GmbH mit Sitz in T./Ts. beschäftigt. Diese firmierte ab Juli 2001 unter der Bezeichnung B. Sicherheitstechnik GmbH, ab November 2002 unter der Bezeichnung B. Q. GmbH.

Mit Arbeitsvertrag der Parteien vom 20./22.01.2003 stellte die Beklagte unter ihrer Firmenbezeichnung B. Deutschland GmbH den Kläger unter Anrechnung seiner Betriebszugehörigkeit bei der früheren Firma D.J.Q.F. (04.05.1998) mit Wirkung vom 01.02.2003 als Montagefachkraft/Installationstechniker ein (Dienstsitz C.). Seine Monatsvergütung belief sich zuletzt auf rund 2.100,00 € brutto. Für seinen Einsatz auf den verschiedenen Montagestellen im Bereich C. stand dem Kläger ein Mietwagen (AVIS) als Firmenfahrzeug zur Verfügung. Neben dem Kläger wurden von der Beklagten im Bereich C. seinerzeit ca. 30 weitere Monteure eingesetzt.

Im Jahr 2003 verlor der Kläger im Rahmen einer Verkehrsüberwachung seine Fahrerlaubnis für ca. einen Monat wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Am 11.01.2004 (Sonntag) wurde im Rahmen einer Verkehrskontrolle nach einem Diskothekbesuch des Klägers bei ihm ein Blutalkoholwert in Höhe von 1,8 Promille festgestellt. Seine Fahrerlaubnis wurde einbehalten. Der Einbehalt dauerte nach seinen Angaben 11 Monate, nach Angaben der Beklagten 12 Monate. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.03.2004, dem Kläger zugegangen am 31.03.2004, zum 31.05.2004.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit Klageschrift vom 20.04.2004, die per Telefaxschreiben am 20.04.2004 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangen ist. Gerichtet war die Klage gegen die "Firma B. Sicherheitstechnik GmbH", laut Klagebegründung Nachfolgerin der "Rechtsvorgängerin D.J.Q.F. France (Deutschland GmbH)". In der Klageschrift nahm der Kläger Bezug ("in Kopie anbei") auf seinen Arbeitsvertrag vom Januar 2003 und das Kündigungsschreiben vom 30.03.2004. Die Unterlagen waren der per Telefax übersandten Klageschrift nicht beigefügt, sondern erst dem Original der Klageschrift. Dieses ist am 22.04.2004 beim Arbeitsgericht (Berlin) eingegangen. Nach Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Essen und nach Einwendungen der Beklagten vom 21.06.2004, dass die Klage nicht gegen die richtige Partei gerichtet sei, hat der Kläger das Passivrubrum mit Schriftsatz vom 28.06.2004 auf die jetzige Beklagte umgestellt und vorgetragen, dass die bis dahin unzutreffende Bezeichnung der Beklagten unschädlich sei, da die richtige Beklagte aus den der Klageschrift vom 20.04.2004 beigefügten Unterlagen zu ersehen gewesen sei. Darüber hinaus sei die Kündigung vom 30.03.2004 auch in der Sache nicht gerechtfertigt. Sie sei sozial ungerechtfertigt.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30.03.2004 nicht aufgelöst worden ist, sondern ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht: Die Klage sei unbegründet. Zum einen sei die Kündigung nicht innerhalb der Frist des § 4 KSchG angegriffen worden. Zum anderen sei sie auch sachlich gerechtfertigt, da der Kläger nach Einziehung seiner Fahrerlaubnis für einen zunächst nicht mehr absehbaren Zeitraum und für eine unzumutbar lange Dauer gehindert gewesen sei, seinen Arbeitsvertragspflichten nachzukommen sowie für die Beklagte einsetzbar zu sein.

Das Arbeitsgericht Essen hat der Klage mit Urteil vom 26.08.2004 - 1 Ca 2358/04 - stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vorliegenden Berufung, die sie zu den im Sitzungsprotokoll vom 15.02.2005 genannten Zeitpunkten eingelegt und begründet hat und mit der sie weiterhin Abweisung der Klage begehrt, während der Kläger die Zurückweisung der Berufung beantragt. Auf das Berufungsvorbringen der Parteien wird Bezug genommen, ebenso wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf den übrigen Akteninhalt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig: Sie ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes an sich statthaft (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 11 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG).

II.

Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist rechtswirksam zum 31.05.2004 aufgelöst worden. Die Kündigung der Beklagten vom 30.03.2004 gilt gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, da ihre behauptete Rechtsunwirksamkeit vom Kläger nicht rechtzeitig geltend gemacht worden ist.

1. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes sind im vorliegenden Fall gegeben. Der Kläger musste, um eine mögliche Rechtsunwirksamkeit der ihm am 31.03.2004 zugegangenen Kündigung mit Erfolg gerichtlich geltend machen zu können, die Klage gemäß § 4 Satz 1 KSchG innerhalb einer Frist von drei Wochen beim Arbeitsgericht einreichen. Diese Frist, die im vorliegenden Fall am 21.04.2004 abgelaufen ist, hat der Kläger nicht gewahrt. Zwar ist die Klageschrift vom 20.04.2004 per Telefaxschreiben am 20.04.2004 beim Arbeitsgericht (Berlin) eingegangen. Sie war jedoch nicht gegen die richtige Partei gerichtet.

a) Gerichtet war die Klage laut Klageschrift gegen eine Firma B. Sicherheitstechnik GmbH. Hierbei handelte es sich nicht lediglich um eine falsche Bezeichnung der späteren und jetzigen Beklagten. Vielmehr handelt es sich bei der vom Kläger genannten Firma B. Sicherheitstechnik um ein existierendes anderweitiges Unternehmen, wenn auch unter der zwischenzeitlichen Firmenbezeichnung B. Q.. Zudem bezeichnete der Kläger das in der Klageschrift als Beklagte genannte Unternehmen B. Sicherheitstechnik in seiner Klagebegründung als Rechtsnachfolgerin der "Rechtsvorgängerin D.J.Q.F. France (Deutschland) GmbH". Unstreitig handelt es sich bei der B. Sicherheitstechnik um die frühere Firma D.J.Q.F. Unstreitig war der Kläger bis 31.01.2003 und vor Aufnahme seiner Tätigkeit bei der Beklagten ab dem 01.02.2003 bei dieser Firma beschäftigt. Es sprach angesichts dieser Umstände alles dafür, dass der Kläger das in der Klageschrift per Telefax am 20.04.2004 benannte Unternehmen "B. Sicherheitstechnik GmbH" auch meinte und dieses Unternehmen - so wie von ihm bezeichnet - die Beklagte sein sollte. Tatsächliche Arbeitgeberin des Klägers war infolge seines Wechsels ausweislich des Arbeitsvertrags der Parteien vom 20./22.01.2003 ab dem 01.02.2003 indessen die erst später als jetzige Beklagte bezeichneten Partei.

b) Aus der Sicht der erkennenden Kammer hätten keine durchgreifenden Bedenken bestanden, die jetzige Beklagte als die von Anfang an zutreffende und damit fristgerecht verklagte Partei anzusehen, wenn sich innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG aus den der Klageschrift beigefügten Unterlagen hätte ersehen lassen, wer tatsächliche Arbeitgeberin des Klägers war. Dies wäre sowohl aus dem Arbeitsvertrag der Parteien vom Januar 2003, insbesondere aus der dortigen Schlussformel, als auch aus dem Kündigungsschreiben vom 30.03.2004 ohne erhebliche Zweifel erkennbar gewesen. Ergibt sich nämlich in einem Kündigungsschutzprozess etwa aus dem der Klageschrift beigefügten Kündigungsschreiben und/oder Arbeitsvertrag, wer als beklagte Partei gemeint ist, so liegt eine nach § 4 Satz 1 KSchG rechtzeitige Klage auch dann vor, wenn bei Zugrundelegung des bloßen Wortlauts der Klageschrift eine andere Person als Partei in Betracht zu ziehen wäre. Es wäre nicht gerechtfertigt, die Klageerhebung an unvollständigen oder fehlerhaften Parteibezeichnungen scheitern zu lassen, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen. Dies gilt auch dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist (BAG vom 12.02.2004 - 2 AZR 136/03 - AP Nr. 50 zu § 4 KSchG 1969 m. w. N.).

c) Diese Erleichterungen greifen im vorliegenden Fall indessen nicht ein. Der per Telefax am 20.04.2004 übersandten Klageschrift lagen keinerlei Anlagen bei, insbesondere nicht der vorerwähnte Arbeitsvertrag der Parteien vom Januar 2003 und ebenfalls nicht das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 30.03.2004. Diese Unterlagen waren erst dem nach Fristablauf am 22.04.2004 eingegangenen Original der Klageschrift beigefügt. Weder aus dem Inhalt der Klageschrift noch aus sonstigen Umständen war zu ersehen, dass entgegen der in der Klageschrift benannten B. Sicherheitstechnik GmbH die jetzige Beklagte die richtige Beklagte sein sollte. Erst recht war dies nicht "unzweifelhaft" im vorbezeichneten Sinn. Entscheidend im Rahmen einer bloßen Berichtigung der Parteibezeichnung ist die Wahrung der rechtlichen Identität (BAG vom 12.02.2004 - 2 AZR 136/03 - a. a. O.). Letzteres ist hier nicht der Fall. Mit der im Schriftsatz vom 28.06.2004 erfolgten Änderung hat der Kläger nicht eine bloße Parteiberichtigung vorgenommen, sondern im Wege der Parteiänderung eine andere Partei in den Prozess eingeführt. Dies war nach dem hier eingetretenen Fristablauf nicht mehr möglich.

2. Ob die Klage darüber hinaus entgegen der Ansicht im angefochtenen Urteil auch in der Sache unbegründet gewesen und der Berufung der Beklagten damit stattzugeben wäre, wie die Beklagte unter anderem unter Hinweis auf das Urteil des LAG Niedersachsen vom 09.09.2003 (LAGE § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 19) meint, bleibt offen. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits kommt es hierauf nicht mehr an.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert blieb unverändert. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nach Auffassung der Kammer nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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