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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.08.2001
Aktenzeichen: 5 Sa 732/01
Rechtsgebiete: TVG, RTV Gebäudereiniger-Handwerk


Vorschriften:

TVG § 4 Abs. 5
RTV Gebäudereiniger-Handwerk § 14
RTV Gebäudereiniger-Handwerk § 15
1) Regelt der die Nachwirkung eines Tarifvertrages beendende neue Tarifvertrag einen bestimmten Komplex (hier: Urlaubsgeld und Jahressondervergütung) insgesamt neu, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Regelungen im alten Tarifvertrag nicht weitergelten sollen.

2) Ansprüche der Arbeitnehmer aus dem alten Tarifvertrag bestehen nur noch für den Zeitraum bis zum Inkrafttreten des ablösenden Tarifvertrages.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 732/01

Verkündet am: 09.08.2001

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 09.08.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Göttling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Rodeck und den ehrenamtlichen Richter Meyer

für Recht erkannt:

Tenor:

1) Die Berufung des Klägers wie auch die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 25.04.2001 - 2 Ca 302/01 - werden zurückgewiesen.

2) Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3) Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Urlaubsgeld- und Jahressonderzahlungsansprüche des Klägers aus einem zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnis.

Der Kläger ist seit 1986 bei der Beklagten als Glas- und Gebäudereiniger beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden unter anderem die Bestimmungen des "Rahmentarifvertrages für das Gebäudereiniger-Handwerk vom 22.09.1995 in der Fassung vom 24.04.1996" (RTV-alt), der für allgemeinverbindlich erklärt worden war, Anwendung. Die für den Rechtsstreit bedeutsamen Bestimmungen des RTV-alt lauten:

§ 14 Urlaub

2. Urlaubsentgelt

2.2 Das Urlaubsentgelt kann nach der in Ziffer 1 errechneten Höhe nur dann gefordert und ausgezahlt werden, wenn

a) der/die Beschäftigte seinen/ihren Jahresurlaub tatsächlich antritt,

4. Zusätzliches Urlaubsgeld

4.1 Der/die Beschäftigte hat gegen den Arbeitgeber nach 6-monatiger Betriebszugehörigkeit einen Anspruch auf Zahlung von zusätzlichem Urlaubsgeld. Es beträgt ab dem Urlaubsjahr 1996 DM 30,-je Urlaubstag.

4.2 Das zusätzliche Urlaubsgeld für Teilzeitbeschäftigte beträgt je Urlaubstag ein 1/8 des vollen Tagessatzes mal der regelmäßig geleisteten Arbeitsstunden. Das sind ab 1996 DM 3,75 mal regelmäßig geleistete Arbeitsstunden je Urlaubstag.

4.4 Das zusätzliche Urlaubsgeld kann nur zusammen mit dem Urlaubsentgelt gemäß Nr. 2 beansprucht und gewährt werden.

§ 15 Jahressondervergütung

1. Der/die Beschäftigte hat nach einer 6-monatigen Betriebszugehörigkeit Anspruch auf Zahlung einer Jahressondervergütung durch den Arbeitgeber. Stichtag ist der 30. November, jedoch ab 1996 der 31. Oktober.

2. Die Höhe der Vergütung beträgt 1995 das 60-fache, 1996 das 65-fache, 1997 das 70-fache, 1998 das 75-fache, 1999 das 80-fache des zum Zeitpunkt der Fälligkeit geltenden Tarifstundenlohnes des/der Beschäftigten...

3. Bei Teilzeitbeschäftigten vermindert sich der Anspruch auf die Zahlung der Jahressondervergütung im Verhältnis seiner/ihrer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit zur tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit.

4. Anspruchsberechtigte Beschäftigte bzw. Auszubildende, deren Beschäftigungs- bzw. Ausbildungsverhältnis im Kalenderjahr wegen Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs ruht, erhalten keine Leistungen gemäß Abs. 2 und 3. Ruht dieses Beschäftigungs- bzw. Ausbildungsverhältnis teilweise, so erhalten sie eine anteilige Leistung.

5. Ausscheidende Beschäftigte haben nach Erfüllung der Wartezeit (§15 Ziff. 1) einen Anspruch auf je 1/12 der Jahressondervergütung für jeden angefangenen Monat.

7. Jahressondervergütung ist mit dem Lohn für den Monat November, jedoch ab 1996 für den Monat Oktober, auszuzahlen und in der Lohnabrechnung für die/den Beschäftigten gesondert auszuweisen. Im Falle der Ziff. 5 ist die Zahlung mit der letzten Lohnabrechnung fällig. Der Bundesinnungsverband kündigte den RTV-alt fristgemäß zum 30.04.2000.

In den nachfolgenden Verhandlungen einigten sich die Tarifvertragsparteien am 16.08.2000 auf einen neuen Rahmentarifvertrag (RTV-neu), der zum 01.09.2000 in Kraft trat und am 08.12.2000 rückwirkend zum 01.09.2000 für allgemeinverbindlich erklärt wurde. § 15 RTV-neu regelt die Jahressonderzah-lung wie folgt:

Arbeitnehmer/innen sowie Auszubildende, deren Arbeitsverhältnis bzw. Ausbildungsverhältnis am 01. Januar 2001 mindestens 6 Monate bestand, haben Anspruch auff eine Jahressonderzahlung von 25 % im Jahr 2001 45 % im Jahr 2002 65 % im Jahr 2003 85 % im Jahr 2004 des im April des Kalenderjahres vereinbarten tariflichen Monatsentgelts auf Grundlage der geltenden Tarifsätze der jeweiligen Entgeltgruppen ...

Die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes ist im RTV-neu nicht mehr vorgesehen.

Mit Schreiben vom 18.12.2000 machte der spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten die Zahlung von Urlaubsgeld in Höhe von DM 450,- brutto und eine Jahressonderzahlung in Höhe von DM 1.857,25 brutto geltend. Dem kam die Beklagte nicht nach.

Mit seiner am 26.01.2001 beim Arbeitsgericht Krefeld anhängig gemachten Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat die Auffassung vertreten, dass der RTV-alt im Jahre 2000 kraft Nachwirkung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien eingewirkt hätte. Hieraus ergebe sich, dass die Beklagte zur vollständigen Zahlung der streitbefangenen Vergütungsbestandteile verpflichtet wäre.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.307,25 DM brutto nebst 8,42 % Zinsen seit dem 01.01.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass sich eine Verpflichtung zur Urlaubsgeldzahlung zwar grundsätzlich aus dem RTV-alt ergeben könnte, da dieser bis zum 31.08.2000 nachgewirkt hätte. Indessen sei die Urlaubsgeldzahlung mit dem Anspruch auf Urlaubsentgelt verknüpft gewesen. Hierzu habe der Kläger nichts vorgetragen.

Eine Jahressonderzahlung könne der Kläger in keinem Falle beanspruchen, weil diese im RTV-neu für das Jahr 2000 gerade nicht vorgesehen sei. Auch aus dem RTV-alt sei ein derartiger Anspruch nicht abzuleiten, weil nach dessen § 15 der Anspruch erst am 31.10.2000 hätte entstehen können. Zu diesem Zeitpunkt aber sei der RTV-alt nicht mehr in Kraft gewesen.

Mit Urteil vom 25.04.2001 hat die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Krefeld - 2 Ca 302/01 - die Beklagte zur Zahlung von DM 1.238,71 brutto verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der RTV-alt habe gemäß § 4 Abs. 5 TVG bis zum 31.08.2000 nachgewirkt. Hieraus folge, dass der Kläger grundsätzlich auch noch Urlaubsgeld nach § 14 RTV-alt geltend machen könne. Allerdings habe er dies nur zusammen mit dem Urlaubsentgelt beanspruchen können, was einen tatsächlichen Urlaubsantritt bis zum 31.08.2000 erforderlich gemacht hätte. Hierzu habe der Kläger nichts vorgetragen.

Jahressonderzahlung, so das Arbeitsgericht weiter, könne der Kläger demgegenüber anteilig bis zum 31.08.2000 beanspruchen, und zwar auf Basis des § 15 Abs. 1 RTV-alt. Die Jahressonderzahlung stelle sich nämlich als Leistung mit Entgeltcharakter dar, die nicht erst am 31.10.2000 entstanden sei. Demgemäß sei der bis zum 31.08.2000 erdiente Anteil der Jahressondervergütung an den Kläger auszuzahlen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 09.05.2001 zugestellte Urteil mit einem am 05.06.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 18.06.2001 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger hat gegen das ihm am 09.05.2001 zugestellte Urteil mit einem am 08.06.2001 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 09.07.2001 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte wiederholt im Wesentlichen ihren Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und unterstreicht erneut, dass der RTV-neu den bis zum 31.08.2000 nachwirkenden RTV-alt vollständig abgelöst hätte. Hieraus folge zunächst, dass eine Jahressonderzahlung für das Jahr 2000, die der RTV-neu selbst nicht vorsehe, nur auf der Grundlage des RTV-alt beansprucht werden könnte. Da ein derartiger Anspruch nach dem Wortlaut des § 15 RTV-alt aber erst mit dem 31.10.2000, also nach Beendigung des RTV-alt, entstanden sei, käme auch eine anteilige Zahlung der Jahressondervergütung nicht mehr in Betracht.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem im ersten Rechtszug zuletzt gestellten Antrag der Beklagten (Berufungsklägerin) zu erkennen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Krefeld vom 25.04.2001 - 2 Ca 302/01 - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.307,25 DM brutto nebst 8,24 % Zinsen seit dem 01.01.2001 zuzahlen.

Auch der Kläger wiederholt im Wesentlichen seinen Sachvortrag aus der ersten Instanz und meint, dass der RTV-alt bis zum 31.12.2000 nachgewirkt hätte. Demgemäß stehe dem Kläger sowohl die volle Jahressonderzahlung wie auch das geltend gemachte Urlaubsgeld zu, zumal er im Jahre 2000 insgesamt 31 Tage Urlaub tatsächlich in Anspruch genommen hätte.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind zulässig.

Sie sind nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).

In der Sache selbst hatten beide Rechtsmittel keinen Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 611 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag und in Verbindung mit § 15 Abs. 1 und 2 RTV-alt einen Anspruch auf Zahlung anteiliger Jahressondervergütung in Höhe von DM 1.238,17 brutto. Demgegenüber steht ihm Urlaubsgeld in Höhe von DM 440,- brutto für das Jahr 2000 nicht zu, weil er die Voraussetzungen zur Zahlung dieses Vergütungsbestandteils gemäß § 14 RTV-alt nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt hat. Dies hat bereits das Arbeitsgericht Krefeld mit umfangreichen und zutreffenden Ausführungen festgestellt, so dass die hiergegen gerichteten Berufungen der Parteien im Ergebnis keinen Erfolg haben konnten.

1. Die Berufungskammer geht zunächst davon aus, dass der RTV-alt über den 30.04.2000 hinaus kraft Nachwirkung weitergalt. Nach Ablauf eines Tarifvertrages gelten seine Rechtsnormen nach § 4 Abs. 5 TVG weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Damit ist zum einen die Aufrechterhaltung der bisherigen Rechte und Pflichten sichergestellt. Die gesetzlich vorgesehene Rückwirkung verhindert demgemäß eine inhaltliche Leere der betroffenen Arbeitsverhältnisse (BAG, Urteil vom 28.05.1997 - 4 AZR 545/95 - AP Nr. 27 zu § 4 TVG Nachwirkung). Dies gilt auch dann, wenn ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag infolge Zeitablaufs oder Kündigung beendet worden ist. Auch in diesem Fall wirkt er auf die Arbeitsverhältnisse nach, und zwar selbst dann, wenn der Arbeitgeber Außenseiter ist und daher nur durch eine Allge-meinverbindlichkeitserklärung tarifgebunden war. Hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation der Nachwirkung besteht nämlich kein Unterschied, ob der Tarifvertrag zuvor aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit gemäß § 3 Abs. 1, §4 Abs. 1 Satz 1 TVG oder aufgrund seiner Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 Abs. 4 TVG gewirkt hat. § 4 Abs. 5 TVG knüpft nämlich allein an den Ablauf des Tarifvertrages an und enthält keine Einschränkung auf Arbeitsverhältnisse mit beiderseitig kraft Organisationszugehörigkeit tarifgebundenen Parteien (BAG, Urteil vom 25.10.2000 - 4 AZR 212/00 - FA 2001, 223; BAG, Urteil vom 27.11.1991 - 4 AZR 211/91 - BAGE 69, Seite 119). Der RTV-alt ist durch den zuständigen Arbeitgeberverband zum 30.04.2000 zwar wirksam gekündigt worden. Über diesen Zeitpunkt hinaus wirkte er indessen gemäß § 4 Abs. 5 TVG auch für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber fort, die nicht kraft Organisationszugehörigkeit an den Tarifvertrag gebunden waren. Hieraus wiederum folgt, dass der RTV-alt auch für die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits weiterhin Rechtswirkungen entfaltete.

2. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers endete diese Nachwirkung mit dem 31.08.2000, weil der RTV-alt mit Wirkung ab dem 01.09.2000 durch den RTV-neu insgesamt abgelöst worden ist.

2.1 Die hier angenommene Nachwirkung endet gemäß § 4 Abs. 5 TVG dann, wenn der bisherige Tarifvertrag durch eine andere Abmachung ersetzt wird. Die Nachwirkung eines alten Tarifvertrages wird durch einen neuen Tarifvertrag dann beendet, wenn dieser konkret auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbar ist. Der neue Tarifvertrag wirkt dann unmittelbar auf den Arbeitsvertrag ein, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezüglich des neuen Tarifvertrages kongruent tarifgebunden sind oder wenn der neue Tarifvertrag allgemeinverbindlich ist. In diesem Fall löst der neue Tarifvertrag den alten nach der so genannten Zeitkollisionsregel ab. Es findet dann auch kein Günstigkeitsver-gleich zwischen ihnen statt (BAG, Urteil vom 28.05.1997, a. a. O., m. w. N.). Hiernach ist davon auszugehen, dass der am 16.08.2000 verabschiedete RTV-neu, der im Übrigen mit Wirkung zum 01.09.2000 auch für allgemeinverbindlich erklärt wurde, den RTV-alt mit der Konsequenz abgelöst hat, dass ab dem 01.09.2000 nur noch die Bestimmungen des RTV-neu gelten. Dies ergibt sich aus einer umfassenden Auslegung insbesondere der Vorschriften des RTV-neu.

2.1.1 Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzu-berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. etwa: BAG, Urteil vom 08.09.1999 - 4 AZR 661/98 - AP Nr. 33 zu § 4 TVG Nachwirkung, m. w. N.).

2.1.2 Wortlaut und Systematik des RTV-neu sprechen schon nahezu zwingend dafür, dass eine vollständige Ablösung des RTV-alt per 01.09.2000 gemeint gewesen ist. Zum einen decken sich nämlich sowohl der Geltungsbereich beider Tarifverträge wie auch die wesentlichen Regelungsinhalte der hier zu beurteilenden Vertragswerke. Die Tarifvertragsparteien haben zudem konkrete, neu formulierte Bestimmungen hinsichtlich der Ansprüche auf Urlaubsgeld und Jah-ressonderzahlung vereinbart. Bereits hieraus wird deutlich, dass sie die Geltung des RTV-alt auf einen Zeitraum bis zum 31.08.2000 beschränken wollten, um ihn dann durch den RTV-neu insgesamt zu ersetzen.

Dem entsprechen Sinn und Zweck des RTV-neu. Nach dem nicht bestrittenen Sachvortrag der Beklagten war es nämlich zu den Tarifvertragsverhandlungen vor allem deshalb gekommen, weil im Bereich des Gebäudereinigerhandwerks zwingend eine Neuregelung der Arbeitsverhältnisse mit geringfügig Beschäftigten geschaffen werden musste. Dann aber spricht gerade dieser Umstand dafür, dass der dann verhandelte und abgeschlossene Tarifvertrag einen umfassenden Ersatz für die bisher geltenden Regelungen darstellen sollte.

Das hier gefundene Auslegungsergebnis erscheint schließlich auch vernünftig, sachgerecht und praktisch brauchbar. Die vollständige Ablösung bisher bestehender Tarifwerke durch zeitlich nachfolgende Tarifbestimmungen bezweckt, die Arbeitsverhältnisse der Tarifunterworfenen auf eine neue Basis zu stellen. Sie können dies nur dann vollständig, wenn ihre Regelungen eindeutig sind und damit Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bieten. Diesem Zweck würden sie vor allen Dingen dann nicht genügen, wenn bestimmte Teile alter Tarifverträge weiterhin Rechtsgültigkeit hätten, während andere Arbeitsbedingungen durch den ablösenden Tarifvertrag geregelt würden. Diese Überlegungen belegen erneut, dass gerade und auch nach dem Willen der Tarifvertragsparteien der RTV-neu den RTV-alt umfassend und insgesamt abgelöst hat.

2.1.3 Für die erkennende Berufungskammer sind demgegenüber keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien - ausnahmsweise -das Ziel verfolgt haben könnten, die Bestimmungen über die Zahlung von Urlaubsgeld und Jahressondervergütung auch über den 31.08.2000 hinaus weiter fortgelten zu lassen.

Das die gesamte Rechtsordnung und damit das Recht der Tarifverträge beherrschende Ablösungsprinzip besagt, dass grundsätzlich ein einen bestimmten Komplex insgesamt neu regelnder Tarifvertrag seinen Vorgänger auch ohne besondere Aufhebungsvereinbarung voll ersetzt. Regelt ein Tarifvertrag einen bestimmten Komplex, der nur Teil eines anderen Tarifvertrages ist, insgesamt neu, wird der entsprechende Teil des früheren Tarifvertrages vollkommen ersetzt und damit außer Kraft gesetzt. Den Tarifvertragsparteien ist es zwar unbenommen, von diesem Ablösungsprinzip abweichende Vereinbarungen zu treffen. Im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bedürfen derartige Abweichungen aber einer besonderen Regelung, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden (BAG, Urteil vom 30.01.1985 - 4 AZR 117/83 - AP Nr. 9 zu § 1 TVG Tarifverträge-Einzelhandel; BAG, Urteil vom 06.11.1985 - 4 AZR 307/84 - n. v.). Eine eindeutige Regelung im RTV-neu, aus der sich eine Weitergeltung der §§ 14, 15 RTV-alt ergeben könnte, fehlt.

Schon nach dem Wortlaut des RTV-neu kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien beabsichtigt haben könnten, die Rechtswirkungen der genannten Normen des RTV-alt bestehen zu lassen. Der RTV-neu enthält nämlich keine Bestimmungen, die dies in irgendeiner Art und Weise zum Ausdruck bringen würden.

Auch der Gesamtzusammenhang, in dem sich § 15 RTV-neu befindet, lässt keine Rückschlüsse auf die vom Kläger vertretene Rechtsauffassung zu, die bisherigen Regelungen der §§ 14,15 RTV-alt sollten weiterhin Bestand haben. In diesem Zusammenhang ist vor allem von Bedeutung, dass die Tarifvertragsparteien das Schicksal zum Beispiel der Jahressonderzahlung sehr wohl im Auge hatten und demgemäß vereinbarten, beginnend mit dem Jahre 2001 eine neue, abgestufte Sonderzahlungsregelung einzuführen. Da ihnen gleichzeitig bewusst war, dass der neue Tarifvertrag bereits am 01.09.2000 in Kraft treten würde, spricht viel dafür, dass sie für die Zeit vom 01.09. bis zum 31.12.2000 eine Regelung treffen wollten, die für diese Zeitspanne keine Sondervergütung vorsah. Dies wird auch dadurch noch verdeutlicht, dass sie bei einigen Regelungstatbeständen, wie etwa bei der Dauer des Jahresurlaubs für Beschäftigte in den neuen Bundesländern, eine ausdrückliche Regelung für das Jahr 2000 festschrieben. Insgesamt kann deshalb aus der Tatsache, dass die Jahressondervergütung für das Jahr 2000 im RTV-neu nicht ausdrücklich geregelt worden ist, nicht der Rückschluss gezogen werden, dass die Regelung in § 15 RTV-alt weiter Bestand haben sollte. Dies gilt gleichermaßen für die Zahlung des Urlaubsgeldes in § 14 RTV-alt. Auch insoweit bestehen nach dem oben Gesagten keine ausreichenden und vor allem eindeutige Regelungen im RTV-neu, die eine Durchbrechung des Ablösungsprinzips im Sinne der dargestellten Rechtsprechung erkennen ließen.

2.2 Zusammenfassend ist nach allem festzuhalten, dass der RTV-alt über den 30.04.2000 hinaus kraft Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG galt. Diese Nachwirkung ist mit dem Inkrafttreten des RTV-neu ab dem 01.09.2000 beendet worden; die Bestimmungen des RTV-alt haben demgemäß ab diesem Zeitpunkt ihre Rechtswirkungen verloren.

3. Hieraus folgt zunächst, dass der Kläger für das Jahr 2000 keinen Anspruch auf Urlaubsgeld für 15 Urlaubstage in Höhe von DM 450,- brutto hat.

3.1 Auch hier hat das Arbeitsgericht zunächst zutreffend erkannt, dass der Anspruch auf Urlaubsgeld gemäß § 14 Ziffer 4.4 RTV alt nur zusammen mit dem Urlaubsentgelt beansprucht und gewährt wird. Das geforderte zusätzliche Urlaubsgeld setzt demgemäß voraus, dass der Kläger bis zum 31.08.2000 mindestens 15 Urlaubstage genommen hat, für die ihm Urlaubsentgelt gezahlt wurde. Dem Kläger ist es auch im zweiten Rechtszug nicht gelungen, substantiiert darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass dies in der vom RTV-alt geforderten Art und Weise tatsächlich erfolgt ist.

Er hat zwar mit der Berufungsbegründungsschrift die Kopie einer Urlaubskarte für das Jahr 2000 zu den Gerichtsakten gereicht. Diese allein ist indessen nicht geeignet, den bisher fehlenden Sachvortrag des Klägers zu ersetzen. Es fehlt auch weiterhin an jeglicher konkreter Darlegung, für welche im Jahr 2000 genommenen Urlaubstage Urlaubsentgelt gewährt wurde und daran orientiert Urlaubsgeld gefordert wird. Hierzu hätte umso mehr Veranlassung bestanden, als ausweislich der Urlaubskarte die in der ersten Hälfte des Jahres 2000 genommenen Urlaubstage offensichtlich solche waren, die aus dem Jahre 1999 übertragen worden sind. Dann aber wäre es zumindest erforderlich gewesen, vorzutragen und unter Beweis zu stellen, ob und in welchem Umfang für diese Tage Urlaubsgeld gewährt wurde und welche dann noch offenstehenden Tage zur Grundlage der nunmehr streitigen Urlaubsgeldforderung gemacht werden sollten. Da hierzu jeglicher substantiierter Sachvortrag des Klägers fehlt, war der darauf gerichtete Teil seiner Klage wie auch die damit korrespondierende Berufung ab- bzw. zurückzuweisen.

3.2 Der Kläger kann sich schließlich hinsichtlich der Urlaubsgeldforderung auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Das Arbeitsgericht hat hierzu mit zutreffender und im Ergebnis richtiger Begründung ausgeführt, dass eine eventuell bestehende Ungleichbehandlung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Dem schließt sich die Berufungskammer vorbehaltlos an.

4. Dem Kläger steht eine anteilige Jahressondervergütung für die Zeit bis zum 31.08.2000 in Höhe von 1.238,17 brutto zu. Der Kläger stützt sich hierbei zu Recht auf § 15 des RTV-alt, der bis zum 31.08.2000 für sein Arbeitsverhältnis weitergalt.

4.1 Zwischen den Parteien ist zunächst unstreitig, dass die streitbefangene Jahressondervergütung nicht aus § 15 RTV-neu abzuleiten ist; dieser sieht die neugestaltete Jahressonderzahlung erstmalig für das Jahr 2001 vor. Aus der insoweit eindeutigen Regelung folgt darüber hinaus, dass die Tarifvertragsparteien ersichtlich nicht gewollt hatten, diese Regelung schon ab dem 01.09.2000 wirken zu lassen. Konsequenz hieraus ist, dass dem Kläger für die Zeit vom 01.09. bis zum 31.12.2000 ein Anspruch auf entsprechende Jahressondervergütung nicht zusteht.

4.2 Demgegenüber beruft er sich zu Recht auf § 15 RTV-alt, soweit die anteilige Jahressondervergütung bis zum 31.08.2000 im Streit steht. Die ihm nach dieser Vorschrift zugesagte Jahressondervergütung ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht erst am 31.10.2000 entstanden. Da es sich bei der Jahressondervergütung, wie unten aufzuzeigen sein wird, um einen Vergütungsbestandteil mit Entgeltcharakter handelt, steht dem Kläger vielmehr der Teil der Jahressondervergütung zu, die er sich bis zum 31.08.2000 "erdient" hatte.

4.2.1 Eine tarifliche Sonderleistung, die als Vergütungsbestandteil Entgeltcharakter hat, wird grundsätzlich in den jeweiligen Abrechnungsmonaten verdient, um dann am vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt ausbezahlt zu werden (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. etwa: BAG, Urteil vom 11.10.1995-10 AZR 984/94-EzA§ 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 132; BAG, Urteil vom 19.04.1995 -10 AZR 136/94 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 123). Ob eine Sonderzahlung reinen Entgeltcharakter hat oder als Gratifikation bzw. Mischgratifikation zu bewerten ist, ist im Einzelfall durch Auslegung der getroffenen Vereinbarungen zu ermitteln. Für die Annahme einer Vergütung mit Entgeltcharakter ist vor allen Dingen Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer einen unwiderruflichen Rechtsanspruch auf die Sonderleistung erwirbt, sobald er die als Gegenleistung geschuldete Arbeitsleistung erbracht hat. Hieran fehlt es regelmäßig, wenn es sich bei der Sonderzahlung um eine freiwillige, jederzeit widerrufbare Leistung handelt. Gegen eine Sonderzahlung mit Entgeltcharakter sprechen darüber hinaus so genannte Stichtagsregelungen, wonach die Auszahlung von einem ungekündigten Arbeitsverhältnis abhängig gemacht wird, und Rückzahlungsklauseln, die die Rückforderung der Sonderleistung für den Fall vorsehen, dass der Arbeitnehmer vor Ablauf einer Bindungsfrist nach Auszahlung der Sondervergütung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Schließlich können Bestimmungen, wonach die Sondervergütung im Eintritts- und Austrittsjahr anteilig gezahlt wird, Indizien darauf hindeuten, dass es sich um eine Sonderzahlung mit Entgeltcharakter handelt. Demgegenüber ist die Vereinbarung von Wartezeiten eher ein Kriterium, das darauf hinweist, dass die Arbeitsvertragsparteien eine Gratifikation vereinbaren wollten (vgl. hierzu: BAG, Urteil vom 14.08.1996 -10 AZR 70/96 -AP Nr. 19 zu § 15 BErzGG; BAG, Urteil vom 11.10.1995 -10 AZR 984/94 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 132; BAG, Urteil vom 10.05.1995 -10 AZR 648/94 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 125; BAG, Urteil vom 19.04.1995, a. a. O.). Hiernach ist vorliegend davon auszugehen, dass die in § 15 RTV-alt geregelte Jahressondervergütung eine Sonderzahlung mit Entgeltcharakter darstellt.

4.2.2 Für eine derartige Einschätzung spricht zunächst, dass die Tarifvertragsparteien ausdrücklich die Bezeichnung "Jahressondervergütung" gewählt haben, die im Unterschied zum Begriff der "Gratifikation" in der Praxis dann verwendet wird, wenn tatsächlich eine zusätzliche Vergütung gewährt werden soll.

Gemäß § 15 Ziff. 5 RTV-Alt erhalten Beschäftigte, die ausscheiden, eine anteilige Zahlung im Austrittsjahr. Demgegenüber können die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis aus den in § 15 Ziff. 4 genannten Gründen ruht, keine oder nur anteilige Leistung beanspruchen. In beiden Bestimmungen wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien beabsichtigten, die Jahressonderleistung nicht nur von einer etwaigen Betriebstreue abhängig zu machen, sondern vielmehr von einer tatsächlichen Arbeitsleistung. Dies folgt weiter und unterstützend aus § 15 Ziff. 3 RTV-alt, der eine anteilige Zahlung der Sondervergütung für Teilzeitbeschäftigte vorsieht.

In § 15 RTV-alt finden sich überdies keine Stichtagsregelungen oder Rückzahlungsklauseln, die die Annahme einer Mischgratifikation zulassen würden. Nimmt man schließlich hinzu, dass die genannte Vorschrift insgesamt einen Rechtsanspruch für alle betroffenen Arbeitnehmer begründet, so zeigt auch dies, dass bei einer Gesamtwürdigung der dargestellten Kriterien kein Zweifel bestehen kann, dass die Jahressondervergütung reinen Entgeltcharakter hat.

4.2.3 Demgegenüber kann sich die Beklagte auch nicht auf die Regelungen in § 15 Ziff. 1 und 15 Ziff. 7 RTV-alt berufen; beide Bestimmungen sind insgesamt nicht geeignet, das bisher gewonnene Auslegungsergebnis zu revidieren.

§ 15 Ziff. 7 RTV-alt enthält schon nach seinem Wortlaut eine reine Fälligkeitsregelung, die der Bewertung der Sondervergütung als eine solche mit Entgeltcharakter gerade nicht entgegensteht. Auch bei einer Sondervergütung der dargestellten Art ist es möglich - und in der Praxis üblich - die bereits erdienten Anteile der Sondervergütung zu "stunden", um sie dann an einem bestimmten Fälligkeitstermin insgesamt zur Auszahlung zu bringen. Der in § 15 Ziff. 1 Satz 2 RTV-alt genannte Stichtag ist nicht ein solcher, der das tatsächliche Entstehen der Jahressondervergütung von dem Erreichen eines bestimmten Datums abhängig macht, wie es bei Gratifikationen oder Mischgratifikationen üblich ist.

Nach der Systematik der genannten Norm wollten die Tarifvertragsparteien mit der Stichtagsregelung vielmehr zum Ausdruck bringen, dass die in § 15 Ziff. 1 RTV-alt genannte sechsmonatige Wartezeit am 30.11. und ab 1996 am 31.10. eines jeden Jahres zu orientieren ist. Dies führt zwar dazu, dass Arbeitnehmer, die im Eintrittsjahr noch nicht die geforderte Betriebstreue vorweisen können, von der Zahlung der Jahressondervergütung ausgeschlossen sind. Andererseits kann sich diese Regelung aber nicht auf solche Arbeitsverhältnisse beziehen, die bereits wegen der Erfüllung der Wartezeit einen Rechtsanspruch erworben haben. Mit anderen Worten: Haben Arbeitnehmer die Voraussetzungen des § 15 Ziff. 1 RTV-alt erstmalig erfüllt und befinden sich dann in einem durchgehenden, ungekündigten Arbeitsverhältnis, so ist für sie die Stichtagsregelung in § 15 Ziff. 1 Satz 2 RTV-alt nicht mehr anwendbar. Dem steht schließlich auch § 15 Ziff. 5 RTV-alt nicht entscheidend entgegen. Auch hier wird hinsichtlich der ausscheidenden Beschäftigten zwar nochmals auf die Erfüllung der Wartezeit in § 15 Ziff. 1 RTV-alt verwiesen. Diese Regelung macht nach Auffassung der erkennenden Kammer aber nur dann Sinn, wenn man sie auf solche Arbeitsverhältnisse anwendet, die vor Erreichen der sechsmonatigen Wartefrist wieder beendet werden. Für diese Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wollten die Tarifvertragsparteien die Jahressondervergütung ausschließen, was angesichts der in diesen Fällen nur kurzen Beschäftigungsdauer angemessen und vernünftig erscheint.

Nach allem kann demgemäß nur die mehrfach angesprochene sechsmonatige Wartezeit als Indiz dafür genommen werden, dass die Jahressondervergütung gemäß § 15 RTV-alt keine solche mit Entgeltcharakter ist. Angesichts der dagegen stehenden weiteren Regelungen des § 15 RTV-alt, die eindeutig den Entgeltcharakter unterstreichen und der Jahressondervergütung ihr Gepräge verleihen, kann dies indessen keine rechtserhebliche Bedeutung haben.

5. Der damit dem Grunde nach feststehende Anspruch des Klägers auf anteilige Jahressondervergütung ist auch nicht infolge Rückwirkung des ablösenden RTV-neu wieder entfallen. Nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung kann zwar ein Tarifvertrag auch rückwirkend und verschlechternd die Arbeitsverhältnisse der tarifunterworfenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen regeln (BAG, Urteil vom 17.05.2000 - 4 AZR 216/99 - EzA § 1 TVG Rückwirkung Nr. 5); indessen bedarf es hierzu einer klaren und unmiss-verständlichen tarifvertraglichen Vereinbarung (BAG, Urteil vom 21.07.1988 - 2 AZR 527/87 - EzA § 4 TVG Bauindustrie Nr. 44). Dies ist im RTV-neu ersichtlich nicht geschehen.

6. Die Höhe der vom Kläger beanspruchten Jahressondervergütung ist zwischen den Parteien vom Grundsatz her nicht streitig. Ihm steht demgemäß für die Zeit bis zum 31.08.2000 zusätzliche Vergütung in Höhe von DM 1.238,17 brutto zu.

Die Zinsentscheidung ergeht nach §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht und die Revision für beide Parteien zugelassen.

Ende der Entscheidung

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