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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.04.2007
Aktenzeichen: 17 Sa 1517/04
Rechtsgebiete: SGB III, SGB X, BGB, InsO, TVG


Vorschriften:

SGB III § 57 Abs. 3
SGB III § 143 Abs. 1
SGB X § 115 Abs. 1
BGB §§ 293 ff.
BGB § 611
BGB § 611 Abs. 1
BGB § 615
BGB § 615 Satz 1
BGB § 615 Satz 2
InsO § 55 Abs. 1
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2
TVG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 30.06.2004 - 8 Ca 4030/04 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und der Urteilsspruch aus Gründen der Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu 1) 18.789,96 € brutto nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basissatz seit 08.06.2004 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu 2) 13.300,-- € brutto abzüglich 219,60 € netto nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 % -Punkten über dem Basissatz auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 08.06.2004 zu zahlen.

II. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt der Beklagte.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger waren Mitarbeiter der Firma T. xnm Medialab GmbH, über deren Vermögen am 01.01.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestimmt. Er kündigte beiden Klägern zum 29.02.2004. Die Parteien einigten sich in anschließenden Kündigungsstreitverfahren darauf, dass die Arbeitsverhältnisse zum 30.04.2004 endeten. Der Beklagte hatte die Kläger zuvor mit den vom 05.01.2004 datierten Kündigungsschreiben "mit dem Ablauf des 15.01.2004 von der weiteren Mitarbeit freigestellt". Mit ihrer Klage fordern die Kläger Vergütung für die Zeit vom 16.01. bis 30.04.2004. Der Kläger zu 1) beansprucht auf der Grundlage einer monatlichen Bruttovergütung i. H. von 5.368,56 € die Zahlung von 18.789,96 € nebst Verzugszinsen, der Kläger zu 2) auf der Grundlage einer monatlichen Vergütung i. H. von 3.800,-- € - ebenfalls nebst Verzugszinsen - 13.300,-- € brutto.

Der Kläger zu 1) hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger zu 1. 18.789,96 € brutto nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger zu 2) hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger zu 2. 13.300,00 € brutto nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er gehe davon aus, dass beide Kläger in der hier fraglichen Zeit Arbeitslosengeld bezogen hätten. Von daher seien sie jedenfalls in Höhe eines überwiegenden Teils der Klageforderungen nicht mehr aktivlegitimiert.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 30.06.2004 stattgegeben. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er ist der Auffassung, ihm stehe ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis er seitens der Kläger Auskunft darüber erhalte, welche Bezüge sie in der fraglichen Zeit anderweitig erhalten hätten, etwa durch die - streitlose - Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab dem 20.01.2004. Insoweit sei auch aufgrund des seitens der Bundesagentur für Arbeit gezahlten Überbrückungsgeldes ein Anspruchsübergang auf die Arbeitsverwaltung erfolgt und die Kläger insoweit nicht mehr aktivlegitimiert. Jedenfalls habe der Kläger zu 2) für die Zeit vom 16.01. bis zum 19.01.2004 Arbeitslosengeld in Höhe von 219,60 € bezogen. In Höhe dieses Betrages zuzüglich seitens der Arbeitsverwaltung geleisteten Sozialversicherungsbeiträge sei der Kläger zu 2) nicht mehr aktivlegitimiert.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 30.06.2004 - 8 Ca 4030/04 - abzuändern und die Klagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zum weitaus überwiegenden Teil unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage des Klägers zu 1) in vollem Umfang stattgegeben. Auch die vom Kläger zu 2) verfolgten Zahlungsansprüche sind weitgehend begründet. Der ihm zuzusprechende Bruttobetrag i. H. von 13.300,-- € war lediglich um die 219,60 € an Arbeitslosengeld zu mindern, da die Vergütungsansprüche des Klägers wegen des gezahlten Arbeitslosengeldes nach § 143 Abs. 1 DGB III, § 115 Abs. 1 SGB X auf die Arbeitsverwaltung übergegangen sind.

1. Der Kläger zu 1) hat nach § 611 BGB, § 55 Abs. 1 InsO gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.04.2004.

a) Nach § 611 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Rechtsgrund ist der Arbeitsvertrag. Der Vergütungsanspruch entsteht aufgrund des Vertrags; er setzt nicht zwingend voraus, dass die vereinbarten Dienste tatsächlich geleistet werden. Nachdem über das Vermögen der Arbeitgeberin am 01.01.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, ist der für die anschließende Zeit bis zum 30.04.2004 entstandene Entgeltanspruch des Klägers zu 1) als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter begründet.

b)Dem Beklagten steht nicht deshalb ein Leistungsverweigerungsrecht zu, weil der Kläger zu 1) trotz entsprechender Aufforderung seitens des Beklagten kein Auskunft über anderweitigen Verdienst in der hier fraglichen Zeit erteilt hat. Der Beklagte verkennt, dass der Kläger keine Ansprüche aus Annahmeverzug gemäß § 615 Satz 1 BGB geltend macht, mit denen infolge der Anrechnungsbestimmung des § 615 Satz 2 BGB eine Auskunftspflicht über anderweitig erzielte Vergütung und für den Fall der Nichterteilung der Auskunft ein Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten einhergehen würde. Annahmeverzug setzt voraus, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber noch eine Arbeitsleistung schuldet. Daran fehlt es, wenn der Arbeitgeber, wie der Beklagte im Kündigungsschreiben vom 05.01.2004, den Arbeitnehmer rechtswirksam von seiner Arbeitspflicht freigestellt hat. Da mangels Arbeitspflicht des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber aufgrund dieser Freistellungserklärung die Gläubigerstellung fehlt, kann ein Annahmeverzug nach §§ 293 ff. BGB nicht begründet werden. Eine Anrechnung etwaigen Zwischenverdienstes kommt für einen solchen Fall nur dann in Betracht, wenn sie vertraglich ausdrücklich vorbehalten wurde - st. des BAG, vgl. Urteil vom 19.03.2002 - 9 AZR 16/01 - EzA Nr. 108 zu § 615 BGB und zuletzt Urteil vom 29.09.2004 - 5 AZR 99/04 - NZA 2005 S. 104 f. Einen derartigen Vorbehalt der Anrechnung von Zwischenverdienst in der Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Beklagte indes in die Freistellungsvereinbarung nicht aufgenommen.

c)Die der Höhe nach unstreitigen Vergütungsansprüche des Klägers mit insgesamt 18.789,96 € brutto für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.04.2004 stehen entgegen der Auffassung der Beklagten auch voll umfänglich in seiner Verfügungsbefugnis. Er hat seine Aktivlegitimation nicht etwa durch Anspruchsübergang auf die Bundesanstalt für Arbeit aufgrund des geleisteten Überbrückungsgeldes (§57 Abs. 1 SGB III) verloren. Zwar hat der Kläger streitlos Überbrückungsgeld erhalten. Ein Anspruchsübergang gemäß § 115 Abs. 1 SGB X, der die Aktivlegitimation des Klägers hinsichtlich der vorliegend eingeforderten Vergütungsansprüche entfallen lassen würde, liegt jedoch schon deshalb nicht vor, weil es an der insoweit gebotenen zeitlichen Kongruenz fehlt. Selbst wenn zugunsten des Beklagten unterstellt wird, dass sich Überbrückungsgeld grundsätzlich als an die Stelle des Arbeitsentgelts getretene Sozialleistung i. S. von § 115 Abs. 1 SGB X darstellt, hat sich der Förderungszeitraum i. S. von § 57 Abs. 3 SGB III nicht auf die Zeit vom 01.01. bis zum 30.04.2004 bezogen. Ausweislich der vom Kläger zu den Akten gereichten Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit vom 05.11.2004 ist die 6-monatige Förderungsdauer seitens der Arbeitsverwaltung fiktiv auf den Zeitraum vom 01.05. bis zum 31.10.2004 bezogen worden. Dementsprechend hat sich die Bundesagentur für Arbeit in dieser Mitteilung auch - zu Recht - ausdrücklich keines auf sie übergegangenen Anspruchs des Klägers auf Arbeitsentgelt gegenüber dem Beklagten berühmt.

d)Rechtirrig ist schließlich der beklagtenseits erhobene Einwand, der Kläger sei, zumindest teilweise, schon deshalb nicht mehr aktivlegitimiert, weil zu vermuten stehe, dass er für den fraglichen Zeitraum Arbeitslosengeld beantragt habe. Ungeachtet dieses ohnehin schon im Ansatz unschlüssigen Vortrages folgt aus § 115 Abs. 1 SGB X, dass der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Arbeitsentgelt allein insoweit überzugehen vermag, als seitens der Arbeitsverwaltungen Leistungen tatsächlich erbracht sind. Gleichermaßen rechtlich unbeachtlich ist die weitere Mutmaßung des Beklagten, der Kläger zu 1) habe in der fraglichen Zeit Ansprüche auf Arbeitsvergütung gegenüber einem Betriebserwerber erworben und es gehe nicht an, dass er "doppelt kassiere". Der Kläger weist schon zu Recht darauf hin, dass der Vortrag des Beklagten nicht ansatzweise schlüssig aufzeigt, dass zum 01.01.2004 oder jedenfalls in der Zeit bis zum 30.04.2004 ein Betriebsübergang auf ein Unternehmen stattfand, in dessen Diensten er in dieser Zeit gestanden habe.

2. Aus den voraufgezeigten Gründen sind gleichfalls die vom Kläger zu 2) verfolgten Entgeltansprüche zum überwiegenden Teil begründet. Allein soweit die Arbeitsverwaltung an ihn streitlos Arbeitslosengeld i. H. von 219,60 € gezahlt hat, ist der Kläger gemäß § 115 Abs. 1 SGB X nicht mehr aktivlegitimiert. Der Kläger braucht sich entgegen der Auffassung des Beklagten allerdings dass von ihm bezogene Arbeitslosengeld nicht gleichermaßen "brutto" anrechnen zu lassen. Dem Anspruchsübergang auf die Arbeitsverwaltung unterfällt lediglich das dem Arbeitnehmer zugeflossene Arbeitslosengeld, nicht jedoch die von der Arbeitsverwaltung abgeführten Sozialversicherungsbeiträge, hier die beklagtenseits aufgelisteten Krankenversicherungsbeträge i. H. von 50,96 €, Pflegeversicherungsbeiträge i. H. von 6,32 € und Rentenversicherungsbeiträge i. H. von 87,74 € - vgl. BAG, Urteil vom 27.11.1991 - BAGE 69, 119 ff. = AP Nr. 22 zu § 4 TVG Nachwirkung.

3. War mithin die Berufung des Beklagten zum weitaus überwiegenden Teil erfolglos, waren ihm zugleich die Kosten gemäß § 97 ZPO aufzuerlegen.

Die Berufungskammer hat von der Zulassung der Revision abgesehen, weil der Streitsache weder eine grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist (§§ 72 Abs. 2 Nr. 1, 72 a ArbGG), noch die Voraussetzungen für eine Divergenzrevison i. S. von § 72 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG vorliegen.

Ende der Entscheidung

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