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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: 17 Sa 1042/03
Rechtsgebiete: GA


Vorschriften:

GA § 2 Nr. 3 b
GA § 5 Nr. 1 a
GA § 5 Nr. 1 c Abs. 2
1) Die Anpassungsklausel des ATZ-Vertrages eines AT-Angestellten: "Das Altersteilzeitentgelt (Tarifbestandteile) nimmt voll an der allgemeinen tariflichen Entwicklung teil", begründet einen Anspruch auf die Einmalzahlung der ERA-Komponente des GA der Metall- und Elektroindustrie NRW vom 23.05.2002.

2) Der Klammerzusatz "Tarifbestandteile" steht einer solchen tarifkonformen Anpassung nicht entgegen. Dabei ist in der Auslegung der Klausel insbesondere zu berücksichtigen, dass das ATZ-Entgelt (während der Freistellungsphase) entsprechend dem Prozentsatz der linearen tariflichen Gehaltserhöhung angehoben wurde.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

17 Sa 1042/03

Verkündet am 17. Dezember 2003

In Sachen

hat die 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 17.12.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Grigo als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Müller-Kurth und den ehrenamtlichen Richter Bücker

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.05.2003 - 13 Ca 8445/03 - teilweise abgeändert und die Beklagte - unter Abweisung der Klage im Übrigen - verurteilt, an den Kläger 202,39 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz der Europäischen Zentralbank seit dem 18.10.2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Beklagte.

III. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers in der Freistellungsphase seiner Altersteilzeit. Der Kläger ist der Auffassung, er habe einen Anspruch auf effektive Weitergabe einer Tarifgehaltserhöhung, hier in Form einer im Juli 2002 fälligen Einmalzahlung. Daraus folgt eine Erhöhung eines Altersteilzeitentgelts für den Monat Juli 2002 um einen Betrag von 208,67 € brutto.

Der Kläger steht seit dem 01.08.1985 in den Diensten der Beklagten. Er ist AT-Angestellter. Am 27.09.1999 vereinbarten die Parteien die Fortführung des Arbeitsverhältnisses als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell mit einer Arbeitsphase vom 01.04.2000 bis zum 30.09.2002 und einer anschließenden Freistellungsphase bis zum 31.03.2005. Zur Vergütung weist der "Arbeitsvertrag für verblockte Altersteilzeit" ATZV in Nr. 4 folgende Regelung aus:

"Vergütung

Herr C. erhält für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ein Altersteilzeitentgelt, das sich entsprechend den tariflichen Bestimmungen und der KBV bemisst und sich nach seiner reduzierten Arbeitszeit errechnet.

Das Altersteilzeitentgelt wird unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit für die Gesamtdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses fortlaufend gezahlt. Seine Zusammensetzung ergibt sich aus der beigefügten Lohn-/Gehaltsfestsetzung, die Bestandteil dieser Vereinbarung ist.

Das Altersteilzeitentgelt (Tarifbestandteile) nimmt während der Arbeitsphase und der Freistellungsphase voll an der allgemeinen tariflichen Entwicklung teil."

Die Vergütung des Klägers als Altersteilzeitentgelt stellte sich ab dem 01.04.2000 zunächst auf 5.233,00 DM = 2.675,59 € brutto - und der Aufstockungsbetrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 a) ATG zum entsprechenden Nettoarbeitsentgelt von 3.530,07 DM = 1.804,90 € auf 1.614,44 DM = 825,54 €. Ab dem 01.05.2001 stellte sich das Altersteilzeitentgelt auf monatlich 2.813,74 €.

Ab dem 01.06.2002 erhöhte die Beklagte diesen Betrag auf 2.900,97 € brutto.

Dies entsprach der Erhöhung der Tarifgehälter in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens um 3,1 % aufgrund des Gehaltsabkommens vom 23.05.2002 (GA). Die Tarifvertragsparteien hatten allerdings das Tarifvolumen insgesamt um 4 % erhöht - § 2 Nr. 3 GA. Das restliche Erhöhungsvolumen von 0,9 % floss nach Maßgabe der Bestimmungen des § 5 GA in eine sog. ERA-Strukturkomponente - § 2 Nr. 3 b) GA - um eine möglichst kostenneutrale Umgestaltung des Tarifssystems zu erreichen; mit dem Entgeltrahmenabkommen (ERA) sollen die bisherigen differenzierenden Lohn- und Gehaltstarifsysteme vereinheitlicht werden.

Der Kläger ist der Auffassung, er habe neben der linearen Erhöhung seiner Vergütung ab dem 01.06.2002 einen Anspruch auf Zahlung eines 0,9 %igen Einmalbetrages entsprechend der ERA-Strukturkomponente, fällig mit der Juli- Abrechnung 2002. Diese Einmalzahlung belaufe sich auf 208,67 € brutto.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 208,67 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz der Europäischen Zentralbank seit dem 18.10.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, dem Kläger stehe eine Anspruchsgrundlage nicht zur Seite. Als AT-Angestellter könne er sich nicht auf § 2 Nr. 3 b GA stützen. Eine Verpflichtung zur Zahlung der ERA-Strukturkomponente folge ebenso wenig aus Nr. 4 ATZV. Danach seien lediglich, wie der Klammerzusatz dieser Vergütungsregelung verdeutliche, Tarifbestandteile des Altersteilzeitentgelts an die allgemeine tarifliche Entwicklung gekoppelt. Derartige Vergütungsbestandteile des Klägers existierten jedoch nicht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 02.05.2003 stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den wechselseitigen Inhalt der Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Der Kläger hat kraft einzelvertraglicher Vereinbarung mit der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages von 0,9 % seines Altersteilzeitentgelts entsprechend der mit der Juli-Abrechnung 2002 fälligen ERA-Strukturkomponente nach Maßgabe von § 2 Nr. 3 b GA. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass der Änderungsvertrag vom 27.09.1999 dem Kläger einen solchen Anspruch einräumt. Nur soweit das Arbeitsgericht den Anspruch mit 208,67 € brutto beziffert hat, war dem, wie aus dem Tenor ersichtlich, nicht voll beizutreten.

I.

Sieht man von dem Klammerzusatz "Tarifbestandteile" ab, ist der Wortlaut der Regelung zu Nr. 4 Abs. 3 ATZV eindeutig. Künftige Erhöhungen der Tarifgehälter sollten danach maßstabsgerecht die Entwicklung des Altersteilzeitentgelts des Klägers bestimmen. Anders kann eine Teilnahme "voll an der tariflichen Entwicklung" nicht verstanden werden.

1) Diesen konstitutiven Regelungsgehalt und insbesondere dessen Umfang verdeutlicht Nr. 4 Abs. 1 ATZV mit der Verweisung auf die Bemessung des Altersteilzeitentgelts - entsprechend den tariflichen Bestimmungen und der KBV -.

Unmissverständlich heißt es zu Nr. 7.1 der einschlägigen Konzernbetriebsvereinbarung (KBV) Altersteilzeit in der Fassung vom 03.11.1998, dass "Tariferhöhungen in der Freistellungsphase zu 100 % wie in der Arbeitsphase weitergegeben werden". Mit der Verweisungsklausel Nr. 4 Abs. 1 ATZV ist damit zugleich klargestellt, dass die tarifanaloge Entwicklung des künftigen Arbeitsteilzeitentgelts keiner Beschränkung etwa dahingehend unterliegen sollte, zwischen einer linearen tariflichen Gehaltserhöhung und Einmalzahlungen zu differenzieren.

Bestärkt wird dieses Verständnis durch einen Umkehrschluss aus der weiter in Bezug genommene expliziten Regelung zu Einmalzahlungen in Nr. 7.3 der KBV Altersteilzeit, die sich ausschließlich auf Zahlungen von Urlaubsgeld und Treueprämien bezieht.

Im Ergebnis sollte nach alldem für den Kläger festgeschrieben werden, was anderenfalls kraft Tarifrechts nach den §§ 3, 4 TVG für die tarifgebundenen Angestellten galt.

II.

Verfehlt ist es, wenn die Beklagte unter diesen Umständen auf den Klammerzusatz verweist und daraus schließt, dass dem Kläger als AT-Angestellten kein Vertragsangebot hinsichtlich einer derartigen Anpassung seines Altersteilzeitentgelts unterbreitet worden sei.

1) Dem widerspricht die Interessenlage der Parteien, insbesondere diejenige des Klägers, wie sie auch der Beklagten bei Vertragsschluss bewusst war.

Gerade weil der Kläger AT-Angestellter war, war er auf eine eigenständige arbeitsvertragliche Regelung seiner Vergütung angewiesen. Dies insbesondere zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages, mit dem das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt werden sollte. Für jeden verständigen Dritten und damit unter Zugrundegelegung der maßgeblichen Auslegungskriterien von Treu und Glauben war es geboten, für den langen Folgezeitraum von fünf Jahren eine Regelung zur künftigen Entwicklung der Vergütung zu finden. Hier muss insbesondere in Betracht gezogen werden, dass für den Kläger vor allem in der Freistellungsphase eine spätere "faire" Aushandlung neuer Vergütungskonditionen kaum realistisch sein durfte.

2) Die Auslegung der Einräumung einer Rechtsposition des Klägers "entsprechend der tariflichen Entwicklung" findet vor allem ihre Bestätigung darin, dass die Beklagte zumindest die laufende Vergütung zum 01.06.2002 um 3,1 % und damit um den Prozentsatz der Erhöhung der Tarifgehälter gemäß § 2 Nr. 3 a GA anpasste.

3) Schließlich war aus der maßgeblichen Sicht des Klägers auch nicht zu erkennen, dass der fragliche Klammerzusatz "Tarifbestandteile" einen irgendwie einschränkenden Gehalt haben sollte.

Der von der Beklagten verfasste Vertragstext war wiederholt in seiner Wortfassung vergleichbar nicht korrekt, ohne dass auch nur ansatzweise in Frage steht, das der "Tarifverweisung" keine rechtliche Bedeutung beizumessen ist. So stellt etwa § 4 Abs. 1 ATZV darauf ab, dass der Kläger ein Altersteilzeitentgelt erhält, "das sich entsprechend der tariflichen Bestimmungen bemisst". Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dies ebenso wie zu Nr. 4 Abs. 3 ATZV auf der Verwendung eines versehentlich nicht korrigierten Vertragsformulars für Tarifangestellte beruhte. Aus dem Gesamtzusammenhang der Vergütungsregelung zu Nr. 4 ATZV konnte der Kläger den entscheidenden Abs. 3 jedenfalls nur so verstehen, dass, was ansonsten tariflich gelten würde, auch für die künftige Anpassung seiner Vergütung während der Altersteilzeit zum Tragen kommen sollte.

III.

Von der Zahlung des in die ERA-Strukturkomponente einfließenden restlichen Erhöhungsvolumens von 0,9 % kann die Beklagte den Kläger auch nicht deshalb ausschließen, weil er zum 31.03.2005 aus ihren Diensten ausscheidet.

Eine solche Einschränkung kann nicht ansatzweise aus den Regelungen des Arbeitsvertrages vom 27.09.1999 hergeleitet werden. Das angefochtene Urteil verweist im Übrigen zu Recht darauf, dass das GA einen derartigen Ausschlusstatbestand ebenfalls nicht vorsieht und im Gegenteil die - hier nicht einschlägige - Rückzahlungsklausel des § 5 Nr. 3 GA erkennen lässt, dass die Tarifvertragsparteien einen solchen Zusammenhang nicht herstellen wollten.

IV.

Die Höhe des Anspruchs war jedoch in Abweichung vom Urteil des Arbeitsgerichts geringfügig abzuändern.

§ 2 Nr. 3 b GA verweist zur Ermittlung des Betrages der - ersten - ERA-Strukturkomponente auf die Formel des § 5 Nr. 1 a GA, deren Faktor - Tarifeinkommen - seinerseits in § 5 Nr. 1 c Abs. 2 GA definiert ist. Maßgeblich ist damit das Tarifgehalt auf dem Stand vom 31.05.2002. Dem entspricht das Arbeitsteilzeitentgelt des Klägers aus Mai 2002, hier mit 2.813,74 €. Das Arbeitsgericht hat hingegen die bereits linear erhöhten Bezüge des Klägers aus Juni 2002 zugrundegelegt.

Unter Zugrundelegung dieser Berechnungsgrundlagen ermittelt sich ein dem Kläger zustehender Betrag von 202,39 € (8,24 x 0,9 % : 1.031 x 2,813,74).

V.

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB.

VI.

Der Berufung der Beklagten war mithin weitgehend der Erfolg versagt. Aufgrund der Reduzierung des Klagezuspruchs um lediglich 6,28 € waren der Beklagten ungeachtet des entsprechenden Teilerfolgs der Berufung gemäß § 92 Abs. 2 ZPO die Kosten voll aufzuerlegen.

Die Kammer hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - soweit der Klage stattgegeben wurde - bejaht und daher die Revision zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).



Ende der Entscheidung

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