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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.08.2005
Aktenzeichen: 3 Sa 269/05
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. b
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1 Satz 5
ZPO § 519 Abs. 1
ZPO § 519 Abs. 2
ZPO § 520 Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 1
BetrVG § 5 Abs. 3
BetrVG § 113
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 27.01.2005 - 1 Ca 1076/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird nicht zugelassen.

3) Streitwert: 166.945,81 €.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan anlässlich des Ausscheidens des Klägers aus dem Konzern.

Der am 22.09.1949 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.04.1965 bis 31.12.2002 bei der Beklagten zunächst als Auszubildender und später in verschiedenen Positionen beschäftigt. Im Oktober 1972 hatte der Kläger zunächst fristlos gekündigt, um einen anderen Betrieb weiterzuführen. Ab 01.02.1973 arbeitete der Kläger sodann erneut bei der Beklagten. Die Vorbeschäftigungszeit wurde ihm im Jahre 1979 mit Ausnahme der Unterbrechungszeit anerkannt, technisches Eintrittsdatum ist damit der 15.06.1965. Seit November 1989 war der Kläger kaufmännischer Leiter der Beklagten.

Der Konzern, welchem auch die Beklagte angehört, wurde im Jahre 2002 umfänglich umstrukturiert, was den Wegfall auch des klägerischen Arbeitsplatzes zur Folge hatte. Zur Umsetzung dieser Maßnahmen wurde mit dem Gesamtbetriebsrat unter dem 16.10.2002 eine Betriebsvereinbarung "Interessenausgleich und Sozialplan aus Anlass der Reorganisation der G + H Montage Gruppe" ausgehandelt. Wegen des Inhalts wird auf Bl. 10 - 47 d. A. Bezug genommen. Anlage 6 der Betriebsvereinbarung zum Interessenausgleich und Sozialplan vom 16.10.2002 besteht aus fünf Listen, u. a. der "Liste 1 b) unzumutbare Weiterbeschäftigung". Auf dieser Liste 1 b) (Bl. 37 d. A.) ist der Kläger namentlich aufgeführt.

Mit Schreiben vom 28.11.2002 (Bl. 52 d. A.) boten die Beklagte und ein zum Konzern gehörendes Unternehmen, die G + H Isolierung (im Folgenden: G+H) dem Kläger einen neuen Arbeitsplatz als "Gebietskontroller für das Gebiet West" ab 01.01.2003 in Bochum an. Der Kläger nahm dieses Angebot mit Schreiben vom 07.12.2002 unter dem Vorbehalt an, dass er unter Bezugnahme auf Ziffer III. 2 des Sozialplans vom 16.10.2002 von einem Recht auf Eigenkündigung innerhalb der ersten sechs Monate Gebrauch machen könne und eine bestehende Pensions-Einzelzusage auf die G+H neu auszustellen sei. Mit Schreiben vom 24.01.2003 bestätigten die Beklagte und die G+H das Schreiben des Klägers hinsichtlich der Umschreibung der Pensionszusage (Bl. 54 d. A.).

Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 24.06.2003 sein Arbeitsverhältnis zur G+H und schied dort mit dem 31.01.2004 aus. Die Beklagte lehnte die Bezahlung einer Sozialplanabfindung u. a. unter Hinweis auf einen behaupteten Status des Klägers als leitender Angestellter ab.

Hiergegen hat sich der Kläger mit der am 04.03.2004 bei dem Arbeitsgericht Essen eingegangenen Klage gewandt und geltend gemacht, er sei jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans kein leitender Angestellter gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei er lediglich noch mit Überleitungsaufgaben betraut gewesen. Zudem sei er nach dem Willen der Betriebspartner in den Sozialplan einbezogen worden. So sei der Sozialplan auch auf einzelne leitende Angestellte angewandt worden, die ebenfalls in den als Anlage beigefügten Listen aufgeführt waren. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Weiterbeschäftigung bei der G+H in Bochum sei ihm unzumutbar gewesen; es habe sich um kein neues Arbeitsverhältnis gehandelt, da er von der Beklagten an die G+H entsandt worden sei. Gemäß Ziffer 7.2 des Sozialplans stehe ihm die Abfindung als Nettobetrag zu. Zudem habe er Anspruch auf eine Dienstaltersprämie für 40 Jahre in Höhe von 6.133,00 € sowie eine Jahresleistung 2004 in gleicher Höhe. Fernerhin stehe ihm Urlaubsentgelt für 2004 in Höhe von 9.199,50 € und Urlaubsgeld in Höhe von 767,00 € zu. Schließlich habe die Beklagte einen Rentenausgleich von 12.000,00 € und eine Prämie von 8.000,00 € zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 172.138,00 € netto mit der Maßgabe zu zahlen, dass auf den entsprechenden Bruttoanspruch sämtliche Sozialabgaben und Steuern ausschließlich von der Beklagten zu tragen sind;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 42.232,50 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger sei als leitender Mitarbeiter sowohl bei ihr als auch der G+H tätig gewesen. Eine Aufnahme in den Kreis der durch den Sozialplan Begünstigten sei nicht beabsichtigt gewesen. Eine Weiterbeschäftigung bei der G+H sei dem Kläger nicht unzumutbar, ein etwaiger Abfindungsanspruch könne allenfalls gegenüber der G+H bestehen. Die Beklagte hat fernerhin die Auffassung vertreten, der Kläger sei bereits vom Anwendungsbereich des Sozialplans nicht erfasst, die Eigenkündigung zudem nicht arbeitgeberseitig veranlasst gewesen.

Durch Urteil vom 27.01.2005, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Essen die Beklagte verurteilt, an den Kläger 166.945,81 € brutto zu zahlen. Im Übrigen hat das Gericht die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger zu 22 %, der Beklagten zu 78 % auferlegt. Den Streitwert hat das Arbeitsgericht auf 214.368,00 € festgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch in ausgeurteilter Höhe gemäß Ziffer 7.1 in Verbindung mit Ziffer 2 des Sozialplans zu, das Weiterbeschäftigungsangebot sei gemäß der Namensliste 1 b der Anlage 6 der Betriebsvereinbarung unzumutbar gewesen. Weitere Ansprüche stünden dem Kläger hingegen nicht zur Seite.

Gegen das ihr am 02.02.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 28.02.2005 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 04.05.2005, mit einem an diesem Tage dem Gericht vorliegenden Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung greift die Beklagte das Urteil in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht an und hält unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an der Auffassung fest, der Interessenausgleich/Sozialplan finde auf den Kläger als leitenden Angestellten keinerlei Anwendung. Die Betriebsparteien seien sich darüber einig gewesen, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers in Bochum - und nicht, wie zwischenzeitlich erwogen, außerdem in Ludwigshafen - als zumutbar anzusehen sei. Aus der Namensliste sei eine rechtliche Einbeziehung des Klägers in den Sozialplan selbst nicht herzuleiten, überdies entspreche sie nicht dem letzten Stand des Einvernehmens der Betriebsparteien. Ein Vertrag zu Gunsten Dritter liege nicht vor, eine Haftung der Beklagten scheide ohnehin im Hinblick auf das allein mit der G+H ab dem 01.01.2003 bestehende Arbeitsverhältnis aus.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Essen vom 27.01.2005 - 1 Ca 1076/04 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung in dem von der Beklagten mit der Berufung angefochtenen Umfang.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in beiden Rechtszügen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen (§§ 525, 313 Abs. 2 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 27.01.2005 ist zulässig, hingegen unbegründet.

I.

Die Berufung ist an sich statthaft, § 64 Abs. 1 ArbGG, nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig, § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und innerhalb nachgelassener Fristverlängerung begründet worden, §§ 519 Abs. 1 u. 2, 520 Abs. 2 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG.

II.

Die Berufung hatte hingegen in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit sorgfältiger Begründung ist die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Essen zur Verurteilung der Beklagten in die Zahlung einer Sozialplanabfindung in Höhe von 166.945,81 € brutto gelangt. Die Berufungskammer macht sich die in jeder Weise zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz vollinhaltlich zu Eigen und nimmt hierauf gemäß §§ 540 Abs. 1 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Demgegenüber gehen die Angriffe der Berufung, welche im Wesentlichen die Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens beinhalten, fehl. In Auseinandersetzung mit diesen sei lediglich folgendes festgestellt:

1.

Entgegen der mit der Berufung wiederholten Auffassung der Beklagten finden die Regelungen der Betriebsvereinbarung "Interessenausgleich und Sozialplan aus Anlass der Reorganisation der G + H Montagegruppe" vom 16.10.2002 auf den Kläger Anwendung.

Auf die Frage, ob der Kläger zum 01.01.2002 noch leitender Angestellter war, wie nunmehr von der Beklagten unter Hinweis auf Ziffer I 2 der Betriebsvereinbarung angeführt, kommt es aus den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz nicht an. Unzweideutig haben die Betriebsparteien durch die dem Interessenausgleich beigefügte Namensliste geregelt, dass die dort genannten Beschäftigten - u. a. Controller, Leiter kaufmännischer Dienst, Entsorger, Leiter Personal, Entsorger, Sachbearbeiter, Sekretärin - auch dann vom Sozialplan erfasst werden sollen, wenn sie leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sind. Die Parteien haben insoweit bezüglich etwaiger leitender Angestellter in zulässiger Weise einen Vertrag zu Gunsten Dritter geschlossen (BAG vom 31.01.1979, AP Nr. 8 zu § 112 BetrVG 1972; Hess/Schlochhauer/Gaubitz, BetrVG, § 112, 112 a Rz. 38; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 7. Aufl., §§ 112, 112 a Rz. 47). Auch bei Zugrundelegung des von der Beklagten behaupteten gemeinsamen Procedere ist es zu der Erstellung einer erneuten Namensliste gerade nicht gekommen, sondern ist die streitgegenständliche unverändert Inhalt der Kollektivvereinbarung geblieben. Es kann entgegen der Auffassung der Berufung in Anbetracht der eindeutigen Abfassung der Namensliste und deren Positionierung unter Hinweis in Ziffer 2.4 des Interessenausgleichs keinerlei Anhaltspunkt dafür erkannt werden, dass es sich hierbei etwa nur um eine umfassende Information des Gesamtbetriebsrats sowie eine Absicherung zur Feststellung etwaiger Abweichungen des Arbeitgebers von der Betriebsvereinbarung im Sinne von § 113 BetrVG hätte handeln sollen. Zu Recht ist bereits erstinstanzlich darauf hingewiesen worden, dass es im Streitfall keinen Sinn macht, eine Namensliste zum Inhalt von Interessenausgleich und Sozialplan zu machen, wenn sodann einige dieser Namen von den kollektivrechtlichen Vereinbarungen doch nicht erfasst werden sollen. Für einen gegenteiligen Willen der Betriebsparteien sind ausreichende Anhaltspunkte auch mit der Berufung nicht vorgetragen.

2.

Soweit die Beklagte an der Auffassung festgehalten hat, ein Anspruch sei aus Ziffer 7. 1 in Verbindung mit Ziffer 2 des Sozialplans zu Gunsten des Klägers nicht herzuleiten, vermochte sie hiermit ebenfalls nicht durchzudringen.

Ziffer 2 des Sozialplans gewährt einen Anspruch auf Sozialplanleistungen auch dann, wenn eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers in den ersten sechs Monaten einer Weiterbeschäftigung im Konzern erfolgt. Unstreitig ist der Kläger bei der G+H, mithin "in einem Konzernunternehmen" weiterbeschäftigt worden und hat sich innerhalb der ersten sechs Monate hiervon wieder durch Eigenkündigung gelöst. Entgegen der Auffassung der Berufung war die Tätigkeit dem Kläger nicht im Sinne von Ziffer 7.1 Abs. 2 des Sozialplans zumutbar: Auf die Erfüllung der Zumutbarkeitskriterien in Ziffer 1.1 des Sozialplans vom 16.10.2002 kommt es im Hinblick auf die Erwähnung des Klägers in der Namensliste in der Anlage 6 der Betriebsvereinbarung nicht an. Die Übertragung der neuen Position bei der G+H ist dort von den Betriebsparteien definitiv als "unzumutbar" kategorisiert worden. Ziffer 2.4 des Interessenausgleichs nimmt ausdrücklich und unmissverständlich bezüglich der zwischen Gesamtbetriebsrat und Geschäftsleitung abgesprochenen personellen Veränderungen auf diese Anlage Bezug, wo es lautet: "Liste unzumutbare Weiterbeschäftigung: Q., X., jetzige Gesellschaft: G. Schuh, zukünftige Gesellschaft G+H Isolierung, bisherige Tätigkeit: Kaufm. Leiter, zukünftige Tätigkeit: Kaufm. Leiter/Iso West".

Soweit die Beklagte mit der Berufung anführt, ein etwaiger Sozialplananspruch könne sich allenfalls gegen die G+H richten, da seit 01.01.2003 ein Arbeitsverhältnis allein zu dieser bestanden habe, übersieht sie die insoweit eindeutige Regelung in Ziffer 2 des Sozialplans, wonach - erweiternd - auf die Beendigung einer alternativ versuchten "Weiterbeschäftigung in einem Konzernunternehmen" abgestellt wird. Es kommt von daher nicht darauf an, dass der Kläger mit unwidersprochenem Schreiben vom 07.12.2002 den Wechsel zur G+H nur unter ausdrücklichem Vorbehalt eines Kündigungsrechts in den ersten sechs Monaten unter Hinweis auf "Punkt 2 des am 16.10.2002 abgeschlossenen Sozialplans" vollzogen hat.

III.

Erwies sich auch die Anwendung der Formel aus Ziffer 7.1 des Sozialplans durch das Arbeitsgericht als rechnerisch zutreffend, so war die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gem. §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten aufzuerlegen.

Für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht bestand keine Veranlassung, da dem Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, noch die Voraussetzungen für eine Divergenzrevision ersichtlich sind, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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