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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 03.09.2002
Aktenzeichen: 16 Sa 397/02
Rechtsgebiete: GG, Ü-VersTV-FDB v. 07.07.1993 i. d. F. v. 27.11.1998


Vorschriften:

GG Art. 3
Ü-VersTV-FDB v. 07.07.1993 i. d. F. v. 27.11.1998 § 7
Ü-VersTV-FDB v. 07.07.1993 i. d. F. v. 27.11.1998 § 9
Eine Tarifregelung, nach der eine Frau mit Vollendung ihres 60. Lebensjahres Ansprüche aus einer tariflichen Übergangsversorgung verliert und verpflichtet ist, die gesetzliche Altersrente einschließlich der damit verbundenen Rentenabschläge in Anspruch zu nehmen, verstößt gegen das Gebot der Entgeltgleichheit für Männer und Frauen, wenn dies für Männer erst ab Vollendung ihres 63. Lebensjahres gilt.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 16 Sa 397/02

Verkündet am: 03.09.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 03.09.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kaup als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Meder und den ehrenamtlichen Richter Wagner

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 28.02.2002 9 Ca 6242/01 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird unter Abweisung der Klage im Übrigen festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

a) bis zum 01.10.2003 das Übergangsgeld gem. § 5 des Tarifvertrages über die Übergangsversorgung für die bei der D. D. F. GmbH beschäftigten Flugdatenbearbeiter im FVK (Ü-VersTV-FDB) zu zahlen;

b) für die Zeit vom 01.10.2003 bis zum 31.10.2005 den Unterschiedsbetrag der monatlichen Alters- und Betriebsrente zu dem monatlichen Übergangsgeld zu zahlen.

2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien jeweils zur Hälfte.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer tariflichen Übergangsversorgung. Die Beklagte mit Sitz in O./Main betreibt seit dem 01.01.1993 die ihr von der damaligen Bundesanstalt für Flugsicherung übertragenen Aufgaben der Flugverkehrskontrolle (FVK) und Flugsicherung (FS) in Deutschland.

Die am 01.11.1942 geborene Klägerin war seit dem 10.09.1963 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Flugdatenbearbeiterin in der Regionalstelle D. beschäftigt, zuletzt als Teilzeitbeschäftigte mit einem Monatsgehalt in Höhe von rund 4.050,-- DM brutto. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden vereinbarungsgemäß die bei der Beklagten - D. - geltenden (Haus- )Tarifverträge Anwendung, unter anderem der Versorgungs-Tarifvertrag vom 07.07.1993 (VersTV) über die Zahlung eines Altersruhegeldes sowie der Tarifvertrag über die Übergangsversorgung der bei der D. beschäftigten Flugdatenbearbeiter im FVK (Ü-VersTV-FDB) vom 07.07.1993 in der Fassung vom 27.11.1989. Nach § 2 Abs. 1 dieses Tarifvertrags erhalten Mitarbeiter ein Übergangsgeld, wenn

a) sie das 59. Lebensjahr vollendet haben und

b) ...

c) sie ihre Erwerbstätigkeit bei der D. beendet haben und d) bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres kein Anspruch auf Versorgungsleistungen besteht.

Gemäß § 7 Abs. 1 Ü-VersTV-FDB erlischt der Anspruch auf Übergangsgeld

a) mit Beginn des Monats, von dem ab die/der ausgeschiedene Mitarbeiterin/Mitarbeiter Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art beanspruchen kann;

b) ...

Nach § 9 Ü-VersTV-FDB ist der ausgeschiedene Mitarbeiter ... verpflichtet, frühestmöglich Antrag auf Altersrente oder vergleichbare Leistungen zu stellen, die zum Erlöschen des Anspruchs auf Übergangsgeld führen, und die D. hierüber unverzüglich zu unterrichten.

Nach Vollendung ihres 59. Lebensjahres am 01.11.2001 schied die Klägerin entsprechend einer tariflichen Sonderregelung für die FS-Dienste mit Ablauf des Monats November 2001 unter gleichzeitiger Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten aus. Ab dem 01.12.2001 bezieht sie von der Beklagten ein tarifliches Übergangsgeld in Höhe von derzeit 2.456,48 brutto pro Monat. Bei Renteneintritt ab dem 01.11.2002 beträgt ihre Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung voraussichtlich 887,51 zzgl. einer von der Beklagten zu zahlenden Betriebsrente in bisher nicht mitgeteilter Höhe.

Nach zunächst vorgerichtlicher Korrespondenz der Parteien seit Mai 2000 hat die Klägerin mit der am 31.08.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage geltend gemacht:

Sie werde im Zusammenhang mit der Zahlung des tariflichen Übergangsgeldes gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt. Zwar schieden sowohl männliche als auch weibliche Kollegen mit Vollendung ihres 59. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus und erhielten von der Beklagten anschließend ein tarifliches Übergangsgeld. Insoweit liege noch keine Ungleichbehandlung vor. Die Ungleichbehandlung beginne jedoch aufgrund des unterschiedlichen Rentenzugangsalters von Frauen und Männern mit dem Renteneintritt. Ihr frühestmöglicher Renteneintritt erfolge nach der Gesetzeslage mit Vollendung ihres 60. Lebensjahres am 01.11.2002. Dies führe nach dem Tarifvertrag zum Erlöschen ihres Anspruchs auf Übergangsgeld. Vergleichbare Männer bezögen das zur gesetzlichen Rente einschließlich der Betriebsrente erheblich höhere Übergangsgeld demgegenüber ab Vollendung des 59. Lebensjahres bis zur Vollendung ihres 63. Lebensjahres. Sie seien bereits dadurch bessergestellt. Hinzu komme, dass wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der gesetzlichen- Rente die Rentenabschläge insbesondere seit der Rentenreform aus dem Jahr 1997 bei Frauen prozentual höher seien - in ihrem Fall 10,5 % - als bei Männern - bei ihnen maximal 7,2 % -, was ebenfalls zu einer Benachteiligung der Frauen führe. Zusätzlich erziele der Mann durch seinen späteren Renteneintritt mit erst 63 Jahren drei Jahre lang weitere Rentenzuwächse, die die Frau nicht erzielen könne, was sich dann auch auf die spätere Rentenhöhe auswirke. Die sich hieraus insgesamt ergebende Ungleichbehandlung sei sachlich ungerechtfertigt.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass sie gem. § 9 Ü-VersTV-FDB vom 07.07.1993 mit ihren männlichen Kollegen gleichgestellt wird, sie erst mit Vollendung ihres 63. Lebensjahres in Rente gehen muss und bis zu diesem Zeitpunkt die (tarifliche) Übergangsversorgung in voller Höhe erhält.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen: Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien unbegründet. Die hier zur Anwendung kommenden Tarifnormen seien eindeutig. Danach erlösche der Anspruch auf Zahlung des Übergangsgeldes mit Renteneintritt der Klägerin nach Vollendung ihres 60. Lebensjahres am 01.11.2002.

Die Tarifvertragsparteien hätten bei Schaffung der Tarifregelungen über die Übergangsversorgung im Jahre 1993 bewusst an die bestehende Gesetzesregelung über das unterschiedliche Rentenzugangsalter von Männern und Frauen angeknüpft. Eine Ungleichbehandlung durch die Tarifvertragsparteien scheide schon deshalb aus. Auch nach der Rentenreform 1997 und der Einführung von Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme der gesetzlichen Rente hätten die Tarifvertragsparteien bei der Neuverhandlung des Tarifvertrags unter anderem im November 1998 an der bisherigen Regelung festgehalten und sie damit bestätigt. An diese Tarifregelung sei die Beklagte ihrerseits gebunden und halte sich auch daran. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass ausschließlich die Beklagte die tariflich vereinbarte Übergangsversorgung finanziere und diese nur subsidiär bis zum frühestmöglichen Rentenbezug des jeweiligen Mitarbeiters gezahlt werden solle. Selbst wenn insoweit eine Ungleichbehandlung zwischen Frauen und Männern vorliegen sollte, sei diese nicht sachwidrig. Die Tarifvertragsparteien hätten vorliegend eine klare und sich am Gesetz orientierende Regelung getroffen.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage mit Urteil vom 28.02.2002 - 9 Ca 6242/01 - abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Berufung, die sie zu den im Sitzungsprotokoll vom 03.09.2002 genannten Zeitpunkten eingelegt und begründet hat und mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt sowie zusätzlich hilfsweise beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,

a) bis zum 01.10.2003 das Übergangsgeld gem. § 5 des Tarifvertrages über die Übergangsversorgung für die bei der D. D. F. GmbH beschäftigten Flugdatenbearbeiter im FVK (Ü-VersTV-FDB) zu zahlen,

b) für die Zeit vom 01.10.2003 bis zum 31.10.2005 den Unterschiedsbetrag der monatlichen Alters- und Betriebsrente zu dem monatlichen Übergangsgeld zu zahlen,

c) für den unter b) genannten Zeitraum den Arbeitgeberzuschuss für die Kranken- und Pflegeversicherung abzüglich des Zuschusses der Bundesanstalt für Angestellte für Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 6,75 % bzw. 0,85 % der Rentenzahlung zu zahlen. d) ab dem 01.11.2005 den monatlichen Rentensteigerungsbetrag zu zahlen, der angewachsen wäre, wenn die Klägerin bis zum 31.10.2005 Übergangsversorgung bezogen hätte.

Die Beklagte beantragt demgegenüber die Zurückweisung der Berufung einschließlich der Hilfsanträge. Auf das Berufungsvorbringen beider Parteien wird Bezug genommen, ebenso wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den übrigen Akteninhalt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig: Sie ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes an sich statthaft (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 11 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG).

II.

In der Sache hat sie teilweise Erfolg. Die Klägerin hat nach Maßgabe des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes und arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots einen Anspruch gegenüber der Beklagten darauf, bezüglich der Zahlung des tariflichen Übergangsgeldes nicht schlechter gestellt zu werden als ein vergleichbarer männlicher Mitarbeiter. 1. Zutreffend ist, dass eine Ungleichbehandlung nicht vorliegt, soweit die Beklagte nach § 2 Abs. 1 Ü-VersTV-FDB ein Übergangsgeld gleichermaßen an männliche wie an weibliche Mitarbeiter ab Vollendung ihres 59. Lebensjahres zahlt. Die Ungleichbehandlung entsteht jedoch mit der Dauer der Zahlung, die sich mittelbar aus dem unterschiedlichen Rentenzugangsalter von Männern und Frauen sowie der damit verbundenen finanziellen Schlechterstellung der Frau ergibt.

a) Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des von ihr ab dem 01.12.2001 bezogenen Übergangsgeldes erlischt nach § 7 Abs. 1 Ü-VersTV-FDB mit Beginn des Monats, ab dem sie Altersrente beziehen kann. Zum Bezug von Altersrente ist sie gem. § 237 a SGB VI ab Vollendung ihres 60. Lebensjahres am 01.11.2002 berechtigt. Der vergleichbare Mann hat Anspruch auf Zahlung des tariflichen Übergangsgeldes für einen um drei Jahre längeren Zeitraum, da er frühestens ab Vollendung seines 63. Lebensjahres gesetzliche Altersrente beanspruchen kann. Bereits hierin liegt eine Ungleichbehandlung, die sich angesichts des Unterschiedsbetrags zwischen höherem Übergangsgeld einerseits und niedrigerer gesetzlicher Rente einschließlich Betriebsrente andererseits finanziell nachteilig für die Frau auswirkt.

b) Als weitere Ungleichbehandlung erweisen sich die finanziellen Nachteile für die Frau, die sich aus dem unterschiedlichen Rentenzugangsalter von Mann und Frau und den damit verbundenen Rentenabschlägen ergeben.

aa) Bezieht ein Mann vor Vollendung seines 65. Lebensjahres anstelle der gesetzlichen Regelaltersrente (§ 35 SGB VI) bereits ab Vollendung seines 63. Lebensjahres Altersrente, beträgt der Rentenabschlag grundsätzlich (0,3 % x 24 Monate =) 7,2 %. Macht eine Frau vor Vollendung ihres 63. Lebensjahres vom Rentenbezug Gebrauch und bezieht ab Vollendung ihres 60. Lebensjahres Altersrente (§ 237 a Abs. 2 Satz 2 SGB VI), beträgt ihr Abschlag grundsätzlich (0,3 % x 36 Monate =) 10,8 %, im Falle der Klägerin (0,3 % x 35 Monate =) 10,5 %. Der Minderbetrag der Rente zum vergleichbaren Mann beträgt hier insoweit durchgehend 3,3 %.

bb) An diese gesetzliche Regelung knüpft die Tarifregelung über die Zahlung des Übergangsgeldes an. Nach §§ 7 Abs. 1, 9 Abs. 1 Ü-VersTV-FDB kann das Übergangsgeld längstens bis zum frühestmöglichen Rentenbezug beansprucht werden. Dies hat infolge des gem. § 237 a SGB VI niedrigeren Rentenzugangsalters der Frau automatisch zur Folge, dass die Frau ab Vollendung ihres 60. Lebensjahres durch den früheren Rentenbezug zum einen anstelle des höheren Übergangsgeldes die betragsmäßig niedrigere gesetzliche Rente (einschließlich Betriebsrente) erhält und außerdem einen prozentual höheren Rentenabschlag hinzunehmen hat - hier 10,5 % - als der vergleichbare Mann, der den Anspruch auf volles Übergangsgeld bis zur Vollendung seines 63. Lebensjahres behält und danach nur den niedrigeren Rentenabschlag in Höhe von 7,2 % hinzunehmen hat.

c) Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass eine Ungleichheit auch bei den Rentenzuwächsen besteht. Da vom Übergangsgeld als Form des Arbeitsentgelts Rentenversicherungsbeiträge anfallen, hat der vergleichbare Mann einen um drei Jahre längeren Versicherungszeitraum mit den sich daraus ergebenden Rentenzuwächsen. Dies wirkt sich auf die Höhe sowohl der gesetzlichen als auch der betrieblichen Rente aus und führt zu einer finanziellen Besserstellung des vergleichbaren Mannes bzw. entsprechenden Schlechterstellung der Frau.

2. Für die sich hieraus insgesamt ergebende Ungleichbehandlung und finanzielle Schlechterstellung der Klägerin liegen nach Auffassung der erkennenden Kammer keine ausreichend sachlich gerechtfertigten Gründe vor. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es arbeits- oder vertragsbezogene Gründe für die finanzielle Schlechterstellung der Klägerin nicht gibt, die unterschiedliche Behandlung vielmehr eine Folge der gesetzlichen Regelung über das unterschiedliche Rentenzugangsalter von Mann und Frau ist. Einen ausreichenden Grund für die finanzielle Benachteiligung der Frau bei der Zahlung des hier maßgeblichen tariflichen Übergangsgeldes sieht die erkennende Kammer darin jedoch nicht. Die Tarifregelungen im hier einschlägigen Tarifvertrag über die Übergangsversorgung der Flugdatenbearbeiter vom 07.07.1993 verstoßen, soweit sie die Klägerin bei der Zahlung des Übergangsgeldes finanziell benachteiligen, gegen das Gleichheitsgebot in der Form der Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie gegen das Gebot der Entgeltgleichheit für Männer und Frauen und sind dementsprechend unanwendbar. Jedenfalls kann die Beklagte sich nicht mit Erfolg hierauf stützen.

a) Hierfür kann es dahingestellt bleiben, ob die einschlägigen Tarifnormen von Anfang an schon bei Inkrafttreten des Tarifvertrags im Sommer 1993 Regelungen enthielten, die zu einer gleichheitswidrigen Behandlung von Mann und Frau und zur finanziellen Benachteiligung der Frau führten. Spätestens bei der Neuverhandlung des Tarifvertrags im November 1998 war den Tarifvertragsparteien die sich aus der Anknüpfung an das unterschiedliche Rentenzugangsalter ergebende Ungleichbehandlung bei der Zahlung des tariflichen Übergangsgeldes bewusst. Ihnen war unstreitig auch bekannt, dass sich die finanziellen Auswirkungen infolge der Einführung von Rentenabschlägen durch die Rentenreform 1997 vergrößerten und spätestens zu diesem Zeitpunkt zu Ungleichheiten zwischen Mann und Frau führten. Die Tarifvertragsparteien haben unter anderem im November 1998 bewusst unstreitig Abstand von Neuregelungen genommen, insoweit an den bisherigen Tarifregelungen festgehalten und den bestehenden Tarifzustand in ihren Willen aufgenommen. Die sich hieraus ergebende finanzielle Benachteiligung der Frau bei der Zahlung des tariflichen Übergangsgeldes wird dem Gleichheitsgebot nicht (mehr) gerecht.

b) Auch der von der Beklagten wiederholt vorgetragene Gesichtspunkt, die Tarifvertragsparteien hätten nur an die bestehende Gesetzeslage über das unterschiedliche Rentenzugangsalter und die damit verbundenen gesetzlichen Regelungen angeknüpft, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Beklagte übersieht einen erheblichen Unterschied: Nach § 237 a Abs. 2 SGB VI haben Frauen ab Vollendung ihres 60. Lebensjahres die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente. Sie müssen es nicht. Machen sie von der Möglichkeit Gebrauch, führt dies zu den gesetzlich geregelten Rentenabschlägen. Nach § 9 Abs. 1 Ü-VersTV-FDB besteht demgegenüber die Verpflichtung zur frühestmöglichen Inanspruchnahme der Altersrente mit der Folge, dass der Anspruch auf Übergangsgeld erlischt und die Frau die oben genannten und im Vergleich zum Mann höheren finanziellen Einbußen hinzunehmen hat. Dies ist nach Auffassung der Kammer mit dem Gleichheitsgebot und dem Benachteiligungsverbot nicht in Einklang zu bringen. Insofern sind auch die vom Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil erwähnten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 28.01.1987 (AP Nr. 3 zu § 25 AVG) und Bundesarbeitsgerichts vom 18.03.1997 (AP Nr. 32 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung = NZA 1997, 824) nicht einschlägig. Dort ging es lediglich um das Recht der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente durch Frauen ab Vollendung ihres 60. Lebensjahres, während es im vorliegenden Fall um die Pflicht der vorzeitigen Inanspruchnahme geht mit den damit verbundenen finanziellen Benachteiligungen.

c) Ebenso wenig vermag der Hinweis der Beklagten auf die Subsidiarität des tariflichen Übergangsgeldes gegenüber der Inanspruchnahme von gesetzlichen Rentenleistungen zu einem anderen Ergebnis zu führen. Die Subsidiarität des tariflichen Übergangsgeldes schließt es nicht aus, Tarifregelungen über diese Zahlungen in der Weise zu schaffen, dass eine Benachteiligung der Frau in den finanziellen Folgewirkungen weitestgehend ausgeschlossen wird.

3. Wie der EuGH bereits in der "Barber"-Entscheidung vom 17.05.1990 (AP Nr. 20 zu Art. 119 EWG-Vertrag) festgestellt hat, haben gegebenenfalls die Gerichte den Schutz der Rechte aus dem Gleichbehandlungsgebot zu gewährleisten. Dies gilt im vorliegenden Fall auch insoweit, als die Klägerin bei der Zahlung des tariflichen Übergangsgeldes finanziell nicht schlechter gestellt werden darf als der vergleichbare Mann, der mit Vollendung seines 63. Lebensjahres Altersrente bezieht und einen Rentenabschlag dann in Höhe von 7,2 % hinzunehmen hat. Den 7,2 %-igen Abschlag (10,5 minus 3,3) erreicht die Klägerin, wenn ihr Rentenbezug anstelle des 01.11.2002 erst mit 11-monatiger Verzögerung (3,3 geteilt durch 0,3) am 01.10.2003 beginnt. Das Gleichheitsgebot gebietet dementsprechend eine Verpflichtung zur Zahlung des tariflichen Übergangsgeldes an die Klägerin für den Zeitraum bis einschließlich September 2003. Für die anschließende Zeit vom 01.10.2003 bis zur (rentenrechtlichen) Vollendung des 63. Lebensjahres der Klägerin mit dem 31.10.2005 hat die Beklagte weiterhin den Differenzbetrag auszugleichen, der sich aus der monatlich niedrigeren Alters- und Betriebsrente zum monatlichen Übergangsgeld ergibt, das ein vergleichbarer Mann bis zur Vollendung seines 63. Lebensjahres erhielte. Entsprechend war in Ziff. 1 a und b des Urteilstenors zu tenorieren.

4. Die weitergehende Klage ist unbegründet und war dementsprechend abzuweisen. Die als Arbeitgeberzuschuss zu zahlenden Anteile zur Krankenund Pflegeversicherung sind nicht Teil des Arbeitsentgelts. Soweit die Klägerin Zahlung fiktiver Rentenzuwächse für den Zeitraum ab 01.11.2005 begehrt, scheidet ein Anspruch ebenfalls aus. Rentenzuwächse sind für die Zeit bis 01.10.2003 bereits in dem zu zahlenden Übergangsgeld enthalten und fallen im Übrigen wegen des auch unter Berücksichtigung der Gleichbehandlung spätestens mit dem 01.10.2003 beginnenden Rentenbezugs nicht an.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision erfolgt für beide Parteien und beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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