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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.10.2000
Aktenzeichen: 5 Sa 870/00
Rechtsgebiete: GG, KSchG, Gehaltstarifvertrag Einzelhandel NRW, MTV Einzelhandel NRW


Vorschriften:

GG § Art. 12
KSchG § 1
KSchG § 2
Gehaltstarifvertrag Einzelhandel NRW § 3
MTV Einzelhandel NRW § 10 Abs. 3
§ 10 Abs. 3 des Manteltarifvertrages Einzelhandel NRW und § 3 des Gehaltstarifvertrages Einzelhandel NRW, wonach sich die Vergütung eines Angestellten der Vergütungsgruppe IV spätestens mit Ablauf des Monats ändert, in dem die ihm zugewiesene Mitarbeiterzahl unter acht sinkt, sind mit dem Grundgesetz und höherrangigem Gesetzesrecht vereinbar.
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 5 Sa 870/00

Verkündet am: 26.10.2000

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 31.08.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Göttling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Nelius und den ehrenamtlichen Richter Deubner für Recht erkannt:

Tenor:

1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 28.04.2000 - 7 Ca 478/00-5 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, eine tarifvertraglich vorgesehene Rückgruppierung mit entsprechender Gehaltsreduzierung zu akzeptieren.

Der am 16.05.1949 geborene Kläger ist seit dem 06.10.1976 bei der Beklagten, die Einzelhandelsunternehmen betreibt, beschäftigt, und zwar zuletzt als Filialleiter einer Filiale in K.aar.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden unter anderem die Bestimmungen der Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

Der Kläger war bis einschließlich März 1999 gemäß § 3 des Gehaltstarifvertrages (GTV) für das Jahr 1998 in der Vergütungsgruppe IV, Gehaltsstaffel c) eingruppiert, weil er mehr als acht Mitarbeitern vorgesetzt war. Seine Bruttomonatsvergütung betrug zu dieser Zeit DM 6.404,-- plus DM 1.601,-- Mehrarbeitspauschale.

Mit Wirkung vom 01.05.1999 stufte die Beklagte ihn in die Gehaltsgruppe IV, Gehaltsgruppe b) ein, da die Mitarbeiterzahl zwischenzeitlich unter acht gesunken war. Die dadurch bedingte Gehaltsdifferenz beträgt insgesamt DM 1.406,-- brutto pro Monat.

Die Beklagte stützte sich bei ihrer Maßnahme zum einen auf die Vorgaben des § 3 GTV, zum anderen auf § 10 Abs. 3 des Manteltarifvertrages (MTV). Dieser lautet:

Bei Ereignissen, die nach den Tarifverträgen eine Veränderung des Entgelts zur Folge haben und vor dem 15. des Monats eintreten, wird die Veränderung ab 01. des Monats wirksam; tritt das Ereignis danach ein, wird die Veränderung mit dem 01. des folgenden Monats wirksam.

Mit seiner am 07.02.2000 beim Arbeitsgericht Mönchengladbach anhängig gemachten Klage hat der Kläger die Zahlung der Differenzbeträge für die Zeit von Mai bis Dezember 1999 in Höhe von insgesamt DM 12.654,-- brutto geltend gemacht.

Er hat die Auffassung vertreten, dass § 10 Abs. 3 MTV in Verbindung mit § 3 GTV verfassungs- und gesetzeswidrig sei und dies im Einzelnen wie folgt begründet:

Die Tarifnormen verstießen vor allem gegen § 622 BGB, weil es dem Arbeitgeber ermöglicht werde, ohne Einhaltung von Kündigungsfristen bestehende Arbeitsverhältnisse zu verändern. Auch werde das gesetzliche (Änderungs-)kündigungsschutzgesetz der §§ 1, 2 KSchG unterlaufen, weil es der Beklagten gestattet werde, ohne Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen und ohne Nachprüfung organisatorischer Maßnahmen Änderungen an Arbeitsverhältnissen vorzunehmen, die nur mittels Änderungskündigungen erreichbar wären. Hierdurch werde gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt, durch entsprechende Manipulationen die Rückgruppierung von Arbeitnehmern vorzunehmen, die gerichtlich nicht prüfbar sei.

§ 10 Abs. 3 MTV verstoße weiter gegen zwingende Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes, das zugunsten des Klägers, der schwerbehindert ist mit einem Grad der Behinderung von 50 %, anzuwenden sei. Gleiches gelte hinsichtlich der besonderen Schutzvorschriften in § 11 Abs. 9 MTV.

Der Kläger hat weiter vorgetragen, die Beklagte könne die Rückgruppierung auch schon deshalb nicht vornehmen, weil sie dies in der Vergangenheit trotz entsprechender Prüfungen selbst dann nicht getan hätte, wenn die tariflichen Voraussetzungen zur Rückgruppierung vorgelegen hätten. Dadurch habe der Kläger einen ihn schützenden Vertrauenstatbestand erworben. Schließlich sei die Möglichkeit, ihn zurückzugruppieren, auch verwirkt, weil seine Mitarbeiterzahl schon seit längerem unter die Zahl acht gesunken wäre.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar verurteilt, an ihn 12.654,-- DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.01.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die vom Kläger herangezogenen Tarifbestimmungen für verfassungs- und gesetzeskonform erachtet.

Die Beklagte hat des Weiteren dargestellt, dass sie die Entwicklung der Mitarbeiterzahl der Filiale K.aar über einen längeren Zeitraum beobachtet hätte. So habe die Zahl der Mitarbeiter bis August 1997 bei knapp acht gelegen, sei dann bis Februar 1998 auf sieben gesunken und in der Folgezeit bis Mai 1998 wieder auf über acht angestiegen. Nach zwischenzeitlichen Schwankungen habe man ab November 1998 eine eindeutige Tendenz nach unten festgestellt, die im Mai 1999 zur Rückgruppierung des Klägers geführt hätte.

Inzwischen sei die Mitarbeiterzahl im Übrigen auf einen Durchschnittswert von 4,2 zurückgegangen.

Ein Verwirkungs- oder Vertrauenstatbestand könne hieraus zu Gunsten des Klägers jedenfalls nicht abgeleitet werden, zumal ihm die tariflichen Vorgaben und Konsequenzen bestens bekannt gewesen seien.

Mit Urteil vom 28.04.2000 hat die 7. Kammer des Arbeitsgerichts Mönchengladbach - 7 Ca 478/00-5 - die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass sich die Beklagte zu Recht auf § 10 Abs. 3 MTV berufe, der vorliegend anwendbar sei. Einer Änderungskündigung habe es gerade nicht bedurft, weil dem Kläger keine andere als nach dem Arbeitsvertrag zu leistende Tätigkeit zugewiesen worden sei. Das Recht der Beklagten zur Rückgruppierung sei auch nicht verwirkt, weil sie die zunächst schwankende Entwicklung der Mitarbeiterzahl habe abwarten dürfen. Demgemäß hätten sowohl die Grundvergütung als auch die aus einer Betriebsvereinbarung abgeleitete Mehrarbeitspauschale reduziert werden dürfen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 17.05.2000 zugestellte Urteil mit einem am 15.06.2000 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 14.07.2000 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er wiederholt im Wesentlichen seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und meint zudem, § 10 Abs. 3 MTV enthalte eine auflösende Bedingung, die sachlich nicht gerechtfertigt und damit unwirksam wäre. Jedenfalls sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die analog anzuwendenden Vorschriften über Kündigungsfristen einzuhalten.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und nach den in der Schlussverhandlung I. Instanz gestellten Anträgen des Berufungsklägers zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und wiederholt ebenfalls ihren Sachvortrag aus der ersten Instanz.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).

II.

In der Sache selbst konnte das Rechtsmittel indessen keinen Erfolg haben.

Der Kläger hat weder aus § 611 BGB i. V. m. seinem Arbeitsvertrag und § 3 GTV noch aus anderen Rechtsgründen Anspruch auf Zahlung rückständiger Vergütung in Höhe von DM 12.654,-- brutto nebst Zinsen für die Monate Mai bis Dezember 1999. Die Beklagte durfte den Kläger unter Anwendung des § 10 Abs. 3 MTV in die Vergütungsgruppe IV Gehaltsstaffel b) bei entsprechender Gehaltsreduzierung zurückstufen.

1. Die streitbefangene Maßnahme der Beklagten ist nicht schon deshalb unwirksam, weil sie gegen zwingende Kündigungsschutzvorschriften verstößt. Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf §§ 1, 2 KSchG, auf §§ 622, 626 BGB, auf Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes und des Manteltarifvertrages beruft, ist sein Vorbringen insgesamt unschlüssig. Die Maßnahme der Beklagten stellt sich nämlich ersichtlich nicht als Kündigung oder Änderungskündigung dar; eine Anwendung der oben dargestellten Bestimmungen scheidet deshalb - jedenfalls unmittelbar - aus.

2. Die Rechtsmäßigkeit der Rückgruppierung des Klägers und der Reduzierung seines Gehalts richtet sich demgemäß allein nach § 10 Abs. 3 MTV i. V. m. § 3 GTV. Diese erweisen sich nach Auffassung der Berufungskammer - entgegen der Meinung des Klägers - als verfassungs- und gesetzeskonform.

2.1 § 10 Abs. 3 MTV verstößt zunächst nicht gegen zwingende Grundrechtsbestimmungen. Insbesondere kann sich der Kläger insoweit nicht auf Art. 12 GG berufen.

2.1.1 Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in der Vergangenheit wiederholt mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit tarifvertragliche Bestimmungen, die eine Änderung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses regeln, dabei das Recht der Berufsausübungs- und Wahlfreiheit des Art. 12 GG zu beachten haben. Hierbei hat das Bundesarbeitsgericht am Beispiel einer tarifvertraglich vorgesehenen Altersgrenzenregelung folgende Rechtsgrundsätze aufgestellt:

Art. 12 Abs. 1 GG schützt den einzelnen Arbeitnehmer nicht nur darin, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in einem gewählten Beruf zu ergreifen (und ihn auszuüben), sondern auch seinen Willen, diese Beschäftigung beizubehalten oder aufzugeben. Das Grundrecht schützt allerdings nur gegen staatliche Maßnahmen, die diese Freiheit beschränken. Einen unmittelbaren Schutz etwa gegen den Verlust eines Arbeitsplatzes aufgrund privater Disposition gewährt das Grundrecht dagegen nicht. Dies gilt grundsätzlich auch für Tarifnormen, die auf kollektiv ausgeübter Privatautonomie beruhen, nach dem Tarifvertragsparteien ihr Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG wahrgenommen und Regelungen zu bestimmten Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen geschaffen haben. Die Geltung dieser Normen beruht demnach auf dem privatautonomen Verbandsbeitritt ihrer Mitglieder (oder, wie vorliegend, auf einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung). Mit der damit verbundenen privatautonomen Unterwerfung unter geltendes und künftiges Tarifrecht sind die Parteien eines Arbeitsverhältnisses der Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien allerdings nicht schutzlos ausgeliefert, was aus der vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Schutzpflichtfunktion der Grundrechte beruht. Diese verpflichtet die staatlichen Grundrechtsadressaten dazu, einzelne Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen Beschränkungen ihrer Grundrechte durch privatautonome Regelungen zu bewahren. Für den Bereich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen hat der Gesetzgeber eine aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht durch den Erlass von Kündigungsschutzvorschriften genügt und damit ein bestimmtes Maß an Arbeitsplatzschutz vorgegeben. Nichts anderes gilt für die Befristung von Arbeitsverhältnissen, bei der die Funktion des Kündigungsschutzes die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle übernimmt. Ihre Aufgabe ist es, den Arbeitnehmer vor einem grundlosen, den staatlichen Kündigungsschutz umgehenden Verlust des Arbeitsplatzes zu schützen und damit einen angemessenen Ausgleich der kollidierenden Grundrechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien zu finden (BAG, Urteil vom 25.02.1998 - 7 AZR 641/96 - AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Luftfahrt; LAG Berlin, Urteil vom 21.05.1999 - 6 Sa 355/99 - DB 2000, 1469).

2.1.2 Es erscheint der erkennenden Berufungskammer bereits fraglich, ob der oben vom Bundesarbeitsgericht definierte Schutzzweck und Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG in dieser Form auf Fallkonstellationen anwendbar ist, bei denen es nicht um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern allenfalls um seine Veränderung geht. Selbst wenn man dies mit Blick auf die jedenfalls hier vorhandene Reduzierung des Gehalts für notwendig hält, ergibt sich indessen, dass die vom Bundesarbeitsgericht geforderte sachliche Rechtfertigung der auf dem Prüfstand stehenden Maßnahme (BAG, a. a. O.) vorliegend bejaht werden muss.

Die Vorgabe des § 10 Abs. 3 MTV, dass Ereignisse, die zu einer Veränderung des Entgelts führen, zu bestimmten Stichtagen wirken, ist schon deshalb nicht als unsachlich zu qualifizieren, weil sie dem Arbeitgeber eine möglichst schnelle Reaktion auf ansteigende oder zurückgehende Mitarbeiterzahlen ermöglicht. Dies erscheint gerade im Bereich des Einzelhandels, der in der Regel sehr lohnintensiv strukturiert ist, nachvollziehbar, erforderlich und andererseits aber auch angemessen. Die tarifliche Bestimmung erleichtert darüber hinaus die Kalkulation der monatlichen und jährlichen Kosten, was wiederum gerade in den Klein- und Mittelbetrieben des Einzelhandels von außerordentlicher Bedeutung sein kann.

Dies wiederum führt dazu, dass die Arbeitsplätze der betroffenen Arbeitnehmer, soweit sie auch von der Anzahl der zu führenden Mitarbeiter abhängt, bei Veränderungen in der Mitarbeiterzahl nicht dauernd auf dem Prüfstand stehen und von einer Beendigung bedroht sind. Gerade in solchen Fällen hat der Arbeitgeber durch § 10 Abs. 3 MTV die Möglichkeit, Gehälter anzupassen und damit die Fortführung des Arbeitsverhältnisses zu ermöglichen.

§ 10 Abs. 3 MTV wirkt darüber hinaus nicht nur zu Ungunsten der Arbeitnehmer, sondern auch zu deren finanziellen Vorteil. Steigende Mitarbeiterzahlen führen nämlich automatisch zu einer Höhergruppierung, ohne dass hierüber in gegebenenfalls langwierigen Vertragsverhandlungen mit dem Arbeitgeber Einigkeit erzielt werden muss.

2.1.3 Das in diesem Zusammenhang weiter vorgebrachte Argument des Klägers, die Tarifvorschrift beinhalte eine auflösende Bedingung, die nicht rechtswirksam sei, überzeugt ebenfalls nicht.

Die Regelung in § 10 Abs. 3 MTV geht ersichtlich davon aus, dass eine Veränderung der Mitarbeiterzahl zu einer Steigerung bzw. zu einer Verminderung des Verantwortungsbereichs, aber auch des Arbeitsumfangs beim Vorgesetzten führt. Wenn die Tarifvorschrift dann an dem Faktor Mitarbeiterzahl" anknüpft, um zum einen die Eingruppierung, zum anderen aber auch die an der Arbeitsleistung orientierte Vergütung zu verändern, so kann dies nur als sachlich gerechtfertigt bezeichnet werden.

Zudem besteht auch nicht die Gefahr, dass die Tarifregelung Willkürmaßnahmen und rechtsmissbräuchliches Verhalten des Arbeitgebers gestatten könnte und deshalb als rechtsunwirksam bezeichnet werden müsste. § 10 Abs. 3 MTV knüpft vielmehr an einem objektiven Sachverhalt, nämlich der regelmäßigen Mitarbeiterzahl an. Diese ist durch arbeitgeberseitige Maßnahmen nur beschränkt beeinflussbar. Es ist zwar richtig, dass ein Arbeitgeber durch Umstrukturierungen und Umorganisation, durch die Verkleinerung von Arbeitsbereichen oder des Betriebs selbst eine Veränderung der Mitarbeiterzahl erreichen kann. Allerdings kann ihm dieses Recht, das seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit (Art. 14 GG) zugeordnet werden muss, selbst bei betriebsbedingten Kündigungen oder Änderungskündigungen nicht abgesprochen werden. Es unterfällt dann, wie auch vorliegend, der Prüfung, ob es willkürlich, unsachlich oder rechtsmissbräuchlich ausgeübt worden ist. Steht dem Arbeitgeber aber schon beim Ausspruch von Kündigungen das Recht zur Seite, organisatorische Veränderungen durchzuführen, so muss dies erst recht für die vorliegende Fallkonstellation gelten, da es letztlich um die Zuordnung zu einer bestimmten Gehaltsgruppe geht.

2.2 Das Berufungsgericht hat letztlich auch keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass § 10 Abs. 3 MTV i. V. m. § 3 GTV gegen höherrangiges Gesetzesrecht verstoßen könnte.

2.2.1 Dies gilt zunächst, soweit sich der Kläger auf §§ 1, 2 KSchG bzw. § 626 BGB beruft.

Aufgrund der bereits oben angesprochenen Tarifautonomie steht den Tarifvertragsparteien grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu, einzelne Arbeitsvertragsbedingungen wie zum Beispiel die Arbeitszeit und den Arbeitsumfang zu regeln (vgl. hierzu: BAG, Urteil vom 12.03.1992 - 6 AZR 311/90 - AP Nr. 1 zu § 4 BeschFG). Für den Bereich des Verhältnisses zwischen Arbeitsleistung und Vergütungszahlung vertritt das Bundesarbeitsgericht darüber hinaus seit langem die Auffassung, dass Vereinbarungen, die dem Arbeitgeber das Recht zur einseitigen Änderung einzelner Arbeitsbedingungen einräumen, grundsätzlich zulässig sind. Nur wenn wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages der einseitigen Änderung durch den Arbeitgeber unterliegen mit der Folge, dass das bisherige Gleichgewicht des Vertrages, also der Verhältnisse von Leistung und Gegenleistung, grundlegend gestört wird, wird die Grenze des gesetzlichen Schutzes gegen Änderungskündigungen überschritten. Ein Eingriff, der sich auf 25 bis 30 % der monatlichen Gesamtvergütung beschränkt, ist dabei noch nicht geeignet, das synallagmatische Verhältnis unzulässig zu stören (BAG, Urteil vom 24.04.1996 - 5 AZR 1032/94 - n. v.; BAG, Urteil vom 21.04.1993 - 7 AZR 297/92 - BAG, Urteil vom 15.11.1995 - 2 AZR 521/95 - AP Nr. 20 zu § 1 TVG Tarifverträge Lufthansa).

2.2.2 Hieraus ergibt sich für den hier zu beurteilenden Fall Folgendes: Selbst wenn man die dargestellte Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer grundsätzlich anschließt, auch auf Bestimmungen in einem Tarifvertrag anwenden wollte, so ergibt sich, dass § 10 Abs. 3 MTV den Vorgaben der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung genügt. Anders als in den vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fallkonstellationen räumt nämlich § 10 Abs. 3 MTV dem Arbeitgeber kein erweitertes Direktionsrecht ein, sondern bestimmt selbst Zeitpunkt und Anlass für eine Veränderung der Vergütung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Arbeitnehmers. Für den Arbeitnehmer besteht demnach nicht die Gefahr, dass er einer möglicherweise ermessensfehlerhaften Ausübung des Direktionsrechts seines Arbeitgebers ausgesetzt wird. Vielmehr kann er wegen der von vornherein feststehenden Daten unzweifelhaft erkennen, wann und ob mit einer Veränderung seiner Vergütung zu rechnen ist.

Die dies regelnde Tarifbestimmung hält sich darüber hinaus auch noch im Rahmen der Regelungsbreite, die ohne Veränderung eines Arbeitsvertrages (einseitig) verändert werden darf. Die Rückgruppierung in die Gehaltsstaffel b) führt zu einer Reduzierung der Vergütung des Klägers von circa 17 bis 18 %, so dass von einer nachhaltigen Störung des Gegenseitigkeitsverhältnisses insgesamt nicht gesprochen werden kann.

2.3 § 10 Abs. 3 MTV beinhaltet keine unzulässige Umgehung des § 622 BGB.

2.3.1 Zur Begründung wird zunächst auf die obigen Ausführungen zu Art. 12 Abs. 1 GG verwiesen. Die dortigen Erwägungen zur sachlichen Rechtfertigung des Eingriffs in die Berufsfreiheit gelten entsprechend, wenn und soweit auf die Nichteinhaltung von gesetzlichen Kündigungsfristen verwiesen wird.

2.3.2 Entscheidend ist darüber hinaus, dass § 10 Abs. 3 MTV keine einseitig zwingende Regelung enthält, sondern auch zu Gunsten der Arbeitnehmer wirkt. Erhöht sich nämlich die Mitarbeiterzahl, so haben auch die Arbeitnehmer einen Anspruch aus § 10 Abs. 3 MTV, entsprechend der dortigen Stichtagsregelung behandelt zu werden. Dann aber kann von einer unzulässigen Nichtberücksichtigung von Kündigungsvorschriften grundsätzlich gerade nicht ausgegangen werden.

2.4 Die Beklagte hat ihr Recht auf Rückgruppierung auch nicht verwirkt, weil sie durch ihr Verhalten in der Vergangenheit keinen Vertrauenstatbestand zu Gunsten des Klägers geschaffen hat.

2.4.1 Von einer Verwirkung wird dann gesprochen, wenn ein Vertragspartner sein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre, wenn er dadurch beim Arbeitnehmer das berechtigte Vertrauen erweckt, die Geltendmachung des Rechtes werde unterbleiben, und wenn der Vertragspartner sich deshalb darauf eingerichtet hat, dass das vermeintliche Recht vom anderen nicht mehr ausgeübt werde (herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung, vgl. etwa: BAG, Urteil vom 20.08.1998 - 2 AZR 736/97 - ZTR 1998, 565). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

2.4.2 Es ist bereits fraglich, ob das dem Verwirkungstatbestand immanente Zeitmoment erfüllt ist. Nach dem Vorbringen beider Parteien ist davon auszugehen, dass die Beklagte einige Monate in den Jahren 1997 bis 1999 nicht reagierte, obwohl die Mitarbeiterzahl zeitweise unter acht gesunken war. Schon hieraus konnte der Kläger keinesfalls schließen, dass damit auch zukünftig keine Rückgruppierung im Tarifsinne vorgenommen werden würde.

2.4.3 Es fehlt aber vor allen Dingen am so genannten Umstandsmoment, weil sich der Kläger in Kenntnis der tarifvertraglichen Vorschriften keinesfalls darauf einrichten durfte, dass es zukünftig zu keiner Gehaltsreduzierung kommen würde.

Bei der Auslegung des Begriffs in der Regel" im Sinne von § 10 GTV ist auf die Zahl der normalerweise beschäftigten Arbeitnehmer abzustellen. Dabei bedarf es eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke des Betriebes, aber auch einer Mitberücksichtigung der absehbaren zukünftigen Entwicklung (BAG, Urteil vom 25.02.1987 - 4 AZR 209/86 - AP Nr. 16 zu § 1 TVG Tarifverträge Einzelhandel. Das Bundesarbeitsgericht hat in der zitierten Entscheidung im Übrigen keine Veranlassung gesehen, die Rechtsmäßigkeit des § 10 Abs. 3 MTV in Zweifel zu ziehen). Die Beklagte war deshalb aus tatsächlichen, aber auch aus rechtlichen Gründen gehalten, Schwankungen in der Mitarbeiterzahl zunächst zu beobachten und zu prüfen, ob die Zahl der dem Kläger unterstellten Mitarbeiter absehbar und dauerhaft auf acht angesiedelt bleiben würde. Wenn sie dann nicht spontan und zeitnah auf sinkende Mitarbeiterzahlen reagierte, so kam dies einerseits dem Kläger nur zugute. Andererseits durfte er mit Blick auf die unsichere Prognose keinesfalls darauf vertrauen, dass die Beklagte zukünftig keine Rückgruppierung vornehmen würde. Weitere Umstände, aus denen sich ein derartiges Vertrauen ableiten ließe, hat der Kläger in beiden Rechtszügen nicht substantiiert vorgetragen.

2.5 Die Beklagte handelte schließlich auch im Rahmen billigen Ermessens gemäß § 315 BGB.

Dabei kann dahinstehen, ob sie aufgrund der eindeutigen Regelung in § 10 Abs. 3 MTV und § 3 GTV überhaupt in der Lage war und ist, Ermessensüberlegungen anzustellen. Selbst wenn man dies für zulässig erachtet, so käme vorliegend allenfalls in Betracht, die aus § 10 Abs. 3 MTV abzuleitende Rechtsfolge erst nach Ablauf einer bestimmten Ankündigungsfrist wirken zu lassen.

Die erkennende Kammer hat erhebliche Zweifel, ob eine solche Pflicht in Ansehung der (rechtswirksamen) Regelung des § 10 Abs. 3 MTV angenommen werden kann. Überdies ergebe sich dann die Frage, welche Frist ein Arbeitgeber zur Umsetzung der Rückgruppierung einzuhalten hätte. Anhaltspunkte hierfür lassen sich weder aus dem MTV noch aus dem GTV herauslesen.

Im vorliegenden Fall konnten die oben aufgeworfenen Fragen indessen dahin gestellt bleiben. Die erkennende Kammer meint jedenfalls, dass die Beklagte durch das Zuwarten ab November 1998, als die Mitarbeiterzahl bereits unter acht gesunken war, dem Kläger ausreichend Gelegenheit eingeräumt hatte, sich auf eine demnächst anstehende Rückgruppierung einzurichten. Dem Kläger waren sowohl die Mitarbeiterzahlen wie auch die tariflichen Vorgaben bekannt. Insofern durfte er die Umsetzung der tariflichen Bestimmung im Mai 1999 auch nicht als Überraschungsentscheidung empfinden.

3. War nach allem die Reduzierung der Grundvergütung durch die Beklagte berechtigt, so gilt dies gleichermaßen für die Mehrarbeitspauschale. Dies hat bereits das Arbeitsgericht mit zutreffenden Erwägungen festgestellt, ohne dass der Kläger dem in der Berufungsinstanz entgegengetreten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht und die Revision für den Kläger zugelassen.

Ende der Entscheidung

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