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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.10.1999
Aktenzeichen: 18 (5) Sa 97/99
Rechtsgebiete: KSchG, GmbHG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2 S. 1
GmbHG § 49 Abs. 2
GmbHG § 48 Abs. 3
BGB §§ 177 ff
1. Die Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung ist sozial ungerechtfertigt, wenn die ihr zugrunde liegende Unternehmerentscheidung unwirksam ist.

2. Bei einer GmbH bedarf die Entscheidung über die Beendigung der Geschäftstätigkeit der Zustimmung der Gesellschafter. Die Durchführung einer Gesellschafterversammlung ist bei der Einmann-GmbH nicht erforderlich.

3. Handelt es sich bei dem Gesellschafter einer Einmann-GmbH um eine GmbH, die durch zwei gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer vertreten wird, kann die Stilllegung des Geschäftsbetriebs nur von beiden Geschäftsführern beschlossen werden. Der übergangene Gesamtvertreter oder sein Nachfolger können die Stilllegungsentscheidung nachträglich genehmigen.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 18 (5) Sa 97/99

Verkündet am: 18.10.1999

In dem Rechtsstreit

hat die 18. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 18.10.1999 durch die Richterin am Arbeitsgericht Heinlein als Vorsitzende sowie den ehrenamtlichen Richter Hagen und den ehrenamtlichen Richter Plauschinat für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.12.1998 ­ 6 Ca 6328/98 ­ wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über eine betriebsbedingte Kündigung.

Der Kläger (geboren 25.06.1953) war seit dem 01.01.1988 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Systementwickler beschäftigt. Die Beklagte erbrachte Dienstleistungen auf dem Gebiet der Organisation, Datenerfassung, Datenverarbeitung und Datenverwaltung. Seit November 1996 war der Kläger nahezu ausschließlich mit dem Produkt B.ET-E. und seinen zwei Derivaten V.AC und L.YDI beschäftigt. Im Betrieb der Beklagten arbeiteten regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Aus dem Handelsregister ergibt sich, dass gemäß Eintragung vom 09.09.1998 Herr R.ené d G.re zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Beklagten unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB bestellt war und gemäß Eintragung vom 12.01.1999 die Gesellschaft aufgelöst ist, W.ill H.uism und R.ené d G.reenicht mehr Geschäftsführer sind und Herr C.harl W.hield zum Liquidator bestellt ist.

Alleingesellschafterin der Beklagten ist die V.ICO Deutschland GmbH. Aus dem Handelsregister ergibt sich, dass gemäß Eintragung vom 23.09.1998 die Herren R.ené d G.re und T.h F.leß zu Geschäftsführern bestellt sind. Dies geschah durch Gesellschafterbeschluss der Alleingesellschafterin der V.ICO Deutschland GmbH, der V.O N.V., C.ura(, Niederländische Antillen, vom 15.01.1998. Nach dem Gesellschafterbeschluss wurden die Herren G.reeund F.leß mit dem Recht bestellt, die GmbH gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer oder Prokuristen zu vertreten. Durch Gesellschafterbeschluss der V.ICO N.V., C.ura(, Niederländische Antillen, vom 09.11.1998 wurde die Bestellung von Herrn T.h F.leß zum Geschäftsführer der V.ICORDeutschland GmbH mit sofortiger Wirkung widerrufen und Herr C.harl W.hi mit sofortiger Wirkung zum weiteren Geschäftsführer bestellt.

Die Beklagte hat ein Protokoll eines Direktorentreffens der V.ICO E.u.ro Holdin BV vom 14.08.1998 (Teilnehmer: C.harl W.hield, F.ra K.oopm und R.ené d G.re) vorgelegt, nach dem Übereinstimmung bestand, dass die Schließung der Beklagten nicht später als zum 31.10.1998 stattfinden würde und Herr R.ené d. Gree zum alleinvertretungsberechtigten Managing Director" der Beklagten bestellt wird.

Der Kläger hat den Entwurf eines Schreibens des Herrn G.reevom 27.08.1998 an Geschäftsführer und Anteilseigner der Beklagten vorgelegt, in dem es heißt:

I, R.ené d G.reehereby resign as Geschäftsführer of V.ICO G.eminu

GmbH located in offices at S.tadionring , D- R.ating, Germany. This

resignation is effective immediately."

Mit Schreiben vom 23.09.1998 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.01.1999. Das Kündigungsschreiben ist von den Herren G.reeund W.hield unterzeichnet. Es wurde dem Kläger am 23.09.1998 gegen 17.00 Uhr übergeben. Mit Schreiben vom 28.09.1998, das der Beklagten am selben Tag um 10.00 Uhr zuging, erklärte der Kläger, er rüge die Vertretungsberechtigung der Unterzeichner des Schreibens vom 23.09.1998, die dort ausgesprochene Kündigung für die Beklagte zu erklären.

Die Beklagte kündigte auch die Arbeitsverhältnisse anderer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Ein Teil von ihnen kündigte selbst und wechselte zur I.nfit D.eutschla oHG. Mit Schreiben vom 25.09.1998 kündigte die Beklagte ferner den Mietvertrag über die von ihr angemieteten Räumlichkeiten. Das Kerngeschäft V.AC wird nunmehr von einer holländischen Schwestergesellschaft erledigt. Die Arbeitsbereiche B.ET und L.YDIAwurden einer englischen Schwestergesellschaft übertragen.

Mit einem am 05.10.1998 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses geltend gemacht.

Er hat behauptet, Herr G.re habe sein Kündigungsschreiben vom 27.08.1998 unterzeichnet, an die Beklagte abgesandt und es sei der Beklagten auch zugegangen. Falls überhaupt eine Stilllegungsentscheidung der Beklagten vorliege, sei diese jedenfalls willkürlich. Auch könne er in einem anderen Konzernunternehmen weiterbeschäftigt werden.

Er hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 23.09.1998 mit Ablauf des 31.01.1999 nicht aufgelöst ist. Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei nicht nach § 174 BGB unwirksam, denn die Behauptung des Klägers, Herr G.re habe ein Kündigungsschreiben vom 27.08.1998 unterzeichnet, abgesandt und es sei der Beklagten auch zugegangen, sei substanzlos. Die Kündigung sei auch nicht nach § 1 Abs. 1 Satz 2 KSchG sozial ungerechtfertigt, da sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei. Für den Stilllegungsbeschluss, den Herr G.re als zuständiger Geschäftsführer gefasst habe, bedürfe es keiner besonderen Förmlichkeiten. Der Stilllegungsbeschluss sei auch nicht willkürlich, da ein Unternehmer, der mit der Entwicklung seines Unternehmens unzufrieden sei, das Recht habe, seine unternehmerische Betätigung zu beenden. Eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen scheitere schon daran, dass der Kläger keinen konkreten freien Arbeitsplatz, den er einnehmen könne, benannt habe. Schließlich sei die Kündigung nicht nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam, da allenfalls ein Teilbetriebsübergang auf die Firma I.nfit in Frage komme, der Kläger aber nicht in diesem Bereich eingesetzt gewesen sei.

Gegen das ihm am 05.01.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 25.01.1999 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Im Anschluss an Plander (NZA 1999, Seite 505 ff.) vertritt der Kläger die Auffassung, die Kündigung sei unwirksam, weil die Beklagte die Stilllegung ihres Betriebs nicht durch die hierfür zuständige Gesellschafterversammlung beschlossen habe. Da Herr G.re die Alleingesellschafterin der Beklagten nicht allein habe vertreten können, habe er auch nicht allein über die Betriebsschließung entscheiden können. Ohnehin sei dies am 14.08.1998 nicht möglich gewesen, da er zu diesem Zeitpunkt nicht zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt gewesen sei. Tatsächlich existiere kein Stilllegungsbeschluss. Auch müsse ein Beschluss über eine Betriebsschließung vor Ausspruch der Kündigung getroffen werden. Die Schließung des Betriebs trotz guter Geschäftsergebnisse sei im Übrigen willkürlich. Davon sei jedenfalls auszugehen, solange die Beklagte ihre Motive für die Schließung nicht offen lege. Auch sei die Kündigung unwirksam, weil Herr G.reedie Beklagte zur Zeit der Kündigungserklärung nicht habe vertreten können. Seine Eintragung als Geschäftsführer in das Handelsregister müsse er, der Kläger, nicht gegen sich gelten lassen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.12.1998 - 6 Ca 6328/98 ­ abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 23.09.1998 zum 31.01.1999 nicht aufgelöst ist. Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie behauptet, die V.ICO Deutschland GmbH habe in einer Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 22.09.1998 durch Herrn G.reebeschlossen, dass die Beklagte mit Ablauf des 31.12.1998 aufgelöst wird, die Betriebe der Beklagten in R.ating und Bad H.ombu zum 31.10.1998 endgültig stillgelegt werden, Herr R.ené d G.reeund Herr W.ill H.uism mit Ablauf des 31.12.1998 nicht mehr Geschäftsführer sind und Herr C.harleW.hield zum alleinigen Liquidator bestellt wird. Sie ist der Ansicht, für die Wirksamkeit der Kündigung komme es hierauf aber nicht an.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG), frist- und formgerecht eingelegt und fristund formgerecht begründet (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 518, 519 ZPO).

II.

Sie hat jedoch keinen Erfolg.

Die Kündigungsschutzklage ist zulässig. Die 3-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG hat der Kläger eingehalten.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Denn die Kündigung ist weder sozial ungerechtfertigt noch ist sie aus sonstigen Gründen unwirksam.

1. Die Kündigung ist nicht mangels Vertretungsmacht nach § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Tatsachen, die diese Annahme erlauben, hat der Kläger nicht vorgetragen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass am 09.09.1998 die Bestellung des Herrn G.reezum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Beklagten in das Handelsregister eingetragen wurde.

Zwischen ihnen ist ferner unstreitig, dass das Handelsregister keine Eintragung enthält, nach der Herr G.re zur Zeit der Kündigung vom 23.09.1998 nicht mehr Geschäftsführer der Beklagten war. Auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess für das Vorliegen der organschaftlichen Vertretungsbefugnis findet § 15 HGB keine Anwendung. Vielmehr ist insoweit § 9 Abs. 2 und 3 HGB heranzuziehen.

Nach diesen Bestimmungen kann über die Eintragungen in das Handelsregister ein Auszug und zum Nachweis gegenüber Behörden, wer Inhaber der Firma eines Einzelkaufmanns ist oder die Befugnis zur Vertretung eines Einzelkaufmanns oder einer Handelsgesellschaft hat, ein Zeugnis des Registergerichts gefordert werden. Im Prozess dienen der Handelsregisterauszug und das Zeugnis als Beweismittel (vgl. Bokelmann in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Band 1, § 9 Rdn. 18 ff m. w. N.) Da die Eintragung, dass Herr G.re zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt wurde, zu einem früheren Zeitpunkt als die Kündigung erfolgt ist, musste die Beklagte somit auf die Rüge mangelnder Vertretungsmacht nicht noch zusätzlich darlegen und nachweisen, dass Herr G.re zur Zeit der Kündigung tatsächlich ihr Geschäftsführer war.

Vielmehr oblag es dem Kläger, Tatsachen für seine Behauptung anzuführen, dass dessen Vertretungsmacht zur Zeit der Kündigung nicht mehr bestand. Das ist nicht geschehen, denn der Kläger hat nicht einmal Indizien dafür dargelegt, dass Herr G.reegegenüber der Beklagten oder ihrer Alleingesellschafterin erklärt hat, er wolle sein Amt nicht antreten oder es niederlegen. Auch hat er keine Tatsachen behauptet, aus denen geschlossen werden könnte, dass keine Bestellung durch die Alleingesellschafterin der Beklagten erfolgt ist.

2. Die Kündigung ist auch nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozialwidrig. Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die eine Kündigung bedingen können, zählt die Stilllegung des gesamten Betriebs. Darunter ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Arbeitgeber die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen.

Auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung kommt in Betracht. Wird eine Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, kann sie nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Davon ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auf Grund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung zu erwarten ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben (vgl. BAG, Urteil vom 11.03.1998, NZA 1998, Seite 879 ff m. w. N.).

3. Da zur Zeit der Kündigung vom 23.09.1998 der Betrieb der Beklagten noch nicht geschlossen war, kann die Kündigung nur wegen einer beabsichtigten Betriebsschließung sozial gerechtfertigt sein. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.03.1998 (a. a. 0.) erfordert eine rechtserhebliche Stilllegungsabsicht bei einer juristischen Person bzw. Kommanditgesellschaft keinen formell gültigen Beschluss des zuständigen Organs. Vielmehr setze nur die von der Betriebsstilllegung zu trennende Auflösung der Gesellschaft nach §§ 161 Abs. 2, 131 Nr. 2 HGB bzw. § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG einen Beschluss der Gesellschafter voraus.

Dem ist Plander (a. a. 0.) für den Fall der Stilllegung sämtlicher Betriebe einer Gesellschaft oder des einzigen Betriebs einer Gesellschaft entgegengetreten. Nach seiner Auffassung trifft es zwar zu, dass die Auflösung der Gesellschaft und die Stilllegung des Betriebs zeitlich regelmäßig nicht zusammenfallen. Da die Auflösungsentscheidung aber die Grundlage für die Betriebsstilllegung bilde, müsse auch die Betriebsstilllegung von den für die Auflösung der Gesellschaft zuständigen Gesellschaftern oder Organen entschieden werden (vgl. a. a. 0., Seite 507 f). Solange der Auflösungsbeschluss nicht oder nicht wirksam gefasst und die Stilllegung des Geschäftsbetriebs damit nicht oder nicht wirksam legitimiert sei, fehle es daher an einem betriebsbedingten Grund für Kündigungen (vgl. a. a. 0., Seite 510).

4. Auch die erkennende Berufungskammer ist der Auffassung, dass die Betriebsstilllegung von der zuständigen Stelle beschlossen sein muss, wenn die Stilllegungsabsicht eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen soll. Denn anderenfalls liegt keine, die Kündigung bedingende, wirksame Unternehmerentscheidung vor.

Für den vorliegenden Streitfall bedeutet dies, dass Herr G.re in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten die Betriebsstilllegung nicht als Maßnahme der Geschäftsführung beschließen konnte. Denn nach § 49 Abs. 2 GmbHG ist die Gesellschafterversammlung außer in den ausdrücklich bestimmten Fällen zu berufen, wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint. Damit sind alle Vorhaben angesprochen, die mit Rücksicht auf ihre Größenordnung und Bedeutung der Zustimmung der Gesellschafter bedürfen (vgl. BGH, Urteil vom 05.12.1983, NJW 1984, Seite 1461). Dazu gehört die Beendigung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft. Wirksam beschlossen hatte die Beklagte zur Zeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses hierüber nicht. Dies führt dennoch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, denn die Unwirksamkeit des Beschlusses über die Betriebsstilllegung ist zu einem späteren Zeitpunkt geheilt worden.

Alleingesellschafterin der Beklagten ist die V.ICO Deutschland GmbH, für die gemäß Gesellschafterbeschluss der Alleingesellschafterin der V.ICO Deutschland GmbH vom 15.01.1998 die Herren G.re und F.leß zu Geschäftsführern bestellt waren. Nach § 48 Abs. 1 GmbHG werden Beschlüsse der Gesellschafter in Versammlungen gefasst. Befinden sich alle Gesellschaftsanteile der Gesellschaft in der Hand eines Gesellschafters, so hat dieser nach § 48 Abs. 3 GmbHG unverzüglich nach der Beschlussfassung eine Niederschrift aufzunehmen und zu unterschreiben. Eine förmliche Gesellschafterversammlung ist bei der Einmann-GmbH" nicht erforderlich; vielmehr kann der Alleingesellschafter jeder Zeit ad hoc Beschlüsse fassen, weil er stets die Vollversammlung bildet (vgl. Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., § 48 Rdn. 28). Ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, am 22.09.1998 habe eine Gesellschafterversammlung der Beklagten stattgefunden, in der die Betriebsstilllegung zum 31.10.1998 beschlossen worden sei, kann damit dahingestellt bleiben.

Dahingestellt bleiben kann auch, ob der Geschäftsführer der V.ICO Deutschland GmbH, Herr G.re, unverzüglich nach seiner Entscheidung, den Betrieb der Beklagten stillzulegen, eine Niederschrift über die Beschlussfassung aufgenommen und unterschrieben hat. Denn der Beschluss ist nicht nichtig, wenn die Protokollierung unterbleibt (vgl. Zöllner, a. a. 0., Rdn. 29).

Aus der unterbliebenen Zustimmung des Geschäftsführers F.leß folgt nicht, dass die Kündigung unwirksam ist. Zwar konnte der Geschäftsführer G.re zur Zeit der Kündigung der Arbeitsverhältnisse nicht allein über die Betriebsstilllegung entscheiden, weil die V.ICO Deutschland GmbH nach dem Gesellschafterbeschluss der Muttergesellschaft vom 15.01.1998 durch beide Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten werden musste. Tatsachen, dass Herr G.reedie Zustimmung des Geschäftsführers F.leß oder eines Prokuristen zur Betriebsstilllegung eingeholt hat, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Damit hat die Berufungskammer davon auszugehen, dass vor Ausspruch der Kündigung die Betriebsstilllegung von der Alleingesellschafterin der Beklagten nicht wirksam beschlossen war, da lediglich deren Geschäftsführer G.re hierzu entschlossen war.

Die Stilllegungsentscheidung war aber nur schwebend unwirksam und ist zu einem späteren Zeitpunkt wirksam geworden. Tritt ein Gesamtvertreter bei der Vornahme eines Rechtsgeschäfts als Einzelvertreter auf, handelt er ohne Vertretungsmacht. Auf diesen Fall sind daher die §§ 177 ff BGB entsprechend anzuwenden, d. h. der andere Gesamtvertreter kann das Rechtsgeschäft nachträglich genehmigen (vgl. RGZ 122, Seite 231; Schneider in Scholz, GmbH-Gesetz, 7. Aufl., Band I, § 35 Rdn. 59). Entsprechendes gilt für Beschlüsse eines Gesellschaftsorgans. Gemäß § 184 Abs. 1 BGB wirkt die Genehmigung auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts oder des Beschlusses zurück (vgl. Schneider, a. a. 0., Rdn. 62). Zwar ist nicht ersichtlich, dass der Geschäftsführer F.leß den Stilllegungsbeschluss jemals genehmigt hat, jedoch ist dies durch den Geschäftsführer W.hield geschehen. Dieser wurde durch Beschluss der Alleingesellschafterin der V.ICO Deutschland GmbH vom 09.11.1998 mit sofortiger Wirkung zu deren weiteren Geschäftsführer bestellt und hat die Betriebsschließung zu Ende geführt.

Darin liegt eine konkludente Genehmigung der getroffenen Stilllegungsentscheidung, die dadurch wirksam geworden ist. Ob auch der Beschluss, die Gesellschaft aufzulösen, wirksam ist oder wirksam geworden ist, kann damit dahingestellt bleiben. Denn für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung genügt jedenfalls ein wirksamer Gesellschafterbeschluss, mit dem die Betriebsstilllegung beschlossen wurde.

5. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist auch nicht deshalb sozial ungerechtfertigt, weil die Betriebsschließung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterliegen Unternehmerentscheidungen zwar einer Missbrauchskontrolle (vgl. BAG, Urteil vom 30.04.1987, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung). Die Darlegungsund Beweislast für die Umstände, aus denen sich ergeben soll, dass eine Unternehmerentscheidung ausnahmsweise nicht bindend ist, trägt der sich darauf berufende Arbeitnehmer (vgl. BAG, Urteil vom 24.03.1983, AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

Auch wenn es zutrifft, dass die Beklagte gute Geschäftsergebnisse und sogar bessere Geschäftsergebnisse als die holländische und die englische Schwestergesellschaft erzielt hat, ist die Schließung ihres Betriebs nicht offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich. Es ist nicht einmal ersichtlich, dass sie unzweckmäßig ist, da die Verlagerung der Arbeitsaufgaben auf die Schwestergesellschaften deren Geschäftsergebnisse verbessern kann. Ohnehin ist fraglich, ob die Entscheidung, den Betrieb zu schließen, überhaupt der Missbrauchskontrolle unterliegen kann (vgl. Ascheid, Erfurter Kommentar, § 1 KSchG, Rdn. 467). Jedenfalls obliegt es der Beklagten nicht, die Motive für die Stilllegung offen zu legen. Da der Kläger lediglich vorgetragen hat, ihre Geschäftslage sei gut und besser als die ihrer Schwestergesellschaften gewesen, dies die Entscheidung aber nicht offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich erscheinen lässt, besteht vielmehr kein Grund für die Annahme, die Beklagte habe missbräuchlich gehandelt.

6. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist schließlich nicht deshalb sozial ungerechtfertigt, weil der Kläger in einem anderen Konzernunternehmen weiter beschäftigt werden könnte. Das Kündigungsschutzgesetz ist nicht konzernbezogen (vgl. BAG, Urteil vom 22.05.1986, NZA 1987, Seite 125). Eine vertragliche Verpflichtung, den Kläger in einem anderen Konzernunternehmen einzusetzen, haben weder die Beklagte noch andere Konzerngesellschaften übernommen (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 21.01.1999, NZA 1999, Seite 539 ff). Selbst wenn ausnahmsweise im vorliegenden Streitfall ein konzernweiter Kündigungsschutz anzuerkennen ist, hat der Kläger nicht konkret aufgezeigt, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt.

Beruft sich der Arbeitnehmer auf eine anderweitige Möglichkeit der Weiterbeschäftigung und bestreitet der Arbeitgeber das Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes, muss der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts konkret aufzeigen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn sich der Arbeitnehmer auf einen nur ausnahmsweise anzuerkennenden konzernweiten Kündigungsschutztatbestand, also z. B. eine Weiterbeschäftigung in einem Tochterunternehmen, beruft (vgl. BAG, Urteil vom 20.01.1994, NZA 1994, Seite 653).

Einzelheiten zu einer für ihn vorhandenen Einsatzmöglichkeit hat der Kläger indessen nicht vorgetragen. Das war aber erforderlich, nachdem das Arbeitsgericht in seinem Urteil ausgeführt hat, er genüge mit seinem allgemein gehaltenen Hinweis, er könne Tätigkeiten bei Konzerntöchtern im Ausland ausüben, nicht seiner Darlegungslast. Zumindest hätte sich der Kläger mit der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts auseinandersetzen und darlegen müssen, aus welchen Gründen sie nicht zutreffend oder aus welchen Gründen ihm weiterer Vortrag hierzu nicht möglich ist. Das ist nicht geschehen.

7. Ist damit die Kündigung an sich" betriebsbedingt, kann sich auch eine etwa noch gebotene Interessenabwägung nicht zu Gunsten des Klägers auswirken. Hierfür kommen nur seltene Ausnahmefälle in Frage, wofür im vorliegenden Streitfall keine Anhaltspunkte bestehen (vgl. BAG, Urteil vom 30.04.1987, DB 1987, Seite 2208).

III.

Als unterliegende Partei hat der Kläger die Kosten der Berufung zu tragen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 523, 97 Abs. 1 ZPO).

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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