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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.11.2006
Aktenzeichen: 5 Sa 740/06
Rechtsgebiete: SGB IV, InsO


Vorschriften:

SGB IV § 14 Abs. 1 Satz 1
InsO § 55
1) Sieht ein Sozialplan vor, dass zur Kompensation eingetretener Vergütungsminderungen außertarifliche Aufstockungsbeiträge gezahlt werden sollen, so handelt es sich um beitragspflichtiges Entgelt i. S. v. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Daran ändert sich nichts, wenn die noch nicht ausgezahlten monatlich fälligen Aufstockungsbeträge in Form einer Einmalzahlung abgegolten werden.

2) Beziehen sich die noch offenen Aufstockungsbeträge - und damit auch die Einmalzahlung - auf die Zeit nach Insolvenzeröffnung, handelt es sich um Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt.


LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 740/06

Verkündet am 02. November 2006

In Sachen

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 02.11.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Göttling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Berndsen und den ehrenamtlichen Richter Lünger

für Recht erkannt:

Tenor:

1) Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 06.06.2006 - 1 Ca 4144/05 - und kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers aus einem inzwischen beendeten Arbeitsverhältnis.

Der am 02.05.1948 geborene Kläger war seit dem 01.10.1965 im L-er Werk der Firma V. B Deutschland GmbH (im Folgenden: VBFD) beschäftigt. Das Werk wurde mit Wirkung zum 01.01.2002 von der Firma D. T. Lebensmittelwerke GmbH (im Folgenden: D.), der späteren Insolvenzschuldnerin, übernommen. Die VBFD und die D. einerseits sowie der Gesamtbetriebsrat der VBFD und der Betriebsrat der D. andererseits schlossen unter dem 15.02.2002 eine "Betriebsvereinbarung über einen Sozialplan anlässlich der mit dem Verkauf des Werkes L. verbundenen Reorganisationsmaßnahmen" (vgl. hierzu Bl. 21 ff. d. A.).

In der Betriebsvereinbarung heißt es unter anderem wie folgt:

2.2.1 Absenkung des Gesamtentgeltes

Entsprechend Ziffer 1. des Anhanges zum Betriebskaufvertrag werden auf der Grundlage eines noch abzuschließenden Tarifvertrages zukünftig nur noch 13 Monatsentgelte gezahlt zuzüglich eines Urlaubsgeldes entsprechend den derzeit geltenden manteltarifvertraglichen Urlaubsgeldbestimmungen (d. h. höchstens 900,-- DM für die unter den MTV der Nahrungsfette-Industrie fallenden Mitarbeiter sowie höchstens 535,-- DM für die unter den MTV der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie fallenden Mitarbeiter).

Die Regelungen des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Nahrungsfette-Industrie und des MTV der Obst- und Gemüse verarbeitenden Industrie bleiben auch im Übrigen bestehen. Die vermögenswirksamen Leistungen werden in der bisherigen Höhe weitergezahlt.

Darüber hinaus erfolgt gemäß Ziffer 2. des Anhanges zum Betriebskaufvertrag eine Absenkung der Gesamtentgelte (Tarifentgelt nebst regelmäßig gewährten Zulagen) um 20 %.

2.2.2 Kompensation der Absenkung des monatlichen Gesamtentgeltes um 20 %

Das um 20 % abgesenkte Gesamtentgelt wird nach der folgenden zeitlichen Staffel durch außertarifliche Zulagen auf das unten angegebene Niveau aufgestockt. Diese Kompensationsleistungen erfolgen aus einem zu etwa drei Viertel von VBFD sowie zu einem Viertel vom Investor gespeisten Fonds.

01.01.02 - 31.03.02: 100,0 % des bisherigen Monatsentgeltes,

01.04.2 - 31.03.03: 93,5 % des bisherigen Monatsentgeltes,

01.04.3 - 31.03.04: 94,5 % des bisherigen Monatsentgeltes,

01.04.4 - 31.03.05: 95,5 % des bisherigen Monatsentgeltes,

01.04.5 - 31.03.06: 97,0 % des bisherigen Monatsentgeltes, ab 01.04.06: 100,0 % des bisherigen Monatsentgeltes.

...

2.2.3 Ermittlung des individuellen Mindestanspruchs auf Verdienstschutz der Mitarbeiter

Es wird ein individueller Mindestanspruch auf Verdienstschutz wie folgt ermittelt:

- Es erfolgt ein Ausgleich von 2,5 Monatsbruttoentgeltdifferenzen pro vollendetem Jahr der Konzernzugehörigkeit, mindestens jedoch von 24 Monaten und höchstens von 60 Monaten. Nur wenn die Konzernzugehörigkeit 24 Dienstjahre übersteigt, werden bis zu 66 Monatsbruttoentgeltdifferenzen ausgeglichen.

- Der Entgeltdifferenzausgleich wird auf den individuellen Abfindungsanspruch im Falle des Ausscheidens entsprechend Ziffer 6.3 dieses Sozialplans begrenzt.

Die Finanzierung des Verdienstschutzes sollte gemäß Ziffer 2.2.5 der Betriebsvereinbarung vom 15.02.2002 durch ein so genanntes Fondsmodell erfolgen. Insoweit heißt es in der genannten Betriebsvereinbarung:

VBFD leistet durch eine einmalige Zahlung an den Investor in Höhe von 7,72 Mio. Euro den wesentlichen Anteil an der Finanzierung dieser Verpflichtungen des Investors. Mit diesem Betrag werden alle individuellen Mindestansprüche auf Verdienstschutz nach Ziffer 2.2.3 der 252 namentlich unter "D. T." im Anhang zum Interessenausgleich genannten Mitarbeiter, die nicht für eine Vorpensionierung vorgesehen sind, sowie die Ansprüche der im Anhang zum Interessenausgleich namentlich genannten befristeten Mitarbeiter und Azubis auf Verdienstschutz bis zum Auslaufen ihrer Verträge finanziell hinreichend abgedeckt.

Für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens aus den Diensten der D. regelt Ziffer 2.2.4 schließlich:

Endet das Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiters bei dem Investor vor Ablauf seines nach Ziffer 2.2.3 berechneten Ausgleichszeitraumes (ausgedrückt in Anzahl der Monatsbruttoentgeltdifferenzen), so erstattet der Investor an VBFD den nach Ziffer 2.2.3 errechneten Mindestanspruch auf Entgeltausgleich anteilig für die Monate, in denen das Arbeitsverhältnis nicht mehr besteht. Hat der ausscheidende Mitarbeiter seinen zeitanteiligen Mindestanspruch nach Ziffer 2.2.3 noch nicht durch Leistungen des Investors in voller Höhe erhalten, erhält er den Rest mit seiner letzten Abrechnung ausgezahlt.

Am 23.08.2005 schlossen die D. und der bei ihr bestehende Betriebsrat eine "Betriebsvereinbarung zur Abwicklung der Beendigung des Sozialplans anlässlich der mit dem Verkauf des Werkes L. verbundenen Reorganisationsmaßnahmen vom 15.02.2002". Der Beklagte stimmte dieser Vereinbarung als vorläufiger Insolvenzverwalter ausdrücklich zu. In der Betriebsvereinbarung wird ausgeführt:

Auszahlung des Restanspruchs auf den individuellen Mindestanspruch

Der individuellen Mindestanspruch auf Verdienstschutz nach Ziff. 2.2.3 SP 2002 wird mit der Abrechnung für September 2005 an die jeweiligen berechtigten Mitarbeiter ausgezahlt, soweit er noch nicht durch monatliche Kompensationszahlungen nach Ziff. 2.2.2 SP 2002 oder durch die Einmalzahlung nach Ziff. 2.2.4 Absatz 2 SP 2002 ausgezahlt wurde. Als Grundlage für die Berechnung des Anspruchs gilt der seit Jahren auf der Abrechnung erkennbare Wert "Restanspruch Sozialplan", der im SAP-Entgeltsystem ermittelt wird.

Am 01.09.2005 wurde über das Vermögen der D. das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Ebenfalls am 01.09.2005 kündigte der Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis und stellte ihn unter Fortzahlung der Bezüge bis zum 31.12.2005 frei. Er erteilte darüber hinaus dem Kläger im Oktober 2005 eine Lohnabrechnung für September 2005, in der als Abzugsposition unter anderem ein "Arbeitgeberanteil Sozialplan" in Höhe von 845,53 € aufgeführt wurde. Der Beklagte behielt den Betrag bei der Auszahlung der übrigen Vergütungsbestandteile ein. Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten der Abrechnung auf Blatt 149 ff. der Akten verwiesen.

Mit seiner am 08.12.2005 beim Arbeitsgericht Wesel anhängig gemachten Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass der Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, die streitbefangenen Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung einzubehalten.

Er hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, 845,23 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2005 an den Kläger zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die von ihm vorgenommene Abrechnung für ordnungsgemäß erachtet. Er hat darauf verwiesen, dass durch die Vereinbarung vom 23./25.08.2005 die monatlichen Zahlungen aus dem "Verdienstschutz" gemäß Betriebsvereinbarung vom 15.02.2002 in eine Einmalzahlung in Höhe der individuellen Ansprüche abgeändert worden seien. Dies ändere nichts daran, dass diese Ansprüche als Insolvenzforderungen zu charakterisieren wären. Sozialrechtlich unterlägen sie der Beitragspflicht nach den Bestimmungen des SGB IV. Die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung hätte der Beklagte allerdings aus den Mitteln des Sozialplantopfes nicht mehr bestreiten können, weil die Mittel zum Abrechnungszeitpunkt erschöpft gewesen wären. Letztlich sei auch der mit der Klage geltend gemachte Betrag nicht als Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung abgeführt und zu Lasten des Klägers einbehalten worden. Vielmehr handele es sich bei dem mit der Klage geltend gemachten Betrag gerade um denjenigen Quotenanteil an dem Anspruch auf Verdienstschutz aus dem Sozialplan 2002 auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 23./25.08.2005, der mangels Separierung nicht zur Auszahlung kommen konnte. Ein Rückgriff auf die Insolvenzmasse scheide jedenfalls aus insolvenzrechtlichen Gründen aus.

Mit Urteil vom 06.06.2006 hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Wesel - 1 Ca 4144/05 - dem Klagebegehren des Klägers entsprochen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, so auch den Kläger, aus dem Sozialplantopf zu befriedigen, und zwar auf der Basis der Betriebsvereinbarungen vom 15.02.2002 bzw. 23./25.08.2005. Er habe dabei die Sozialversicherungsbeiträge nicht zu Lasten der Arbeitnehmer - deren Nettoverdienst mindernd - einbehalten dürfen. Im Übrigen hätte der Beklagte auch nicht substantiiert dargelegt, dass das finanzielle Volumen des Topfes ausgeschöpft wäre.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 21.06.2006 zugestellte Urteil mit einem am 03.07.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.09.2006 - mit einem am 11.09.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Beklagte wiederholt seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und konkretisiert seinen Sachvortrag zur Ausschöpfung des Sozialplantopfes gemäß der Betriebsvereinbarung vom 15.02.2002. Hiernach hätten zuletzt nur noch 1.668.699,74 € zur Befriedigung der betroffenen Arbeitnehmer zur Verfügung gestanden, was einer Auszahlungsquote von 87,09 € entsprochen hätte. Hieraus wiederum resultiere der Abzug von 845,53 €, der fälschlicherweise als Arbeitgeberanteil Sozialplan bezeichnet worden sei. In Wirklichkeit werde hier indessen eine Insolvenzforderung betroffen, die zur Tabelle anzumelden wäre.

Der Beklagte beantragt,

das am 06.06.2006 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Wesel - 1 Ca 4144/05 - zugestellte am 21.06.2006 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls seinen Sachvortrag aus der ersten Instanz.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziffer b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Der Kläger hat gegen den Beklagten aus dem Sozialplan vom 15.02.2002 in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung vom 23./25.08.2005 einen Anspruch auf Zahlung von 845,53 €. Der vom Beklagten vorgenommene Abzug dieses Betrages von den dem Kläger zustehenden "Restanspruch Sozialplan" ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zulässig und damit rechtsunwirksam.

1. Zwischen den Parteien ist zunächst unstreitig, dass der Kläger aus dem Sozialplan vom 15.02.2002 und aus der Nachfolgebetriebsvereinbarung vom 23./25.08.2005 noch einen "Restanspruch Sozialplan" besitzt, der als individueller Mindestanspruch zur Auszahlung gelangen sollte.

1.1 Dieser Anspruch ergibt sich zunächst aus Ziffer 2.2.4 des Sozialplans vom 15.02.2002. Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiters vor Ablauf des für ihn berechneten Ausgleichszeitraumes bei der D. enden sollte, erhielt er seinen zeitanteiligen Mindestanspruch nach Ziffer 2.2.3 in voller Höhe mit der letzten Abrechnung ausbezahlt. Dieser Anspruch wurde durch die Betriebsvereinbarung vom 23./25.08.2005 bekräftigt und modifiziert, der Auszahlungsanspruch als solcher noch einmal festgeschrieben.

1.2 Aufgrund der dem Kläger im Oktober 2005 erteilten Abrechnung stand damit fest, dass ihm im September 2005 ein Abgeltungsanspruch aus dem Sozialplan vom 15.02.2005 in Höhe von 17.689,53 € brutto zur Verfügung zu stellen war, der ausweislich der Abrechnung (Bl. 151/152 d. A.) ordnungsgemäß versteuert und verbeitragt worden ist.

2. Die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Abgeltungsanspruch von 17.689,53 € ist auch zu Recht erfolgt, weil es sich um beitragspflichtiges Entgelt im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB Nr. 4 handelt.

2.1 Nach dieser Norm versteht man unter Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Es werden demgemäß solche Einnahmen von der Norm erfasst, die dem Versicherten im ursächlichen Zusammenhang mit einer Beschäftigung zufließen. Hierzu gehören vor allem die Gegenleistungen des Arbeitgebers oder eines Dritten für eine konkret zu ermittelnde Arbeitsleistung des Beschäftigten, aber eben auch solche Vergütungen, die zugleich einen Anreiz für weitere erfolgreiche Arbeit schaffen sollen, wie Gratifikationen, Gewinnbeteiligungen und sonstige Vorteile. Ebenso erfasst werden Zahlungen, denen ein Anspruch des Arbeitgebers auf eine Arbeitsleistung nicht gegenüber steht, wie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und das Urlaubsgeld. Darüber hinaus gelten Einnahmen als im Zusammenhang mit einer Beschäftigung erzielt und sind damit als Arbeitsentgelt anzusehen, die aus einer selbstständigen Tätigkeit im Rahmen eines so genannten einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses zufließen.

Schließlich sind auch Zahlungen, die anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, soweit sie sich zeitlich der versicherungspflichtigen Beschäftigung zuordnen lassen, d. h. auf die Zeit der Beschäftigung und der Versicherungspflicht entfallen. Daher gehören Zahlungen von rückständigem Arbeitsentgelt anlässlich einer einvernehmlichen Beendigung von Arbeitsverhältnissen oder ihrer gerichtlichen Auflösung im Kündigungsschutzprozess zum Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung, selbst wenn sie von den Beteiligten als Abfindungen bezeichnet werden unabhängig davon, ob ihre Zahlung vor oder nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden war (ständige Rechtsprechung der Sozialgerichte, vgl. etwa: BSG, Urteil vom 03.12.2002 - B 2 U 23/02 R/SozR 3-2200, § 577 Nr. 2; BSG, Urteil vom 28.01.1999 - B 12 KR 6/98 R - EzA § 14 SGB IV Nr. 1).

2.2 Hiernach steht zur Überzeugung der erkennenden Kammer fest, dass der Abgeltungsanspruch aus dem Sozialplan Arbeitsentgelt ist. Ausweislich des Sozialplans vom 15.02.2002 und der dortigen Ziffer 2.2.2 erwarb der Kläger einen Anspruch auf Zahlung monatlicher außertariflicher Zulagen, durch den die Absenkung des Gesamtentgelts kompensiert werden sollte. Dieser Kompensationsanspruch sollte auf monatlicher Basis bestehen und erweist sich demnach als Teil der monatlichen Vergütung des Klägers. Er steht demgemäß in einem ursächlichen Zusammenhang mit seiner Beschäftigung und ist als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV zu charakterisieren. Letztlich sieht dies auch der Beklagte so, der, wie oben aufgezeigt, Sozialversicherungsbeiträge für den Abgeltungsanspruch abgeführt hat.

3. Die erkennende Berufungskammer vertritt indessen die Auffassung, dass es sich bei diesem Abgeltungsanspruch, wie er zum Abrechnungszeitpunkt im Oktober 2005 noch bestand, nicht um eine einfache Insolvenzforderung handelt, die zur Insolvenztabelle anzumelden wäre. Vielmehr ist von dem Vorliegen einer Masseforderung im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO auszugehen, die der Beklagte zu befriedigen verpflichtet ist.

3.1 Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO sind Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss. Dabei bezieht sich die Formulierung "soweit" nicht auf die tatsächliche Möglichkeit der Erfüllung einzelner Forderungen, sondern auf die rechtliche Notwendigkeit der Erfüllung des gesamten Vertragsverhältnisses. Unter § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO fallen demnach alle Lohn- und Gehaltsansprüche, die aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern nach der Verfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter erwachsen, und zwar in der Höhe, die sich aus dem jeweiligen Arbeitsvertrag ergibt, sowie alle sonstigen Ansprüche, die sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergeben. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung erbringt. Der Vergütungsanspruch wird zwar grundsätzlich gemäß § 611 BGB durch die tatsächliche Leistung der geschuldeten Dienste erworben, er setzt diese aber nicht zwingend voraus. Selbst dann, wenn der Insolvenzverwalter den Betrieb unmittelbar mit Verfahrenseröffnung stilllegt, die Arbeitnehmer freistellt und damit ihre Dienste nicht mehr in Anspruch nimmt, bleibt er gemäß § 615 BGB zur Vergütung der Arbeitnehmer verpflichtet. Entscheidend ist, ob die geltend gemachten Ansprüche vor oder nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind, wobei nicht auf die Fälligkeit, sondern auf den Zeitpunkt des Entstehens der Forderung abzustellen ist. Ist im Arbeitsverhältnis ein regelmäßiges Arbeitsentgelt vereinbart, entstehen diese Entgeltansprüche mit den Zeitabschnitten, nach denen die Vergütung zu bemessen ist, § 614 Satz 2 BGB. Fallen diese Zeitabschnitte in die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, entstehen die Ansprüche auf die laufende Vergütung erst zu dieser Zeit und sind erst dann zu erfüllen (so ausdrücklich: BAG, Urteil vom 19.01.2006 - 6 AZR 529/04 - AP Nr. 13 zu § 55 InsO).

3.2 Hiernach handelt es sich bei den kumulierten Kompensationsansprüchen des Klägers um Verbindlichkeiten, deren Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss.

Der hier diskutierte Abgeltungsanspruch des Klägers geht zwar letztlich auf die umfänglichen Verdienstschutzvereinbarungen im Sozialplan vom 15.02.2002 und letztlich auf die Konkretisierung der Auszahlung in der Betriebsvereinbarung vom 23./25.08.2005 zurück. Bereits aus dem Sozialplan vom 15.02.2002 ergibt sich aber, dass die Ansprüche auf Auszahlung der außertariflichen Aufstockungsbeiträge auf monatlicher Basis erfolgen sollten. Sie stellten in Höhe der individuellen Mindestansprüche Forderungen dar, die zum Teil des regelmäßigen Arbeitsentgeltes gehörten. Diese Entgeltansprüche entstanden aber, wie in jedem normalen Arbeitsverhältnis, nach Ablauf der Zeitabschnitte, nach denen die Vergütung zu bemessen war, also jeweils am Ende eines Monats. Demzufolge konnte der Kläger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.09.2005 noch auf Gesamtabgeltungsansprüche von 17.689,53 € verweisen, die als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung in den Folgemonaten entstanden und demgemäß vom Beklagten als Insolvenzverwalter zu erfüllen waren.

An dieser Einschätzung ändert nichts die Tatsache, dass die dem Kläger monatlich zur Verfügung stehenden Aufstockungsbeträge gemäß der Betriebsvereinbarung vom 23./25.08.2005 als Einmalzahlung zur Auszahlung gelangen sollten. Sie verlieren dadurch ihren Charakter als Entgelt und laufender Vergütung nicht, weil sie bei Weiterführung des Arbeitsverhältnisses ratierlich monatlich zur Auszahlung hätten gelangen müssen.

3.3 Dem gefundenen Ergebnis kann der Beklagte nicht entgegen halten, dass der Sozialplanfonds, der aufgrund der Sozialplans vom 15.02.2002 eingerichtet worden ist, ausgeschöpft sei und deshalb Mittel zur Befriedigung der Arbeitnehmer nicht mehr zur Verfügung stünden. Die Kammer hat bereits erhebliche Zweifel, ob angesichts der Charakterisierung des Abgeltungsanspruchs des Klägers überhaupt eingewendet werden kann, dass Mittel aus dem Fonds nicht mehr zur Verfügung stehen. Darüber hinaus ist es dem Beklagten aber auch im zweiten Rechtszug in keiner Weise gelungen, den Abzugsbetrag von 845,53 € nachvollziehbar zu begründen. Zwar hat der Beklagte insoweit eingeräumt, dass es sich nicht um einen irgendwie gearteten "Arbeitgeberanteil" zur Sozialversicherung handeln könnte. Woraus sich indessen konkret der errechnete und dann mindernd eingesetzte Teilbetrag ergeben soll, ergibt sich weder aus den vorgelegten Abrechnungen noch aus dem weiteren Sachvortrag des Beklagten. Hieraus folgt gleichzeitig, dass dann auch die mit Schriftsatz vom 01.09.2006 übermittelte Abrechnung und die Berechnung einer Überzahlung nicht substantiiert und nicht nachvollziehbar erscheint, so dass dem Klagebegehren des Klägers auch aus diesem Grund zu entsprechen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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