Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.03.2006
Aktenzeichen: 5 Sa 1634/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 284
BGB § 286
BGB § 426 a. F.
1) Steuernachzahlungen, die eine Arbeitnehmerin deshalb leisten muss, weil sich der Arbeitgeber in Zahlungsverzug befand und Vergütungszahlungen rechtswidrig und schuldhaft verspätet vorgenommen hat, sind vom Arbeitgeber im Wege des Schadensersatzes zu erstatten.

2) Wird die Arbeitnehmerin mit ihrem Mann gemeinschaftlich veranlagt, kann ein Steuerschaden bei ihr nur anteilig (hier: zur Hälfte) entstehen.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 1634/05

Verkündet am 02. März 2006

In Sachen

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 02.03.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Göttling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Faber und den ehrenamtlichen Richter Dannemann

für Recht erkannt:

Tenor:

1) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.11.2005 - 11 Ca 2890/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob und in welchem Umfang die Beklagte verpflichtet ist, einen bei der Klägerin entstandenen Steuerschaden zu ersetzen, der aus Anlass einer verspäteten Vergütungszahlung entstanden ist.

Die am 30.01.1970 geborene, verheiratete Klägerin war bis zum 28.02.2002 bei der Beklagten als Reinigungskraft geringfügig beschäftigt. Ihre Monatsvergütung betrug zuletzt 322,11 €.

Die Beklagte sprach unter dem 28.09.2001 gegenüber der Klägerin eine Änderungskündigung zum 30.09.2001 aus, die sie in einen nachfolgenden Kündigungsschutzprozess wieder zurücknahm. Nachdem sie in der Folgezeit die Vergütung der Klägerin für den Zeitraum ab Oktober 2001 zunächst nicht gezahlt hatte, wurde sie vom Arbeitsgericht Düsseldorf in einem von der Klägerin angestrengten Zahlungsprozess zur Nachzahlung der noch offenen Gehälter bis einschließlich Februar 2002 verurteilt. Die Beklagte kam dem im September 2002 nach und führte anlässlich der Zahlung insgesamt 384,12 € Steuern an das zuständige Finanzamt ab.

Für das Jahr 2002 gaben die Klägerin und ihr Ehemann am 16.12.2003 eine Steuererklärung ab. Mit Steuerbescheid vom 11.02.2005 stellte das zuständige Finanzamt eine Nachzahlungsverpflichtung in Höhe von 561,88 € fest. Die Nachzahlungspflicht beruhte zum einen auf der verspäteten Nachzahlung der Vergütung, zum anderen ergab sie sich aus der Tatsache, dass die Klägerin im Anschluss an das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten im Rahmen einer weiteren geringfügigen Beschäftigung Arbeitsentgelt erhielt, das wegen der Nachzahlung steuerpflichtig wurde. Die Klägerin ließ in der Folgezeit durch eine Unternehmensberatung Vergleichsberechnungen durchführen, für die sie ein Honorar in Höhe von 116,-- € aufwendete.

Mit Schreiben vom 17.03.2005 bzw. 15.06.2005 forderte die Klägerin die Beklagte zur Erstattung der gezahlten Steuern und des aufgewendeten Honorars auf. Dem kam die Beklagte nicht nach.

Mit ihrer am 27.04.2005 beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und die Auffassung vertreten, dass die Beklagte zum Ersatz des eingetretenen Schadens verpflichtet wäre. Sie hat einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.080,-- € als Schaden errechnet (vgl. hierzu Bl. 99 d. A.) und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 591,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2005 und 488,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 26.06.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich im Wesentlichen auf Verjährung berufen und hat darüber hinaus die Auffassung vertreten, dass das den Schaden verursachende steuerrechtliche Zuflussprinzip verfassungswidrig sei.

Mit Urteil vom 10.11.2005 hat die 11. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf - 11 Ca 2890/05 - die Beklagte zur Zahlung von 598,-- € verurteilt, im Übrigen die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.

In den Entscheidungsgründen, auf die ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Beklagte sei grundsätzlich verpflichtet, den eingetretenen Steuerschaden zu ersetzen, weil sie ihren Zahlungspflichten nicht pünktlich nachgekommen wäre. Allerdings sei der Schadensbetrag auf 482,-- € zu ersetzen, weil die Steuerlast der Klägerin und ihres Ehegatten zwar insgesamt um 964,-- € geringfügiger ausgefallen wäre, hätte sich die Beklagte vertragsgetreu verhalten. Hierfür habe die Beklagte aber nur zur Hälfte einzustehen, weil der Gesamtschaden letztlich durch die gemeinsame Veranlagung der Klägerin mit ihrem Ehemann entstanden sei. Hätte sie eine getrennte Veranlagung durchgeführt, so wäre ihr überhaupt kein steuerlicher Schaden entstanden, weil auch angesichts der Nachzahlung das Existenzminimum nicht überschritten worden wäre.

Das Arbeitsgericht hat weiter ausgeführt, in entsprechender Anwendung des § 426 Abs. 1 BGB sei bei der Aufteilung der Steuerlasten zu Gunsten der Klägerin von einer Verpflichtung der Ehegatten zu gleichen Teilen auszugehen. Schließlich scheide auch eine Haftung der Beklagten gegenüber dem Ehemann der Klägerin aus, weil es insoweit an vertraglichen Beziehungen gefehlt hätte.

Allerdings sei die Beklagte letztlich auch verpflichtet, das aufgewendete Honorar für die Ermittlung des Steuerschadens zu übernehmen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 12.12.2005 zugestellte Urteil mit einem am 27.12.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Sie wiederholt im Wesentlichen ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und meint, eine steuerlich zulässige gemeinschaftliche Veranlagung könne nicht arbeitsrechtlich ins Gegenteil verkehrt werden, zumal dies auch einen Verstoß gegen Art. 6 GG darstelle.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 10.11.2005 - 11 Ca 2890/05 - wird abgeändert. Es wird nach den Schlussanträgen I. Instanz erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 Satz 1 ArbGG), wegen der ausdrücklichen Zulassung im arbeitsgerichtlichen Urteil auch zulässig (§ 64 Abs. 2 a ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel indessen keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder aus dem Gesichtspunkt des Zahlungsverzuges gemäß §§ 284, 286 BGB a. F. noch aus anderen Rechtsgrundsätzen einen Anspruch auf die von ihr begehrte Schadensersatzleistung.

1. Das Arbeitsgericht hat im erstinstanzlichen Urteil mit zutreffenden Erwägungen und überzeugender Begründung dargestellt, dass der eingetretene Steuerschaden nur zur Hälfte zu Gunsten der Klägerin entstanden und von ihr geltend gemacht werden kann. Das Arbeitsgericht hat sich hierzu vor allem auf § 426 BGB berufen und auch insoweit zutreffend erklärt, dass die durch das Verhalten der Beklagten um 964,-- € erhöhte Steuerlast sich daher nur zu 482,--€ als Schaden der Klägerin darstellt. Dem schließt sich die erkennende Berufungskammer in vollem Umfang an und verzichtet zur Vermeidung von Wiederholungen auf eine erneute Darstellung der Entscheidungsgründe, § 69 Abs. 2 ArbGG.

2. Lediglich zur Ergänzung und bei gleichzeitiger Würdigung des Vorbringens der Klägerin im Berufungsrechtszug weist die erkennende Berufungskammer noch auf folgendes hin:

2.1 Der von der Klägerin angenommene Verstoß gegen Art. 6 GG liegt nicht vor. Sie hat zwar, worauf sie zu Recht verweist, eine steuerlich zulässige gemeinschaftliche Veranlagung zusammen mit ihrem Ehegatten gewählt. Im Rahmen dieses Ehegattensplittings haben beide Ehepartner die sich daraus ergebenden Vorteile in Anspruch genommen. Sie sind dann aber genauso verpflichtet, die steuerlichen Nachteile zu tragen, die sich aus der Wahl der gemeinschaftlichen Veranlagung ergeben können. Dies stellt keinen unzulässigen Eingriff in den durch Art. 6 Abs. 1 GG festgeschriebenen Schutz von Ehe und Familie.

2.2 Schließlich kann die Klägerin auch nicht damit gehört werden, dass die weitergehenden Schadensersatzansprüche ihres Ehemannes aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte abzuleiten wäre. Nach ständiger Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofs wird ein Dritter nur dann in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrages bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll und den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt ist wie der Gläubiger selbst oder die Umstände des Einzelfalles ansonsten konkrete Anhaltspunkte für den Parteiwillen ergeben, dem Schutz- und Sicherheitsbedürfnis des Dritten Rechnung zu tragen (BGH, Urteil vom 24.01.2006 - XI ZR 384/03 - DB 2006, 607, m. w. N.). Es ist zum einen nicht ersichtlich, auf welche Art und Weise der Ehemann der Klägerin mit der Hauptleistung aus dem Arbeitsvertrag zwischen den Parteien in Berührung kommen sollte. Darüber hinaus sind auch keine sonstigen konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, wonach die Arbeitsvertragsparteien beabsichtigt haben könnten, mit ihrem Arbeitsvertrag auch dem Schutz- und Sicherheitsbedürfnis des Ehemannes Rechnung zu tragen. Eine derartige Absicht oder ein derartiger Wille dürfte regelmäßig schon deshalb nicht bestehen, weil der Arbeitgeberin und damit auch der Beklagten die gemeinschaftliche Veranlagung der Klägerin und ihres Ehemannes kaum bekannt sein dürfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG bejaht und die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück