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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 12.07.2000
Aktenzeichen: 4 Sa 623/00
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 87 I Nr. 10
Zur Frage der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Anrechnung einerTariflohnerhöhung auf eine übertarifliche Zulage
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 4 Sa 623/00

Verkündet am: 12.07.2000

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 12.07.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Peter als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Murach und den ehrenamtlichen Richter Goetzenich für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal

vom 25.01.2000 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt gewesen ist, ohne Zustimmung des Betriebsrates die Tariflohnerhöhung, die sich aus der Erhöhung der an den Kläger gezahlten Prämienzulage ergibt, auf die dem Kläger gezahlte weitere übertarifliche Zulage anzurechnen.

Der Kläger, auf dessen Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung finden, erhält unstreitig einen Tariflohn der Gruppe 7 ­ in den Lohnabrechnungen als Zeitlohnstammlohn" ausgewiesen und einen in den Lohnabrechnungen weiterhin als Zeitlohn" ausgewiesenen Betrag von 5,18 DM. Unstreitig hat der Kläger weiterhin Anspruch auf eine 16 %ige Leistungszulage, da bei der Beklagten keine Leistungsbeurteilung durchgeführt wurde.

Der hier nachzuzahlende Betrag war in dem Betrag Zeitlohn" über 5,18 DM enthalten, der danach verbleibende Restbetrag stellt eine übertarifliche Zulage dar.

Anlässlich der zum 01.04.1998 durchgeführten Tariflohnerhöhung erhöhte die Beklagte den tariflichen Stundenlohn und damit den Effektivlohn des Klägers um den Betrag, der sich aus der Erhöhung des tariflichen Grundlohnes ergab. Dagegen wurde der Betrag, der sich aus der Erhöhung der Leistungszulage ergeben hätte, nicht weitergegeben und die übertarifliche Zulage um diesen Betrag gekürzt, wobei unverändert als Zeitlohn" weiterhin ein Betrag von 5,18 DM ausgewiesen wurde.

Das Arbeitsgericht hat die Klage des Klägers auf Erhöhung seines Effektivlohnes um den ermittelten Betrag mit der Begründung abgewiesen, die Lohntarifansprüche des Klägers würden von der Beklagten erfüllt.

Mit der zulässigen Berufung verfolgt der Kläger unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein Klageziel weiter. Er weist insbesondere darauf hin, dass vorliegend zwar eine gleichmäßige, aber nicht vollständige Anrechnung auf die übertarifliche Zulage stattgefunden habe, so dass zugleich eine Änderung der Verteilungsgrundsätze eingetreten sei und damit auch eine andere Anrechnungsentscheidung ohne weiteres möglich gewesen wäre. So habe das Kürzungsvolumen insgesamt bestehen bleiben können und diejenigen Mitarbeiter, die hohe übertarifliche Zulagen hätten, könnten überproportional, diejenigen mit niedrigen tariflichen Zulagen unterproportional berücksichtigt werden.

Er beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 25.01.2000,

1. die Beklagte zu verurteilten, an den Kläger DM 453,48 brutto nebst 4 %

Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab Dezember 1998 einen Stundenlohn von DM 25,37 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil erster Instanz und weist insbesondere darauf hin, dass vorliegend gerade keine Änderung der Verteilungsgrundsätze durch die von der Beklagten vorgenommene Anrechnungsentscheidung eingetreten sei.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

I. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

II.

Ergänzend hierzu und zu den Einwänden der Berufung ist festzustellen:

1. Entgegen der Auffassung der Berufung war die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung des Betrages, der sich aus der Höhe der Leistungszulage ergeben hätte, auf die übertarifliche Zulage und die dadurch bewirkte Kürzung nicht nach der Regelung in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig.

a) Dies ergibt sich nach Auffassung der Kammer unabhängig von der Frage, ob vorliegend das tarifliche Grundgehalt sowie die Leistungszulage verschiedene Entlohnungsgrundsätze i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG darstellen, die auch hinsichtlich des Mitbestimmungsrechtes bezüglich der Anrechnung getrennt zu betrachten sind (vgl. nachfolgend c), bereits aus der Entscheidung des großen Senats vom 03.12.1991 (AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 72 Lohngestaltung zu C III 6 der Gründe): Danach unterliegt nicht die Kürzungsentscheidung als solche, sondern allein die hierdurch bewirkte Veränderung der bisherigen Verteilungsgrundsätze der Mitbestimmung mit der Folge, dass ein Mitbestimmungsrecht entfällt, wenn ein Arbeitgeber einen prozentualen Teil einer Tariflohnerhöhung bei allen Arbeitnehmern gleichmäßig anrechnen will und damit jede einzelne Zulage um den ermittelten Prozentsatz kürzt. In gleicher Weise entfällt ein Mitbestimmungsrecht, wenn dem Arbeitgeber aufgrund seiner Kürzungsentscheidung jede weitere Gestaltungsmöglichkeit fehlt, weil er mehr als die Tariflohnerhöhung nicht anrechnen kann.

b) Vorliegend hat die Beklagte den tariflichen Stundenlohn erhöht, aber nicht zugleich den Lohn des Klägers und den der anderen Arbeitnehmer um den weiteren Betrag erhöht, der sich aus der Erhöhung der Leistungszulage ergeben hätte und hat damit die übertarifliche Zulage um diesen Betrag gekürzt: Wird aber die auf diesen Betrag entfallende Tariflohnerhöhung bei allen Arbeitnehmern angerechnet und insoweit die übertarifliche Zulage gekürzt, handelt es sich um eine für alle betroffenen Arbeitnehmer gleichmäßige Anrechnungsentscheidung, bei der dem Arbeitgeber jede weitere Gestaltungsmöglichkeit fehlt. Denn vorliegend wäre eine Umverteilung zugunsten eines Teils der Zulagenempfänger zu Lasten der übrigen schon deshalb nicht möglich, weil der einzelne Arbeitnehmer aufgrund der getroffenen Vereinbarungen und schon aus Gründen der Gleichbehandlung einen Anspruch darauf hat, dass nach einer Tariflohnerhöhung ihm die um den entsprechenden Teil der Tariflohnerhöhung gekürzte Prämie als Mindestbetrag gezahlt wird. Der Änderung der Verteilungsgrundsätze stehen daher rechtliche Hindernisse entgegen, da die Beklagte gerade nicht bei einem Teil der aufgrund der Betriebsvereinbarung begünstigten Arbeitnehmer mehr, bei einem anderen Teil weniger als den Betrag anrechnen könnte, der sich aus der Erhöhung der Prämie bei Weitergabe der tariflichen Lohnsteigerung ergeben hätte.

c) Unabhängig hiervon ergibt sich diese Rechtslage aus der weiteren Überlegung, dass das tarifliche Grundentgelt sowie die aufgrund der Betriebsvereinbarung gezahlte Prämie verschiedene Entlohnungsgrundsätze i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG darstellen: Einerseits hat der Kläger Anspruch auf den tariflichen Grundlohn und einen Anspruch auf Gewährung einer tariflichen Leistungszulage, die im Durchschnitt der Lohngruppe 7 ­ 10 16 % der tariflichen Lohnsumme der Zeitlohnarbeiter dieser Tarifgruppen betragen muss. Andererseits erhält er aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 17.03.1998, mit der die Betriebspartner das Akkordsystem abgeschafft haben, den dort vereinbarten Prämienlohn, der sich gemäß § 12 Lohnrahmenabkommen Metall NW nach dem des Zeitlöhners richtet. Handelt es sich danach aber um verschiedene Entlohnungsgrundsätze aufgrund unterschiedlicher Regelungen, ist es nur folgerichtig, sie im Rahmen der Frage des Mitbestimmungsrechtes und der danach allein entscheidenden Frage nach der Änderung der Verteilungsgrundsätze isoliert zu betrachten. In diesem Falle aber liegt eine vollständige und gleichmäßige Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf diese Zulage vor.

2. Individualrechtlich besteht gleichfalls kein Anspruch des Klägers darauf, dass ihm die Tariflohnerhöhung ohne Anrechnung auf die übertarifliche Zulage sowohl auf den tariflichen Grundlohn als auch die Prämien/Leistungszulage weitergegeben wird. Weder sieht die Betriebsvereinbarung vom 17.03.1998 eine solche Regelung vor noch ist insoweit eine betriebliche Übung bei der Beklagten ersichtlich. Im Übrigen ergibt sich die Anrechenbarkeit der tariflichen Leistungszulage auf übertarifliche Zulagen aus der Protokollnotiz in § 9 Ziff. 4 Abs. IV Lohnrahmenabkommen Metall NW, wonach die Leistungszulage nicht zu einer Erhöhung des bisherigen Stundenlohnes führen soll und eine Anrechnung übertariflicher Lohnbestandteile daher möglich ist (vgl. LAG Düsseldorf vom 28.06.1994 8 Sa 633/94). Unstreitig wird aber durch die von der Beklagten vorgenommene Zahlung des Effektivlohnes sowohl der tarifliche Lohnanspruch des Klägers als auch der Anspruch auf Zahlung einer 25 %igen Zulage nach der Betriebsvereinbarung erfüllt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat die Revision für den Kläger wegen der grundsätzlichen Bedeutung der hier angesprochenen Rechtsfragen zugelassen.

Ende der Entscheidung

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