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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 13.08.2007
Aktenzeichen: 17 Sa 1006/07
Rechtsgebiete: MTV Nr. 9 Kabinenpersonal LTU


Vorschriften:

MTV Nr. 9 Kabinenpersonal LTU § 34
Ein Anspruch auf Urlaubsgeld nach § 34 Abs. 1 Manteltarifvertrag Nr. 9 für das Kabinenpersonal der LTU Lufttransport-Unternehmen GmbH vom 30. März 2004 besteht auch dann in vollem Umfang, wenn der Arbeitnehmer im anspruchsbegründenden Zeitraum länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt war.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

17 Sa 1006/07

Verkündet am 13. August 2007

In dem Rechtsstreit

hat die 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 13.08.2007 durch den Richter am Arbeitsgericht Barth als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Pauken und den ehrenamtlichen Richter Drommler

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 28.03.2007 - 15 Ca 8253/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Die Parteien streiten über ein anteiliges 13. Monatsgehalt (Urlaubsgeld) für das Jahr 2006.

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Purserin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Verweisung der zwischen der Beklagten und der ver.di Vereinte Dienstleistungs Gewerkschaft vereinbarte Manteltarifvertrag Nr. 9 Anwendung. Dieser enthält u.a. folgende Regelungen:

"§ 24

Anspruch auf Vergütung

...

(3) Besteht während des Beschäftigungsverhältnisses im Laufe eines Kalendermonats für einen oder mehrere Kalendertage kein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung, so gilt folgende Regelung: Für jeden Kalendertag ohne Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung ist 1/30 der monatlichen Vergütung abzuziehen.

...

§ 28 Fortzahlung der Vergütung/Krankengeldzuschuss

...

(3) Dauert eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Abs.2 länger als sechs Wochen, erhalten die Arbeitnehmer nach vollendeter Dienstzeit von zwei Jahren Krankengeldzuschüsse, die zusammen mit den Leistungen der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung die bisherige Vergütung sicherstellen. ...

...

(6) Die Krankengeldzuschüsse zu den Leistungen aus der Kranken- oder Unfallversicherung errechnen sich wie folgt:

a) die vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechnete monatliche Vergütung (§ 24 Abs.1a) - e)) ausschließlich Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und Erholungsbeihilfe ... ...

§ 34

Dreizehntes Monatsgehalt

(Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld)

(1) Der Arbeitgeber gewährt den Arbeitnehmern ein dreizehntes Gehalt auf der Basis der Grundgehälter nach dem jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag. Die Auszahlung erfolgt zu 50% als Urlaubsgeld auf der Basis des im Mai gültigen Vergütungstarifvertrages mit dem Maigehalt und zu 50% als Weihnachtsgeld auf der Basis des im November gültigen Vergütungstarifvertrages mit dem Novembergehalt.

(2) Arbeitnehmer, die im Laufe eines Kalenderjahres eintreten oder ausscheiden, erhalten für jeden vollen Kalendermonat vom Arbeitgeber 1/12 und für jeden darüber hinausgehenden Kalendertag 1/360 der Bezüge nach Abs.1.

(3) Für Zeiten des Wehr-, Zivildienstes und Erziehungsurlaubes sind die Bezüge der Arbeitnehmer/innen des Kabinenpersonals nach Absatz 1 für jeden vollen Abwesenheitsmonat um 1/12 zu kürzen.

..."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den als Anlage B 1 zur Gerichtsakte gereichten Manteltarifvertrag, Bl. 85 - 103 d.A., Bezug genommen.

Im Mai 2006 betrug das Grundgehalt für Purser in der für die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt einschlägigen Vergütungsstufe 8 € 2.397,93. Die Klägerin erhielt jedoch im ersten Halbjahr 2006 lediglich Krankengeld bzw. den tariflichen Krankengeldzuschuss, da sie vom 13.10.2005 bis 30.06.2006 arbeitsunfähig erkrankt war. Das Urlaubsgeld für das Jahr 2006 wurde ihr nicht gezahlt.

Nachdem die Klägerin letzteres mit einem anwaltlichen Schreiben vom 26.07.2006 vergeblich geltend gemacht hatte, verfolgt sie mit ihrer am 09.11.2006 beim Arbeitsgericht Stuttgart eingegangenen Klage ihren Anspruch im vorliegenden Rechtsstreit weiter.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stünde das Urlaubsgeld unabhängig von dem Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums zu, da der Tarifvertrag keine Kürzungsmöglichkeit für Arbeitsunfähigkeitszeiten vorsehe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 599,48 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, es handle sich bei dem tariflichen Urlaubsgeld um eine echte Entgeltleistung, die außerhalb des 6-Wochen-Zeitraumes des § 3 Abs.1 EFZG nicht geschuldet sei.

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat sich mit einem ohne mündliche Verhandlung ergangenen Beschluss vom 18.12.2006 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Düsseldorf verwiesen.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 28.03.2007 - 15 Ca 8253/06 -gemäß dem Klageantrag entschieden und die Berufung zugelassen. In den Entscheidungsgründen - auf die im Übrigen verwiesen wird - hat das Arbeitsgericht sich auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11.04.2000 - 9 AZR 22/99 - zur alten Fassung des § 34 MTV bezogen. Dieser Entscheidung lasse sich entnehmen, dass es sich bei dem tariflichen Urlaubsgeld nicht um eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung handle. Dies zeige u.a. die Stellung des § 34 MTV in einem Bereich des Tarifvertrages, der sich mit Sozialleistungen im weiteren Sinne befasse. In § 34 Abs.3 MTV sei die über sechs Wochen hinaus andauernde Arbeitsunfähigkeit nicht mitgeregelt, woraus sich ergebe, dass in diesem Fall ein Urlaubsgeld zu zahlen sei. Es handle sich insoweit auch nicht um eine unbewusste Regelungslücke, vielmehr sei den Tarifvertragsparteien die Problematik der auf sechs Wochen begrenzten Entgeltfortzahlung bewusst gewesen.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts, welches der Beklagten am 03.05.2007 zugestellt worden ist, hat sie mit einem am Montag, dem 04.06.2007, beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 22.06.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, das angefochtene Urteil sei mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.10.2003 - 10 AZR 152/03 - nicht vereinbar. In dieser Entscheidung habe das Bundesarbeitsgericht zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Sonderzahlung gemäß § 34 MTV um echtes Entgelt handle. Die Sonderzahlung werde in den jeweiligen Abrechnungsmonaten verdient und nur aufgespart an den jeweiligen Fälligkeitsterminen ausgezahlt. Es sei zu berücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien im Anschluss an das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10.04.2000 bewusst einen neuen Absatz 3 in § 34 MTV eingefügt hätten, wodurch zum Ausdruck gekommen sei, dass das Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld eine Vergütung "pro rata temporis" und damit echtes Entgelt sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 28.03.2007, Aktenzeichen 15 Ca 8253/06, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie meint, das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.10.2003 sei zu weitgehend. Die Tarifvertragsparteien hätten mit der Einfügung des Absatzes 3 nur bestimmte Kürzungsmöglichkeiten schaffen, nicht aber zum Ausdruck bringen wollen, dass die Sonderzahlung arbeitsleistungsbezogen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

A.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

I. Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung. Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs.1, 64 Abs.6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft im Sinne des § 64 Abs.1 und Abs.2 Ziff. a) ArbGG, da das Arbeitsgericht die Berufung zugelassen hat.

II. In der Sache hatte das Rechtsmittel keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß § 34 Abs.1 MTV ein Anspruch auf Zahlung eines Urlaubsgeldes für das Jahr 2006 in Höhe von 599,48 € zu.

a) Der Manteltarifvertrag für das Kabinenpersonal findet kraft arbeitsvertraglicher Verweisung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

b) Gemäß § 34 Abs.1 MTV besteht ein Anspruch auf Zahlung eines Urlaubsgeldes. Diesem Anspruch steht nicht entgegen, dass die Klägerin in der Zeit vom 01.01. bis 30.06.2006 wegen einer Arbeitsunfähigkeit keine Arbeitsleistung erbracht und wegen der Überschreitung des 6-Wochen-Zeitraumes des § 3 EFZG keine Entgeltfortzahlung erhalten hat. Bei der Sonderzahlung des § 34 MTV handelt es sich nicht um ein arbeitsleistungsbezogenes Entgelt.

Eine Sonderzahlung kann unterschiedliche Zwecke verfolgen (hierzu näher Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 7. Auflage 2007, § 611 BGB Rn. 670). Zum einen kann hiermit die im Bezugszeitraum geleistete Arbeit zusätzlich vergütet werden (BAG v. 19.04.1995 - 10 AZR 136/94 - AP Nr.172 zu § 611 BGB Gratifikation). Diese arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung hat reinen Entgeltcharakter. Eine Sonderzuwendung kann aber auch den Zweck haben, dem Betrieb erwiesene Treue zu belohnen und zukünftige Betriebstreue anzuregen (vgl. BAG v. 07.12.1989 - 6 AZR 324/88 - AP Nr. 14 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel). Schließlich kann eine Sonderzuwendung auch beide Zwecke verfolgen und hat dann einen Mischcharakter, sofern nicht der eine oder andere Zweck eindeutig überwiegt (vgl. BAG v. 25.04.1991 - 6 AZR 183/90 - AP Nr.138 zu § 611 BGB Gratifikation). Welcher Zweck mit einer Sonderzahlung konkret verfolgt wird, ist durch Auslegung zu ermitteln.

Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (vgl. nur BAG v. 22.10.2003 - 10 AZR 152/03 - AP Nr. 21 zu § 1 TVG Rückwirkung; BAG v. 31.07.2002 - 10 AZR 578/01 - AP Nr. 3 zu § 1 Tarifverträge: Wohnungswirtschaft). Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Wortlaut zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm ist mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG v. 22.10.2003 - 10 AZR 152/03 - AP Nr. 21 zu § 1 TVG Rückwirkung; BAG v. 31.07.2002 - 10 AZR 578/01 - AP Nr. 3 zu § 1 Tarifverträge: Wohnungswirtschaft).

Dem Wortlaut des § 34 MTV lässt sich hinsichtlich des Charakters der Zahlung nichts entnehmen. Während die in der Überschrift gewählte Bezeichnung "13. Monatsgehalt" eher für ein echtes Entgelt spricht, deutet jedenfalls die Verwendung des Begriffs "Weihnachtsgeld" auf eine arbeitsleistungsunabhängige Sonderzahlung hin. Der Begriff "Urlaubsgeld" ist nicht aussagekräftig (vgl. BAG v. 11.04.2000 - 9 AZR 225/99 - AP Nr.13 zu § 1 TVG Tarifverträge: Luftfahrt), denn es kann sich hierbei sowohl um eine Zahlung mit einer Akzessorietät zum Erholungsurlaub (vgl. BAG v. 19.01.1999 - 9 AZR 158/98 und 9 AZR 204/98 - AP Nr. 67 und 68 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel; BAG v. 14.08.1996 - 10 AZR 70/96 - AP Nr. 19 zu § 15 BErzGG) als auch um eine Zuwendung ohne Rücksicht auf den Bestand von Arbeitspflichten oder Urlaubsansprüchen handeln (vgl. BAG v. 18.03.1997 - 9 AZR 84/96 - BAGE 85, 306, 309; BAG v. 06.09.1994 - 9 AZR 92/93 - AP Nr. 50 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).

Dahingestellt bleiben kann, ob dem Arbeitsgericht darin zu folgen ist, dass die Stellung des § 34 MTV in einem Bereich des Tarifvertrages, der sich im weiten Sinne mit Sozialleistungen befasst, gegen die Annahme einer Vergütungsregelung spricht (ebenso BAG v. 11.04.2000 - 9 AZR 225/99 - AP Nr.13 zu § 1 TVG Tarifverträge: Luftfahrt, unter Ziffer I. 2. c bb der Gründe; vgl. demgegenüber aber BAG v. 22.10.2003 - 10 AZR 152/03 - AP Nr. 21 zu § 1 TVG Rückwirkung, unter Ziffer II. 1. b der Gründe). Unabhängig hiervon ergibt sich aus den sonstigen Umständen, dass das Urlaubsgeld jedenfalls keinen überwiegenden Entgeltcharakter hat.

Bezüglich des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes werden im Tarifvertrag zwar keine Voraussetzungen wie z.B. eine Wartezeit oder eine Rückzahlungsklausel genannt, die unmittelbar auf eine Belohnung der Betriebstreue schließen ließen. § 34 Abs.3 MTV wäre aber überflüssig, sofern die Sonderzahlung generell von der Erbringung einer Arbeitsleistung abhängig wäre, denn eine solche wird während der in Absatz 3 aufgeführten Wehr-, Zivildienst- und Erziehungsurlaubszeiten ohnehin nicht erbracht. Wenn die Tarifvertragsparteien hier Arbeitsunfähigkeitszeiten außerhalb des Entgeltfortzahlungszeitraumes nicht erwähnen, spricht dies dafür, dass sie hierfür den Anspruch nicht ausschließen wollten. Die jeweils normierten Anspruchsvoraussetzungen einer tariflichen Sonderzuwendung geben im Regelfall abschließend Auskunft darüber, in welchem Umfang und mit welchen Mitteln der Zweck der Zahlung erreicht werden soll (vgl. BAG v. 16.03.1994 - 10 AZR 669/92 - AP Nr.162 zu § 611 BGB Gratifikation, unter Ziffer 3 b aa der Gründe). Es wäre ein unzulässiger Zirkelschluss, aus einzelnen Voraussetzungen zunächst den Zweck und daraus dann weitere ungeschriebene Anspruchsvoraussetzungen herzuleiten (ähnlich BAG v. 16.03.1994 - 10 AZR 669/92 - AP Nr.162 zu § 611 BGB Gratifikation, unter Ziffer 3 b aa der Gründe).

Außerdem entstünde ein Wertungswiderspruch, wenn das Urlaubsgeld als Entgelt im Sinne des § 3 EFZG eingestuft würde. In diesem Fall wäre die Sonderzahlung des § 34 MTV ab der 7. Krankheitswoche pro Tag der Arbeitsunfähigkeit zu kürzen. Demgegenüber findet bei Elternzeiten sowie in den Fällen des Wehr- und Zivildienstes gemäß § 34 Abs.3 MTV nur für jeden vollen Abwesenheitsmonat eine Kürzung statt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Tarifvertragsparteien eine derartige Schlechterstellung der längerfristig erkrankten Arbeitnehmer gegenüber aus anderen Gründen abwesenden Mitarbeitern hätten regeln wollen.

Anders wäre die Rechtslage gegebenenfalls bei einer unbewussten Regelungslücke zu beurteilen. Wie das Arbeitsgericht jedoch zu Recht ausgeführt hat, liegt eine solche hier nicht vor. Den Tarifvertragsparteien war bewusst, dass es außer den in § 34 Abs.3 MTV aufgeführten Tatbeständen weitere Fälle gibt, in denen kein Anspruch auf Zahlung eines Entgelts besteht. Dies kommt an verschiedenen Stellen des Tarifvertrages zum Ausdruck. Zutreffend hat das Arbeitsgericht insoweit auf § 24 Abs.3 MTV hingewiesen, der eine Regelung für alle Fälle trifft, in denen "kein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung" besteht. Außerdem wird in § 28 Abs.3 MTV ein Zuschuss zum Krankengeld für über sechs Wochen hinausgehende Arbeitsunfähigkeitszeiten vereinbart. Angesichts dieser Regelungen kann nicht unterstellt werden, dass die Tarifvertragsparteien das Problem der über sechs Wochen hinaus andauernden Arbeitsunfähigkeit übersehen haben.

Weiterhin spricht § 28 Abs. 6 Ziff. a) MTV dafür, dass die Tarifvertragsparteien in § 34 Abs. 3 MTV bewusst darauf verzichtet haben, lang andauernde Arbeitsunfähigkeitszeiten mitzuregeln. In § 28 Abs. 6 Ziff. a) MTV wird nämlich bei der Berechnung des Krankengeldzuschusses das Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach § 34 MTV ausdrücklich ausgenommen. Dies lässt den Schluss zu, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgingen, dass diese Zahlungen während lang andauernder Arbeitsunfähigkeitszeiten ohnehin erbracht werden. Andernfalls würde nämlich der in § 28 Abs.3 MTV ausdrücklich niedergelegte Zweck der Krankengeldzuschüsse, die bisherige Vergütung sicherzustellen, nicht erreicht.

Dieses Verständnis des § 34 MTV steht mit der Tarifgeschichte im Einklang. Anlass für die Einfügung des § 34 Abs.3 MTV war die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.04.2000 - 9 AZR 225/99 - (vgl. zur Tarifgeschichte BAG v. 22.10.2003 - 10 AZR 152/03 - AP Nr.21 zu § 1 TVG Rückwirkung Rn.34). Diese Entscheidung des BAG betraf aber keinen Fall der langandauernden Arbeitsunfähigkeit, sondern den einer Arbeitnehmerin, die sich im Erziehungsurlaub befand. Dementsprechend haben die Tarifvertragsparteien anschließend den Tarifvertrag für diesen Fall - sowie zusätzlich für Wehr- und Zivildienstzeiten - geändert, nicht aber für die über den 6-Wochen-Zeitraum hinausgehende Arbeitsunfähigkeit.

Schließlich steht die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts entgegen der Ansicht der Beklagten nicht im Widerspruch zu dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts v. 22.10.2003 - 10 AZR 152/03 - (AP Nr. 21 zu § 1 TVG Rückwirkung). Das Bundesarbeitsgericht musste sich im Hinblick auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes lediglich mit der Frage befassen, ob die Sonderzahlung des § 34 MTV erst in den Monaten der Fälligkeit - Mai bzw. November - oder pro rata temporis entsteht. U.a. im Hinblick auf die Regelung in § 34 Abs.2 MTV ist das Bundesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich um einen Vergütungsbestandteil handelt, der in den jeweiligen Abrechnungsmonaten verdient und nur bis zum 31.05. bzw. 30.11. eines Jahres aufgespart wird. Ob hierfür allerdings eine Arbeitsleistung erforderlich ist oder es ausreicht, wenn jeweils eine - gegebenenfalls zeitanteilige - Betriebstreue erbracht wird, musste das Bundesarbeitsgericht damals nicht entscheiden.

c) Ebenfalls zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass das Urlaubsgeld der Klägerin für das Jahr 2006 € 599,48 brutto beträgt. Allerdings hat das Arbeitsgericht - offensichtlich irrtümlich - ausgeführt, es habe Stufe 9 der einschlägigen Vergütungstabelle für Purser zugrunde gelegt. Tatsächlich befand sich die Klägerin im Mai 2006 in der Vergütungsstufe 8. Hieraus ergibt sich folgende Berechnung:

2.397,93 € x 50% (anteilige Arbeitszeit) = 1.198,96 €

Hiervon sind als Urlaubsgeld 50% auszuzahlen, was den ausgeurteilten Betrag von 599,48 € ergibt.

2. Schließlich hat das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung entschieden, dass der Klägerin ab dem 01.06.2006 gemäß §§ 286, 288 BGB ein Zinsanspruch in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zusteht.

B.

I. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

II. Die Revision wurde gemäß § 72 Abs. 2 Nr.1 ArbGG zugelassen, da eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage betroffen ist, die im Hinblick auf die Geltung des streitgegenständlichen Manteltarifvertrages für zahlreiche Arbeitsverhältnisse Auswirkungen auf einen größeren Teil der Allgemeinheit hat.

Ende der Entscheidung

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