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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.08.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 884/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 607
Eine Ausgleichsklausel in einer Abwicklungsvereinbarung, wonach mit der Erfüllung dieser Vereinbarung alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung, gleich welchen Rechtsgrundes, seien sie bekannt oder unbekannt abgegolten und erledigt sind, erfasst nicht den Anspruch auf Darlehensrückzahlung aus einem Arbeitgeberdarlehen, welches in einem selbständigen Darlehensvertrag im Hinblick auf das bestehende Arbeitsverhältnis gewährt wurde.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 Sa 884/07

Verkündet am 15. August 2007

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 15.08.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Peter als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Spirres und die ehrenamtliche Richterin Schmidt-Wefels

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 21.03.2007 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines Darlehens.

Der Beklagte war bei der B. M. Flugreisen GmbH & Co. KG (im Folgenden: "B.") als Arbeitnehmer beschäftigt. Über das Vermögen der B. wurde am 17.12.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt.

Bereits im Jahr 1998 war die B. in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Im Zusammenhang mit einem Sanierungsplan wurde den Mitarbeitern der Insolvenzschuldnerin ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm angeboten. Hierfür wurde die B. M. Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft bürgerlichen Rechts GmbH (im Folgenden: "B.") gegründet. Die B. war ihrerseits typisch stille Gesellschafterin der B. .

Auf den Gesellschaftsvertrag der B. (Bl. 8-12R d.A.) sowie auf den Vertrag zur Errichtung der typisch stillen Gesellschaft (Bl. 13-17R d.A.) wird Bezug genommen.

Nachdem sich der Beklagte zur Beteiligung entschlossen hatte, nahm er bei der B. am 28.2.1999 ein Darlehen in Höhe von 30.000,- DM auf. Auf den Darlehensvertrag (Bl. 19-20R d.A.) wird Bezug genommen.

Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung standen von der ursprünglichen Darlehenssumme noch 13.142,67 EUR zur Rückzahlung offen.

Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.12.2003 zum 31.3.2004. Der Beklagte wechselte anschließend in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, sodass das Arbeitsverhältnis der Parteien vorzeitig zum 30.1.2004 endete. Die Parteien schlossen eine Abwicklungsvereinbarung, in der es unter Ziffer 7 heißt:

"Mit der Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung, gleich welchen Rechtsgrundes, seien sie bekannt oder unbekannt abgegolten und erledigt.

Unberührt bleiben Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind und geltend gemacht werden können.

Davon erfasst sind insbesondere die Ansprüche aus der einzelvertraglichen und/oder tarifvertraglichen Altersversorgung, sofern diese unwiderruflich bezugsberechtigt sind.

Unberührt bleiben weiterhin mögliche Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit tarifvertraglichen Vereinbarungen wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses."

Im Übrigen wird auf die Abwicklungsvereinbarung (Bl. 7-7R d.A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 7.2.2005 kündigte der Kläger das Darlehen und forderte den Beklagten zum 15.10.2005 zur Rückzahlung auf. Auf das Schreiben (Bl. 21 d.A.) wird Bezug genommen.

Eine weitere Zahlung seitens des Beklagten erfolgte nicht.

Mit seiner am 21.12.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 27.12.2006 zugestellten Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung der restlichen Darlehenssumme.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens werde von der Ausgleichsquittung des Abwicklungsvertrages nicht erfasst. Eine Kontrolle der Klausel nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen finde nicht statt, weil die Abwicklungsvereinbarung in dieser Form von den Betriebspartnern im Rahmen eines Interessenausgleiches vereinbart worden sei. Darüber hinaus seien die Mitarbeiter umfassend über die Risiken aufgeklärt worden, die sie mit der Beteiligung eingegangen seien.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 13.142,67 € zzgl. Zinsen i. H. v. 6 % seit dem 01.01.2003 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, der geltend gemachte Anspruch sei schon aufgrund Ziff. 7 der Abwicklungsvereinbarung ausgeschlossen. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass sowohl der Darlehensvertrag als auch die Mitgliedschaft in der B. an den Bestand des Arbeitsverhältnisses gekoppelt gewesen seien. Zumindest sei die Klausel so unklar, dass diese Unklarheit im Wege der Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen nach § 305 c Abs. 2 BGB unwirksam sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage des Klägers mit der Begründung entsprochen, die hier in Frage stehende Ausgleichsklausel erfasse nicht den hier geltend gemachten Darlehensanspruch.

Wegen der weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Bezug genommen. Der Beklagte hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens begründet.

Er weist des weiteren darauf hin, dass aufgrund des Urteils des Hessischen Landesarbeitsgerichtes vom 14.06.2007 der Darlehensanspruch des Klägers gleichfalls erloschen sei aufgrund einer Verrechnung mit dem Anspruch der B. auf Einlagenrückerstattung.

Er beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil erster Instanz und weist insbesondere darauf hin, dass aus den von ihm dargelegten Gründen der Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichtes nicht gefolgt werden könne.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet.

I.

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, der Klage entsprochen.

II.

Ergänzend hierzu und zu den Einwänden der Berufung ist festzustellen:

1. Entgegen der seitens des Beklagten vertretenen Rechtsauffassung wird der hier geltend gemachte Rückzahlungsanspruch von der zwischen den Parteien vereinbarten Ausgleichsklausel nicht erfasst.

a) Die gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur Auslegung vertraglicher Ausgleichsklauseln (vgl. insbesondere BAG vom 23.02.1999 - 9 AZR 737/97 - zu I 2 d, bb der Entscheidungsgründe sowie zuletzt vom 04.10.2005 - 9 AZR 598/04 -) differenziert bei Auslegung von Ausgleichsklauseln dem Wortlaut nach zwischen Ansprüchen "aus dem Arbeitsverhältnis" und Ansprüchen, die "mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen". Danach sind Ansprüche "aus dem Arbeitsverhältnis" solche, die sich aus dem vertraglichen Austauschverhältnis ergeben, die gerade nicht Ansprüche erfassen, die selbständig neben dem Arbeitsvertrag abgeschlossen werden, auch wenn diese Ansprüche mit dem Arbeitsverhältnis tatsächlich oder rechtlich zusammenhängen. Derartige Ansprüche werden nur dann erfasst, wenn sich die Ausgleichsklausel ausdrücklich auf solche Ansprüche erstreckt, die "mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen".

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze im Streitfall ist zunächst festzustellen, dass der Wortlaut der hier in der Abwicklungsvereinbarung vereinbarten Ausgleichsklausel ersichtlich der hier dargelegten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes Rechnung trägt, wonach allein "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich aus welchem Rechtsgrund" ausgeschlossen sein sollen. Unstreitig ist aber vorliegend der hier geltend gemachte Rückzahlungsanspruch kein solcher Anspruch "aus dem Arbeitsverhältnis", sondern steht lediglich mit dem Arbeitsverhältnis insoweit in einem wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, als ohne den Bestand eines solchen Arbeitsverhältnisses der Beklagte überhaupt nicht die Möglichkeit gehabt hätte, sich als stiller Gesellschafter an der B. zu beteiligten.

Sinn und Zweck der hier vereinbarten Ausgleichsklausel, Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich aus welchem Rechtsgrund auszuschließen, war daher vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ersichtlich allein (§ 133 BGB), alle in Betracht kommenden Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis (Arbeitslohn, Überstunden, Urlaub, Arbeitspapiere) mit der Unterzeichnung der Abwicklungsvereinbarung auszuschließen. Nicht erfasst wurde dagegen der hier aus dem selbständigen Darlehensvertrag resultierende Rückzahlungsanspruch des Klägers.

Soweit die Berufung in diesem Zusammenhang erneut auf die Auslegungsregel des § 305 c Abs. 2 BGB verweist, findet diese schon deshalb keine Anwendung, weil aus den vorgehend dargelegten Gründen keinerlei Auslegungszweifel hinsichtlich der hier vereinbarten Ausgleichsklausel entstehen konnten.

2. Entgegen der seitens des Klägers unter Bezugnahme auf das Urteil des Hessischen LAG vertretenen Rechtsauffassung scheitert der Anspruch des Klägers auch nicht daran, dass die Parteien eine zulässige Verrechnungsvereinbarung getroffen haben, die dazu geführt hat, dass dem Beklagten im Ergebnis die Aufrechnungsmöglichkeiten erhalten bleiben, die ihm zustehen würden, wäre er selbst stiller Gesellschafter der Schuldnerin geworden und nicht Gesellschafter der B., die ihrerseits allein stille Gesellschafterin gewesen ist.

Für die Kammer ist ausschlaggebend insoweit allein, dass die Parteien in dem Zeichnungsschein vom 10.01.1999 (Bl. 120 d. A.) konkludent einen Aufrechnungsausschluss für alle in Betracht kommenden Ansprüche des Beklagten im Zusammenhang mit der Rückzahlung des Darlehens vereinbart haben (§§ 133, 157 BGB).

a) Nach gefestigter Rechtsprechung (vgl. etwa BGH NJW 91, 839 zu Ziff. II 4 der Entscheidungsgründe sowie die Nachweise bei Palandt § 387 BGB Rz. 14) ist über die gesetzlich oder vertraglich ausdrücklich geregelten Fälle eine Aufrechnung immer dann ausgeschlossen, wenn dies nach dem besonderen Inhalt des zwischen den Parteien begründeten Schuldverhältnisses als stillschweigend vereinbart angesehen werden muss oder wenn die Natur der Rechtsbeziehungen oder der Zweck der geschuldeten Leistung eine Erfüllung im Wege der Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen lässt.

b) Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze im Streitfall ergibt sich, dass in dem Zeichnungsschein zunächst ausdrücklich vereinbart worden ist, dass dem Beklagten die Informationsschrift zur Beteiligung an der Gesellschaft sowie der Entwurf des Gesellschaftsvertrages der B. M. Mitarbeitergesellschaft bürgerlichen Rechtes mit beschränkter Haftung nebst Anlagen (Entwurf des Vertrages über die stille Einlage sowie Entwurf des Treuhandvertrages) ausgehändigt wurden, und ihm deren Inhalt bekannt ist und dass er mit den Bestimmungen dieser Verträge einverstanden ist. Aus der danach als Bestandteil der vertraglichen Beziehungen überreichten Informationsschrift (Bl. 112 ff d. A.) ergibt sich aber mit kaum zu überbietender Deutlichkeit, dass der Beklagte unter Ziff. 3.1 Insolvenzrisiko (Bl. 114 R d. A.) ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass in dem Falle, in dem er seine Anteile über ein Darlehen der B. M. finanziert hat, der Konkursverwalter trotz des Verlustes der Einlage die Rückzahlung des Darlehens in voller Höhe des ausstehenden Betrages einfordern wird und das Insolvenzrisiko nicht ausgeschlossen werden kann und für die Folgen auch keine Garantie erhältlich ist, so dass - im zweiten Absatz ausdrücklich vermerkt - die Entscheidung, ob er dieses Risiko eingehen wolle, bei jedem Mitarbeiter liegt, der dies im Hinblick auf seine Vermögenslage und seine Einkommensverhältnisse bedenken müsse. Diese Klausel schließt es aber nach Auffassung der Kammer aus, dass sich nachträglich der Beklagte mit einem wie auch immer gearteten Aufrechnungsanspruch aus der von ihm eingegangenen Verpflichtung, das Darlehen auch im Insolvenzfall zurückzuzahlen, lösen kann. Sowohl die hier getroffenen vertraglichen Vereinbarungen als auch der hiermit verfolgte und aus den vertraglichen Bestimmungen ersichtliche Zweck der Leistung schließen es daher aus, dem Beklagten die seitens des Hessischen LAG angenommene Aufrechnungsmöglichkeit zu geben.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat aufgrund der gesetzlichen Regelungen in § 72 a Abs. 3 Ziff. 1 und 2 die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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