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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.10.2009
Aktenzeichen: 3 Ta 638/09
Rechtsgebiete: ZPO, SGB XII


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 3
SGB XII § 90 Abs. 2
SGB XII § 90 Abs. 3
Der Einsatz einer nicht staatlich i.S.v. § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII geförderten Kapitallebensversicherung ist gem. § 90 Abs. 3 S. 2 SGB XII nicht zumutbar, wenn diese ersichtlich, insbesondere von Ablaufzeit, Versicherungssumme und Leistungen her nur auf eine zusätzliche Altersversorgung gerichtet ist und ihre Verwendung unter Berücksichtigung des Schonvermögens die Aufrechterhaltung einer angemessenen Altersversorgung in erheblicher Weise erschwert.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.10.2009 wird kostenpflichtig als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I. Das Arbeitsgericht hat dem am 02.04.1965 geborenen, verheirateten Kläger durch Beschluss vom 23.07.2009 Prozesskostenhilfe ohne eigene Beteiligung an den Kosten der Prozessführung unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin bewilligt. Hiergegen hat der Vertreter der Landeskasse am 24.08.2009 Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, den Kläger unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung mit einer Einmalzahlung in Höhe von 731,-- € an den Verfahrenskosten zu beteiligen. Hierzu hat die Landeskasse auf das Bestehen einer nicht fälligen Lebensversicherung bei der Gothaer Versicherung verwiesen, welche zum 01.06.2009 einen Rückkaufswert zzgl. Bonussumme von 4.099,-- € aufweist. Bei Auszahlung zum Ablauftermin am 01.06.2012 ist eine Leistung von insgesamt 6.126,-- € im Erlebensfall vorgesehen. Nach Abzug des Schonvermögens von 2.600,-- € für den Kläger sowie 768,-- € für die drei Kinder des Klägers zu je 256,-- € ergibt sich aus Sicht der Landeskasse ein Restbetrag von 731,-- €, welcher vom Kläger als Einmalzahlung aus seinem Vermögen für die Prozesskosten einzusetzen ist.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde der Landeskasse durch Beschluss vom 02.10.2009 abgeholfen und die Zahlung eines Einmalbetrages von 731,-- € festgesetzt. Gegen den ihm am 08.10.2009 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit einem am 13.10.2009 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Der Kläger macht geltend, es sei bezüglich seiner Ehefrau von einem zusätzlichen Schonbetrag von 614,-- € auszugehen, im Übrigen sei ein Rückgriff auf die Lebensversicherung unzumutbar.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die gem. §§ 46 Abs. 2 S. 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht in teilweiser Abänderung seiner Ausgangsentscheidung vom 23.07.2009 die Zahlung eines Einmalbetrages in Höhe von 731,-- € aus dem Vermögen des Klägers festgesetzt.

Mit der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde vermochte der Kläger nicht zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu gelangen.

1. Entgegen der Auffassung der Beschwerde stellt sich die abgeschlossene Lebensversicherung als Vermögen dar, dessen Einsatz dem Kläger über das Schonvermögen hinaus in Höhe von 731,-- € zur Bestreitung der anfallenden Prozesskosten vorliegend zumutbar ist.

Nach § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit ihr dieses zumutbar ist. Hierbei gilt § 90 SGB XII gem. § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO entsprechend.

Regelmäßig zählt der Rückkaufswert einer Lebensversicherung zum verwertbaren Vermögen, soweit dieser das sogenannte Schonvermögen übersteigt (vgl. BAG, Beschluss v. 25.11.2008 - 3 AZB 55/08, juris; BAG, Beschluss v. 05.05.2006 - 3 AZB 62/04, AP Nr. 6 zu § 115 ZPO; BVerfG v. 19.12.1997, NJW 1998, 1879; OLG Köln, FamRZ 2004, 382). Anderes gilt im Einzelfall, soweit sich eine Auflösung des noch nicht fälligen Lebensversicherungsvertrages als nicht zumutbar darstellt (vgl. insoweit: OLG Stuttgart, FamRZ 1999, 598; OLG Köln, NJW-RR 2001, 644; Kalthöhner/Büttner/Wrobel-Sachs, PKH u. BerH, 4. Aufl., Rz. 327 m.w.N.).

a) Dem Rückgriff auf die Lebensversicherung steht vorliegend § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII nicht entgegen. Hiernach muss Kapital, das der zusätzlichen Altersvorsorge i.S. des § 10 a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient, nicht eingesetzt werden, wenn seine Ansammlung staatlich gefördert wurde ("Riester-Rente").

Die Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGV XII sind im Entscheidungsfall nicht erfüllt; der Kläger hat einen gesetzlich geförderten Altersvorsorgevertrag nicht abgeschlossen.

b) Auch steht dem Rückgriff auf die Lebensversicherung vorliegend die gesetzliche Regelung in § 90 Abs. 3 SGB XII nicht entgegen. Hiernach ist eine Partei zum Einsatz ihres Vermögens dann nicht verpflichtet, wenn dies eine "Härte" bedeutet. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn hierdurch die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert wird.

Über die Anwendung des § 90 Abs. 2 SGB XII hinaus können von daher auch weitere Vermögensteile zum Schonvermögen gehören. § 90 Abs. 3 S. 1 u. 2 SGB XII wiederholen den Zumutbarkeitsgesichtspunkt des § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO und konkretisieren ihn. Eine Härte liegt hiernach u.a. dann vor, wenn die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Mit dieser Regelung wird der Aufbau einer angemessenen, nicht staatlich geförderten Lebensversicherung gesichert.

Von einer angemessenen Altersversorgung ist nach der Rechtsprechung auszugehen, wenn die Partei ihren Lebensunterhalt bei Erreichen des Rentenalters voraussichtlich ohne Inanspruchnahme von ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt bestreiten kann (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 11.05.2005 - 2 WF 51/05, FamRZ 2005, 1917; OLG Stuttgart, Beschluss v. 31.07.2009 - 11 WF 147/09; OLG München, Beschluss v. 27.01.2009 - 33 Wx 197/08; vgl. auch Sächsisches LAG, Beschluss v. 27.09.2005 - 4 Ta 163/05 - juris; LAG Köln, Beschluss v. 27.05.2009 - 9 Ta 199/09).

Dass die Alterssicherung des Klägers in gravierender Weise bei Heranziehung zu den Kosten der Prozessführung durch Rückgriff auf die Lebensversicherung gefährdet wäre, die Lebensversicherung nämlich erkennbar im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung (vgl. auch LAG Berlin/Brandenburg, Beschluss v. 04.01.2007 - 2 Ta 2161/06) der Alterssicherung diente, war vorliegend nicht festzustellen und ist auch vom Kläger nicht dargetan.

Insoweit kann nicht bereits allein die Kennzeichnung eines Vermögensbestandteils als "Lebensversicherung" dazu führen, diese aus dem Katalog des einzusetzenden Vermögens unmittelbar herauszulösen. Anderes gilt dann, wenn die Lebensversicherung von Ablaufzeit, Versicherungssumme und Leistungen her erkennbar nur auf eine zusätzliche Altersversorgung gerichtet ist.

Der Versicherungsvertrag läuft vorliegend zu einem Zeitpunkt aus, in dem der Kläger das 47. Lebensjahr erreicht. Dass die Lebensversicherung dem Kläger überhaupt zur Alterssicherung, insbesondere zu einer zusätzlichen Altersversorgung diente, ist nicht ersichtlich, eine entsprechende Zweckbindung ist auch von diesem weder geltend gemacht worden noch den überreichten Versicherungsunterlagen zu entnehmen. Das frei werdende Kapital steht dem Kläger nach Ablauf der Vertragszeit vielmehr ohne jede Zweckbindung frei zur Verfügung. Die subjektive Vorstellung allein, das Kapital zur Altersversorgung zu verwenden, begründet ohne Hinzutreten sonstiger Umstände eine Herausnahme dieses Kapitals aus dem verwertbaren Vermögen nicht bereits (vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG v. 13.04.2004 - 5 C 3/03 - NJW 2004, 3646).

c) Zudem ist der Kläger auch bei Rückgriff auf seine Lebensversicherung nicht genötigt, diese im Wege des vorzeitigen Rückkaufs zu verwerten.

Dem Kläger steht vielmehr frei, die Lebensversicherung mit einem Policen-Darlehen zu beleihen, welches seine monatlichen Zahlungsverpflichtungen unverändert lässt und erst bei Vertragsablauf der Lebensversicherung zur Rückzahlung fällig ist, anderenfalls im Wege der Verrechnung mit der Versicherungssumme getilgt wird (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 08.04.2008 - 17 WF 66/08; Beschluss v. 31.07.2009 - 11 WF 147/09; LAG Düsseldorf, Beschluss v. 15.09.2009 - 3 Ta 551/09; LAG Köln, Beschluss v. 27.05.2009 - 9 Ta 199/09; LAG Hamm, Beschluss v. 04.04.2005 - 18 Ta 129/05).

Gegebenenfalls kann der Kläger auch die Lebensversicherung vorübergehend beitragsfrei stellen, um aus den so ersparten Versicherungsbeiträgen die ihm nach Abzug des Schonvermögens verbleibenden Prozesskosten zu bestreiten (vgl. in diesem Zusammenhang auch OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 21.04.2005 - 14 WF 41/05).

2. Das sozialhilferechtliche Schonvermögen des Klägers ist vom Arbeitsgericht zu Recht mit 2.600,-- € für den Kläger sowie mit je 256,-- € für die drei vom Kläger überwiegend unterhaltenen Kinder, mithin insgesamt 3.368,-- € gem. § 1 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 b VO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII ermittelt worden. Für ein weiteres Schonvermögen hinsichtlich der Ehefrau des Klägers, welche aufgrund ihrer Berufstätigkeit über monatliche Einkünfte von zumindest 600,-- € verfügt, war entgegen der Auffassung der Beschwerde kein Raum, da diese nicht - wie erforderlich - vom Kläger überwiegend unterhalten wird.

III. Die sofortige Beschwerde des Klägers war demgemäß mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Gegen diese Entscheidung ist mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde, für die kein Anlass besteht, ein Rechtsmittel nicht gegeben (§§ 78 S. 2 ArbGG i.V. mit § 72 Abs. 2 ArbGG, 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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