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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.08.2005
Aktenzeichen: 3 Sa 375/05
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. c
ArbGG § 64 Abs. 6
BGB § 626 Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 03.02.2005 6 Ca 4309/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird nicht zugelassen.

3) Streitwert: 2.400,00 €.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses.

Der 58jährige Kläger ist seit 1990 bei dem Beklagten, welcher eine Bäckerei/Konditorei sowie ein Restaurant mit insgesamt ca. 50 Beschäftigten betreibt, als Fahrer in Teilzeit beschäftigt. Seit Oktober 2003 gehört zusätzlich zum Tätigkeitsfeld des Klägers das Bepacken der Verkaufswagen und der Marktbuden, die morgens mit einem Transporter zum Markt gebracht werden.

Am frühen Morgen des 13.10.2004 bepackte der Kläger die Verkaufswagen sowie die Marktbude mit Brötchen und Backwaren. Die Ehefrau des Klägers ist Verkäuferin in der Marktbude. Anlässlich der Kontrolle des Bestandes anhand des ausgestellten Lieferscheins entdeckte die mit der Kontrolle beauftragte Tochter des Beklagten ein Schlesisches Brot (1000 g) in der vom Kläger bestückten Marktbude, welches nicht in der Bestandsliste aufgeführt war. Sie konfrontierte daraufhin den Kläger mit dem Fund. In einem weiteren Gespräch vom 19.10.2004 wurde der Kläger erneut mit dem Vorwurf des Diebstahls konfrontiert. Anlässlich dieser Unterredung wurde dem Kläger die schriftliche Kündigung vom 18.10.2004 überreicht, wonach das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht beendet wurde.

Hiergegen hat sich der Kläger mit der am 08.11.2004 bei dem Arbeitsgericht Wesel eingegangenen Klage gewandt und geltend gemacht, das Brot habe er auf die Theke der Marktbude gelegt, um es nach Beendigung der Besprechung zu bezahlen. Nicht auszuschließen sei, dass das Brot sodann auf die Brötchen gefallen sei, hingegen habe er es zu keiner Zeit hierunter versteckt.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose noch fristgerecht ausgesprochene Kündigung vom 18.10.2004 beendet worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, der Zeugin L. N. sei am 13.10.2004 aufgefallen, dass sich mehr Brötchen als üblich in der Vitrine des Marktwagens befanden. Sie habe in die aufgefüllten Brötchen gegriffen und unter diesen am Boden der Vitrine das Schlesische Brot (Verkaufspreis 2,50 €) vorgefunden. Der Kläger sei unmittelbar hiermit konfrontiert worden und habe erklärt, dies sei sein Brot, er brauche ein Brot. Im weiteren Verlauf der Unterredung unter Anwesenheit des Beklagten habe er geäußert, er nehme sich jede Woche ein Brot.

Das Arbeitsgericht Wesel hat nach Maßgabe des Beschlusses vom 03.02.2005 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin L. N..

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 03.02.2005 (Bl. 53 57 d. A.) Bezug genommen.

Durch Urteil vom 03.02.2005, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage auf Kosten des Klägers abgewiesen und den Streitwert auf 2.400,00 € festgesetzt. Das Arbeitsgericht hat es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als erwiesen angesehen, dass der Kläger das Brot unter den Brötchen in der Marktbude versteckt hat, um es später an sich zu nehmen. In Anbetracht dieses versuchten Vermögensdeliktes sei dem Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden.

Gegen das ihm am 28.02.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 17.03.2005 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren, dem Gericht am 27.04.2005 vorliegenden Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung greift der Kläger das Urteil in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht an und stellt die ihm vorgeworfene Manipulation in Abrede. Der Kläger macht eine fehlerhafte Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht geltend.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Wesel vom 03.02.2005 6 Ca 4309/04 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 18.10.2004, zugegangen am 19.10.2004 nicht beendet worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in beiden Rechtszügen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen (§§ 525, 313 Abs. 2 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG).

Die Berufungskammer hat nach Maßgabe des Beschlusses vom 16.08.2005 Beweis erhoben durch erneute Vernehmung der Frau L. N. als Zeugin. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.08.2005 Bezug genommen (Bl. 152 154 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 03.02.2005 ist zulässig, hingegen unbegründet.

I.

Die Berufung ist an sich statthaft, § 64 Abs. 1 ArbGG, gemäß § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG zulässig sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 519, Abs. 1 u. 2, 520 Abs. 2 u. 3 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).

II.

Die Berufung hatte hingegen in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht ist das Arbeitsgericht Wesel nach durchgeführter Beweisaufnahme zur Klageabweisung gelangt. Der Beklagte war am 18.10.2004 zur außerordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt, nachdem Tatsachen vorlagen, aufgrund derer ihm unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden konnte.

1. Grundsätzlich sind vollendete oder auch nur versuchte Eigentums- oder Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu stützen. Derartige Delikte stellen an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar, § 626 Abs. 1 BGB. Tatbestände des Diebstahls und der Unterschlagung setzen Rechtswidrigkeit und vorsätzliche Begehensweise voraus, dem Arbeitnehmer muss mithin die Widerrechtlichkeit seines Verhaltens bewusst sein. Aufgrund der durch den Arbeitsvertrag begründeten Nebenpflicht zur Loyalität hat er auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung beinhaltet zugleich das Verbot, den Arbeitgeber rechtswidrig und vorsätzlich durch eine Straftat zu schädigen. Der Arbeitnehmer bricht durch die Eigentumsverletzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers (vgl. BAG vom 12.08.1999, NZA 2000, 421; BAG vom 11.12.2003, NZA 2004, 486). Dies gilt auch für den Diebstahl bzw. die Unterschlagung geringwertiger Sachen aus dem Eigentum des Arbeitgebers. Die rechtswidrige und vorsätzliche Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers ist auch dann, wenn die Sachen nur geringen Wert besitzen, als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich geeignet. Erst die Würdigung, ob dem Arbeitgeber deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. der vertragsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar ist, kann zu einer Feststellung der Nichtberechtigung der außerordentlichen Kündigung führen (vgl. BAG vom 12.08.1999, ebenda).

In Anwendung dieser Grundsätze war dem Beklagten im Streitfall unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände und der Interessen beider Vertragsteile jede weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar.

Dass der Kläger das Brot im Wert von 2,50 € unter den Brötchen in der Vitrine des Marktwagens versteckt hat, um sich dieses später unbemerkt anzueignen, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in beiden Rechtszügen zur Überzeugung der Berufungskammer fest. Als bewiesen ist fernerhin davon auszugehen, dass der Kläger in dem unmittelbar auf den Fund hin geführten Gespräch geäußert hat, dies sei sein Brot . Die Zeugin N. hat den diesbezüglichen Sachvortrag des Beklagten in glaubhafter Weise bestätigt. Die erstinstanzliche Beweiswürdigung ist zutreffend erfolgt, so dass insoweit auf die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts gemäß §§ 540 Abs. 1 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG verwiesen werden kann. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung vermochten nach erneuter Anhörung der Zeugin durch die Berufungskammer zu keinem anderen Ergebnis zu führen.

Die Zeugin N. hat nach dem Ergebnis der Vernehmung in die Brötchenvitrine gegriffen, weil sie den subjektiven Eindruck hatte, dass sich dort mehr Brötchen befänden als auf dem ihr vorliegenden Lieferschein vermerkt waren. Hierbei hat die Zeugin der Berufungskammer gegenüber deutlich gemacht, dass ihre Einschätzung von 200 bis 220 Brötchen unabhängig von dem Volumen des darunter befindlichen Brotes welches sie etwa demjenigen von 10 Brötchen gleichsetzte erfolgt war, mithin in jedem Falle auch unter Abzug dieses Volumens auch weiterhin deutlich mehr Brötchen als angegeben gelagert waren. Sonstige Anhaltspunkte für eine etwaige Manipulation des Klägers habe sie bis dahin nicht gehabt. Die Zeugin hat fernerhin bekundet, den Kläger herbeigerufen und mit dem vorgefundenen Brot konfrontiert zu haben. Dass die Zeugin in ihrer Vernehmung auf Befragung durch das Berufungsgericht nicht ausgeschlossen hat, ggf. das Brot bereits vor Eintreffen des Klägers aus den Brötchen herausgezogen und dies nicht erst in seiner Gegenwart getan zu haben, stellt sich zwar als Abweichung gegenüber ihren erstinstanzlichen Ausführungen dar, steht hierzu jedoch nicht in einer die Glaubhaftigkeit der Aussage erschütternden Widerspruch. Es war für die Berufungskammer nachvollziehbar, wenn sich die Klägerin bei diesem gedrängten Geschehensablauf Entdecken des Brotes und Konfrontation des Klägers hiermit nicht mehr mit letzter Sicherheit daran zu entsinnen vermochte, ob sie das Brot bei Eintreffen des Klägers bereits in der Hand hielt oder noch aus den Brötchen herauszog. Die Zeugin hat bekundet, dass sie dem aus ihrer Sicht erhöhten Brötchenbestand aufgrund der Auseinandersetzung mit dem Kläger nicht mehr weiter nachgegangen ist. Soweit dieser mit der Berufung in diesem Zusammenhang eingewandt hat, er habe am 13.10.2004 gar nicht davon ausgehen können, den Wagen selbst zum Markt zu fahren, kommt es hierauf bereits deshalb nicht an, weil seine Ehefrau als Verkäuferin in diesem Wagen tätig war, mithin jeder Zeit theoretisch Zugriff auf das Brot gehabt hätte.

Soweit die Berufung im Einzelnen die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin und deren Glaubwürdigkeit angegriffen hat, vermochte dem zumal nach dem Ergebnis der erneuten Vernehmung nicht beigetreten zu werden. Wenn auch eine Aussage derart am Prozess auch wirtschaftlich beteiligter Angehöriger nach allgemeiner Erfahrung mit besonderer Sorgfalt zu gewichten ist, so hielt die Aussage der Zeugin N. einer solchen kritischen Würdigung Stand. Die Aussage der Zeugin war in sich schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Sie entsprach inhaltlich ihrer Aussage in ihrer Vernehmung erster Instanz, ohne dass der Eindruck eines Einstudierens der früheren Bekundungen entstanden wäre. Die Zeugin hinterließ auch in Situationen eingehender Befragung durch das Berufungsgericht zu jeder Zeit den Eindruck, um eine möglichst genaue Wiedergabe des Sachverhaltes und nicht etwa eine konstruierte Darstellung zum Nachteil des Klägers bemüht zu sein. Von daher vermochte der Hinweis des Klägers auf die besondere persönliche Stellung der Zeugin im Betrieb des Beklagten letztlich nach den Feststellungen auch der Berufungskammer nicht weiterzuführen.

2. Zu Recht ist daher nach zutreffender Beweiswürdigung das Arbeitsgericht Wesel zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Beklagten trotz der nicht unerheblichen Vorbeschäftigungszeit und des Lebensalters des Klägers eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar war, § 626 Abs. 1 BGB. Dies gilt umso mehr, als der Kläger diesem gegenüber eingeräumt hat, dass des sich hierbei nicht um einen Einzelfall gehandelt habe.

III.

Die Berufung des Klägers war nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gem. §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO dem Kläger aufzuerlegen.

Für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht bestand keine Veranlassung, da dem vorliegenden Rechtsstreit weder eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden kann, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, noch die Voraussetzungen für eine Divergenzrevision ersichtlich sind, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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