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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 14.07.2003
Aktenzeichen: 16 Ta 107/03
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ArbGG § 12 a Abs. 1
Verklagt der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber am Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO), handelt es sich bei den Reisekosten, die dem Arbeitgeber dadurch entstehen, dass er vom Hauptsitz der Firma/Behörde aus anreist, in aller Regel nicht um notwendige Kosten im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 16 Ta 107/03

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf am 14.07.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kaup

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 20.02.2003 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 17.12.2002 - 3 Ca 7621/99 -, der Beklagten zugestellt am 06.02.2003, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Beschwerdewert: 619,35 €.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin war bei dem Bundesamt der Beklagten, dessen Zentrale sich in O. befindet, in dessen Außenstelle E. als Schreibkraft beschäftigt. In einem von ihr geführten Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf, zu dessen Terminen jeweils ein Bevollmächtigter von der Zentrale O. aus anreiste, unterlag die Klägerin. Die Kosten des Rechtsstreits wurden ihr auferlegt. Mit Antrag vom 08.03.2002 hat die Beklagte die Festsetzung der ihr für die Fahrten zwischen O. und E. entstandenen Reisekosten einschließlich entsprechender Tagegelder in Höhe von insgesamt 619,35 € geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat eine Festsetzung abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig: Sie ist nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und auch fristgerecht (Eingang beim Arbeitsgericht Düsseldorf am 20.02.2003) eingelegt worden, § 569 Abs. 1 ZPO.

2. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Eine Erstattung der von der Beklagten geltend gemachten Reisekosten und Tagegelder scheidet im vorliegenden Fall aus.

a) Richtig ist zwar, dass § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG die Erstattung von Reisekosten, die einer Partei zur Wahrnehmung ihrer Rechte im erstinstanzlichen Urteilsverfahren entstehen, nicht ausschließt. Hiervon ist nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammer jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn der Arbeitgeber am Erfüllungsort verklagt wird und er sich auf Reisekosten stützt, die dadurch entstehen, dass er (oder sein von ihm bevollmächtigter Rechtsanwalt) von dem vom Erfüllungsort ortsverschiedenen Wohnort oder Hauptsitz der Firma/Behörde aus anreist (vgl. Beschl. vom 30.11.1989, LAGE § 12 a ArbGG 1979 Nr. 13; Beschl. vom 15.05.1991 - 7 Ta 141/91 - JurBüro 1991, 1512 mit Hinweis auf die Ausführungen zu 7 Ta 43/91 und 7 Ta 85/91; zuletzt Beschl. vom 04.03.2003 - 16 Ta 49/03 -). Die begehrte Kostenfestsetzung scheitert in derartigen Fällen regelmäßig daran, dass es sich hierbei nicht um notwendige Kosten im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO handelt. Der Arbeitnehmer hat nach der Gesetzeslage die Möglichkeit, seinen Arbeitgeber am Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) zu verklagen. Überbürdet das Gesetz einem Beklagten die Last, sich vor einem bestimmten Gericht einzulassen, so hat dies jedenfalls für arbeitsgerichtliche Rechtsstreitigkeiten auch kostenrechtliche Konsequenzen. § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG dient der Verbilligung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens und der Reduzierung des Kostenrisikos (vgl. GK-ArbGG/Wenzel, § 12 a Rdn. 1). Der Arbeitnehmer, der am Erfüllungsort Dienstleistungen erbringt, soll auch an dem für diesen Ort zuständigen Gericht Rechtsstreitigkeiten mit seinem Arbeitgeber austragen können, ohne mit dem Risiko behaftet zu sein, wegen seiner Klage am Gerichtsstand des Erfüllungsortes nunmehr erhöhte Kosten im Zusammenhang mit der Anreise seines Arbeitgebers übernehmen zu müssen. Hierfür kommt es in aller Regel auch nicht darauf an, ob der Arbeitgeber am Erfüllungsort über rechtlich geschultes Personal verfügt (Beschl. vom 05.05.1991 - 7 Ta 141/91 - a. a. O. m. w. N.; ebenso bereits LAG Köln vom 09.06.1983 - 10 Ta 65/83 - EzA § 91 ZPO Nr. 4 für den Fall einer Bundesanstalt in Frankfurt/Main und einer Außenstelle in Köln). Im Bereich des öffentlichen Dienstes kann die zentrale Sachbearbeitung von Arbeitsrechtsstreitigkeiten in der Hauptstelle regelmäßig nicht zu einer Erstattungsfähigkeit der Reisekosten führen, wenn eine Terminswahrnehmung am Gerichtsstand des Erfüllungsortes durch einen Vertreter der Außenstelle hätte erfolgen können (ebenso Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG 4. Aufl., § 12 a Rdn. 20 m. w. N.; Zöller/Herget; ZPO 23. Aufl., § 91 Rdn. 13 Stichw. "Arbeitsgerichtsverfahren" a. E.).

b) Der vorliegende Fall zwingt nicht dazu, abweichend vom regelmäßigen Ausschluss der Erstattungsfähigkeit in solchen Fällen hier eine Ausnahme zu sehen und die Erstattungsfähigkeit der Kosten vorliegend zu bejahen. Wie sich aus den Schriftsätzen des zugrundeliegenden Erkenntnisverfahrens ergibt, war unmittelbarer Fachvorgesetzter der Klägerin der Verwaltungsleiter der Außenstelle E. (Regierungsamtsrat T.). Dieser führte mehrfach Personalgespräche mit der Klägerin (Bl. 51, 53 d. A.). Er kannte die Problematik und war auch bei der gutachterlichen Arbeitsplatzbesichtigung (15.03.2001, Bl. 146 d. A.) anwesend. Er war mit der Materie nicht nur vertraut, sondern als Fachvorgesetzter der Klägerin vor Ort unmittelbar mit der Angelegenheit befasst. Es sind keine hinreichenden Gründe erkennbar, dass er zur sachgerechten Wahrnehmung der Termine vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf nicht in der Lage gewesen wäre. Die in Personalangelegenheiten zu wahrende Vertraulichkeit, auf die die Beklagte hinweist, wäre auch vom Verwaltungsleiter einzuhalten gewesen und von seiner beamtenrechtlichen Pflicht umfasst. Auch hätten die von der Beklagten angeführten rechtlichen Hindernisse einer Beauftragung des Verwaltungsleiters zur Terminswahrnehmung vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf nicht entgegengestanden. Der von der Beklagten in diesem Zusammenhang erwähnten und ihr nach ihren Darlegungen untersagten Auslagerung der Bearbeitung von Personalangelegenheiten von der Zentrale O. zur Außenstelle E. hätte es nicht bedurft. Durch die bloße Terminswahrnehmung blieb die in der Zentrale der Beklagten angesiedelte Sachbearbeitung der Personalangelegenheiten einschließlich der Prozessangelegenheiten unberührt. Auch sonstige Umstände, die eine Terminswahrnehmung ausschließlich durch die Zentrale in O. als notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich. Die sofortige Beschwerde gegen die vom Arbeitsgericht abgelehnte Kostenfestsetzung war demgemäß zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert entspricht dem streitigen Betrag. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde folgt nach §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG i. V. m. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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