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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.10.2005
Aktenzeichen: 5 (15) Sa 904/05
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 2
BGB § 147
BGB § 148
1) Setzt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Änderungskündigung eine unangemessen kurze Frist zur Erklärung der Annahme (hier: "umgehend"), so ist die Fristsetzung unwirksam.

2) § 2 Abs. 2 KSchG ist auf die vorbehaltlose Annahmeerklärung nicht anzuwenden.

3) Eine Annahmeerklärung des Arbeitnehmers ist noch rechtzeitig im Sinne des § 147 Abs. 2 BGB, wenn sie dem Arbeitgeber die Möglichkeit lässt, bis zum beabsichtigten Beendigungszeitpunkt anderen Arbeitnehmern zu kündigen oder sonstige organisatorische Maßnahmen zu ergreifen.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 (15) Sa 904/05

Verkündet am 20. Oktober 2005

In Sachen

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 20.10.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Göttling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Hens und den ehrenamtlichen Richter Ewers

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 13.05.2005 - 2 Ca 2603/04 lev. - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch eine Änderungskündigung der Beklagten beendet worden ist oder fortbesteht.

Der am 29.11.1949 geborene Kläger ist seit dem Jahre 1972 bei der Beklagten als Energieanlagenelektriker beschäftigt. Seine Bruttomonatsvergütung beträgt derzeit 2.400,-- €. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung.

Mit Schreiben vom 28.07.2004, dem Kläger zugegangen am 02.08.2004, sprach die Beklagte gegenüber ihm wie auch gegenüber anderen Mitarbeitern eine betriebsbedingte Änderungskündigung aus, mit der eine endgültige Beseitigung der individuell vereinbarten Entfernungszulagen erreicht werden sollte. In dem Kündigungsschreiben heißt es am Schluss:

Wir bieten Ihnen gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der oben genannten Kündigungsfrist zu den selben Bedingungen des bisherigen Arbeitsverhältnisses mit Ausnahme der Zahlung der Entfernungszulage fortzusetzen. Ihre bisherige Betriebszugehörigkeit sowie auch alle weiteren Bestimmungen Ihres Arbeitsvertrages mit Ausnahme der Entfernungspauschale gelten damit unverändert fort.

Teilen Sie uns bitte umgehend mit, ob Sie mit den geänderten Arbeitsbedingungen und mit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die Kündigungsfrist hinaus einverstanden sind. Anderenfalls endet das Arbeitsverhältnis mit Fristablauf.

Mit Schreiben vom 16.10.2004, der Beklagten zugegangen am 02.11.2004, nahm der Kläger das ihm unterbreitete Änderungsangebot an (vgl. hierzu Bl. 15 d. A.). Am 21.10.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Arbeitsverhältnis aus ihrer Sicht wegen der Nichtannahme des Änderungsangebots zum 28.02.2005 beendet sein würde.

Mit seiner am 03.12.2004 beim Arbeitsgericht Solingen anhängig gemachten Klage hat der Kläger den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 28.02.2005 hinaus geltend gemacht.

Er hat zunächst auf ein Schreiben vom 21.08.2004 verwiesen, in dem es heißt:

Bezugnehmend auf den o. a. Vorgang teile ich Ihnen mit, dass ich mit der unberechtigten Streichung der Entfernungspauschale nicht einverstanden bin, jedoch aus Rücksicht auf die gerade beendete Kurzarbeit und die bereits von anderen Kollegen eingereichten Klagen noch nichts unternommen habe, da jede weitere Klage der Firma nur zusätzlich Geld kosten würde und es ja wohl ausreichen dürfte, wenn diese Klagen zugunsten der Arbeitnehmer entschieden würden.

Ich bin bereit, diese Urteile abzuwarten unter der Voraussetzung, dass die Anspruchsfrist damit gewährleistet ist. Ergeben diese Urteile, das der Wegfall der Entfernungszulage notwendig zum Erhalt der Firma ist, werde ich den Änderungsvertrag annehmen und Ihnen unterschrieben zusenden. Sollten Sie so damit nicht einverstanden sein, bitte ich um kurze Mitteilung.

Der Kläger ist darüber hinaus der Auffassung gewesen, seine Zustimmungserklärung vom 16.10.2004 sei noch rechtzeitig erfolgt. Da keine besonderen Interessen der Beklagten dahingehend vorgelegen hätten, frühzeitig über die Entscheidung des Klägers informiert zu werden, sei es ausreichend gewesen, im Verlaufe der Kündigungsfrist eine Entscheidung zu treffen. Dies umso mehr, als der Kläger eigentlich auf die Zahlung der Entfernungszulage dringend angewiesen gewesen wäre und andererseits aber auch genügend Zeit benötigte, um sich darüber klar zu werden, ob das Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet werden sollte.

Der Kläger hat zudem gemeint, dass der Hinweis auf eine "umgehende" Antwort zu vage und interpretationsbedürftig gewesen sei; das Fehlen einer eindeutigen Fristsetzung könne aber nicht zu seinen Lasten gehen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 28.02.2005 auf der Basis des Änderungsangebots der Beklagten vom 28.07.2004 fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat bestritten, das Schreiben des Klägers vom 21.08.2004 erhalten zu haben. Die Beklagte hat darüber hinaus die Auffassung vertreten, dass die Annahme des Änderungsangebots durch den Kläger verspätet erfolgt und damit unbeachtlich sei. Sie hat weiter gemeint, dass sie durch den Hinweis auf eine "umgehende" Antwort eine hinreichend deutliche Fristsetzung vorgenommen hätte. Jedenfalls sei danach für den Kläger erkennbar gewesen, dass die Beklagte eine rasche Antwort erwartete, um planen zu können.

Mit Urteil vom 13.05.2005 hat die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Solingen - 2 Ca 2603/04 lev - dem Klagebegehren entsprochen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Beklagte hätte, wozu sie verpflichtet gewesen wäre, keine angemessene Frist zur Annahme des Änderungsangebots im Sinne des § 148 BGB gesetzt. Die erwartete "umgehende" Antwort sei viel zu kurz bemessen gewesen und damit rechtsunwirksam. Angesichts der unbeachtlichen Fristsetzung sei dann auf § 147 Abs. 2 BGB abzustellen. Nach dieser Vorschrift sei der Kläger aber berechtigt gewesen, die Annahme des Angebots noch deutlich vor Ablauf der Kündigungsfrist zu erklären.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 03.06.2005 zugestellte Urteil mit einem am 04.07.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 02.09.2005 - mit einem am 31.08.2005 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie wiederholt ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und meint, dass das Wort "umgehend" mit "unverzüglich" gleichzusetzen wäre. Hiernach sei der Kläger verpflichtet gewesen, ohne schuldhaftes Zögern zu handeln, was er gerade nicht getan hätte. Jedenfalls wäre aber eine zu kurze Frist nicht für unwirksam zu erklären gewesen, sondern in eine angemessene Frist umzudeuten. Überdies sei in Fällen der vorliegenden Art § 2 Satz 2 KSchG entsprechend anzuwenden, so dass die dort vorgesehene Drei-Wochen-Frist auch für die vorbehaltlose Annahmeerklärung bei einer Änderungskündigung Geltung beanspruche.

Die Beklagte meint schließlich, dass der Kläger auch bei Anwendung des § 147 Abs. 2 BGB seine Annahme zu spät erklärt hätte. Angesichts des offenkundigen und gerade durch die kurze Fristsetzung zutage getretenen Planungsinteresses der Beklagten sei die vom Kläger beanspruchte Drei-Monats-Frist viel zu lang bemessen. Der Kläger hätte offensichtlich so lange gezögert, um abzuwarten, ob die von anderen Kollegen angestrengten Kündigungsschutzklagen erfolgreich sein würden. Demgegenüber sei sie, die Beklagte, durch dieses Verhalten des Klägers und eines anderen Mitarbeiters in ihren konkreten Planungen betroffen gewesen. Hätten beide nämlich ihre Annahme rechtzeitig erklärt, wären zwei Beendigungskündigungen anderer Mitarbeiter möglich gewesen, und zwar unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von jeweils sieben Monaten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel indessen keinen Erfolg.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht auf der Grundlage der Änderungskündigung der Beklagten vom 28.07.2004 auch über den 28.02.2005 hinaus fort. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger das ihm im Schreiben vom 28.07.2005 unterbreitete Änderungsangebot mit Schreiben vom 16.10.2004, der Beklagten zugegangen am 02.11.2004 noch rechtzeitig angenommen.

1. Dieser Einschätzung steht zunächst entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten die Vorschrift des § 148 BGB nicht entgegen.

1.1 Nach dieser Norm hat im Falle eines Vertragsangebots der Antragende die Möglichkeit, für die Annahme des Antrags eine Frist zu bestimmen. In einem solchen Fall kann die Annahme nur innerhalb der Frist erfolgen. Im Falle des § 148 BGB ist der Antragende grundsätzlich in der Bemessung der Frist frei. Zeitliche Begrenzungen ergeben sich weder aus den Fristen der §§ 2 Satz 2 oder 4 KSchG. Allerdings kann die vom Antragenden gesetzte Überlegungsfrist im Einzelfall gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verstoßen (vgl. hierzu: LAG Berlin, Urteil vom 19.01.2005 - 4 Sa 2334/04 - n. v.). In diesem Zusammenhang ist ein Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht, worauf das Arbeitsgericht in seinem erstinstanzlichen Urteil zu Recht verweist, gehalten, bei der Festsetzung der Annahmefrist nicht nur seine eigenen Interessen zu verfolgen, sondern auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Er muss dem Arbeitnehmer eine angemessene Zeit zugestehen, um sich über die vorbehaltlose Annahme des unterbreiteten Angebots klar zu werden und Gewissheit zu verschaffen.

1.2 Hiernach erweist sich die von der Beklagten gesetzte Frist als eindeutig und viel zu kurz.

Die Beklagte hat in ihrem Änderungskündigungsschreiben vom 28.07. im letzten Absatz um eine "umgehende" Mitteilung darüber gebeten, ob der Kläger mit den geänderten Arbeitsbedingungen einverstanden war. "Umgehend" bedeutet: Sofortig, unverzüglich, sogleich, sofort" (so Brockhaus, Wahrig, Deutsches Wörterbuch). Aus der Sicht des Erklärungsempfängers, nämlich des Klägers, erwartete die Beklagte demnach eine schnelle Antwort, die, nimmt man das Wort "umgehend" als Hinweis auf eine sofortige Erledigung, praktisch noch am selben oder am nächsten Tag zu erfolgen hatte.

Diese Fristsetzung erweist sich angesichts der Bedeutung der vom Kläger erwarteten Entscheidung als unangemessen kurz und damit nicht wirksam. Es ging zwar bei der Änderungskündigung der Beklagten nur um eine relativ unbedeutende Änderung einer zwischen den Parteien ausgehandelten Arbeitsbedingung, nämlich der Zahlung einer Entfernungszulage. Andererseits war - auch für die Beklagte erkennbar - der Kläger angesichts seines entfernt gelegenen Wohnortes naturgemäß daran interessiert, diese Zulage auch weiterhin beziehen zu können. Er stand vor der Frage, den Verlust seines über 32 Jahre andauernden Arbeitsverhältnisses zu riskieren. Die Entscheidung über das ihm vorgelegte Änderungsangebot bedurfte deshalb auch aus Sicht der Beklagten einer sorgfältigen und nicht nur kurzfristig durchzuführenden Überlegung. Wenn die Beklagte in Ansehung dieser Umstände dann eine Fristsetzung wählte, die der Gesetzgeber nur im Rahmen des § 147 Abs. 1 bei der Annahmeerklärung unter Anwesenden vorgesehen hat, so kann diese nur als unangemessen kurz und damit unbeachtlich charakterisiert werden.

1.3 Hieraus folgt, worauf das Arbeitsgericht ebenfalls zu Recht verwiesen hat, die Unwirksamkeit der Fristsetzung (so ausdrücklich: Staudinger/Bork, BGB, § 148, Rz. 5; vgl. auch den in § 308 Ziffer 1 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken). Eine Umdeutung in eine angemessene Frist scheidet mithin aus.

1.4 Der Beklagten ist es in diesem Zusammenhang schließlich verwehrt, sich auf die Frist des § 2 Abs. 2 KSchG zu berufen. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu in seiner von beiden Parteien zitierten Entscheidung vom 06.02.2003 (Aktenzeichen: 2 AZR 674/01 - AP Nr. 71 zu § 2 KSchG 1969) ausgeführt, dass es bereits grundsätzlichen Bedenken unterliege, eine Frist zur Abgabe einer Willenserklärung, die im Gesetz für einen bestimmten Fall geregelt ist, entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut auf andere Fälle zu übertragen, in denen nach der einschlägigen gesetzlichen Vorschrift (§ 147 Abs. 2 BGB) gerade keine starre Frist gilt, sondern es nach dem Willen des Gesetzgebers von den Umständen des Einzelfalles abhängen soll, wie schnell oder zögerlich der Betreffende reagieren darf. Die Fälle der Vorbehaltsannahme nach § 2 Satz 2 KSchG und der vorbehaltlosen Annahme des Änderungsangebots durch den Arbeitnehmer sind danach auch vom Sinn und Zweck des § 2 Satz 2 KSchG nicht ohne weiteres vergleichbar, so dass sich von daher eine Ausdehnung der Frist des § 2 Satz 2 KSchG auf andere Annahmeerklärungen verbietet.

2. Ist danach die Annahme des Antrags durch den Kläger nicht außerhalb einer gemäß § 148 BGB erklärten Annahmefrist erfolgt, so ist für die Frage der Rechtzeitigkeit der Annahmeerklärung auf § 147 Abs. 2 BGB abzustellen. Danach kann der einem Abwesenden gemachte Antrag bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Hiernach erweist sich die Annahmeerklärung des Klägers vom 16.10.2004, der Beklagten zugegangen am 02.11.2004, als noch rechtzeitig.

2.1 Die gesetzliche Annahmefrist des § 147 Abs. 2 BGB setzt sich zusammen aus der Zeit für die Übermittlung des Vertragsangebots an den Empfänger, dessen Bearbeitungs- und Überlegungszeit und aus der Zeit für die Übermittlung der Antwort an den Antragenden. Die Überlegungsfrist bestimmt sich dabei vor allem nach der Art des Angebots. Bei einem Antrag auf Änderung eines Vertrages, aus dem fortlaufend Rechte und Pflichten folgen, kann möglicherweise eine längere Überlegungsfrist angemessen sein als etwa bei einem Kaufangebot. Dieses kann - auch nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts -bedeuten, dass eine Annahme des Änderungsangebots auch nach mehreren Monaten je nach den Umständen noch als rechtzeitig im Sinne von § 147 Abs. 2 BGB anzusehen ist (BAG, Urteil vom 06.02.2003, a. a. O.).

2.2 Das Bundesarbeitsgericht hat in der oben zitierten Entscheidung allerdings den Rechtssatz geprägt, dass der Arbeitgeber, der lange vor dem Zeitpunkt kündigt, zu dem er unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zu dem beabsichtigten Kündigungstermin noch hätte kündigen können, regelmäßig nicht erwarten kann, dass der Arbeitnehmer die existenzielle Entscheidung, ob er sein Arbeitsverhältnis aufgibt oder zu entscheidend geänderten Arbeitsbedingungen weiter arbeitet, nunmehr in kürzester Frist trifft. Unter Beachtung der Planungssicherheit des Arbeitgebers reiche es dann aber unter regelmäßigen Umständen aus, dass der Arbeitnehmer zu dem Änderungsangebot noch vor dem Tag Stellung nimmt, an dem der Arbeitgeber unter Einhaltung der Kündigungsfrist letztmalig hätte kündigen können. Für die Planung des Arbeitgebers, den Arbeitsplatz neu besetzen zu können, müsse die volle, für das jeweilige Arbeitsverhältnis einschlägige Kündigungsfrist ausreichen (BAG, Urteil vom 06.02.2003, a. a. O.).

Die erkennende Kammer hat Bedenken, ob dieser Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt zu folgen ist, dass danach auf die Kündigungsfrist abzustellen wäre, die für den Arbeitnehmer gilt, dem das Änderungsangebot unterbreitet wird. Würde man nämlich verlangen, dass er die Annahme des ihm unterbreiteten Änderungsangebots auf jeden Fall vor dem Zeitpunkt zu erklären hätte, an dem der Arbeitgeber unter Einhaltung der Kündigungsfrist ihm letztmalig kündigen könnte, so würde dies erneut zu einer im Einzelfall nicht zumutbaren Verkürzung der Überlegungsfrist führen. In einer derartigen Situation hätte es der Arbeitgeber überdies in der Hand, durch einen späten Ausspruch der Kündigung und der gleichzeitigen Unterbreitung des Änderungsangebots die Überlegungsfrist für den Arbeitnehmer einseitig zu bestimmen und im Extremfall sogar auf "null" zu reduzieren. Die erkennende Kammer meint deshalb, dass jedenfalls in den Fällen, da nach Zugang der Änderungskündigung nur noch ein kurzer Zeitraum zur Verfügung steht (wie auch im Falle des Klägers), nicht darauf abgestellt werden kann, dass dem Arbeitgeber noch die volle Kündigungsfrist als Planungszeitraum zur Verfügung stehen muss.

2.3 Nach Auffassung der Berufungskammer ist demgegenüber zu würdigen, ob der Arbeitgeber bei Zugang der Annahmeerklärung noch in der tatsächlichen und rechtlichen Lage war, unter Einhaltung der für andere Arbeitnehmer ein schlägigen Kündigungsfrist diesem eine Beendigungskündigung zukommen zu lassen, weil ein Festhalten an ihren Arbeitsverträgen wegen der Vertragsfortsetzung mit dem Kläger nicht mehr in Betracht kommt. Ist die Beklagte wegen der "späten" Annahmeerklärung des Klägers gehindert, die Arbeitsverhältnisse anderer Arbeitnehmer zu dem Termin zu kündigen, zu dem der Kläger ausgeschieden wäre, so kann sie mit Recht darauf verweisen, dass die verspätete Reaktion des Arbeitnehmers zu einer zeitweiligen Doppelbesetzung der betreffenden Arbeitsplätze führt, ihre personellen Planungen gestört sind und negative finanzielle Auswirkungen zu besorgen sind.

Indessen ist es der Beklagten auch im Berufungsrechtszug gerade nicht gelungen, derartige Konsequenzen mit Blick auf ihre Personalplanung substantiiert aufzuzeigen und unter Beweis zu stellen. Sie hat zwar in ihrem Berufungsbegründungsschriftsatz darauf hingewiesen, dass wegen des Verhaltens des Klägers und eines anderen Kollegen die beabsichtigte Kündigung zweier anderer Mitarbeiter nicht (oder nicht rechtzeitig?) vollzogen werden konnte. Sie hat darüber hinaus in einem weiteren Schriftsatz vom 10.10.2005 außerhalb der Berufungsbegründungsfrist lapidar ohne Beweisantritt auf Kündigungsfristen von sieben Monaten hingewiesen. Dabei hat sie es aber unterlassen, die Namen der betroffenen Mitarbeiter zu benennen, ihre Betriebszugehörigkeitszeiten aufzuzeigen und konkret anzugeben, ob und gegebenenfalls wann sie nunmehr gekündigt worden sind. Dann aber kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Annahmeerklärung des Klägers innerhalb der der Beklagten zur Verfügung stehenden Kündigungsfrist, soweit es die Kündigung anderer Arbeitnehmer betrifft, zugegangen ist.

2.4 Auch unter Berücksichtigung der bereits aufgezeigten Planungsinteressen der Beklagten und unter Würdigung aller bekannten Umstände musste die Beklagte gemäß § 147 Abs. 2 BGB noch bis Anfang November 2004 davon ausgehen, dass der Kläger das ihm unterbreitete Angebot noch annehmen würde.

2.4.1 Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang allerdings zu Recht darauf, dass sie durch die Gestaltung des Änderungskündigungsschreibens verlautbart hatte, an einer raschen Entscheidung des Klägers interessiert zu sein. Der Gebrauch des Wortes "umgehend" zeigte dem Kläger, unabhängig von der oben beschriebenen rechtlichen Wertung, dass eine Entscheidung erwartet wurde, die jedenfalls nicht "auf die lange Bank" geschoben werden sollte. Dem Kläger war überdies angesichts der wirtschaftlichen Situation der Beklagten bekannt, dass sie Interesse daran hatte, möglichst frühzeitig die Höhe der zukünftig anfallenden Personalkosten abzuschätzen. Dies umso mehr, als zum damaligen Zeitpunkt auch eine Insolvenz nicht vollständig ausgeschlossen werden konnte.

2.4.2 Andererseits war aber auch für die Beklagte erkennbar, dass der Kläger die erbetene Entscheidung nicht innerhalb weniger Tage treffen konnte und würde. In diesem Zusammenhang hat die erkennende Kammer bereits darauf hingewiesen, dass die angestrebten arbeitsvertraglichen Änderungen sich zwar "nur" auf die Beseitigung der Entfernungszulage bezogen, dass der Verlust dieser Zulage für den Kläger aber durchaus eine nicht unbeträchtliche finanzielle Einbuße darstellte. Der Beklagten war darüber hinaus bekannt, dass der Kläger nach Ablauf der Klagefrist des § 4 KSchG nur noch die Möglichkeit hatte, durch die Annahme des Änderungsangebots die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den geänderten Arbeitsbedingungen zu realisieren oder aber das Arbeitsverhältnis bei einer Nichtannahme endgültig zu beenden. Dass eine derart weitgehende Entscheidung angesichts der 32-jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers nicht innerhalb weniger Tage und auch nicht innerhalb von nur wenigen Wochen getroffen würde, musste demnach auch der Beklagten klar sein. Hinzu kommt, dass nach Ausspruch der Änderungskündigung eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Arbeitnehmern Kündigungsschutzklagen vor dem Arbeitsgericht erhoben hatten, so dass sich die Beklagte insgesamt nicht sicher sein durfte, mit welchen Arbeitnehmern und zu welchen Arbeitsbedingungen die Arbeitsverhältnisse fortbestehen würden. Wenn sich dann der Kläger noch vier Monate vor Ablauf seiner Kündigungsfrist zur Annahme des Änderungsangebots entschloss und eine entsprechende Erklärung gegenüber der Beklagten abgab, so erweist sich dies als (noch) rechtzeitig.

Sofern die Beklagte eine frühere Entscheidung des Klägers erwartete, weil sie für ihre Planungen eine längere Frist benötigte, wäre sie einerseits in der Lage gewesen, gemäß § 148 BGB eine eindeutige, wenn auch kürzere Frist zu setzen. Sie hätte darüber hinaus, sofern sie für ihre Planung eine größere Sicherheit erlangen wollte, nach Zugang des Änderungskündigungsschreibens am 02.08.2004 die Möglichkeit gehabt, auf den Kläger zuzugehen und ihn an seine Entscheidung zu erinnern. Dies hätte vor allen Dingen deshalb auf der Hand gelegen, weil sie ausweislich der Bitte um "umgehende" Antwort ja nach eigener Einschätzung erwarten durfte, dass der Kläger sich zeitnah meldete. Wenn sie dies dann nicht tat, so belegt dies umso mehr, dass der Kläger darauf vertrauen durfte, auch noch am 02.11.2004 sein Einverständnis erklären zu dürfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG bejaht und die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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