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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.05.2000
Aktenzeichen: 5 Sa 418/00
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 208
InsO § 209
InsO § 210
Hat der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO angezeigt, ist eine gegen ihn gerichtete Leistungsklage wegen einer Masseverbindlichkeit i. S. des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig, da ein Rechtschutzbedürfnis für eine derartige Klage aufgrund des Vollstreckungsverbots in § 210 InsO nicht gegeben ist.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 5 Sa 418/00

Verkündet am: 25.05.2000

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Göttling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Horst und den ehrenamtlichen Richter Günnewig für Recht erkannt:

Tenor:

1) Die Berufung des Klägers gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 01.02.2000 - 6 Ca 4999/99 - wird

kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, an den Kläger rückständige Arbeitsvergütung zu zahlen.

Der am 24.08.1945 geborene Kläger war seit dem 28.07.1971 bei der Firma Bauunternehmung L.o GmbH, der späteren Gemeinschuldnerin, als Kraftfahrer beschäftigt.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 01.07.1999 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte als Insolvenzverwalter bestellt.

Dieser zeigte dem Amtsgericht Wuppertal mit Schreiben vom 11.08.1999 die Masseunzulänglichkeit an und übermittelte dem Gericht die Liste der Massegläubiger, unter denen sich auch der Kläger befindet.

Nach vorheriger Zustimmung der Hauptfürsorgestelle kündigte der Beklagte alsdann das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis am 28.10.1999 zum 31.01.2000.

Hiergegen hat sich der Kläger mit einer am 16.11.1999 beim Arbeitsgericht Wuppertal anhängig gemachten Klage gewendet und darüber hinaus die Zahlung seiner Gehälter für die Monate Juli bis Dezember 1999 sowie anteiliges Weihnachtsgeld geltend gemacht.

Er hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses zum 31.01.2000 durch die Beklagten mit Schreiben vom 28.10.1999, zugegangen am 29.10.1999, rechtsunwirksam und das Arbeitsverhältnis durch sie zum 31.01.2000 nicht aufgelöst worden ist; 2. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 31.01.2000 hinaus zu unveränderten Bedingungen auf seinem Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen; 3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 31.101,86 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 15.12.1999 abzüglich auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von DM 11.509,20 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat hinsichtlich der Zahlungsklage auf die angezeigte Masseunzulänglichkeit verwiesen und gemeint, dass die gleichwohl erhobene Leistungsklage unzulässig wäre.

Mit Teilurteil vom 01.02.2000 hat die 6. Kammer des Arbeitsgerichts Wuppertal - 6 Ca 4999/99 - die Zahlungsklage als unzulässig abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, wegen der unstreitigen Masseunzulänglichkeit könne das vom Kläger begehrte Leistungsurteil nicht ergehen; ein etwaiger Anspruch sei lediglich im Rahmen eines Feststellungsurteils zu tenorieren.

Der Kläger hat gegen das ihm am 24.02.2000 zugestellte Teilurteil mit einem am 21.03.2000 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 11.04.2000 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er meint, dass die angezeigte Masseunzulänglichkeit die Erhebung einer Leistungsklage nicht verbiete, weil § 210 InsO nur ein Vollstreckungsverbot beinhalte. Dann aber müsse es, ähnlich wie bei § 888 Abs. 2 ZPO, möglich sein, jedenfalls einen Vollstreckungstitel durch Leistungsklage zu erwirken.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Teilurteils des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 01.02.2000 den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger DM 31.101,86 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit Zustellung der Klageerweiterung abzüglich auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von DM 11.509,20 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt im Wesentlichen seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).

II.

In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel indessen keinen Erfolg. Die vom Kläger erhobene Leistungsklage ist wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses gemäß § 253 Abs. 1 ZPO unzulässig. Der Leistungsklage steht das Vollstreckungsverbot nach § 210 InsO entgegen.

1. Nach der vorgenannten Norm ist die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig, sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat. Hieraus folgert die herrschende Meinung in der Literatur, teilweise unter Verweis auf die Rechtsprechung zum alten § 60 KO, dass dann bereits die Erhebung einer Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter unzulässig sei. Im Falle der angezeigten Masseunzulänglichkeit bliebe dem klagenden Arbeitnehmer allein die Möglichkeit, die Frage der Berechtigung seiner Forderung im Rahmen einer Feststellungsklage geltend zu machen (Berscheid, Arbeitsverhältnisse in der Insolvenz, Rz. 777; Nerlich, Römermann, Insolvenzordnung, § 209, Rz. 18; Kübler/Prütting, Insolvenzordnung, § 210, Rnr. 7; Pape, KTS 1995, 189 ff.; a. A.: Runkel/Schnurbusch, Rechtsfolgen der Masseunzulänglichkeit, NZI 2000, 52 ff.). Die erkennende Kammer schließt sich der herrschenden Meinung in der Literatur an. Die zivil- und arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hatte bereits unter dem Geltungsbereich des § 60 KO angenommen, dass die angezeigte Masseunzulänglichkeit des Konkursverwalters nicht nur zu einem Vollstreckungsverbot führte; darüber hinaus war einhellige Meinung, dass eine entsprechende Leistungsklage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig bezeichnet werden musste (LAG Köln, Urteil vom 13.08.1984, KTS 1985, 563; Arbeitsgericht Paderborn, Urteil vom 18.04.1996, ZIP 1996, 1098; LG Mannheim, Urteil vom 10.02.1978, KTS 1979, 129). Wenn der Gesetzgeber mit der Neueinführung des § 210 InsO das Vollstreckungsverbot nunmehr gesetzlich festgeschrieben hat, so belegt dies die Rechtsauffassung der herrschenden Meinung, dass damit an Rechtsprechung und Literatur zum alten § 60 KO angeknüpft werden sollte.

2. Demgegenüber erscheinen die Einwände des Klägers, der sich vornehmlich auf die Rechtsauffassung von Runkel/Schnurbusch (a. a. O.) stützt, nicht überzeugend.

2.1 Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass nach dem Wortlaut des § 210 InsO in der Tat nur von einem gesetzlichen Vollstreckungsverbot die Rede ist. Bereits oben ist ausgeführt worden, dass dem Gesetzgeber darüber hinaus die Rechtsprechung der Zivil- und Arbeitsgerichte bekannt war, wonach dieses Vollstreckungsverbot zur Unzulässigkeit einer entsprechenden Leistungsklage führt, weil dieser das Rechtsschutzbedürfnis aberkannt werden muss. Hieraus folgt, dass der Gesetzgeber keinesfalls nur ein Vollstreckungsverbot installieren wollte; darüber hinaus spricht viel dafür, dass er die mehrmals aufgezeigten Rechtsfolgen für das Erkenntnisverfahren gleichermaßen billigte.

2.2 Praktische Erwägungen stehen dieser Rechtsauffassung, wie vom Kläger befürchtet, nicht entgegen. Die Arbeitnehmer, die gegen den Insolvenzverwalter Ansprüche als Massegläubiger geltend machen, haben die Möglichkeit, im Rahmen einer Feststellungsklage prüfen zu lassen, ob ihre Ansprüche bestehen. Ergeht ein entsprechendes Feststellungsurteil, so ist regelmäßig davon auszugehen, das diese - gegebenenfalls entsprechend einer vom Insolvenzverwalter festzulegenden Quote - von diesem auch befriedigt werden (vgl. hierzu: BAG, Urteil vom 31.01.1979, KTS 1979, 305).

2.3 Schließlich kann dem Kläger auch in seiner Überlegung nicht gefolgt werden, wonach das Vollstreckungsverbot des § 888 Abs. 2 ZPO und seine Handhabung in der Praxis entsprechend heranzuziehen seien.

Es ist zwar richtig, dass die herrschende Meinung im Falle so genannter unvertretbarer Handlungen eine Leistungsklage trotz entgegenstehendem Vollstreckungsverbots im Rahmen des § 888 ZPO für zulässig hält. Indessen regelt § 210 InsO einen Sachverhalt, der mit dem des § 888 ZPO nicht vergleichbar ist.

Während im Falle des § 888 ZPO klar und bestimmt ist, welche Handlung vom Schuldner erwartet wird, so dass eine entsprechende Verurteilung ergehen kann, trifft dies bei angezeigter Masseunzulänglichkeit im Rahmen des § 210 InsO gerade nicht zu. Der Insolvenzverwalter wird regelmäßig - so auch im vorliegenden Verfahren - nicht abschätzen können, ob und vor allem in welcher Höhe Vergütungsansprüche klagender Arbeitnehmer erfüllt werden können. Würde man nun jeden Massegläubiger für berechtigt halten, den Insolvenzverwalter mittels Leistungsklage in voller Höhe in Anspruch zu nehmen, so würden die Gerichte gehalten sein, entsprechende Leistungsurteile ohne Rücksicht auf ihre tatsächliche Durchsetzbarkeit zu erlassen. Dies kann nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht Sinn und Zweck der §§ 208 ff. InsO sein, wenn und soweit die Masseunzulänglichkeit angezeigt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht und die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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