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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.12.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 1825/07
Rechtsgebiete: BetrVG, Gehaltsabkommen vom 22.04.2006


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Gehaltsabkommen vom 22.04.2006 über die Tarifgehälter in der Metall- und Elektroindustrie NRW GA 2006/ERA-Strukturkomponenten
1. Einmalbetrag und prozentuale Tariflohnerhöhung gem. § 2 Nr. 2 u. 3 GA 2006 stellen zusammen mit der Zahlung der Strukturkomponente gem. § 6 Nr. 1 GA 2006 eine einheitliche Tariflohnerhöhung dar, die bei nur teilweiser Anrechnung auf eine außertarifliche Zulage mitbestimmungspflichtig ist.

2. Ein vertraglich vereinbarter Anrechnungsvorbehalt verlangt eine Gestaltungserklärung des Arbeitgebers, die grundsätzlich nur für die Zukunft zulässig ist.


Tenor:

1. Die Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11.10.2007 - 14 Ca 1636/07 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 7/8, die Beklagte zu 1/8.

3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit Tariflohnerhöhungen.

Der Kläger ist seit dem 01.04.1966 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin zuletzt auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 17.06.1991 als Servicetechniker beschäftigt.

§ 2 des Anstellungsvertrages (Bl. 35 d. A.) lautet wie folgt:

"2. Vergütung

Sie erhalten folgende Vergütung:

 Tarifgehalt nach Gruppe T4 im 2. Besch.-J.DM 3.325,00
tarifliche Leistungszulage 5 %DM 167,00
außertarifliche ZulageDM 720,00
insgesamt bruttoDM 4.212,00 (in Worten: Deutsche Mark viertausendzweihundertzwölf).

Die Nettovergütung wird Ihnen am Ende eines jeden Kalendermonats auf das von Ihnen angegebene Konto bei einem Geldinstitut überwiesen.

Bei Änderung des Tarifs, der Einstufung in eine andere Tarifgruppe oder der Gewährung bzw. Änderung der tariflichen Leistungszulage behalten wir uns die Anrechnung einer gegebenenfalls vereinbarten außertariflichen Zulage vor. Soweit ein Vorgriff auf eine höhere Alters- oder Berufsjahresstufe vorliegt, entsteht bei Erreichen kein Anspruch auf Veränderung der Vergütung."

In § 7 des Anstellungsvertrages haben die Parteien die Geltung der Bestimmungen der Tarifverträge für Angestellte der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Tarifgebietes Nordrhein-Westfalen vereinbart.

Bis einschließlich Mai 2006 bezog der Kläger ein Tarifgehalt in Höhe von 2.841,70 € brutto sowie eine tarifliche Leistungszulage in Höhe von 142,50 € brutto und eine außertarifliche Zulage in Höhe von 92,03 € brutto.

In dem Gehaltsabkommen vom 22.04.2006 über die Tarifgehälter in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen (im Folgenden GA) haben die Tarifvertragsparteien u. a. folgende Regelung getroffen:

...

§ 2 - Tarifgehälter

1. Für die Monate März bis Mai 2006 gelten die bisherigen Gehaltstabellen, gültig ab 1. März 2005, weiter.

2. Die Angestellten erhalten nach Maßgabe des § 5 für diese drei Monate mit der Abrechnung für Mai 2006 einen Einmalbetrag, der für Vollzeitbeschäftigte 310 Euro beträgt.

3. Mit Wirkung ab 1. Juni 2006 werden die Tarifentgelte der Angestellten um 3 % erhöht. Diese Tariferhöhung fließt in eine so genannte feste ERA-Leistungszulage gemäß § 4.

...

§ 5 - Einmalbetrag

1. Die Betriebsparteien können den Einmalbetrag gem. § 2 Nr. 2 bei unterdurchschnittlicher, schlechter Ertragslage zeitlich innerhalb der Laufzeit des Tarifvertrages verschieben oder bis auf Null reduzieren oder bei überdurchschnittlicher, guter Ertragslage bis auf das Doppelte durch freiwillige Betriebsvereinbarung erhöhen.

Vereinbaren die Betriebsparteien keine Abweichung, ist der Einmalbetrag in der tariflich vorgeschriebenen Höhe nach § 2 Nr. 2 auszuzahlen. Eine Erhöhung des Einmalbetrags kann der Arbeitgeber ausschließen, wenn es im Betrieb eine übertarifliche Regelung über eine Jahresabschlussvergütung, Gratifikationen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen, Weihnachtsgeld oder ähnliche Leistungen gibt.

...

§ 6 ERA-Strukurkomponente

1. Ist das ERA im Betrieb noch nicht eingeführt worden, werden ab März 2006 bis zur betrieblichen ERA-Einführung weitere Einmalzahlungen aus den ERA-Strukturkomponenten in Höhe von 2,79 % geleistet (§ 4 c) TV ERA-APF).

... "

Durch Betriebsvereinbarung vom 11.05.2006 (Bl. 34 d. A.) vereinbarten die Betriebspartner die Auszahlung des Einmalbetrages mit der Gehaltsabrechnung für den Monat Juni 2006.

Auch die außertarifliche Zulage zahlte die Beklagte zunächst weiter aus, bis sie mit Schreiben vom 22.09.2006 erklärte, sie werde rückwirkend ab 01.06.2006 die Gehaltserhöhung auf die außertariflichen Zulagen anrechnen. In dem Schreiben vom 22.09.2006 heißt es:

"Anrechnung der Tariferhöhung auf AT-Zulage

Sehr geehrter Herr E.,

wir teilen Ihnen mit, dass wir aufgrund der weiterhin im Unternehmen herrschenden ungünstigen wirtschaftlichen Lage die rückwirkend ab 01.06.2006 gültige tarifliche Erhöhung der Löhne und Gehälter auf bestehende außertarifliche Zulagen anrechnen.

Dadurch reduziert sich die Ihnen gewährte außertarifliche Zulage um EUR 89,25.

Des Weiteren werden wir zukünftig auszuzahlende ERA-Strukturkomponenten auf den verbleibenden Rest Ihrer außertariflichen Zulage anrechnen.

Details hierzu entnehmen Sie bitte Ihrer Entgeltabrechnung.

Die Entscheidung für diese Maßnahme ist uns nicht leicht gefallen. Aufgrund der weiterhin im Unternehmen herrschenden ungünstigen wirtschaftlichen Lage sehen wir uns allerdings zu diesem Schritt gezwungen. Dafür bitten wir um Ihr Verständnis."

Die Beklagte erstellte neue Gehaltsabrechnungen und kürzte die dem Kläger gewährte außertarifliche Zulage um 89,25 € auf 2,78 €. Die 2,78 € hat sie dann mit der ERA-Strukturkomponente verrechnet.

Weiter errechnete die Beklagte mit der Novemberabrechnung 2006 den Anspruch auf die ERA-Strukturkomponente, wobei sie ausweislich der "ERA-Ermittlung 2006" (Bl. 69 d. A.) für die Monate März bis Mai jeweils die volle AT-Zulage in Höhe von 92,03 € monatlich und ab Juni bis Dezember jeweils 2,78 € auf die ERA-Strukturkomponente anrechnete.

Für die Monate März bis August 2006 ergibt sich danach ein angerechneter Betrag von 284,97 € neben dem ausgezahlten Betrag von 666,75 €.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, seine außertarifliche Zulage mit der Tariflohnerhöhung zu verrechnen.

Die Anrechnungsklausel im Arbeitsvertrag sei unwirksam, da sie intransparent sei und eine unangemessene Benachteiligung darstelle. Außerdem sei das dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zustehende Mitbestimmungsrecht missachtet worden. Darüber hinaus sei eine rückwirkende Verrechnung mit Tariflohnerhöhungen unzulässig. Daraus, so trägt der Kläger vor, ergebe sich ein Anspruch für die Monate Juni 2006 bis März 2007 in Höhe von 10 x 89,25 € brutto.

Des Weiteren ist der Kläger der Auffassung, er habe einen Anspruch auf Restzahlung der sogenannten ERA-Strukturkomponente in Höhe von 284,97 € brutto. Zum einen lägen keine eindeutigen die Verrechnung vornehmenden Willenserklärungen vor. Zum anderen habe die Strukturkomponente nur mit dem verbleibenden Rest verrechnet werden sollen.

Der Kläger hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 892,50 brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 284,97 brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3.

die Beklagte zu verurteilen, künftig eine monatliche außertarifliche Zulage in Höhe von € 92,03 brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die vorgenommenen Verrechnungen seien nicht zu beanstanden.

Die prozentuale Tariflohnerhöhung könne isoliert von dem Einmalbetrag angerechnet werden, da es sich um keine einheitliche Erhöhung der Tarifgehälter handele. Bei dem Einmalbetrag handelt es sich um eine konjunkturabhängige Einmalzahlung. Ein mitbestimmungspflichtiger Anrechnungstatbestand liege deshalb nicht vor. Auch die ERA-Strukturkomponente sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf die Tariflohnerhöhung anzurechnen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 11.10.2007 der Klage teilweise stattgegeben.

Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägeranspruch auf die Zahlung von 267,75 € (rückwirkend angerechnete Tariflohnerhöhung von 3 % auf den Zeitraum von Juni bis August 2006) bestehe, da sich eine Rechtsgrundlage für diesen Anrechnungszeitraum weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus betrieblichen oder tariflichen Regelungen ergebe.

Ein weitergehender Zahlungsanspruch bestehe jedoch nicht (ab September 2006), da die Beklagte aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen berechtigt gewesen sei, die Tariflohnerhöhung anzurechnen und die Regelung weder intransparent sei noch gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates verstoße. Es liege eine vollständige Anrechnung der Tariflohnerhöhung vor, weil die prozentuale Tariflohnerhöhung und der Einmalbetrag keine einheitliche Tariferhöhung darstellten.

Der Kläger habe auch Anspruch auf Zahlung der 284,97 € brutto ERA-Strukturkomponente, da eine rückwirkende Verrechnung nicht zulässig sei.

Ab September 2006 sei die übertarifliche Zulage insgesamt anrechenbar und könne vom Kläger nicht mehr geltend gemacht werden.

Gegen das dem Kläger am 17.10.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger unter dem 25.10.2007 Berufung eingelegt und diese unter dem 09.11.2007 begründet.

Auch die Beklagte hat gegen das ihr am 16.10.2007 zugestellte Urteil unter dem 14.11.2007 Berufung eingelegt und diese unter dem 10.12.2007 begründet.

Der Kläger macht mit seiner Berufung geltend, dass entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts die Verrechnung der außertariflichen Zulagen mit der Tariferhöhung der Mitbestimmung durch den Betriebsrat bedurft hätte. Tatsächlich liege nur eine teilweise Anrechnung vor, weil durch die unzulässige rückwirkende Anrechnung bloß ein Teil angerechnet werden konnte und darüber hinaus die Einmalzahlung Teil der Tariflohnerhöhung ist, die unstreitig nicht angerechnet wurde.

Die unzulässigerweise nicht mitbestimmte Anrechnung führe dazu, dass dem Kläger die außertariflichen Zulagen zu zahlen seien, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft.

Der Kläger beantragt unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten:

1.

Unter Abänderung des am 11.10.2007 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf, Aktenzeichen 14 Ca 1636/07 wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere € 624,75 brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.03.2007 zu zahlen.

2.

Weiterhin wird die Beklagte verurteilt, unter Abänderung des vorgenannten Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf dem Kläger künftig eine monatliche außertarifliche Zulage in Höhe von € 92,03 brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils fällig zum 01. des Folgemonats zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, unter Zurückweisung der Berufung des Klägers ihrerseits,

das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11.10.2007 Az. 14 Ca 1636/07 abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat und die Klage insgesamt abzuweisen.

Sie macht geltend, dass sie berechtigt gewesen sei, die ERA-Strukturkomponente von März 2006 bis einschließlich Juni 2006 in Höhe von 92,03 € sowie von Juli 2006 bis Dezember 2006 in Höhe von 2,78 € mit der außertariflichen Zulage zu verrechnen. Zum Auszahlungszeitpunkt gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 GA sei die Strukturkomponente ab März 2006 mit dem Novembergehalt als Einmalzahlung auszuzahlen. Der Kläger habe deshalb zum Zeitpunkt der Anrechnungserklärung noch gar keine Zahlung aus der ERA-Strukturkomponente erhalten. Insofern greife auch nicht das Argument, dass eine rückwirkende Anrechung nicht möglich sei.

Sie, die Beklagte sei auch berechtigt gewesen, die Tariflohnerhöhung von 3 % seit Juni 2006 anzurechnen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne eine Tariflohnerhöhung auch rückwirkend auf übertarifliche Zulagen angerechnet werden. Es habe sich um eine generelle Entscheidung des Arbeitgebers gehandelt. Die Einmalzahlung gemäß § 2 Ziff. 2 GA, die dreiprozentige Erhöhung des Tarifentgelts gemäß § 2 Nr. 3 GA sowie die ERA-Strukturkomponente nach § 6 Ziff. 1 GA seien jeweils selbständig und bildeten keine einheitliche Tariferhöhung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrundeliegenden Sachverhalts wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen beider Parteien konnten keinen Erfolg haben. Zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffenden Gründen hat das Arbeitsgericht der Klage des Klägers nur teilweise stattgegeben und im Übrigen die Anrechnung der Tariflohnerhöhung bzw. der ERA-Strukturkomponente ab September 2006 für zulässig erachtet. Die Berufungskammer folgt im Wesentlichen den Ausführungen des Arbeitsgerichts .

A.

Berufung des Klägers

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11.10.2007 ist zulässig. Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie auch statthaft im Sinne des § 64 Abs. 1 und 2 a), b) ArbGG.

II.

Die Berufung konnte jedoch keinen Erfolg haben.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass aufgrund der arbeitsvertraglichen Gegebenheiten die Anrechnung der übertariflichen Zulage auf die Tariflohnerhöhung auf die außertarifliche Zulage für die Zeit von März 2006 bis August 2006 unzulässig war.

Daraus ergibt sich die Berechtigung der auch durch das Arbeitsgericht ausgeurteilten Beträge von 267,75 € brutto nebst Zinsen (angerechnete Tariflohnerhöhung von monatlich 89,25 € für die Zeit von Monat Juni 2006 bis August 2006) sowie die ausgeurteilten 284,97 € (unzulässige Kürzung der ERA-Strukturkomponente - unter vermeintlicher Verrechnung) in Höhe von 284,97 € brutto nebst Zinsen.

Allerdings hat der Kläger, wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, keinen Anspruch auf Nichtverrechnung der übertariflichen Zulage ab September 2006.

Die mit der Berufung allein verfolgten Einwände des Klägers im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Anrechnung wegen Verstoßes gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ab September 2006 sind unbegründet, da ab diesem Monat die gesamte Tariflohnerhöhung angerechnet wurde.

1. Der Betriebsrat hat bei der Anrechnung einer Tariferhöhung auf übertarifliche Zulagen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen, wenn eine generelle Maßnahme vorliegt, sich durch die Anrechnung die bisher bestehenden Verteilungsrelationen ändern und für die Neuregelung innerhalb des vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmens noch ein Gestaltungsspielraum verblieben ist. Die Anrechung ist mitbestimmungsfrei, wenn die Tariferhöhung im Rahmen des rechtlich und tatsächlich möglichen vollständig und gleichmäßig auf die übertariflichen Zulagen angerechnet wird (BAG Großer Senat vom 03.12.1991 - GS 2/90 - BAG'e 69, 134, 164; BAG vom 21.09.1999 - 1 ABR 59/98 - NZA 2000, 898 zu B II 1 der Gründe m. w. N.; BAG vom 03.06.2003 - 1 AZR 314/02 - BuW 2004, 260 ansonsten nicht amtlich veröffentlicht).

Rechnet dagegen der Arbeitgeber eine Tariferhöhung nur teilweise auf die freiwilligen übertariflichen Zulagen an, hat er den Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beteiligen, weil in diesem Fall Raum für eine andere Verteilungsentscheidung bleibt. Dies gilt auch, wenn sich eine einheitliche Tariferhöhung aus einer prozentualen Erhöhung des künftigen Monatsentgelts und einem oder mehreren Pauschalbeträgen für einen bestimmten Zeitraum in der Vergangenheit zusammensetzt (BAG vom 21.01.2003 - 1 AZR 125/02 - zu A II 2 a der Gründe, AP Nr. 118 zu § 67 BetrVG 1972 Lohngestaltung = EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 41).

2. Hiernach ist die - teilweise - Anrechnungsentscheidung der Beklagten wegen Verstoßes gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats für den Zeitraum bis 30.08.2006 unwirksam.

a) Die Beklagte hat durch ihr Schreiben vom 22.09.2006 gegenüber ihrer Belegschaft dokumentiert, wie sie die Anrechnung der Tariferhöhung auf die AT-Zulage vollziehen will.

Ausdrücklich und unzweifelhaft hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass sie die tarifliche Erhöhung der Löhne (3 % Lohnerhöhung) ab 01.06.2006 - rückwirkend - auf bestehende außertarifliche Zulagen anrechnen will. Weiter hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie die ERA-Strukturkomponenten zukünftig auf den verbleibenden Rest der außertariflichen Zulagen anrechnen will.

Daraus ergibt sich, dass für die Vergangenheit, d. h. ab 01.03.2006, weder die Einmalzahlung angerechnet werden sollte noch für den Zeitraum vom 01.06.2006 bis 30.08.2006 die ERA-Strukturkomponente.

Sowohl die Einmalzahlung als auch die ERA-Strukturkomponente sind Teil einer einheitlichen Tariflohnerhöhung, wie noch unten zu erörtern sein wird. Dann ergibt sich jedoch ohne weiteres, dass die Beklagte für die hier streitigen Monate Juni bis August 2006 nur eine teilweise Anrechnung der Gesamttariflohnerhöhung vorgenommen hat, so dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zu wahren war.

Dabei kann auch nicht maßgeblich sein, dass die Beklagte bei der Errechnung der ERA-Strukturkomponente (Bl. 69 d. A.) eine Verrechnung vorgenommen hat. Es kann dahinstehen, wie diese Berechnung zustande gekommen ist. Gegenstand der Mitbestimmung und Gegenstand der Überprüfung ist die Entscheidung des Arbeitgebers und nicht deren gegebenenfalls unrichtige Durchführung (BAG vom 31.10.1995 - 1 AZR 276/95 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 80; BAG vom 09.11.2005 - 5 AZR 595/04 - EzA § 4 TVG Lohnerhöhung Nr. 45). Die den Arbeitnehmern mitgeteilte Entscheidung ergibt sich aus dem Schreiben vom 22.09.2006.

b) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Berufungskammer zu dem Ergebnis gelangt, dass sowohl die Zahlung des Pauschalbetrages für die Monate März bis Mai 2006 sowie die prozentuale Erhöhung ebenso wie die Zahlung der ERA-Strukturkomponente Teile einer Tariflohnerhöhung sind.

Zwar ist richtig, dass nach dem Sachverhalt, die der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21.09.1999 - 1 ABR 59/98 - a. a. O. zugrunde lag, die Parteien eine pauschale Regelung "anstelle der prozentualen Erhöhung" getroffen hatten. Hier ist jedoch von einem anderen Sachverhalt auszugehen.

Mit dem Landesarbeitsgericht Hamm - Urteil vom 16.08.2007 - 17 Sa 537/07 juris -ist festzustellen, dass die tarifliche Einmalzahlung nach den §§ 2 Ziff. 2, 3 Nr. 2 des Gehaltsabkommens in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 22.04.2006 eine pauschalierte Tariflohnerhöhung beinhaltet, die zusammen mit der prozentualen Tariflohnerhöhung eine Gesamttariflohnerhöhung darstellt, die grundsätzlich anrechenbar wäre.

aa) Unter einer Tariflohnerhöhung ist die Erhöhung des regelmäßigen Entgeltbetrages zu verstehen. Bei einem Gehalt liegt sie in der Erhöhung der jeweiligen Monatsvergütung. Eine Tariflohnerhöhung setzt aber nicht die "tabellenwirksame" Erhöhung des Gehaltes voraus. Auch in einer Einmalzahlung kann eine Tariflohnerhöhung liegen.

Der Begriff "Einmalbetrag" ist nicht eindeutig, sondern sowohl als Ausdruck für eine pauschalierte Gehaltserhöhung als auch zur Kennzeichnung einer davon zu unterscheidenden Sonderzahlung gebräuchlich. Ob eine tarifliche Einmalzahlung als pauschale Gehaltserhöhung oder als eine von der konkreten Gegenleistung unabhängige Sonderzahlung anzusehen ist, muss durch die Auslegung des Tarifvertrages ermittelt werden (vgl. BAG vom 01.03.2006 - 5 AZR 540/05 - NZA 2006, 688 m. w. N.).

bb) Bei der Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen ist den Grundsätzen der Gesetzesauslegung zu folgen. Danach ist auszugehen vom Wortlaut. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist darüber hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den getroffenen Regelungen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist dabei auch auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil diese Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der normsetzenden Parteien liefert und so Sinn und Zweck der Regelung zutreffend ermittelt werden können (BAG vom 16.04.2004 - 1 AZR 363/01 - NZA 2003, 224; Urteil vom 23.05.2007 - 10 AZR 363/06 -).

Mit dem Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 16.08.2007 - 17 Sa 537/07 - Rdn. 76 bis 82) ist die Kammer der Auffassung, dass der Wortlaut zwar nicht eindeutig ist, die Einmalzahlung nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang aber ebenfalls eine pauschale Entgelterhöhung darstellt und damit zur Gesamttariflohnerhöhung zu rechnen ist. Die vom Landesarbeitsgericht Hamm unter Auswertung des Tarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie vom 22.04.2006 (LA) vorgenommene Wertung teilt die erkennende Kammer unter entsprechender Anwendung auf den vorliegenden Gehaltstarifvertrag.

In § 2 Ziff.2 ist unter dem Begriff "Tarifgehälter" die Zahlung des Einmalbetrages definiert. Die Beschäftigten erhalten für diese drei Monate im Falle der Beschäftigung 310,00 €. Die bisherigen Gehaltstabellen gelten weiter, um eine Neuberechnung bei Abschluss des GA am 22.04.2006 zu vermeiden bzw. den Betrieben Zeit für die Umstellung der Gehaltsabrechnung zu geben. Mit diesen Monaten, in denen keine tabellenwirksame Erhöhung erfolgt, ist gerade die Einmalzahlung verknüpft. Darüber hinaus wird der Pauschalbetrag in Relation zur regelmäßigen Arbeitszeit der Beschäftigten gesetzt. In § 5 Ziff. 6 GA betonen die Tarifvertragsparteien, dass mit dem Einmalbetrag alle Ansprüche abgegolten sind, die sich aus der Erhöhung des Tarifentgelts gemäß § 2 für die Monate März bis Mai 2006 ergeben. Dies ist ein weiterer deutlicher Hinweis auf den Lohnerhöhungscharakter der Pauschalzahlung. In § 5 Ziff. 7 GA haben die Tarifvertragsparteien zur Vermeidung von Härten statt des Einmalbetrages eine prozentuale Erhöhung von 3 % vereinbart. Dadurch wird erneut der grundsätzliche Gehaltserhöhungscharakter des Einmalbetrages herausgestellt, sein Nivellierungscharakter aber für die Durchschnittsberechnung aufgehoben.

Dem Verständnis des Einmalbetrages als Tarifgehaltserhöhung steht auch nicht entgegen, dass die Tarifvertragsparteien in § 5 GA die Möglichkeit eröffnet haben, den Einmalbetrag bei schlechter betrieblicher Ertragslage innerhalb der Laufzeit des Tarifvertrages zu verschieben oder bis auf Null zu reduzieren oder bei guter Ertragslage bis auf das Doppelte durch freiwillige Betriebsvereinbarung zu erhöhen. Denn auch dies ändert nichts daran, dass es sich bei dem - gegebenenfalls betrieblich modifizierten - Einmalbetrag im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer um die Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit handelt, die ab März 2006 erhöht werden sollte.

Darüber hinaus sieht § 5 Ziff. 1 Satz 3 GA lediglich vor, dass die Erhöhung des Einmalbetrages ausgeschlossen ist, wenn es im Betrieb eine übertarifliche Regelung gibt. Die Regelung dient ebenfalls der Flexibilisierung der Gehaltsfindung auf betrieblicher Ebene. Sie gibt dem Arbeitgeber jedoch nur die Möglichkeit, eine Erhöhung des Einmalbetrages auszuschließen. Die pauschale tarifliche Gehaltserhöhung verbleibt den Arbeitnehmern.

cc) Auch die ERA-Strukturkomponente ist im Streitfall als Teil der Gesamttariflohnerhöhung anzusehen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, sind unter Zugrundelegung der Auslegung des Tarifvertrages der Tarifrunde 2002 die ERA-Strukturkomponenten Bestandteil der beschlossenen Tariferhöhungen (zum Gehaltsabkommen vom 23.05.2002 für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen: BAG vom 15.03.2005 - 9 AZR 97/04 - EzA § 4 TVG Altersteilzeit Nr. 14, zu I 2 c der Gründe; ebenso zu dem entsprechenden Lohntarifvertrag BAG vom 09.11.2005 - 5 AZR 595/04 - EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 45). Entsprechendes hat für die inhaltlich praktisch gleichen Tariflohnerhöhungen ab 01.06.2003, 01.03.2004 und 01.03.2005 zu gelten.

Nach dem Tarifvertrag ERA-Anpassungsfonds (TV ERA-APF) in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 18.12.2003 in der Fassung vom 05.03.2004/02.06.2005 haben die Tarifvertragsparteien ausdrücklich festgelegt:

"Das jeweilige restliche Erhöhungsvolumen von 0,9 %, 0,5 %, 0,7 % bzw. weitere 0,7 % fließt in die ERA-Strukturkomponenten und wird in der Tarifperiode, in der sie erstmals entstanden sind, zunächst ebenfalls ausgezahlt (siehe § 4 Abs. 1 a)); für die Verwendung der Folgebeträge gelten die in § 4 Abs. 1 b) getroffenen Vereinbarungen."

In § 4 1 b) (ERA-Strukturkomponente und ERA-Anpassungsfonds) im TV ERA-APF heißt es:

"In den jeweils folgenden Tarifperioden nach ihrer erstmaligen Begründung/Entstehung werden die jeweiligen ERA-Strukturkomponenten aus dem vorhergehenden Tarifperioden zwar ebenfalls als Teil der Vergütung ermittelt aber nicht ausgezahlt, sondern zunächst einbehalten und für die Monate bis einschließlich Februar 2006 nach Maßgabe des § 4 d) dem ERA-Anpassungsfonds zugeführt.

Die bei der betrieblichen ERA-Einführung in dem ERA-Anpassungsfonds befindlichen Beträge müssen entweder zur Deckung betrieblicher Mehrkosten aus der ERA-Einführung oder zur Auszahlung an die Beschäftigten/Auszubildenden verwendet werden ."

Nach der Präambel TV ERA-APF soll der ERA-Anpassungsfonds dazu dienen, einen gleitenden Übergang vom heutigen Tarifsystem auf das ERA-Geldsystem für alle Beteiligten sicherzustellen und durch unmittelbare Zahlung an die Beschäftigten zu vermeiden. Da § 6 GA 2006 vom 22.04.2006 vorsieht, dass in Betrieben, in denen ERA noch nicht eingeführt wird, ab März 2006 bis zur betrieblichen ERA-Einführung weitere Einmalzahlungen aus den ERA-Strukturkomponenten in Höhe von 2,79 % (§ 4 c) TV ERA-APF) geleistet werden sollen, ergibt sich nach Auffassung der Kammer, dass diese "aufgesparten und nicht ausgezahlten" Tariflohnerhöhungen ab 01.03.2006 zur Auszahlung kommen sollen. Nach der eigenen Ausrechnung der Beklagten (Bl. 69 d. A.) ergibt sich für die Monate März 2006 bis Juni 2006 ein monatlicher Erhöhungsbetrag von 100,35 € und ab Juli 2006 ein monatlicher Erhöhungsbetrag von 93,48 € unter Berücksichtigung der tariflichen Bestimmungen. Auch wenn diese Beträge in einem Einmalbetrag ausgezahlt werden sollen, beinhalten sie tarifliche Lohnerhöhungen.

Da gemäß § 7 GA vom 22.04.2006 das Gehaltsabkommen nur dann durch das tariflich vereinbarte Entgeltabkommen ersetzt wird, wenn das Entgeltrahmenabkommen im Betrieb eingeführt worden ist, stellt sich zusätzlich die Zahlung der Strukturkomponente - bezogen auf die hier streitigen Monate März 2006 bis August 2006 - als Tariferhöhung dar, deren Auszahlung zunächst ausgesetzt war und mit Wirkung vom 01.03.2006 die notwendige Weitergabe der Tariflohnerhöhungen bedingte.

Zusammengefasst ist deshalb festzustellen, dass die Beklagte von den Teilen der Tariflohnerhöhung, also der Einmalzahlung, der prozentualen Tariflohnerhöhung und der Tariflohnerhöhung durch Zahlung der Strukturkomponente bis zum 30.08.2006 nur Teile auf die übertarifliche Zulage angerechnet hat - so dass die teilweise Anrechnung mitbestimmungspflichtig gemäß § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG gewesen wäre. Mangels Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens ist die Anrechnung deshalb unwirksam.

3. Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen sollte, so ist dem Arbeitsgericht zu folgen, dass die rückwirkende Anrechnung der Tariflohnerhöhung aufgrund der Vertragsgestaltung unzulässig ist. Insoweit kann auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts (I 1 der Gründe) und darüber hinaus auf die Begründung der Berufungskammer in Zusammenhang mit der Berufung der Beklagten (B II 1 - 3 der Gründe) Bezug genommen werden.

4. Der Kläger hat zweitinstanzlich keine Rechtsverletzung durch das arbeitsgerichtliche Urteil hinsichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit der Anrechnungsklauseln mehr geltend gemacht. Insoweit kann ebenfalls auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen werden, das ausführlich und umfänglich begründet hat, dass die Anrechnungsklausel auch unter Berücksichtigung der §§ 305 ff. BGB nicht zu beanstanden ist.

B.

Berufung der Beklagten

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11.10.2007 ist zulässig. Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie auch statthaft im Sinne des § 64 Abs. 1 und 2 a), b) ArbGG.

II.

Die Berufung konnte jedoch keinen Erfolg haben.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klage im ausgeurteilten Umfang stattgegeben. Die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen und der Inhalt des ausgeübten Vorbehalts ausweislich des Schreibens vom 22.09.2007 lassen eine Anrechnung der übertariflichen Zulage erst ab September 2006 zu.

1. Ob eine Tariflohnerhöhung individualrechtlich auf eine übertarifliche Vergütung angerechnet werden kann, hängt von der zugrundeliegenden Vergütungsabrede ab. Haben die Arbeitsvertragsparteien dazu eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, gilt diese. Andernfalls ist aus den Umständen zu ermitteln, ob eine Befugnis zur Anrechnung besteht. Die Anrechnung ist grundsätzlich möglich, sofern dem Arbeitnehmer nicht vertraglich ein selbständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist (vgl. nur BAG vom 21.01.2003 - 1 AZR 125/02 - a. a. O.; BAG vom 01.03.2006 - 5 AZR 540/05 - a. a. O.).

Durch die Anrechnung reduziert sich die übertarifliche Zulage. Eine Vereinbarung darüber, ob die Zulage auch nach einer Tariflohnerhöhung als selbständiger Lohnbestandteil weitergezahlt werden soll, kann nicht nur ausdrücklich geschlossen werden, sondern kann sich auch aus den besonderen Umständen bei den Vertragsverhandlungen, dem Zweck der Zulage - z. B. Ausgleich besonderer Leistungen oder Erschwernisse - oder aus einer betrieblichen Übung ergeben. Allein in der tatsächlichen Zahlung liegt noch keine vertragliche Abrede, die Zulage solle auch nach einer Tariflohnerhöhung als selbständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn gezahlt werden (BAG vom 21.01.2003 - 1 AZR 125/02 - a. a. O.).

Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass die übertarifliche Zulage nicht als besondere Leistungszulage und damit als selbständiger Entgeltbestandteil zugesagt war. Dies ergibt sich auch aus der Vertragsgestaltung, in der ausdrücklich zwischen Tarifgehalt, tariflicher Leistungszulage und außertariflicher Zulage differenziert wird. Damit ist eine grundsätzliche Anrechenbarkeit aufgrund einer vertraglichen Gestaltung gegeben.

2. Im Streitfall ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Parteien nicht etwa eine "jederzeit anrechenbare außertarifliche Zulage" vereinbart haben, sondern ausweislich des Arbeitsvertrages die Beklagte sich bei "Änderung des Tarifs die Anrechnung einer gegebenenfalls vereinbarten außertariflichen Zulage vorbehalten" hat. Dies beinhaltet, wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, ein Gestaltungsrecht und damit ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB; der Arbeitgeber muss den Anrechnungsvorbehalt auch tatsächlich ausüben, um Rechtswirkungen zu erzielen. Solange der Vorbehalt nicht ausgeübt wird, hat keine Anrechnung zu erfolgen.

Dies beinhaltet, dass gemäß § 315 Abs. 1 u. 3 BGB ein Arbeitgeber keine Bestimmung nach billigem Ermessen vornimmt, wenn er einen Arbeitnehmer zunächst beschäftigt und die übertarifliche Zulage bezahlt, um ihm dann nachträglich mitzuteilen, dass er nunmehr von seinem Vorbehalt Gebrauch machen will. Eine Ausübung des Gestaltungsrechtes erfolgt nur dann unter Abwägung der wesentlichen Umstände und unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage (zum Billigkeitsbegriff vgl. BAG vom 25.10.1989 - 2 AZR 633/88 - AP BGB § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 36; vom 07.12.2000 - 6 AZR 444/99 - NZA 2001,780 m. w. N.), wenn die Ausübung des Anrechnungsvorbehalts in unmittelbarem Zusammenhang und aus Anlass der Tariferhöhung vorgenommen wird und zwar grundsätzlich für die Zukunft. Insoweit folgt die Berufungskammer auch der Argumentation des Arbeitsgerichts zur "Rückwirkung".

Insoweit stellt sich der Sachverhalt auch anders dar, als die von der Beklagten zitierten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der Rückwirkung des Tarifvertrages. Diese Rechtsprechung könnte allenfalls in Betracht kommen für die Frage, ob im Hinblick auf den Abschluss des Tarifvertrages am 22.04.2006 eine "tarifliche Rückwirkung" ab 01.03.2006 erfolgen konnte. Hier war der Tarifvertrag jedoch seit 22. 04.2006 existent, in Vollzug gesetzt und handhabbar. Die rückwirkende Festlegung der Anrechnung der Tariflohnerhöhung durch die Beklagte unter dem 22.09.2006 ist demnach nicht durch die rückwirkende Inkraftsetzung des Tarifvertrages bedingt, sondern dadurch, dass die Beklagte erst zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung getroffen hat, wie sie die Tariflohnerhöhung weitergeben will, soweit nicht die Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Einmalzahlung zum Tragen gekommen ist. Dann handelt es sich jedoch nicht mehr um eine Entscheidung im Zusammenhang mit einer rückwirkenden Tarifgeltung sondern um eine "unbillige" Ausübung eines Vorbehaltsrechts. Die Arbeitnehmer mussten nicht damit rechnen, dass nach Abrechnung und Bezahlung der Vergütungszeiträume Juni bis August 2006 eine nachträgliche Anrechnung erfolgt.

3. Soweit sich die Beklagte gegen die Verurteilung der 284,97 € - gekürzte ERA-Strukturkomponente - wendet, konnte die Berufung ebenfalls keinen Erfolg haben.

a) Geht man zugunsten der Beklagten davon aus, dass die ERA-Strukturkomponente ebenfalls eine Erhöhung des "Tarifs" ist und erfordert deshalb die Anrechnung die Ausübung des Anrechnungsvorbehaltes durch die Beklagte, wie oben dargestellt, so ist festzustellen, dass die Beklagte die Anrechnung der ERA-Strukturkomponente mit der außertariflichen Zulage ausweislich ihres Schreibens nicht für die Vergangenheit, sondern ausdrücklich nur für die Zukunft und damit frühestens ab September 2006 ausgeübt hat. Sie hat nämlich ausdrücklich im Schreiben vom 22.09.2006 (Bl. 9 d. A.) erklärt:

"Des Weiteren werden wir zukünftig auszuzahlende ERA-Strukturkomponenten auf den verbleibenden Rest ihrer außertariflichen Zulage anrechnen."

Mit dieser unternehmerischen Entscheidung widerspricht sich die Beklagte in der praktischen Durchführung, wenn sie erkennbar nach der ERA-Errmittlung in 2006 (Bl. 69 d. A.) so gerechnet hat, dass sie bereits ab März 2006 bis August 2006 die hier streitigen Beträge bereits verrechnet hat. Maßgeblich für die Ausübung des Vorbehalts ist die vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mitgeteilte Ausübung sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich des Zeitraums. Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mitteilt, dass er für die Zukunft Verrechnungen vornimmt, kann er dies nicht bereits auf die Vergangenheit erstrecken. Maßgeblich ist insoweit die mitgeteilte unternehmerische Entscheidung im Sinne des Gestaltungsrechtes und nicht eine möglicherweise unrichtige praktische Handhabung.

Zwar ist richtig, dass von einer rückwirkenden Verrechnung nicht mehr gesprochen werden kann, wenn der Zahlungszeitpunkt ausweislich der tariflichen Bestimmung erst im November 2006 mit der Zahlung der Sondervergütung erfolgen sollte. Die Notwendigkeit der Ausübung des Vorbehaltsrechts für die Zukunft hinderte die Beklagte jedoch, rechnerisch in der Vergangenheit Verrechnungen vorzunehmen, die zu einer Schmälerung des Anspruchs des Klägers aus der Vergangenheit führen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits angenommen und deshalb die Revision für die Beklagte zugelassen, da die Frage der Einheitlichkeit der Tariferhöhungen der Einmalzahlungen auch der ERA- Strukturkomponente nach GA 2006 und damit die Auslegung des Tarifvertrages noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und zu einem Teilaspekt auch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm bereits beim Bundesarbeitsgericht anhängig ist.

Ende der Entscheidung

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