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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 03.04.2003
Aktenzeichen: 5 Sa 1489/02
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 2 Abs. 1
BetrAVG § 2 Abs. 5
Die Veränderungssperre des § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG bezieht sich auch auf die Höhe eines in der einschlägigen Versorgungsordnung (hier: Leistungsordnung des Bochumer Verbandes) festgelegten versicherungsmathematischen Abschlags. Maßgebend für die Berechnung des Altersruhegeldes ist deshalb der in der Versorgungsordnung vorgesehene Abschlag zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis.
Geschäftsnummer: 5 Sa 1489/02

Verkündet am: 03.04.2003

LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 03.04.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Gottling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Specht und den ehrenamtlichen Richter Schulz

für Recht erkannt:

Tenor:

1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 25.09.2002 - 4 Ca 5253/01 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe des monatlichen Ruhegeldanspruchs des Klägers.

Der am 28.02.1935 geborene Kläger war seit dem 01.04.1963 bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt. Er erhielt eine betriebliche Altersversorgungszusage nach Maßgabe der jeweils gültigen Leistungsordnung des Bochumer Verbandes. Am 30.09.1979 schied der Kläger mit einer unverfallbaren Anwartschaft auf ein betriebliches Altersruhegeld bei der Beklagten aus.

Zu diesem Zeitpunkt galt § 3 Ziffer 5 der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes vom 22.12.1974, der folgenden Wortlaut hatte:

Nimmt der Angestellte das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch (§ 2 Abs. 1 d), werden die nach Anwendung der Bestimmungen der §§ 8 und 9 ermittelten Bezüge während der gesamten Laufzeit für jeden Monat des vorzeitigen Ausscheidens um 0,5 v. H. gekürzt.

Der Kläger bezieht seit dem 01.03.1998 vorgezogene Altersrente. Zu diesem Zeitpunkt galt § 3 Ziffer 10 der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes vom 01.10.1985. Ziffer 10 lautet:

Nimmt der Angestellte eine volle Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Leistungen der befreienden Lebensversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch (§ 2 Abs. 1 d), wird das nach den Absätzen 3 bis 8 unter Berücksichtigung des § 8 ermittelte Ruhegeld während der gesamten Laufzeit für jeden Monat des vorzeitigen Bezuges um 0,4 vH gekürzt.

Bei der Berechnung der betrieblichen Altersrente des Klägers ab dem 01.03.1998 brachte die Beklagte auf der Grundlage der Leistungsordnung von 1974 einen versicherungsmathematischen Abschlag von 0,5 % pro Monat für insgesamt 24 Monate in Ansatz und errechnete auf dieser Basis eine monatliche Altersrente von 1.200,50 DM brutto.

Mit seineram 21.12.2001 beim Arbeitsgericht Essen anhängig gemachten Klage hat der Kläger die Nachzahlung eines Differenzbetrages für die Zeit ab dem 01.03.1998 bis zum 31.12.2001 in Höhe von 1.512,04DM brutto geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hätte bei der Berechnung seiner Rente einen versicherungsmathematischen Abschlag in Höhe von nur 0,4 % pro Monat in Ansatz bringen dürfen. § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG und die dort statuierte Veränderungssperre finde keine Anwendung, weil sie sich nur auf die in § 2 Abs. 1 BetrAVG angesprochene Vollrente bzw. auf die entsprechende Anwartschaft beziehe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.512,04 DM brutto nebst 5 % Zinsen über dem Zinssatz gemäß § 247 BGB auf den monatlichen Teilbetrag in Höhe von 32,74 DM für die Zeit vom 01.03.1998 bis 31.12.1999 und für die Zeit vom 01.01.2000 bis zum 31.12.2001 auf den monatlichen Teilbetrag in Höhe von 32,99 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung des Klägers entgegengetreten und hat ihrerseits die Meinung vertreten, aus Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ergäbe sich, dass auch die Höhe eines versicherungsmathematischen Abschlags der Veränderungssperre unterliege. Anderenfalls wäre das Regelungsziel der genannten Norm nicht zu erreichen.

Mit Urteil vom 25.09.2002 hat die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Essen - 4 Ca 5253/01 - die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, zwar lasse der Wortlaut von § 2 Abs. 1 BetrAVG eine unterschiedliche rechtliche Behandlung der Anwartschaft auf eine ungekürzte Betriebsrente und der Anwartschaft bei einem vorzeitigen Bezug zu. Sinn und Zweck des § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG, die Höhe der aufrechtzuerhaltenden Anwartschaft eindeutig festzulegen, sprächen indes dafür, diese Norm auch auf die Berechnung der vorgezogenen betrieblichen Altersrente und damit auf die Höhe des versicherungsmathematischen Abschlags zu erstrecken.

Der Kläger hat gegen das ihm am 15.11.2002 zugestellte Urteil mit einem am 11.12.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 14.01.2003 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er wiederholt seinen Sachvortrag aus der ersten Instanz und meint, dass das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung den Wortlaut von § 2 Abs. 1 und 5 BetrAVG zu wenig und unzureichend beachtet hätte. Überdies sei entscheidend, dass nach der betrieblichen Altersversorgungszusage auf die jeweilige Leistungsordnung des Bochumer Verbandes abgestellt werde. Schließlich gebiete es aber auch Sinn und Zweck des § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG nicht, die Veränderungssperre auf die Berechnung des versicherungsmathematischen Abschlags anzuwenden. Die Versorgungsanwartschaft eines Mitarbeiters könne nämlich eindeutig festgelegt und kalkuliert werden, ohne dass die Höhe des Abschlags bekannt wäre.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Essen - 4 Ca 5253/01 - vom 25.09.2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 773,09 ? brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz auf den monatlichen Teilbetrag in Höhe von 16,74 ? für die Zeit vom 01.03.1998 bis 31.12.1999 und für die Zeit vom 01.01.2000 bis 31.12.2001 auf den monatlichen Teilbetrag in Höhe von 16,87 ? zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug. Sie meint, bei einer nur am Wortlaut orientierten Auslegung des § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG sei dieser auf vorgezogene Altersruhegelder überhaupt nicht anwendbar, was einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstelle. Auch die Jeweiligkeitsklausel stehe der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung nicht entgegen. Schließlich sei es für die Frage, welche Rückstellungen zu bilden seien und auf welche finanziellen Lasten sich der Arbeitgeber einrichten müsse, von hoher Bedeutung, die Höhe des versicherungsmathematischen Abschlags zu kennen und gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG festzuschreiben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), wegen der ausdrücklichen Zulassung im arbeitsgerichtlichen Urteil auch zulässig (§ 64 Abs. 2 a ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel indessen keinen Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Nachzahlung eines Differenzbetrages in Höhe von 773,09 ? brutto, weil entgegen seiner Auffassung bei der Berechnung des versicherungsmathematischen Abschlags auf die Leistungsordnung des Bochumer Verbandes vom 22.12.1974 abzustellen war, die einen Kürzungssatz von 0,5 % für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme der betrieblichen Altersrente vorsah. Dies ergibt sich letztlich aus einer umfassenden Auslegung von § 2 Abs. 1 und 5 Satz 1 BetrAVG.

1. Bei der Auslegung von Gesetzen ist zunächst auf den Gesetzeswortlaut, den gesetzlichen Regelungszusammenhang und die Entstehungsgeschichte des Gesetzes abzustellen. Darüber hinaus sind Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung zu erforschen, wobei die Auslegung insgesamt europarechts-konform und verfassungskonform zu erfolgen hat (vgl. hierzu etwa: BAG, Urteil vom 23.01.2002 - 4 AZR 56/01 - AP Nr. 163 zu § 4 TVG Ausschlussfristen).

2. Hiernach ist in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Arbeitsgerichts festzustellen, dass § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG und die dort festgeschriebene Veränderungssperre auch die Berechnungsgrundlagen zur Feststellung des versicherungsmathematischen Abschlags in der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes umfassen.

2.1 Soweit zunächst auf den Wortlaut der streitbefangenen gesetzlichen Bestimmung abzustellen ist, erweist sich dieser als nicht eindeutig. § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG bezieht sich ausdrücklich auf die Berechnung "des Teilanspruchs nach Abs. 1". Dieser wiederum erwähnt eine Versorgungsanwartschaft und deren Unverfallbarkeit, die sich hinsichtlich der Höhe an einer Zeit der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres oder an einem früheren Zeitpunkt orientiert, wenn dieser in der Versorgungsregelung als feste Altersgrenze vorgesehen ist.

Andererseits spricht § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG aber auch umfassend von "Veränderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen". Dabei besteht Einigkeit, dass unter Versorgungsregelung der gesamte Leistungsinhalt der Versorgungszusage, also die Leistungsarten, die Leistungsformen, sowie sämtliche allgemeine und für jede Leistungsart festgeschriebene Leistungsvoraussetzungen gemeint sind. Hiernach sind Gegenstand der Versorgungsregelung vor allem die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs, Umfang und Modalitäten der Leistungen, Fälligkeit, Dynamisierungsregelungen, Verpfändungsverbote und möglicherweise auch Widerrufsvorbehalte (vgl. hierzu Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Band l, Arbeitsrecht, Rz. 1904; Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 2. Aufl., Rz. 395). Hiernach kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber durch die Wahl des umfassenden Begriffs der "Versorgungsregelung" in der Tat auch vereinbarte versicherungsmathematische Abschläge in den Geltungsbereich des § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG einbeziehen wollte, weil diese typischerweise Inhalt vieler Versorgungsregelungen sind.

2.2 Wenig ergiebig erweist sich die hier durchzuführende Interpretation der streitbefangenen Norm, soweit auf die Entstehungsgeschichte und den dahinter stehenden Willen des Gesetzgebers abgehoben wird. Soweit ersichtlich, hat er umfassend die Absicht verfolgt, Ungewisse Umstände, die erst in Zukunft eintreten können, keine Berücksichtigung finden zu lassen (BT-Drucksache 7/1281 zu § 2 Abs. 5, Seite 27). Diese pauschale Absichtserklärung enthält keine konkreten Hinweise darauf, ob und wie er die zwischen den Parteien diskutierte Problemstellung hat lösen wollen.

2.3 Auch der Regelungszusammenhang und die Systematik des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung ergeben letztlich keine erschöpfenden Erkenntnisse über die zur Entscheidung gestellte Frage.

Bereits das Arbeitsgericht hat zutreffend im erstinstanzlichen Urteil darauf hingewiesen, dass vielfältige Normen des betrieblichen Altersversorgungsgesetzes die verbindliche Festsetzung der Einzelheiten der Versorgungsanwartschaft voraussetzen. Dies gilt zum einen für die Auskunftspflicht nach § 2 Abs. 6 BetrAVG, für die Berechnung von Abfindungszahlungen nach § 3 BetrAVG, für die Übernahmevorschriften des § 4 BetrAVG und nicht zuletzt für die Feststellung und den Umfang der Insolvenzsicherung in § 7 BetrAVG.

Andererseits weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass die Kenntnis und die Festsetzung der Höhe des versicherungsmathematischen Abschlags in den genannten Fällen nicht immer vorausgesetzt wird bzw. erforderlich ist. So muss sich zum Beispiel die Auskunft des Arbeitgebers nach § 2 Abs. 6 BetrAVG nach dem Wortlaut der Norm auf die Höhe der Versorgungsleistungen bei Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen Altersgrenze beziehen. Steht zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens noch nicht fest, ob ein Arbeitnehmer die ihm nach der Versorgungsordnung zustehende Möglichkeit in Anspruch nehmen wird, vorzeitig auszuscheiden, so kann und muss sich die Auskunft in der Tat nur auf den Zeitpunkt der in der Versorgungsregelung vorgesehenen Altersgrenze beziehen. Steht demgegenüber zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens bereits fest, dass ein Arbeitnehmer vorzeitig Altersruhegeld in Anspruch nehmen wird, so bezieht sich die Auskunftspflicht konkret auf das vorgezogene Datum und damit auch auf die Höhe des versicherungsmathematischen Abschlags.

Das Beispiel belegt, dass auch der Regelungszusammenhang, in dem sich § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG befindet, nicht zwingend die eine oder andere der von den Parteien vorgetragenen Auslegungsmöglichkeiten oder Auslegungsergebnisse nach sich zieht.

2.4 Abzustellen ist deshalb nach Auffassung der erkennenden Kammer entscheidend auf Sinn und Zweck der Veränderungssperre in § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG.

2.4.1 Nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 24.07.2001 - 3 AZR 567/00 - AP Nr. 27 zu § 6 BetrAVG) ist Grundgedanke des § 2 Abs. 5 BetrAVG, dass für diejenigen Arbeitnehmer, die vor Eintritt des Versorgungsfalles mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, die Höhe ihrer Anwartschaft nicht von einer Ungewissen zukünftigen Entwicklung abhängig sein soll. Alle Bemessungsgrundlagen, auch die Höhe anderer Versorgungsbezüge, werden auf den Zeitpunkt des Ausscheidens festgeschrieben. Die Anwartschaft und der bei Eintritt des Versorgungsfalles auf ihr beruhende Anspruch sind so zu berechnen, als hätten die für die Höhe des Versorgungsanspruchs maßgeblichen Bezugsgrößen bis zum Versorgungsfall unverändert fortbestanden.

In der Literatur wird darüber hinaus ergänzend betont, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Ausscheidezeitpunkt Klarheit über die Höhe der unverfallbaren Ansprüche erhalten sollen. Die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Ausscheidens sind nach dem Wortlaut und Sinn der Versorgungszusage so zu ermitteln, wie sie für einen zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Versorgungsfall Geltung gehabt hätten. Es ist demgemäß bei der Berechnung der "als-ob-Leistung" zu unterstellen, dass der Arbeitnehmer bei seinem tatsächlichen späteren Versorgungsfall das gleiche wie beim Ausscheiden verdient (so ausdrücklich: Höfer, a. a. O., Rz. 1913; vgl. auch: Blomeyer/Otto, a. a. O., Rz. 384, jeweils m. w. N.).

2.4.2 Hiernach entspricht es gerade Sinn und Zweck der streitbefangenen Regelung, sie hinsichtlich der Veränderungssperre auch auf die Berechnung des versicherungsmathematischen Abschlags zu erstrecken.

Dies folgt zunächst aus dem Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, die der Arbeitgeber benötigt, um einigermaßen verlässliche Kalkulationen darüber durchzuführen, welche Betriebsrentenansprüche auf ihn zukommen. Er muss zwar, worauf der Kläger zu Recht verweist, immer damit rechnen, dass der jeweils betroffene Arbeitnehmer von der Möglichkeit keinen Gebrauch machen wird, vorzeitig auszuscheiden, so dass zum Beispiel etwaige Rückstellungen für die betriebliche Altersversorgung auf das 65. Lebensjahr bezogen werden können. Andererseits muss der Arbeitgeber aber auch damit rechnen, dass vorzeitig Altersruhegeld in Anspruch genommen wird. Für diesen Fall ist es aber uner-lässlich, gesicherte Kenntnisse darüber zu besitzen, in welcher Höhe vorzeitig Altersruhegeld zu zahlen ist und wie hoch sich konkret der versicherungsmathematische Abschlag darstellt.

Auch der Arbeitnehmer wird regelmäßig ein erhebliches Interesse daran haben, mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine gesicherte Erkenntnis über alle Fakten zu besitzen, die bei der Berechnung seiner betrieblichen Altersversorgung eine Rolle spielen können. So muss er insbesondere abschätzen können, welche Einbußen er im Falle einer vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersruhegeld wird hinnehmen müssen. Er ist durch die Kenntnis über die nicht zu verändernden Punkte seiner Versorgungsregelung in der Lage, frühzeitig seine Lebensplanung hieran auszurichten, ohne befürchten zu müssen, dass nachträglich Veränderungen eintreten. Dies wird insbesondere in dem Fall bedeutungsvoll, da sich bis zur Inanspruchnahme der betrieblichen Altersversorgung negative Veränderungen für den Arbeitnehmer einstellen sollten, vor denen § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrVG schützt. Dann aber muss der Arbeitnehmer auch, wie im vorliegenden Fall, positive Entwicklungen gegen sich gelten lassen, auf die er sich bei seiner Planung genauso wenig einrichten konnte (zur Schlechterstellung im Rahmen des § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG siehe auch: Blomey-er/Otto, a. a. O., Rz. 385).

Darüber hinaus zeigt die von Höfer (a. a. O., Rz. 1913) beschriebene "als-ob-Leistung", dass die Veränderungssperre auch für die Berechnungsgrundlagen des versicherungsmathematischen Abschlags gelten muss. Wäre der Versorgungsfall für den Kläger nämlich bereits bei seinem Ausscheiden im Jahre 1979 eingetreten, so hätte er sich in der Tat einen versicherungsmathematischen Abschlag von 0,5 % pro Monat entgegenhalten lassen müssen. Dann aber kann er eine spätere Änderung auf 0,4 % pro Monat nicht für sich in Anspruch nehmen, weil er diesen bis zu seinem Ausscheiden aus dem Betrieb der Beklagten gerade nicht "verdient" hatte.

2.4.3 Dem gefundenen Auslegungsergebnis steht auch die Jeweiligkeitsklausel in der Versorgungszusage des Klägers nicht entgegen.

Die Bezugnahme auf die jeweils geltende Leistungsordnung des Bochumer Verbandes besagt insoweit nur, dass die Leistungsordnung gelten soll, die zum jeweiligen Stichtag Gültigkeit hat. Sie führt aber grundsätzlich nicht dazu, die Veränderungssperre des § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrVG auszuhebeln und zu umgehen. Für den hierzu entscheidenden Fall bedeutet sie vielmehr, dass die Leistungsordnung des Bochumer Verbandes heranzuziehen ist, die zum Stichtag des Ausscheidens des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis Gültigkeit hatte. Auch hiernach verbleibt es demgemäß bei der Geltung der Leistungsordnung vom 22.12.1974 und der daran ausgerichteten Veränderungssperre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht und die Revision für den Kläger zugelassen.

Ende der Entscheidung

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