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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.08.2007
Aktenzeichen: 5 Sa 682/07
Rechtsgebiete: TVöD BT-B, TzBfG


Vorschriften:

TVöD BT-B § 7
TVöD BT-B § 8
TVöD BT-B § 24
TzBfG § 4
Stichwort: Schichtarbeit, Schichtzulage im öffentlichen Dienst, Teilzeitkräfte, Gleichbehandlung
1) Leisten Teilzeitkräfte ständige Schichtarbeit i. S. v. § 7 Abs. 2 TVöD BT-B, so steht ihnen die volle Schichtzulage nach § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD BT-B zu.

2) Eine Kürzung der Zulage stellt eine unzulässige Ungleichbehandlung dar und verstößt gegen § 4 Abs. 1 TzBfG.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 682/07

Verkündet am 02. August 2007

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 02.08.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Göttling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Vossen und die ehrenamtliche Richterin Kramarczyk

für Recht erkannt:

Tenor:

1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 23.02.2007 - 4 Ca 4296/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Die Parteien streiten über die Frage, ob der teilzeitbeschäftigten Klägerin eine volle Schichtzulage gemäß § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD BT-B zusteht.

Die am 20.03.1958 geborene Klägerin ist aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 18.10.1989 seit dem 16.10.1989 als Altenpflegerin bei der Beklagten, die ein Alten- und Altenpflegeheim in Wuppertal betreibt, beschäftigt. Sie arbeitet seit dem 12.04.2005 in Teilzeit mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 30 Stunden. Die Bruttomonatsvergütung der Klägerin beträgt zurzeit 2.319,68 €.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterlag zunächst dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT), der in § 33 a folgende Regelung zur Schichtarbeit vorsah:

§ 33 a BAT

(1) Der Angestellte, der ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt ist, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten (§ 15 Abs. 8 Unterabschnitt 6 Satz 2 BAT) vorsieht, und der dabei in je fünf Wochen durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in den dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschichten leistet, erhält eine Wechselschichtzulage von 102,26 € monatlich.

(2) Der Angestellte, der ständig Schichtarbeit (§ 15 Abs. 8 Unterabschnitt 7 BAT) zu leisten hat, erhält eine Schichtzulage, wenn

a) er nur deshalb die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht erfüllt,

aa) weil nach dem Schichtplan eine Unterbrechung der Arbeit am Wochenende von höchstens 48 Stunden vorgesehen ist, oder

bb) weil er durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht nur in sieben Wochen leistet,

b) die Schichtarbeit innerhalb einer Zeitspanne von mindestens

aa) 18 Stunden

bb) 13 Stunden geleistet wird.

Seit dem 01.10.2005 findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der "Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes - Besonderer Teil Pflege- und Betreuungseinrichtungen" (im Folgenden: TVöD BT-B genannt) in der Fassung vom 24.11.2005 Anwendung. Dieser regelt die Schichtarbeit, soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Relevanz, wie folgt:

§ 7 TVöD

...

(2) Schichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel des Beginns der täglichen Arbeitszeit um mindestens zwei Stunden in Zeitabständen von längstens einem Monat vorsieht, und die innerhalb einer Zeitspanne von 13 Stunden geleistet wird.

§ 8 TVöD

...

(6) Beschäftigte, die ständige Schichtarbeit leisten, erhalten eine Schichtzulage von 40 € monatlich. Beschäftigte, die nicht ständige Schichtarbeit leisten, erhalten eine Schichtzulage von 0,24 € pro Stunde.

§ 24 TVöD

...

(2) Soweit tarifvertraglich nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist, erhalten Teilzeitbeschäftigte das Tabellenentgelt (§ 15) und alle sonstigen Entgeltbestandteile in dem Umfang, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht.

Die Klägerin leistete in der Vergangenheit ständig Schichtarbeit im Sinne des § 7 Abs. 2 TVöD BT-B und erhielt bis zum Mai 2006 die volle Schichtzulage in Höhe von 40,-- € brutto pro Monat nach § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD BT-B.

Seit dem 01.06.2006 zahlte die Beklagte die Schichtzulage nur noch anteilig entsprechend der Wochenarbeitszeit der Klägerin in Höhe von 31,17 € brutto. Darüber hinaus behielt die Beklagte für die Vergangenheit die aus ihrer Sicht zu Unrecht gezahlten Zulagenbeträge ein, insgesamt 141,28 € brutto.

Unter dem 06.10.2006 forderte die Klägerin die Beklagte zur Auszahlung des einbehaltenen Betrags auf. Dies lehnte diese mit Schreiben vom 07.11.2006 endgültig ab.

Mit ihrer am 29.12.2006 beim Arbeitsgericht Wuppertal anhängig gemachten Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass sie auch nach Einführung des TVöD BT-B Anspruch auf Zahlung der vollen Schichtzulage hätte.

Die Klägerin hat hierzu die Auffassung vertreten, dass eine nur anteilige Berücksichtigung bei der Zahlung der Schichtzulage nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 6 allein davon abhängig sei, ob es sich bei dieser Zulage um einen Vergütungsbestandteil handelt oder ob eine besondere Erschwernis abgegolten werden soll. Genau dies sei mit der streitbefangenen Schichtzulage beabsichtigt, mit der dem Erschwernis Rechnung getragen würde, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einem regelmäßigen Wechsel des Beginns der täglichen Arbeitszeit ausgesetzt würden. Dann aber seien Teilzeit- und Vollzeitmitarbeiter gleichermaßen betroffen; eine anteilige Kürzung komme nicht in Betracht.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 141,28 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.07.2006 aus 114,79 € brutto sowie aus weiteren 26,49 € seit dem 01.02.2007 zu zahlen.

2. es wird festgestellt, dass die Klägerin seit dem 01.02.2007 Anspruch auf volle Zahlung der Schichtzulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD hat, sofern sie in den jeweiligen Monaten ständige Schichtarbeit im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD leistet.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Rechtsauffassung vertreten, dass nach der Neufassung der Schichtarbeit in §§ 7, 8 TVöD BT-B die hier strittigen Zulagen Vergütungsbestandteile darstellten, die mit Rücksicht auf die Besonderheiten der Arbeit - ständige Schichtarbeit - gezahlt würden. Dann aber seien diese Entgeltbestandteile gemäß § 24 Abs. 2 TVöD BT-B anteilig zu kürzen. Eine derartige Interpretation und Handhabung verstieße auch nicht gegen § 4 Abs. 1 TzBfG, weil sie durch sachliche Gründe gerechtfertigt wäre. Teilzeitbeschäftigte würden nämlich durch Schichtarbeit weniger stark belastet als vollzeitbeschäftigte Mitarbeiter.

Mit Urteil vom 23.02.2007 hat die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Wuppertal - 4 Ca 4296/06 - dem Klagebegehren entsprochen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Zahlung der vollen Schichtzulage zu. Der Anspruch folge letztlich aus § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD BT-B, wonach den besonderen Bedingungen der Schichtarbeit Rechnung getragen werde. Dies ergebe sich vor allem daraus, dass nur zwischen ständiger und nicht ständiger Schichtarbeit unterschieden werde.

Demgegenüber, so das Arbeitsgericht weiter, könne sich die Beklagte nicht auf § 24 Abs. 2 TVöD BT-B berufen, weil die dort vorgesehene Kürzungsmöglichkeit wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 TzBfG nichtig sei. Es fehle an einem sachlichen Grund für die Schlechterstellung der teilzeitbeschäftigten gegenüber den vollzeitbeschäftigten Mitarbeitern.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 19.03.2007 zugestellte Urteil mit einem am 18.04.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 16.05.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie wiederholt zunächst ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und verteidigt und vertieft die von ihr vertretene Rechtsauffassung. Die Beklagte trägt vor, die Tarifvertragsparteien hätten in Kenntnis des alten § 33 a BAT und der dazu ergangenen Rechtsprechung eine neue, abweichende Regelung getroffen, wonach die Zahlung der Schichtzulage von dem Grad der mit der Schichtarbeit verbundenen Belastung abhängig gemacht werden sollte. Dann aber sei auch eine ratierliche Kürzung im Sinne des § 24 Abs. 2 TVöD BT-B möglich, der, anders als beim Jubiläumsgeld in § 23 Abs. 2 Satz 2 TVöD BT-B gerade nicht aus dem Anwendungsbereich der Kürzungsnorm herausgenommen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 23.02.2007 - 4 Ca 4296/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug.

Die Klägerin verweist erneut darauf, dass allein der unterschiedliche Umfang der Arbeitszeit kein Sachgrund für die Bevorzugung der Vollzeitbeschäftigten wäre. Andererseits stelle aber die Regelung in § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD BT-B gerade nicht auf Belastungsunterschiede ab, die man als Differenzierungsgrund anerkennen könnte. Unterschieden würde nur danach, ob es sich um ständige oder nicht ständige Schichtarbeit handele. Dann aber käme eine Kürzungsmöglichkeit im Sinne des § 24 TVöD BT-B nicht in Betracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer a ArbGG) sowie formund fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel indessen keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einbehaltener Schichtzulage in Höhe von 141,28 € nebst Zinsen, weil die Voraussetzungen für die Zahlung der vollen Schichtzulage im Sinne von § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD BT-B auch mit Blick auf die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin vorliegen. Hieraus folgt weiterhin, dass dem - unzweifelhaft zulässigen - Feststellungsantrag der Erfolg nicht versagt werden konnte und die Berufung auch insoweit als unbegründet zurückzuweisen war.

1. Die Klägerin erfüllt zunächst die tarifvertraglichen Anforderungen der § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD BT-B. Sie leistet ständige Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 TVöD BT-B. Dieser Sachverhalt ist zwischen den Parteien nicht streitig.

2. Der Beklagten ist es entgegen ihrer Auffassung verwehrt, sich hinsichtlich der vorgenommenen Kürzung der Schichtzulage auf die Teilzeittätigkeit der Klägerin zu berufen. Insbesondere muss die Klägerin keine ratierliche Kürzung der Schichtzulage nach § 24 Abs. 2 TVöD BT-B hinnehmen. Durch die vorgenommene Kürzung der Schichtpauschale nach Maßgabe der eben genannten Norm wird die Klägerin wegen ihrer Teilzeittätigkeit benachteiligt, ohne dass die Beklagte hierfür einen sachlichen Grund vorweisen kann. Es liegt mithin ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG vor.

2.1 Zwar haben grundsätzlich Tarifverträge die Vermutung für sich, dass sie den Interessen beider Seiten gerecht werden und keiner Seite ein unzumutbares Übergewicht vermitteln. Trotz der weitgehenden Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien haben die Gerichte für Arbeitssachen aber Tarifverträge jederzeit daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht verstoßen, auch wenn sie über einen langen Zeitraum unbeanstandet praktiziert wurden. Zum zwingenden Gesetzesrecht gehört unter anderem § 4 Abs. 1 TzBfG. Gemäß § 22 Abs. 1 TzBfG sind von diesem Gesetz abweichende Vereinbarungen außer in den dort genannten Ausnahmen, zu denen § 4 nicht gehört, nur zu Gunsten der Arbeitnehmer möglich (BAG, Urteil vom 24.09.2003 - AP Nr. 4 zu § 4 TzBfG).

2.2 Hiernach wird die Klägerin durch die dargestellte Praxis der Beklagten wegen der Teilzeitarbeit benachteiligt. Eine Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit liegt nämlich immer dann vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen knüpft (BAG, Urteil vom 24.09.2003, a. a. O.; BAG, Urteil vom 26.09.2001 - 10 AZR 714/00 - BAGE 99, 140; BAG, Urteil vom 15.12.1998 - 3 AZR 239/97 - BAGE 90, 303).

Danach führt die Anwendung des § 24 Abs. 2 TVöD BT-B auf die Vergütungsregelung des § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD BT-B zu einer Ungleichbehandlung von teilzeitbeschäftigten gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern gerade wegen ihrer Teilzeitbeschäftigung. Die Beklagte verweigert der Klägerin die Zahlung der beanspruchten Zulage nicht deshalb, weil sie deren Bezugsvoraussetzungen nicht erfüllt, sondern, weil sie im Vergleich zu Vollzeitkräften weniger Stunden arbeitet und daher einer - nach Meinung der Beklagten - geringeren Belastung durch den Schichtbetrieb ausgesetzt ist als Vollzeitkräfte.

3. Diese Benachteiligung ist durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigt und damit rechtsunwirksam.

3.1 Eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeitkräften kann nur gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt (BAG, Urteil vom 24.09.2003, a. a. O.; BAG, Urteil vom 26.09.2002, a. a. O.). Allein der unterschiedliche zeitliche Umfang der Arbeitsleistung ist dabei gerade kein Sachgesichtspunkt, der eine Benachteiligung der betroffenen Teilzeitmitarbeiter rechtfertigen könnte (BAG, Urteil vom 23.06.1993 - 10 AZR 127/92 - AP Nr. 1 zu § 34 BAT). Entgegen der Auffassung der Beklagten kann danach vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass sich die in § 24 Abs. 2 TVöD BT-B vorgesehene Kürzungsmöglichkeit an einer weniger starken Belastung der Teilzeitkräfte orientiert, die Schichtarbeit leisten. Ein derartiges Unterscheidungskriterium findet sich in § 8 Abs. 6 TVöD BT-B gerade nicht wieder.

3.2 Dies folgt aus einer umfassenden Auslegung der hier in Streit stehenden Tarifnormen.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regelungen. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. zuletzt: Urteil vom 23.05.2007 - 10 AZR 323/06 - n. v., m. w. N.).

3.2.1 Der Wortlaut des § 8 Abs. 6 TVöD BT-B ergibt hiernach keine hinreichenden Anhaltspunkte für die eine oder andere Auslegung. Immerhin ist festzuhalten, dass in der Tarifnorm keine Unterscheidung nach Teilzeit- und Vollzeittätigkeit erfolgt. Die Tarifvertragsparteien haben als Differenzierungskriterium nur die Tatsache der "ständigen" oder "nicht ständigen" Schichtarbeit herangezogen und insoweit zusätzlich auf § 7 Abs. 2 TVöD BT-B hingewiesen.

3.2.2 Aus der Systematik, in der sich § 8 Abs. 6 TVöD BT-B befindet, und aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang folgt indessen nach Auffassung der erkennenden Kammer, dass § 8 Abs. 6 TVöD BT-B gerade nicht an einer unterschiedlichen Beanspruchung von Teilzeit- und Vollzeitkräften anknüpft. Ausschlaggebend und entscheidend soll nur sein, ob es sich um "ständige" oder "nicht ständige" Schichtarbeit handelt. Nach § 8 Abs. 6 Satz 2 TVöD BT-B erhalten Beschäftigte, die nicht ständig Schichtarbeit leisten, keine Zulagenpauschale, sondern eine Schichtzulage von 0,24 € pro geleisteter Stunde in Schichtarbeit. Diese am tatsächlichen Einsatz im Schichtdienst orientierte Vorschrift gilt indessen nur für Arbeitnehmer, die nicht ständig, sondern nur vertretungsweise im Schichtdienst eingesetzt und damit nicht gerade dauerhaft den Belastungen des Schichtdienstes ausgesetzt sind. Eine Übertragbarkeit auf Teilzeitbeschäftigte, die ständig im Schichtdienst arbeiten, verbietet sich. Die Differenzierung zwischen dem Einsatz in ständiger und nicht ständiger Schichtarbeiter soll vielmehr nur gewährleisten, dass nur solche Arbeitnehmer in den Genuss der Zulagenpauschale gelangen, die regelmäßig in Schichtarbeit eingesetzt und den damit einhergehenden Belastungen deshalb permanent unterfallen. Demgegenüber erhalten diejenigen Arbeitnehmer, die nur vorübergehend oder vertretungsweise Schichtarbeit leisten, nur eine stundenweise bezahlte Schichtzulage für ihren zeitweiligen Einsatz im Schichtdienst. Dieser Arbeitnehmer sind demgemäß gerade nicht dauerhaft den Belastungen des Schichtdienstes ausgesetzt und rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung (so ausdrücklich: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.03.2007 - 5 Sa 557/06 - noch nicht veröffentlicht; a. A. LAG Hamm, Urteil vom 10.05.2007 - 17 Sa 1890/06 - noch nicht veröffentlicht, beide jeweils mit weiteren Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung).

Die dargestellte Rechtsauffassung wird unterstrichen durch § 27 TVöD BT-B. Auch in der dort statuierten Regelung des Zusatzurlaubs unterscheiden die Tarifvertragsparteien nicht zwischen Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten und gewähren - nur orientiert an der ständigen Schichtarbeit - Zusatzurlaubstage für die betroffenen Mitarbeiter.

Dass dem gegenüber in § 23 TVöD BT-B eine ausdrückliche Regelung für die volle Zahlung von Urlaubsgeld gegenüber Teilzeitbeschäftigten aufgenommen worden ist, vermag das bisher gefundene Ergebnis nicht zu verändern. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass § 23 TVöD BT-B völlig andere Zahlungen regelt, die sich mit der hier zu diskutierenden Schichtzulage nur sehr schwer vergleichen lassen. Dann aber verbietet sich ein Rückschluss von der dortigen Regelung auf die hier zu behandelnde Problematik.

Ein weiterer Anhaltspunkt für die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung folgt schließlich aus § 24 TVöD BT-B selbst. Die zuletzt genannte Vorschrift weist schon in der Überschrift mit dem Hinweis auf die "Berechnung und Auszahlung des Entgelts" darauf hin, dass hier in der Tat eine Regelung beabsichtigt war, die sich ausschließlich auf Entgeltbestandteile nach dem Tarifvertrag beziehen sollte. § 24 TVöD BT-B verweist damit inzidenter auf die Entgeltbestandteile, die in §§ 15 ff. TVöD BT-B aufgeführt sind. In den zuletzt genannten Vorschriften finden sich aber keine Regelungen zur Schichtzulage. Dies wiederum lässt den Schluss zu, dass es sich dann aber auch nicht um einen allgemeinen Vergütungsbestandteil handeln sollte, der an die besonderen Belastungen anknüpft, unter denen die Schichtarbeit zu leisten ist. Auch dies belegt letztlich, dass es dann nur auf die Unterscheidung zwischen "ständiger" und "nicht ständiger" Schichtarbeit ankommen kann und ankommen sollte.

3.2.3 Die Entstehungsgeschichte der Tarifnorm führt zu keinem anderen als dem bisher gefundenen Ergebnis.

Die Beklagte verweist zwar in diesem Zusammenhang zu Recht darauf, dass die Tarifvertragsparteien bei der Neuregelung der Materie im TVöD BT-B auf das Kriterium der Ableistung einer bestimmten Anzahl von Nachtarbeit innerhalb einer bestimmten Zeitspanne verzichtet haben. Damit haben sie eine Änderung des vormals geltenden § 33 a BAT vorgenommen, ohne dass dies indessen zu einer Änderung der rechtlichen Sichtweise zu führen hat.

Das Bundesarbeitsgericht hatte in seiner mehrfach zitierten Entscheidung zu § 33 a BAT (Urteil vom 23.06.1993 - 10 AZR 127/92 - a. a. O.) darauf hingewiesen, dass die Tarifvertragsparteien durchaus die Möglichkeit haben, die sich aus den Arbeitsumständen ergebende jeweilige konkrete Belastung zum Maßstab für eine Schicht- oder Wechselschichtzulage zu machen. Derartige sachliche Gründe, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können, müssen allerdings in der Regelung selbst zum Ausdruck kommen. Stellt indessen die tarifliche Regelung auf solche möglichen sachlichen Gründe für eine unterschiedliche Behandlung nicht ab, wird dadurch eine Regelung, die allein auf den Umfang der Arbeitszeit abstellt, nicht wirksam, auch wenn im Einzelfall eine zulässige differenzierende Regelung zum gleichen Ergebnis führen könnte.

Auch der neue § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD BT-B setzt als Anspruchsvoraussetzung nur voraus, dass die betroffenen Arbeitnehmer "ständige Schichtarbeit" leisten. Dies stellt gerade keine Konkretisierung im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dar. Der Umstand, dass auf eine bestimmte Anzahl von Nachtarbeitsstunden innerhalb eines bestimmten Zeitraums verzichtet wird, deutet vielmehr darauf hin, dass ausschließlich die sich aus der Schichtarbeit überhaupt ergebenden Belastungen durch die Zulage vergütet werden sollen. Die Voraussetzungen der Pauschalvergütung sind demnach in § 8 Abs. 6 TVöD BT-B gegenüber der Vorgängertarifnorm noch abstrakter formuliert. Dann aber deutet in der Tat nichts darauf hin, dass die Tarifvertragsparteien auch unter Berücksichtigung der mehrfach genannten BAG-Rechtsprechung gleichwohl eine sachliche Rechtfertigung für die anteilmäßige Reduzierung der Zulagenpauschale bei Teilzeitbeschäftigten gemäß § 74 Abs. 2 TVöD BT-B statuieren wollten (so auch: LAG SchleswigHolstein, Urteil vom 27.03.2007, a. a. O.).

3.2.4 Schließlich führt das hier gefundene Ergebnis auch nicht zu einer Privilegierung der Teilzeitbeschäftigten und damit zu einer unpraktikablen und den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzenden Regelung. Das auch von der Beklagten ins Feld geführte Argument einer Benachteiligung der Vollzeitbeschäftigten könnte nur dann überzeugen, wenn man in der Schichtzulage gemäß § 8 Abs. 6 TVöD BT-B eine ausschließlich leistungsbezogene Zuwendung erkennen würde. Dies ist aber, wie mehrfach aufgezeigt, bei der hier zu diskutierenden Schichtzulage gerade nicht der Fall. Diese soll erkennbar die sich aus der Schichtarbeit ganz allgemein ergebenden Belastungen kompensieren, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Schichtarbeit in Teilzeit oder Vollzeit geleistet wird.

Die Kammer hat das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG bejaht und die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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