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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.06.2002
Aktenzeichen: 18 Sa 411/02
Rechtsgebiete: BGB, TVG, BetrVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB § 611
TVG § 1
BetrVG § 112 Abs. 1 S. 2
BetrVG § 112 Abs. 5 Nr. 1
ArbGG § 64 Abs. 6
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 319
Sozialpläne sind als Betriebsvereinbarungen besonderer Art nicht wie Verträge, sondern wie Tarifverträge auszulegen.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 18 Sa 411/02

Verkündet am: 28.06.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 18. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 28.06.2002 durch die Richterin am Arbeitsgericht Dauch als Vorsitzende sowie den ehrenamtlichen Richter Hübenthal und den ehrenamtlichen Richter Künkler

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 31.01.2002 2 Ca 7256/01 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Auslegung eines Sozialplanes und die Berechnungsmethode hinsichtlich der an den Kläger auszuzahlenden Sozialplanabfindung.

Der am 02.05.1954 geborene Kläger war seit dem 01.12.1982 bei der Beklagten in der Rechtsabteilung gegen ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 6.871,00 DM zuzüglich Jahressonderzahlung und Urlaubsgeld beschäftigt. Unter dem 30.03.2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.09.2001. In dem diese Kündigung betreffenden Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien unter dem 07.05.2001 einen Vergleich, wegen dessen genauen Inhalts auf Blatt 6 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, in dem unter anderem geregelt wurde, dass die dem Kläger nach dem Sozialplan zustehende Abfindung um 10.167,60 DM erhöht wird und eine weitere Erhöhung der Abfindung um die ausstehenden Bruttogehälter erfolgen solle, wenn der Kläger entsprechend der ihm eingeräumten Option das Arbeitsverhältnis vor dem 30.09.2001 beendet. Der Kläger schied zum 30.06.2001 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus. Die Beklagte zahlte daraufhin an den Kläger 64.832,40 DM als Sozialplanabfindung zuzüglich des vereinbarten zusätzlichen Betrages in Höhe von 10.167,60 DM zuzüglich weiterer drei Bruttogehälter als Erhöhung der Abfindung für das vorzeitige Ausscheiden des Klägers.

Der Zahlung der Sozialplanabfindung liegt Ziffer 4.2 des zwischen der Beklagten und dem in ihrem Betrieb existierenden Betriebsrat unter dem 21.06.1999 abgeschlossenen Sozialplanes (Blatt 11 bis 26 der Gerichtsakte) zugrunde, die denselben Wortlaut hat, wie die entsprechenden Klauseln in den Sozialplänen vom 31.01.1997 (Auszug Blatt 69 f. der Gerichtsakte) und vom 10.10.1997 (Auszug Blatt 71 f. der Gerichtsakte) und die wie folgt lautet:

Die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer erhalten für je einen Punkt der beigefügten Abfindungstabelle 1/12 des Bruttoentgelts der jeweiligen Bewertungsgruppe gemäß den zum Zeitpunkt des Ausscheidens jeweils gültigen Bestimmungen des Entgelttarifvertrages zuzügl. der Hälfte des tariflichen zusätzlichen Urlaubsgeldes (gezwölftelt) und der Hälfte der tariflichen Jahressonderzahlung (gezwölftelt). Als Bruttoentgelt wird höchstens das Entgelt der Bewertungsgruppe XI des jeweils gültigen Entgelttarifvertrages zugrundegelegt.

...

Der für die Sozialplanabfindung zugrundezulegende Gesamtpunktwert betrug für den Kläger 108 Punkte.

Die Beklagte berechnete die an den Kläger nach dieser Sozialplanregelung zu zahlende Abfindung ausgehend von einem Grundentgelt BWG IX c in Höhe von 6.871,00 DM, 50 % des Weihnachtsgeldes, nämlich 3.435,50 DM und 50 % des Urlaubsgeldes, d. h. 555,00 DM folgendermaßen:

Grundentgelt lt. BWG 6.871,00 DM 1/12 Weihnachtsgeld 286,29 DM 1/12 Urlaubsgeld 46,25 DM fiktives Bruttoentgelt 7.203,54 DM davon 1/12 600,30 DM x 108 Punkte = 64.832,40 DM

In den Sozialplänen vom 19.01.1990 (Auszug Blatt 63 f. der Gerichtsakte) und vom 10.09.1990 (Auszug Blatt 65 f. der Gerichtsakte) war die Ziffer 4.2 des Sozialplanes vom 21.06.1999 entsprechende Klausel wie folgt formuliert:

Die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer erhalten für je einen Punkt der beigefügten Abfindungstabelle 1/10 des Entgeltes der jeweiligen Bewertungsgruppe gemäß den zum Zeitpunkt des Ausscheidens jeweils gültigen Bestimmungen des Entgelttarifvertrages zuzüglich evtl. monatlich gezahlter tariflicher Leistungszulagen, regelmäßig gezahlter freiwilliger Zulagen, Besitzstandszulagen sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld (gezwölftelt). Als Entgelt wird höchstens das Entgelt der Bewertungsgruppe XI des gültigen Entgelttarifvertrages zugrundegelegt.

...

In dem Sozialplan vom 15.09.1992 (Auszug Blatt 67 f. der Gerichtsakte) lautete die entsprechende Klausel:

Die Mitarbeiter erhalten aus der Addition der Punkte aus den Punktwerttabellen I und II (s. Anlage) für je einen Punkt 1/10 des Entgelts der jeweiligen Bewertungsgruppe gemäß den zum Zeitpunkt des Ausscheidens jeweils gültigen Bestimmungen des Entgelttarifvertrages zuzüglich eventuell monatlich gezahlter tariflicher Leistungszulagen, regelmäßig gezahlter freiwilliger Zulagen, Besitzstandszulagen sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld (gezwölftelt). Als Entgelt wird höchstens das Entgelt der Bewertungsgruppe XI des gültigen Entgelttarifvertrages zugrundegelegt.

Unter dem 06.03.2001 formulierten die Betriebspartner eine Protokollnotiz zur Klarstellung der Auslegung aus dem Sozialplan/Punkt 4.2-, die allerdings erst unter dem 17.05.2001 unterzeichnet wurde, aus der sich unter anderem die folgende Berechnungsmethode für die Abfindung ergibt:

1/12 des Bruttoentgeltes der jeweiligen Bewertungsgruppe zuzüglich 1/12 der Hälfte des tariflichen zusätzlichen Urlaubsgeldes (gezwölftelt).

-gezwölftelt bedeutet: anteilig für einen Monatzuzüglich 1/12 der Hälfte der tariflichen Jahressonderzahlung (gezwölftelt)

-gezwölftelt bedeutet: anteilig für einen Monat-.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Protokollnotiz, insbesondere der Beispielsberechnung, wird auf Blatt 9 f. der Gerichtsakte Bezug genommen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, Ziffer 4.2 Satz 1 des Sozialplanes sei so zu verstehen, dass der pro Punkt anzusetzende Betrag in der Weise zu ermitteln sei, dass zu 1/12 des Bruttogehaltes 1/12 der Hälfte des Weihnachtsgeldes und 1/12 der Hälfte des Urlaubsgeldes zu addieren sei. Der Wortlaut dieser Sozialplanregelung lasse keine anderweitige Interpretation zu, er sei eindeutig. Ein Zwölftel von 6.871,00 DM betrage 572,58 DM. Dazu seien 1/12 von 3.435,50 DM = 286,29 DM und 1/12 von 555,00 DM = 46,25 DM zu addieren, so dass sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 905,12 DM ergebe. Dieser Gesamtbetrag sei mit 108 Punkten zu multiplizieren. Die Abfindung betrage also 97.752,96 DM. Hiervon abzuziehen sei die von der Beklagten gezahlte Sozialplanabfindung in Höhe von 64.832,40 DM, so dass er eine Restforderung in Höhe von 32.920,56 DM gegen die Beklagte habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 32.920,56 DM nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz des DÜG seit dem 01.07.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, aus der Protokollnotiz vom 06.03.2001 ergebe sich, dass sie bei der Ermittlung der Höhe der Sozialplanabfindung des Klägers die zutreffende Berechnungsmethode verwendet habe. In der Protokollnotiz, die erstellt worden sei, weil die bis dahin angewandte Berechnungsmethode Ende 2000/Anfang 2001 erstmalig von einigen wenigen Arbeitnehmern in Zweifel gezogen worden sei, sei lediglich die bis dahin geübte Berechnungsmethode festgehalten worden.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 31.01.2002 die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf 16.832,02 festgesetzt. Es hat ausgeführt, der Sozialplan könne nicht im Sinne des Klägers ausgelegt werden. Gemäß § 157 BGB seien Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erforderten. Jede Auslegung habe vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. Schon aus dem Sozialplan vom 21.06.1999 selbst ergebe sich, dass das gezwölftelte Urlaubs- und Weihnachtsgeld nochmals durch den Divisor 12 zu teilen sei. Bereits aus der Art der Bezeichnung und der Wortstellung folge, dass auch das zuzügliche- Urlaubsgeld und die zuzügliche- Jahressonderzahlung nochmals durch 12 zu teilen seien, nachdem sie gezwölftelt worden seien. Hätten die Vertragspartner Weihnachts- und Urlaubsgeld nur einmal zwölfteln wollen, so hätte nichts näher gelegen, als dass durch die Wiederholung der schon verwendeten Schreibweise 1/12 zu dokumentieren. Dieses Auslegungsergebnis werde durch den Zweck der Bestimmung gestützt. Die Höhe der Abfindung habe maßgeblich durch das erzielte Gehalt bestimmt werden sollen. Die Berechnungsmethode des Klägers würde aber Weihnachts- und Urlaubsgeld weit überproportional berücksichtigen, ohne dass dafür ein sachlicher Grund ersichtlich sei. Auch die Entstehungsgeschichte des Sozialplanes spreche für die Auslegung der Beklagten.

Gegen das dem Kläger am 19.03.2002 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 31.01.2002 hat der Kläger mit einem am 16.04.2002 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 08.05.2002 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, die Beklagte müsse an ihn weitere 32.920,56 DM, umgerechnet 16.832,02 , als Sozialplanabfindung zahlen. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht den Sozialplan ausgelegt, denn es fehle bereits an seiner Auslegungsbedürftigkeit. Der Wortlaut des Sozialplanes in Ziffer 4.2 habe einen eindeutigen Inhalt, so dass eine Auslegung nicht möglich sei. Aber selbst wenn man die Auffassung vertreten sollte, dass der Sozialplan auszulegen sei, so könne dies nicht im Sinne der Beklagten geschehen. Ein derartiger Wille der Sozialpartner sei nicht erkennbar im Sozialplan zum Ausdruck gekommen. Die Protokollnotiz vom 06.03.2001 könne insoweit nicht herangezogen werden, da sie nicht Inhalt des Sozialplanes gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 31.01.2002 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf 2 Ca 7256/01 die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.832,02 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz des DÜG seit dem 01.07.2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist darauf hin, dass der Kläger verkenne, dass der Faktor 1/12 vor die Klammer- zu ziehen sei. Hierbei bedeute Klammer-, dass zunächst ein durchschnittliches Entgelt des jeweiligen Mitarbeiters festzustellen sei, welches als Grundlage der Gesamtberechnung diene. Die Beklagte ist des Weiteren der Ansicht, dass die Protokollnotiz vom 06.03.2001 vorliegend anwendbar sei, auch wenn sie erst zu einem späteren Zeitpunkt unterschrieben worden sei. Die Protokollnotiz gebe in schriftlicher Form wieder, wie die Betriebsparteien die Berechnungsmethodik der Ziffer 4.2 des Sozialplanes vom 21.06.1999 hätten verstanden wissen wollen. Die Protokollnotiz stelle lediglich eine Erläuterung zu Ziffer 4.2 des Sozialplanes dar. Eine Veränderung der im Sozialplan festgelegten Berechnungsmethode habe hierdurch keinesfalls vorgenommen werden sollen. Im Übrigen werde durch die in früheren Sozialplänen verwendete Berechnungsformel deutlich, dass sich lediglich der Berechnungsfaktor geändert habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG; 525, 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 31.01.2002 ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 517, 519 Abs. 1 und 2 ZPO) und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 520 Abs. 2 und 3 ZPO).

II.

In der Sache konnte die Berufung des Klägers hingegen keinen Erfolg haben.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 16.832,02 aus § 611 BGB in Verbindung mit Ziffer 4.2 des Sozialplanes vom 21.06.1999. Die Beklagte hat die Höhe der an den Kläger zu zahlenden Abfindung zutreffend mit 64.832,40 DM (= 33.148,28 ) berechnet. Der Kläger kann nicht die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 97.752,96 DM (= 49.980,29 ) beanspruchen, so dass ihm auch die mit der vorliegenden Klage begehrte Differenzzahlung nicht zusteht. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass ein solcher Anspruch des Klägers unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt besteht.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 15.12.1998 1 AZR 332/98, NZA 1999, 667; Urteil vom 17.11.1998 1 AZR 221/98, NZA 1999, 609; Urteil vom 21.07.1998 1 AZR 57/98, n. v.; Urteil vom 11.02.1998 10 AZR 565/97, n. v.; Urteil vom 08.11.1988 1 AZR 721/87, EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 50; Urteil vom 12.09.1984 4 AZR 336/82, AP § 1 TVG Auslegung Nr. 135; Urteil vom 11.06.1975 5 AZR 217/74, DB 1975, 1945) sind Sozialpläne nicht wie Verträge gemäß §§ 133, 157 BGB, sondern als Betriebsvereinbarungen besonderer Art wie Tarifverträge auszulegen. Maßgeblich ist dabei zunächst entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung der Wortlaut. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebspartner im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelung zu berücksichtigen, sofern dieser erkennbar zum Ausdruck gekommen ist. Zu beachten ist dabei der Gesamtzusammenhang der Regelung, weil er auf den wirklichen Willen der Betriebspartner und damit auf den Zweck der Regelung schließen lassen kann (vgl. BAG, Urteil vom 19.06.2001 1 AZR 598/00, EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 67; Urteil vom 15.12.1998 1 AZR 332/98, a. a. O.; Urteil vom 17.11.1998 1 AZR 221/98, a. a. O.; Urteil vom 21.07.1998 1 AZR 57/98, a. a. O.; Urteil vom 11.02.1998 10 AZR 565/97, a. a. O.; Urteil vom 24.06.1992 5 AZR 468/91, EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 48; Urteil vom 08.11.1988 1 AZR 721/87, a. a. O.; Urteil vom 12.09.1984 4 AZR 336/82, a. a. O.).

Bei der Tarifauslegung ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 04.04.2001 4 AZR 180/00, EzA § 1 TVG Auslegung Nr. 33) zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne an Buchstaben zu haften. Der Wortlaut darf nicht überbetont werden (vgl. BAG, Urteil vom 04.04.2001 4 AZR 180/00, a. a. O.; BAG, Urteil vom 16.05.1995 3 AZR 395/94, EzA § 1 TVG Auslegung Nr. 29). Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierbei sind, wenn der tarifliche Gesamtzusammenhang keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Auslegung liefert, weitere Auslegungskriterien, wie z. B. die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages heranzuziehen, wobei die Reihenfolge dieser Kriterien beliebig ist (vgl. BAG, Urteil vom 04.04.2001 4 AZR 180/00, a. a. O.; BAG, Urteil vom 12.09.1984 4 AZR 336/82, AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen, im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG, Urteil vom 04.04.2001 4 AZR 180/90, a. a. O.; BAG, Urteil vom 16.05.1995 3 AZR 395/94, a. a. O.; Urteil vom 21.07.1993 4 AZR 465/02, EzA § 1 TVG Auslegung Nr. 28).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Arbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die streitige Sozialplanklausel nicht in dem Sinne verstanden werden kann, wie dies der Kläger vorträgt.

a. Entgegen der von dem Kläger vertretenen Auffassung ist der Wortlaut der streitigen Sozialplanklausel nicht eindeutig. Der Wortlaut dieser Sozialplanklausel gestattet sowohl die Lesart des Klägers als auch die der Beklagten, wobei beide Varianten nicht eindeutig aus dieser Formulierung hervorgehen. Die streitige Sozialplanklausel kann wie der Kläger meint nach ihrem Wortlaut dahingehend verstanden werden, dass 1/12 des Bruttomonatsgehaltes plus 1/12 der Hälfte der Jahressonderzahlung plus 1/12 der Hälfte des Urlaubsgeldes den Punktwert bilden. Aber auch die von der Beklagten vertretene Ansicht lässt der Wortlaut der Sozialplanklausel Ziffer 4.2 zu, dass nämlich das Bruttomonatsgehalt plus 1/12 der Hälfte der Jahressonderzahlung plus 1/12 der Hälfte des Urlaubsgeldes insgesamt durch 12 geteilt den Punktwert ergeben.

b. Aus diesem Grunde bedarf es der Heranziehung weiterer Auslegungskriterien, um zu ermitteln, wie Ziffer 4.2 des Sozialplanes vom 21.06.1999 zu verstehen ist. Zu berücksichtigen ist hier zunächst einmal der Sinn und Zweck der von den Betriebspartnern getroffenen Regelung.

Mittels einer Sozialplanabfindung sollen die wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, gemildert oder ausgeglichen werden - § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG. Wie sich aus § 112 Abs. 5 Nr. 1 BetrVG ergibt, sind derartige wirtschaftliche Nachteile insbesondere Einkommensminderung, Wegfall von Sonderleistungen oder Verlust von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, Umzugskosten oder erhöhte Fahrtkosten. Diese wirtschaftlichen Nachteile sollen auch durch die von den Betriebspartnern im vorliegenden Fall vereinbarte Sozialplanabfindung gemindert werden und zwar in der Form, dass unter Berücksichtigung des Lebensalters, der Betriebszugehörigkeit, eventuell vorhandener Kinder und Schwerbehinderungen eine Punktzahl ermittelt wird, für die dann ein bestimmter DM-Betrag gezahlt wird. Dieser pro Punkt zu zahlende Geldbetrag soll 1/12 des monatlichen Durchschnittseinkommens des betroffenen Mitarbeiters betragen, wobei der Durchschnittsverdienst unter Berücksichtigung des Monatseinkommens, der Hälfte der Jahressonderzahlung und der Hälfte des zusätzlichen Urlaubsgeldes ermittelt wird.

Dass dies von den Betriebspartnern beabsichtigt worden ist, ergibt sich insbesondere unter Berücksichtigung der in der Vergangenheit abgeschlossenen Sozialpläne. Die im Jahre 1990 abgeschlossenen Vereinbarungen bringen deutlich zum Ausdruck, dass hier ein Durchschnittsmonatseinkommen zugrundegelegt werden soll, denn dort werden zu dem Entgelt der jeweiligen Bewertungsgruppe nach dem Entgelttarifvertrag eventuell monatlich gezahlte tarifliche Leistungszulagen, regelmäßig gezahlte freiwillige Zulagen, Besitzstandszulagen sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld (gezwölftelt) hinzugerechnet. Nach dieser Formulierung ist eindeutig, dass hier das durchschnittliche Monatseinkommen des Mitarbeiters ermittelt werden soll. Von diesem durchschnittlichen Monatseinkommen wurde nach dem Sozialplan aus dem Jahre 1990 1/10 pro Punkt gezahlt. In dem streitgegenständlichen Sozialplan wurde zur Ermittlung des durchschnittlichen Monatseinkommens nur noch auf das Bruttomonatsentgelt, die Hälfte der auf den Monat entfallenden Jahressonderzahlung und die Hälfte des auf den Monat entfallenden Urlaubsgeldes abgestellt. Sonstige monatlich eventuell erbrachte Leistungen blieben bei dem Sozialplan vom 21.06.1999 unberücksichtigt. Das so ermittelte durchschnittliche Monatseinkommen wurde auch nicht mehr durch zehn sondern durch zwölf geteilt, um den pro Punkt zu zahlenden Geldbetrag zu ermitteln.

Anhaltspunkte, aus denen sich schließen ließe, dass die Betriebspartner im Gegensatz zu den Sozialplänen aus der Vergangenheit nunmehr das Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung überproportional hoch bei der Punktwertermittlung berücksichtigen wollten, sind nicht gegeben. Die Parteien haben vielmehr die Formulierungsweise aus der Vergangenheit der wirtschaftlichen Situation der Gegenwart angepasst, indem der Divisor von zehn auf zwölf angehoben wurde, die sonstigen Zulagen unberücksichtigt blieben und von der Jahressonderzahlung und dem Urlaubsgeld jeweils nur noch die Hälfte Berücksichtigung finden sollte, wobei gerade letzteres zeigt, dass die Überbewertung der Jahressonderzahlung und des Urlaubsgeldes im Verhältnis zum Bruttomonatseinkommen nicht gewollt war.

Die überproportionale Berücksichtigung der Sonderzahlungen, die nach der Lesart des Klägers erfolgen würde, ist sowohl für die betriebliche Praxis bei der Beklagten als auch für die Praxis in anderen Betrieben untypisch. Der Hauptnachteil, den die Mitarbeiter bei Betriebsänderungen, die zu Entlassungen führen, erleiden, ist der Verlust des monatlichen Einkommens nicht der Verlust von Sonderzahlungen. Die Sonderzahlungen machen stets nur einen kleinen Prozentanteil des Einkommensverlustes aus. Im konkreten Fall würde das Gesamtjahreseinkommen des Klägers 90.433,00 DM betragen, wovon 7.981,00 DM auf die beiden Sonderzahlungen entfallen würden. Es handelt sich dabei um 8,8 % des Gesamtjahreseinkommens des Klägers. Würde man nun der Ansicht des Klägers folgen und dessen Berechnungsmethode anwenden, so würden auf die Sonderzahlungen 36,7 % des pro Punkt gezahlten Geldbetrages entfallen, d. h. die Wertigkeit dieser Beträge würde mehr als vervierfacht.

c. Für die Auslegung der Beklagten spricht in Bezug auf die Ziffer 4.2 des Sozialplanes vom 21.09.1999 auch die Protokollnotiz vom 06.03.2001, die am 17.05.2001 von den Betriebspartnern unterzeichnet wurde.

Für Protokollnotizen der Tarifvertragsparteien ist anerkannt, dass sie eine tarifliche Regelung darstellen können, dass ihnen aber andererseits auch nur die Bedeutung einer authentischen Interpretation des Tarifvertrages oder eines bloßen Hinweises auf Motive der Tarifvertragsparteien zukommen kann. Wie es sich insoweit verhält, ist durch Auslegung der Protokollnotiz und des von ihr betroffenen Tarifvertrages zu ermitteln. Für Protokollnotizen der Betriebsparteien gilt nichts anderes (vgl. BAG, Urteil vom 07.12.1997 1 AZR 330/97, EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 62), denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 30.08.1994 1 AZR 765/93, AP Nr. 131 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) ist für die Auslegung von Betriebsvereinbarungen auf die Grundsätze zurückzugreifen, die für Tarifverträge entwickelt wurden.

Die Auslegung der Protokollnotiz vom 06.03.2001 ergibt unzweifelhaft, dass die Betriebspartner hier klarstellen wollten, wie sie sich die Berechnung der Sozialplanabfindung nach Ziffer 4.2 des Sozialplanes vom 21.06.1999 vorgestellt haben. Dies ergibt sich zum einen aus der Überschrift Klarstellung der Auslegung aus dem Sozialplan/Punkt 4.2- und zum anderen wird dies auch durch den Wortlaut der Protokollnotiz deutlich. Die Betriebspartner haben hier noch einmal anders formuliert, wie die Berechnungsformel lauten soll, und haben des Weiteren ein Berechnungsbeispiel niedergeschrieben. Eine Abänderung des bestehenden Sozialplanes ist in dieser Protokollnotiz nicht enthalten, eine solche ist auch nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Protokollnotiz von den Betriebspartnern nicht gewollt. Auch wenn die Protokollnotiz vorliegend erst nach der Kündigung des Klägers und nach dem Abschluss des Beendigungsvergleichs mit ihm unterzeichnet wurde, so ist sie dennoch für die Auslegung der Ziffer 4.2 der Sozialplanes von 21.06.1999 heranzuziehen. Ihr kommt in Bezug auf die Sozialplanklausel zumindest eine ähnliche Bedeutung zu, wie den Gesetzesmaterialien für die Gesetzesauslegung. Während der Gesetzgeber seine Motive und Gedanken zum Inhalt eines Gesetzes in den entsprechenden Materialien wiedergibt, haben das die Betriebspartner in der Protokollnotiz getan. Dass diese erst im Nachhinein verfasst wurde, ist im Hinblick darauf, dass der Sozialplan durch diese Protokollnotiz nicht abgeändert sondern nur erläutert bzw. klargestellt wurde, unschädlich.

III. Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO dem Kläger aufzuerlegen.

IV. Im vorliegenden Fall war die Revision zuzulassen, da dem vorliegenden Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden kann (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Eine grundsätzliche Bedeutung eines Rechtsstreits ist dann anzunehmen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und diese Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teiles der Allgemeinheit berührt (vgl. BAG, Beschluss vom 05.12.1979 - 4 AZN 41/79, AP Nr. 1 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz).

Im vorliegenden Fall haben die Parteien übereinstimmend vorgetragen, dass der vorliegende Rechtsstreit im Hinblick auf eine weitere, beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängige Rechtsstreitigkeit vorgreiflich ist und dass eine Vielzahl von Mitarbeitern von der Sozialplanregelung betroffen ist, die je nach Ausgang dieses Verfahrens Ansprüche gegen die Beklagte geltend machen könnten. Die Entscheidung des Rechtsstreits hat damit Auswirkungen auf die Interessen eines Teils der Allgemeinheit, nämlich auf die Interessen derjenigen Arbeitnehmer, deren Sozialplanabfindungen ebenfalls nach Ziffer 4.2 des Sozialplanes vom 21.06.1999 berechnet worden sind.

Ende der Entscheidung

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