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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 06.03.2001
Aktenzeichen: 16 Sa 1765/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 829
ZPO § 850 d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 16 Sa 1765/00

Verkündet am: 06.03.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 06.03.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kaup als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Motz und den ehrenamtlichen Richter Röbers

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 02.11.2000 ­ 3 Ca 2930/00 ­ abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.645,-- DM nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 seit dem 08.08.2000 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte mit Ausnahme der durch die Anrufung des Arbeitsgerichts Hamm entstandenen Mehrkosten des Rechtsstreits. Diese hat die Klägerin zu tragen.

3. Streitwert: unverändert (3.645,-- DM).

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Rahmen einer Drittschuldnerklage auf Zahlung von gepfändetem Arbeitslohn des Streitverkündeten R.o S.teinho (geb. am 7.10.19) in Anspruch.

Der Streitverkündete war (spätestens) seit dem 01.08.1983 mit Unterhaltszahlungen gegenüber seiner von ihm geschiedenen Ehefrau S.iegr S.teinho (geb. am ) im Rückstand. Mit Urteil vom 22.10.1984 ­ 31 F 361/83 ­ verurteilte das Amtsgericht Hamma ihn zur Zahlung näher genannter Unterhaltsrückstände und zur Zahlung von monatlich fortlaufenden Unterhaltsleistungen. Wegen fortbestehender Unterhaltsrückstände für den Zeitraum vom 01.08.1983 bis 30.11.1984 und vom 13.05.1985 bis 31.10.1986 in Höhe von 16.318,83 DM zahlte die Klägerin an die geschiedene Ehefrau Sozialhilfeleistungen. Unter dem 19.01.1993 erwirkte sie durch das Amtsgericht Hamma ­ 31 F 361/83 ­ eine vollstreckbare Ausfertigung gegenüber dem Streitverkündeten zur Beitreibung der vorgenannten Beträge.

Im September 1999 war vor dem Amtsgericht Mönchengladbach ein Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen des Streitverkündeten ­ 32 IK 52/99 - anhängig. Mit Beschluss vom 30.09.1999 untersagte das Amtsgericht Maßnahmen der (Einzel-)Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner (Streitverkündeten).

Mit Beschluss vom 24.11.1999 änderte es seinen vorgenannten Beschluss ab und gestattete der Klägerin, in denjenigen Teil der Bezüge des Streitverkündeten zu vollstrecken, der gemäß § 850 d ZPO für andere Gläubiger nicht pfändbar war.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 24.01.2000 ­ 23 M 83/00 ­ ließ die Klägerin wegen der Unterhaltsrückstände des Streitverkündeten aus dem Zeitraum August 1983 bis Oktober 1996 nebst Kosten über insgesamt 7.396,80 DM dessen gegenwärtiges und zukünftiges Arbeitseinkommen bei der Beklagten unter Hinweis auf den Beschluss des Amtsgerichts vom 24.11.1999 ­ 32 IK 52/99 ­ gemäß § 850 d ZPO pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Der dem Streitverkündeten zu belassende Betrag wurde vom Amtsgericht auf 1.300,00 DM pro Monat festgesetzt. Die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Beklagte erfolgte am 03.02.2000. Zu diesem Zeitpunkt war der Streitverkündete spätestens seit 1999 dort als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Sein Monatseinkommen betrug nach Angaben der Beklagten zuletzt 2.029,00 DM netto. Zahlungen an die Klägerin leistete die Beklagte nicht.

Mit der am 03.07.2000 zunächst beim Arbeitsgericht Hamm eingegangenen Klage und nach erfolgter Verweisung gemäß Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 05.09.2000 an das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat die Klägerin erstinstanzlich zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin (für die Monate Februar bis Juni 2000: 5 x 729,00 DM =) 3.645,00 DM nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 09.06.1998 seit Rechtshängigkeit (08.08.2000) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht: Zahlungsansprüche der Klägerin aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 24.01.2000 seien nicht gegeben. Dem Streitverkündeten sei bei seinem Eintritt bei der Beklagten ein Arbeitgeberdarlehen gewährt worden. Es sei vereinbart worden, dieses Darlehen mit monatlichen Raten in Höhe des pfändbaren Teils seines Einkommens durch Abtretung zurückzuzahlen, so dass wegen der Vorrangigkeit der Raten für das Arbeitgeberdarlehen keine Pfändungsbeträge für die Klägerin mehr zur Verfügung stünden. Darüber hinaus habe der Streitverkündete neben seinem Sohn O.liv aus erster Ehe (geb. am .8.01.19) zwei weitere, noch minderjährige Kinder aus zweiter Ehe (S.ar, geb. am .4.06.198 und R.aphae, geb. am .5.05.19), für die er Unterhalt schulde und hieraus an das Sozialamt der Stadt Mönchengladbach monatlich 429,00 DM zahle. Von seinem monatlichen Nettogehalt in Höhe von 2.029,00 DM zahle er monatlich 300,00 DM auf das Arbeitgeberdarlehen sowie monatlich weitere 429,00 DM als Unterhalt für die Töchter S.ar und R.aphae, so dass ihm genau nur 1.300,00 DM pro Monat verblieben, die ihm nach dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 24.01.2000 zu belassen seien. Außerdem sei der aus § 850 d ZPO zugunsten der Klägerin ergangene Abänderungsbeschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 24.11.1999 ­ 32 IK 52/99 ­ der Beklagten nicht zugestellt worden, so dass auch insoweit keine Zahlungsverpflichtung für sie gegeben sei.

Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat die Klage mit Urteil vom 02.11.2000 ­ 3 Ca 2930/00 ­ abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 24.01.2000 ­ 23 M 83/00 ­ wegen Verstoßes gegen § 850 d Abs. 1 Satz 4 ZPO ganz offensichtlich mangelhaft" bzw. nichtig" sei. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, die sie zu den im Sitzungsprotokoll vom 06.03.2001 genannten Zeitpunkten eingelegt und begründet hat und mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt, während die Beklagte die Zurückweisung der Berufung beantragt.

Auf das Berufungsvorbringen beider Parteien wird Bezug genommen, ebenso wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf den sonstigen Akteninhalt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO).

II.

Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das Berufungsgericht schließt sich der erstinstanzlichen Entscheidung nicht an. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist gegeben. Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

1. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 24.01.2000 ist das gesamte gegenwärtige und zukünftige Arbeitseinkommen des Streitverkündeten S. gepfändet und der Klägerin zur Einziehung überwiesen worden. Unstreitig ist der Beschluss vom 24.01.2000 der Beklagten am 03.02.2000 zugestellt worden, so dass das Arbeitseinkommen des Streitverkündeten ab dem Monat Februar 2000 gemäß § 829 Abs. 3 ZPO in Beschlag genommen war. Nach § 835 Abs. 1 ZPO hatte die Beklagte den gepfändeten Betrag an die Klägerin abzuführen.

2. Unstreitig ist hier die Pfändung nach Maßgabe des § 850 d ZPO erfolgt, wobei dem Kläger ein monatlicher Betrag in Höhe von 1.300,00 DM (netto) zu belassen war. Ausweislich des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durfte die Klägerin in diejenigen Differenzbeträge vollstrecken, die sich aus den §§ 850 c und 850 d ZPO ergaben. Es handelt sich hierbei um eine Pfändung in Beträge, die für andere Gläubiger nach § 850 c ZPO unpfändbar waren.

3. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 24.01.2000 ist im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts auch nicht rechtsunwirksam und nichtig", sondern rechtswirksam. Zumindest ist für das vorliegende Einziehungserkenntnisverfahren von seiner Rechtswirksamkeit auszugehen.

a) Nach § 850 d ZPO besteht für das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht (§§ 764, 828 ZPO) zugunsten eines Unterhaltsgläubigers oder des gemäß §§ 90, 91 BSHG an seine Stelle getretenen Sozialhilfeträgers (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl., § 850 d Rdn. 2) die Möglichkeit, zur Sicherstellung gesetzlicher Unterhaltsansprüche den pfändungsfreien Betrag aus dem Arbeitseinkommen eines Unterhaltsschuldners herabzusetzen. Nach § 850 d Abs. 1 Satz 4 ZPO kann das Vollstreckungsgericht dies auch auf Unterhaltsrückstände beziehen, die länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind (sog. überjährige Rückstände), wenn nach Lage der Verhältnisse anzunehmen ist, dass der Unterhaltsschuldner sich seiner Unterhaltszahlungspflicht absichtlich entzogen hat. Hiervon ist das Amtsgericht/Vollstreckungsgericht nach entsprechendem Antrag und dem dortigen Vorbringen der Klägerin bei Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 24.01.2000 ersichtlich ausgegangen. Es hat die überjährigen Rückstände einbezogen und den pfändungsfreien Betrag des Streitverkündeten aus seinem Arbeitseinkommen auf 1.300,00 DM (netto) pro Monat herabgesetzt.

b) Diese vom Vollstreckungsgericht (konstitutiv) erfolgte Festsetzung ist im Drittschuldnerprozess für das Prozessgericht bindend. Die Gerichte für Arbeitssachen haben im Einziehungserkenntnisverfahren nicht darüber zu befinden, ob die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts nach § 850 d ZPO bei Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zutreffend oder ob ein Pfändungsfreibetrag anderweitig oder gar nicht festzusetzen war. Das Arbeitsgericht ist keine Überprüfungs- oder Rechtsmittelinstanz des Vollstreckungsgerichts. Schuldner und Drittschuldner haben gegen die Festsetzung des pfändbaren Teils des Einkommens durch das Vollstreckungsgericht und wegen etwaiger Unrichtigkeit der nach § 850 d ZPO getroffenen Entscheidung die Möglichkeit des Rechtsbehelfs der Erinnerung nach § 766 ZPO. Im Drittschuldnerprozess kann die Beklagte als Drittschuldnerin demgegenüber nicht erfolgreich einwenden, die durch das Vollstreckungsgericht nach § 850 d ZPO getroffene Entscheidung sei unzutreffend (ganz h. M., vgl. BAG vom 09.12.1961 ­ 5 AZR 300/61 ­ AP Nr. 8 zu § 850 d ZPO = DB 1962, 244; Zöller/Stöber, ZPO, 21. Aufl. 1999, § 850 d, Rdn. 13 m. w. N.; Stöber, Forderungspfändung, 11. Aufl. 1996, Rdn. 1131; Baumbach/Lauterbach u. a., ZPO, 58. Aufl. 2000, § 850 d, Rdn. 13).

c) Dies gilt im vorliegenden Rechtsstreit umso eher, als zumindest erstinstanzlich die Parteien eine Rechtsunwirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 24.01.2000 selbst nicht geltend gemacht, eine vermeintliche Verletzung des § 850 d ZPO nicht gerügt und auch Sachumstände hierfür nicht vorgetragen hatten.

Die Annahme einer vermeintlichen Rechtsunwirksamkeit ist erst durch das Arbeitsgericht erfolgt. Zwar mag es Fälle geben, in denen ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss im Drittschuldnerprozess ausnahmsweise als rechtsunwirksam und nichtig anzusehen ist, etwa bei greifbarer Gesetzwidrigkeit und wenn ihm der Makel der Rechtswidrigkeit sozusagen auf der Stirn" steht. Dies wird von den Parteien hier indessen selbst nicht behauptet und ist auch in sonstiger Weise nicht ersichtlich. Den vom Arbeitsgericht hierzu angestellten Erwägungen folgt das Berufungsgericht nicht.

4. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist auch der Höhe nach gerechtfertigt.

a) Nach Angaben der Beklagten betrug das Monatseinkommen des Streitverkündeten im hier maßgebenden Zeitraum 2.029,00 DM netto. Angesichts der weiteren Unterhaltspflichten des Streitverkündeten (Töchter S.ar und R.aphae) war dieser Betrag unpfändbar im Sinne des § 850 c ZPO. Durch die Herabsetzung des pfändbaren Einkommens nach § 850 d ZPO zugunsten der Klägerin auf 1.300,00 DM pro Monat verblieb für die auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche ein Differenzbetrag in Höhe von monatlich 729,00 DM. Für die hier geltend gemachten Monate Februar 2000 bis einschließlich Juni 2000 belief sich der abzuführende Pfändungsbetrag demgemäss auf (5 x 729,00 DM =) 3.645,00 DM.

b) Dieser Betrag vermindert sich auch nicht durch eine Rückzahlung des dem Streitverkündeten angeblich gewährten Arbeitgeberdarlehens. Zum einen fehlt es hierfür gänzlich an einem substantiierten Vortrag. Zum anderen beträfe die Rückzahlung im Wege der behaupteten Abtretung nur den nach § 850 c ZPO pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens (§ 400 BGB), nicht aber die hier mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 24.01.2000 gepfändeten Differenzbeträge, die sich aus § 850 c ZPO und § 850 d ZPO ergeben". Bei diesem nur zugunsten der Klägerin pfändbaren Teil des für andere Gläubiger unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens kommt es nicht darauf an, welche sonstigen Zahlungspflichten des Streitverkündeten gegenüber anderen Gläubigern noch bestehen mögen.

5. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es auch nicht auf eine an sie erfolgte Zustellung des Abänderungsbeschlusses des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 24.11.1999 in dem Insolvenzverfahren 32 IK 52/99 an. Maßgebend für die Beklagte und deren Abführung gepfändeter Teile des Arbeitseinkommens des Streitverkündeten ab dem Monat Februar 2000 war der ihr unstreitig am 03.02.2000 zugestellte Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 24.01.2000. Hieran hatte die Beklagte sich zu halten, was nicht geschehen ist.

6. Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der Streitwert blieb unverändert. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nach Auffassung der Kammer nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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