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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.12.2007
Aktenzeichen: 7 (8) Sa 690/06
Rechtsgebiete: BGB, MTV Chemie


Vorschriften:

BGB § 613 a Abs. 6
MTV Chemie § 17 Ziff. 2
1. Die Unterrichtung über einen Betriebsübergang ist fehlerhaft und setzt den Lauf der Widerspruchsfrist gemäß § 613 a Abs. 6 BGB nicht in Gang, wenn über die haftungsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs nicht unterrichtet worden ist.

2. Im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung kann der Arbeitnehmer - bis zur Grenze der Verwirkung - grundsätzlich unbefristet von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch machen.

3. Das im Rahmen der Verwirkung erforderliche Umstandsmoment wird bei fehlerhafter Unterrichtung über den Betriebsübergang nicht schon dadurch erfüllt, dass eine Arbeitnehmerin, die im unmittelbaren Anschluss an die Elternzeit von der Erwerberin freigestellt worden ist, die weitere Abwicklung des Arbeitsverhältnisses durch die Erwerberin entgegennimmt.

4. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Veräußerer bereits von einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern eine Widerspruchserklärung wegen fehlerhafter Unterrichtung erhalten hat und von diesen gerichtlich auf das Bestehen von Arbeitsverhältnissen in Anspruch genommen wird. Er muss in diesem Fall damit rechnen, dass auch andere Arbeitnehmer nach weiterer Aufklärung der Sach- und Rechtslage von ihrem Widerspruchsrecht noch Gebrauch machen werden.

5. Bittet ein Prozessbevollmächtigter wegen der im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht vorliegenden Handakte einen klageerweiternden Schriftsatz nicht entgegen nehmen zu müssen und wird der Schriftsatz sodann versehentlich durch das Gericht nicht zugestellt, so kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Berufung auf eine tarifliche Ausschlussfrist eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne des § 17 Ziffer 2 des MTV Chemie darstellen.


Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 17.05.2006 - 3 Ca 2314/05 lev - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin zu 21 %, die Beklagte zu 79 %.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit ihrer am 08.11.2005 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage macht die Klägerin gegenüber der Beklagten als Betriebsveräußerin Lohnansprüche für die Zeit ab Juli 2005 bis einschließlich April 2006 geltend. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines Betriebsteils der Beklagten wirksam widersprochen hat.

Die am 19.03.1972 geborene, verheiratete Klägerin, die zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, war ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 4 der Akte) seit dem 01.04.1996 mit einer anrechenbaren Betriebszugehörigkeit seit dem 01.05.1994 bei der Beklagten als Chemielaborantin zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von zuletzt 2.744,92 € tätig.

Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die chemische Industrie Anwendung.

Die Klägerin war dem Geschäftsbereich Consumer Imaging zugeordnet, der insbesondere die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da dieser Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu verzeichnen hatte, hat die Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch der Abschluss von Vorruhestandsverträgen oder Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen Arbeitnehmern von der Beklagten zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden.

Unter dem Datum vom 14.10.2004 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste ab. Danach war nicht vorgesehen, das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu kündigen.

Ende des Jahres 2004 wurde der Geschäftsbereich CI im Wege eines Betriebsübergangs ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die neu gegründete B. Photo GmbH übertragen.

Für die von dem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder fanden Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere Geschäftsführer der B. Photo GmbH F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Vorstandes der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. Photo GmbH erteilte. Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befanden sich in den betriebsinternen Magazinen die Zahlenangaben für die Erwerberin B. Photo GmbH von 300 Millionen Eigenkapitalsumme sowie 70 bzw. 72 Millionen Euro Barmittel.

Sämtliche dem Geschäftsbereich CI zugeordneten Arbeitnehmer der Beklagten haben im Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereichs CI eine im wesentlichen gleich lautende schriftliche Information erhalten. Die Informationsschreiben unterscheiden sich allerdings abhängig von der jeweiligen arbeitsvertraglichen Situation der betroffenen Mitarbeiter in Einzelfragen voneinander.

Mit einem vom 22.10.2004 datierenden Schreiben wurde auch die Klägerin über die geplante Übertragung des Geschäftsbereichs CI informiert. Nach Hinweis auf die Informationspflicht gemäß § 613 a BGB und Wiedergabe des Textes von § 613 a Abs.5 und 6 BGB teilt die Beklagte mit, es werde hiermit "noch einmal" schriftlich die vorgesehene und mit dem Verhandlungsgremium des Gesamtbetriebsrates und der örtlichen Betriebsräte abgestimmte Information gegeben, auch wenn sie - die Klägerin - "aus der bisherigen Kommunikation bereits über die Einzelheiten informiert" sei.

Unter Ziffer 2. wird ausgeführt, die B. Photo GmbH übernehme das Vermögen von CI. Hierzu gehörten insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen. Das Unternehmen werde mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfüge über hohe Liquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.

Unter Ziffer 4. dieses Schreibens hat die Beklagte den geplanten Personalabbau dargelegt.

Unter Ziffer 5. hat sie der Klägerin mitgeteilt, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4 betroffen sei.

Nach weiteren Darlegungen zum Widerspruchsrecht und dem Hinweis, dass die Klägerin im Falle eines Widerspruchs wegen einer sodann nicht bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei der Beklagten damit rechnen müsse, ihren Arbeitsplatz ohne jede finanzielle Leistung zu verlieren, wurde der Klägerin dringend empfohlen, von einem Widerspruch abzusehen.

Wegen des Inhalts des Informationsschreibens und dessen Formulierung im Einzelnen wird auf Bl. 5 - 6 der Akte Bezug genommen.

Nach Vortrag der Klägerin, die sich nach der Geburt ihres zweiten Kindes bis einschließlich 15.05.2005 im Erziehungsurlaub befand, ist ihr das vom 22.10.2004 datierende Schreiben im ersten Quartal des Jahres 2005 zugegangen.

Mit Schreiben vom 11.05.2005 (Bl. 20 der Akte) wurde die Klägerin von der B. Photo GmbH mit Wirkung ab dem 17.05.2005 bis auf Weiteres widerruflich von der Arbeitsleistung freigestellt.

Am 20.05.2005 stellte die B. Photo GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren.

Bereits im Juni 2005 widersprach ein Teil der Arbeitnehmer dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die B. Photo GmbH.

Ab dem 01.07.2005 hat die Klägerin ausweislich des Bewilligungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit vom 26.08.2005 (Bl. 55 - 56 der Akte) Arbeitslosengeld in Höhe von 650,70 € monatlich erhalten.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 04.07.2005 (Bl. 7 der Akte) widersprach auch die Klägerin wegen einer fehlerhaften Unterrichtung über dem Betriebsübergang dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die B. Photo GmbH und bot ihre Arbeitsleistung an. Dieses Schreiben ist der Beklagten unstreitig am 08.07.2007 zugegangen.

Am 01.08.2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. Photo GmbH eröffnet. In der Folgezeit widersprachen eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmer dem Betriebsübergang.

Nachdem die Klägerin mit der Klageschrift zunächst ihre Gehälter bis einschließlich Oktober 2005 geltend gemacht hatte, hat sie die Klage mit Schriftsatz vom 20.03.2006 um die Gehälter bis einschließlich März 2006 erhöht. Dieser klageerweiternde Schriftsatz ist der Beklagten erstinstanzlich nicht zugestellt worden. Zwischen den Parteien ist streitig, ob diese Klageerweiterung im erstinstanzlichen Kammertermin vom 22.03.2006 erörtert worden ist. Auf Befragen hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Termin vom 13.12.2006 zu Protokoll (Bl. 212 der Akte) erklärt, im Termin vom 22.03.2006 sei seitens des Gerichts darauf hingewiesen worden, dass ein klageerweiternder Schriftsatz vorliege. Dies ergibt sich auch aus dem Protokoll. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten konnte nicht ausschließen, dass über den Inhalt des Schriftsatzes Erörterungen erfolgt sind.

Mit Schriftsatz vom 03.05.2006, der dem Beklagtenvertreter im Kammertermin vom 03.05.2006 überreicht worden ist, hat die Klägerin die Klage um die Gehälter bis einschließlich April 2006 erweitert. Auf diese Klageerhöhung hat die Beklagte sich ausweislich des Sitzungsprotokolls nicht eingelassen. Bis zu dem weiteren Kammertermin vom 17.05.2006 hat die Beklagte zur Klageerhöhung keine Stellung genommen.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe im Juli 2005 dem Betriebsübergang noch widersprechen können, da sie bis dahin nicht ausreichend und korrekt über den Betriebsübergang informiert worden sei. Sie habe während der Elternzeit keine weiteren Informationen, insbesondere über den ihr zustehenden gesetzlichen Kündigungsschutz gemäß § 18 BErzGG, erhalten. Erst durch die Einleitung des Insolvenzverfahrens und die sich anschließende Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe sie erfahren, dass die Angaben im Informationsschreiben unvollständig und falsch gewesen seien. Da das Informationsschreiben, das sie erst im ersten Quartal des Jahres 2005 erhalten habe, nicht den gesetzlichen Anforderungen entspräche, sei die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden. Sie hat unter Bezugnahme auf die auf der Betriebsversammlung und in den betriebsinternen Magazinen dargelegten Informationen behauptet, über die wirtschaftliche Situation der Erwerberin sei falsch informiert worden. Entgegen den erteilten Informationen sei die B. Photo GmbH wirtschaftlich so schlecht ausgestattet gewesen, dass ein Überleben am Markt tatsächlich nicht möglich gewesen sei. Es sei vor allem über die finanzielle Ausstattung und die Übertragung der Markenrechte falsch informiert worden. Die B. Photo GmbH habe zu keiner Zeit über Barmittel in Höhe von rund 70 Millionen Euro verfügt und auch keine Kreditlinie in Höhe von 50 Millionen Euro gehabt. Über die Markenrechte könne sie nicht verfügen, sondern habe diesbezüglich nur ein Nutzungsrecht. Außerdem habe die Beklagte in dem Informationsschreiben entgegen ihrer Pflicht nicht auf die Verteilung von Schuld und Haftung zwischen dem bisherigen und dem neuen Arbeitgeber hingewiesen. Da es für die Ausübung des Widerspruchsrechts keine zeitliche Höchstgrenze gebe, sei ihr Recht auf Ausübung des Widerspruchrechts auch nicht verwirkt. Die geltend gemachten Lohnansprüche seien berechtigt, da die Beklagte die angebotene Arbeitsleistung nicht angenommen habe und sich daher in Annahmeverzug befände.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, an die Klägerin € 19.822,24 zu zahlen, nämlich

für Juli 2005 brutto € 1.624,96,

für August 2005 brutto € 2.744,92,

für September 2005 brutto € 2.744,92,

für Oktober 2005 brutto € 2.744,92,

für November 2005 brutto € 2.744,92,

für Dezember 2005 brutto € 2.744,92,

für Januar 2006 brutto € 2.744,92,

für Februar 2006 brutto € 2.744,92,

für März 2006 brutto € 2.744,92,

für April 2006 brutto € 2.744,92,

jeweils abzüglich von der Agentur für Arbeit gemäß Bewilligungsbescheid vom 26.08.2005 zu Vers.-Nr. 181903720509 gezahlter € 650,70 monatlich, nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz

von € 974,26 seit dem 15.08.2005

von € 2.094,22 seit dem 15.09.2005

von € 2.094,22 seit dem 15.10.2005

von € 2.094,22 seit dem 15.11.2005

von € 2.094,22 seit dem 15.12.2005

von € 2.094,22 seit dem 15.01.2006

von € 2.094,22 seit dem 15.02.2006

von € 2.094,22 seit dem 15.03.2006

von € 2.094,22 seit Rechtshängigkeit der Klageerhöhung vom 20.03.2006

von € 2.094,22 seit Rechtshängigkeit der Klageerhöhung;

2. die Beklagte zu verurteilen, für die Monate Juli, August, September, Oktober, November, Dezember 2005, Januar, Februar, März, April 2006 Brutto- Nettolohn und Gehaltsabrechnungen zu erstellen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Arbeitsverhältnis zur Klägerin bestehe nicht mehr, da mangels eines wirksamen Widerspruchs die B. Photo GmbH Arbeitgeberin der Klägerin geworden sei. Da die mit Schreiben vom 22.10.2004 erteilten Informationen ausreichend und korrekt gewesen seien, sei die gesetzliche einmonatige Widerspruchsfrist bei Einlegen des Widerspruchs durch die Klägerin bereits lange verstrichen gewesen. Für die Frage einer richtigen und ausreichenden Information bezüglich des Betriebsübergangs sei allein der Inhalt des Schreibens vom 22.10.2004 maßgeblich gewesen. Dies ergebe sich schon aus dem Textformerfordernis in § 613 a Abs.5 BGB. Mitteilungen auf Betriebsversammlungen oder in betriebsinternen Magazinen genügten nicht der Formvorschrift des § 126 b BGB. Außerdem gehe aus dem Schreiben eindeutig hervor, dass allein dieses Schreiben der Erfüllung der Informationspflicht diene. Eine Pflicht zur Information über die wirtschaftliche Lage eines Erwerbers gebe es zudem nicht. Abgesehen davon, dass auch die im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang erteilten Informationen korrekt gewesen seien, enthalte das Schreiben vom 22.10.2004 keine konkrete Information über die wirtschaftliche Solvenz der B. Photo GmbH, sondern beschränke sich auf eine Bewertung. Zudem sei ein Widerspruch im Juli 2005 auch deshalb nicht mehr möglich gewesen, weil entsprechend § 5 Abs.3 S.2 KSchG von einer Höchstfrist von sechs Monaten auszugehen sei. Zumindest habe die Klägerin ihr Widerspruchsrecht selbst bei unterstellter Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Information durch ihre Weiterarbeit bei der Erwerberin verwirkt. Im Hinblick auf die lange Zeit zwischen Betriebsübergang und Widerspruch in Verbindung mit der Weiterarbeit der Klägerin bei der Erwerberin habe sie - die Beklagte - darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin bei der Erwerberin bleiben werde. Da kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestehe, bestehe auch kein Anspruch auf Zahlung rückständiger Gehälter. Vorsorglich hat die Beklagte sich auf einen Verfall etwaiger Zahlungsansprüche berufen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der Lohnansprüche für August bis September 2005 und für Dezember 2005 bis einschließlich April 2006 sowie dem Antrag auf Erteilung entsprechender Gehaltsabrechnungen stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat dazu ausgeführt, die Klägerin habe dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses wirksam widersprochen. Die Monatsfrist des § 613 a Abs.6 BGB, die mit Zugang der Unterrichtung beginne, sei noch nicht in Gang gesetzt worden, da das Schreiben der Beklagten vom 22.10.2004 den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Unterrichtung im Sinne des § 613 a BGB schon deshalb nicht genüge, weil es keinerlei Hinweise auf die in § 613 a Abs.2 BGB geregelte Haftungsverteilung zwischen dem alten und dem neuen Betriebsinhaber enthalte. Dass auch über die Haftungsfragen unterrichtet werden müsse, ergebe sich zwingend aus dem Zweck der Unterrichtung. Ob die Information über die Haftungsfragen im Einzelfall für die Entscheidung über die Ausübung des Widerspruchsrechts eine Rolle spiele, sei ohne Bedeutung. Der Widerspruch sei nicht verfristet. Eine absolute Zeitgrenze für den Widerspruch entsprechend § 5 Abs.3 KSchG gebe es nicht. Die Klägerin habe ihr Widerspruchsrecht auch nicht verwirkt. Dabei könne dahinstehen, ob das Zeitmoment der Verwirkung erfüllt sei. Jedenfalls fehle das Umstandsmoment. Es seien keinerlei besondere Umstände zu erkennen, die es rechtfertigen würden, die Ausübung des Widerspruchsrechts durch die Klägerin als Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben zu werten. Die Beklagte habe sich jedenfalls ab dem 08.07.2005 in Annahmeverzug befunden. Die Lohnansprüche für die Monate Juli und November 2005 seien allerdings verfallen. Im Übrigen sei unerheblich, dass der Beklagten der klageerweiternde Schriftsatz vom 20.03.2006 nicht zugestellt worden sei, da die Beklagte aufgrund der Erörterungen im Termin vom 22.03.2006 von der Klageerhöhung gewusst habe. Wenn ihr dann der Schriftsatz nicht zugehe und sie dies nicht rüge, so lägen "besondere Umstände" im Sinne des § 17 Ziffer 2 letzter Satz MTV Chemie vor.

Gegen das der Beklagten am 09.06.2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Solingen hat die Beklagte mit einem am 21.06.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.09.2006 mit einem am 11.09.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die mit Schriftsatz vom 14.08.2006 eingelegte Anschlussberufung hat die Klägerin zurückgenommen.

Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, dass das Informationsschreiben über den Betriebsübergang vom 22.10.2004 nicht unvollständig und nicht fehlerhaft gewesen und der Widerspruch der Klägerin vom 04.07.2005 ungeachtet dessen verspätet, jedenfalls jedoch verwirkt sei. Der Vortrag der Klägerin, erst im Jahre 2005 ohne jegliche förmliche Zustellung ein Unterrichtungsschreiben erhalten zu haben, sei in Anbetracht der Praxis beim Versand des Unterrichtungsschreibens nicht glaubhaft. Die Beklagte rügt, die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, eine Information über die Haftungsverteilung gemäß § 613 a Abs.2 BGB sei ein unabdingbarer Mindestbestandteil eines Informationsschreibens gemäß § 613 a BGB, sei rechtlich unzutreffend. Die in dem Informationsschreiben enthaltene Aussage zur Haftungsverteilung zwischen Veräußerer und Erwerber sei überdies ausreichend, um den Mindestanforderungen gerecht zu werden. Für die Information über Haftungsfragen sei einerseits zwischen der Information über den Austausch des Vertragspartners sowie andererseits über die befristete gesamtschuldnerische Haftung zu differenzieren. Über den Austausch des Vertragspartners und das damit einhergehende Ende der Haftung der Beklagten sei die Klägerin in dem Informationsschreiben deutlich durch den Hinweis informiert worden, dass ihr Arbeitsverhältnis auf die B. Photo GmbH übergehen werde. Der Begriff "Übergang" könne bei verständiger Würdigung nur dahingehend verstanden werden, dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten beendet und mit der B. Photo GmbH fortgeführt werde. Dieses Verständnis werde auch in weiteren Formulierungen des Informationsschreibens verdeutlicht. So werde auf S.3 darauf hingewiesen, dass die in der Überleitungsvereinbarung getroffenen Regelungen davon geprägt seien "soweit wie möglich Kontinuität zu wahren". Daraus ergebe sich, dass eine völlig unveränderte Kontinuität unter Beibehaltung des bisherigen Vertragspartners gerade nicht eintrete.

Das Arbeitsgericht verkenne, dass ein zusätzlicher Hinweis auf die Haftungsregelung in § 613 a Abs.2 BGB nicht erforderlich gewesen sei. Die zusätzliche gesamtschuldnerische Haftung für die Dauer eines Jahres sei eine für den Arbeitnehmer gegenüber der "Normalsituation" günstigere gesetzliche Regelung. Für einen Arbeitnehmer, der sich bereits entschieden habe, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht zu widersprechen, könne ein fehlender Hinweis auf die gesamtschuldnerische Nachhaftung keine Bedeutung haben. Denn wenn ihm durch Hinweis auf die gesamtschuldnerische Nachhaftung die Situation noch günstiger hätte dargestellt werden können, hätte ihn dies sicherlich nicht dazu veranlasst, deshalb dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.

Das Arbeitsgericht habe auch unberücksichtigt gelassen, dass das Informationsschreiben in enger Absprache mit den Arbeitnehmervertretungen verfasst worden sei.

Die Beklagte hält ihre Auffassung aufrecht, dass keine Verpflichtung zur Information über Details der finanziellen Ausstattung der Erwerberin bestanden habe.

Der von der Klägerin erhobene Widerspruch sei jedenfalls verspätet erfolgt. Ein grenzenloses Widerspruchsrecht widerspräche den Grundsätzen von Treu und Glauben und auch dem Regelungszweck des Gesetzes. Zudem könnten die beteiligten Unternehmen andernfalls auf Dauer keinerlei Rechtssicherheit erhalten, da ein Arbeitnehmer das Widerspruchsrecht noch nach Jahren mit der Begründung ausüben könnte, die Informationen über den Betriebsübergang seien unzulänglich gewesen. In der Literatur werde deshalb zutreffend vertreten, dass in analoger Anwendung von § 5 Abs.3 S.2 KSchG eine Höchstfrist von sechs Monaten ab Betriebsübergang für die Erklärung des Widerspruchs gelten müsse. Wie sich aus den Gesetzgebungsunterlagen ergebe, sei eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Änderungsvorschlag, in das Gesetz eine sechsmonatige Ausschlussfrist aufzunehmen, nicht erfolgt. Es dränge sich gerade zu der Eindruck auf, die Vorschläge der Opposition seien deshalb abgelehnt worden, weil sie von der Opposition stammten und nicht weil sie inhaltlich diskutiert worden wären.

Der Widerspruch der Klägerin sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts jedenfalls verwirkt. Da gerade die Frage nach dem Bestand des Arbeitsverhältnisses besonders eilig klärungsbedürftig sei, seien an das Zeitmoment keine hohen Anforderungen zu stellen. Für das Zeitmoment sei an den Zugang des Schreibens vom 22.10.2004 bei der Klägerin anzuknüpfen. Zu diesem Zeitpunkt sei für sie ersichtlich gewesen, dass eine dezidierte Aussage über die befristete gesamtschuldnerische Haftung in dem Informationsschreiben nicht enthalten gewesen sei. Danach sei von einem Zeitraum von mehr als acht Monaten auszugehen, der für die Erfüllung des Zeitmoments ausreiche. Für das Umstandsmoment sei es ausreichend, dass die Klägerin ihre Arbeitskraft widerspruchslos der Erwerberin angeboten habe. Außerdem habe die Klägerin in ihrem Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld die Erwerberin als ihre Arbeitgeberin angegeben. Damit habe die Klägerin den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin bestätigt. Abgesehen davon habe das Erstgericht § 17 MTV Chemie fehlerhaft ausgelegt. Diese Vorschrift knüpfe an eine unzulässige Rechtsausübung und damit an ein widersprüchliches Verhalten an. Ein solches sei auf Seiten der Beklagten nicht gegeben. Im Kammertermin vom 22.03.2006 habe der Prozessbevollmächtigte der Beklagten keine Handakte bei sich gehabt. Unstreitig sei der Schriftsatz im Termin nicht übergeben worden. Das Risiko, dass ein Geltendmachungsschreiben sodann dem Arbeitgeber nicht zugehe, trage der Arbeitnehmer. Erst im Mai 2006 sei der Beklagten eine weitere Klageerweiterung zugegangen. Das Arbeitsgericht hätte dementsprechend die Gehälter für die Monate Dezember 2005 und Januar 2006 nicht zusprechen dürfen. Hinsichtlich der Höhe des angegebenen Bruttolohns lägen der Beklagten keine verlässlichen Unterlagen vor. Nach Kenntnis der Beklagten müsse das zuletzt bezogene Gehalt der Klägerin leicht niedriger sein als angegeben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 30.01.2007 - 5 Ca 2692/05 lev - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt im wesentlichen weiterhin den Standpunkt, dass das Informationsschreiben bereits deshalb fehlerhaft sei, weil ein Hinweis auf die Haftungsverteilung zwischen Veräußerer und Betriebserwerber sowie auf die besondere kündigungsrechtliche Situation der Klägerin fehle. Eine Verwirkung sei nicht eingetreten, da es im Hinblick darauf, dass sie das Unterrichtungsschreiben erst im Jahre 2005 erhalten habe, bereits am Zeitmoment fehle. Auch das Umstandsmoment sei nicht gegeben, da sie sich zunächst in Elternzeit befunden habe und sodann von der Erwerbrin freigestellt worden sei. Auf einen Verfall könne die Beklagte sich nicht mit Erfolg berufen. Da der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ohne Handakte zum Termin vom 22.03.2006 erschienen sei, habe er darum gebeten, den Schriftsatz vom 20.03.2006 nicht gegenständlich entgegen nehmen zu müssen. In der Folgezeit habe die Beklagte nicht gerügt, dass ihr dieser Schriftsatz nicht vorliege und auch in den Kammerterminen vom 03.05. und 17.05.2006 insoweit rügelos verhandelt. Zutreffend habe das Arbeitsgericht dementsprechend "besondere Umstände" im Sinne der tarifvertraglichen Ausschlussfrist bejaht.

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die statthafte (§64 Abs.1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) ist zulässig.

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zwar ist der Betriebsteil, in dem die Klägerin beschäftigt war, gemäß § 613 a Abs.1 BGB auf die B. Photo GmbH übergegangen. Die Klägerin hat dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses jedoch rechtzeitig und wirksam gemäß § 613 a Abs.6 BGB widersprochen, so dass aufgrund der Rückwirkung des Widerspruchs das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbesteht. Der Widerspruch der Klägerin mit Schreiben vom 04.07.2005 war noch rechtzeitig, da die Beklagte die Klägerin über den Betriebsteilübergang nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 613 a Abs.5 BGB unterrichtet hat mit der Folge, dass die einmonatige Widerspruchsfrist gemäß § 613 a Abs.6 BGB nicht in Lauf gesetzt worden ist. Eine Verwirkung des Widerspruchsrechtes kann nicht festgestellt werden.

1.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage im zuerkannten Umfang als begründet angesehen. Die Klägerin hat dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses form- und fristgerecht widersprochen. Die Monatsfrist des § 613 a Abs.6 BGB war wegen fehlerhafter Unterrichtung der Beklagten über den Teilbetriebsübergang noch nicht verstrichen.

Durch das Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom 23.März 2002 (BGBl. I S.1163) wurde § 613 a BGB mit Wirkung ab 1.April 2002 um die Absätze 5 und 6 ergänzt. § 613 a Abs.5 BGB bestimmt, dass der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform über den (geplanten) Zeitpunkt des Übergangs, den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen zu unterrichten hat. Gemäß § 613 a Abs.6 BGB kann der Arbeitnehmer dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Abs.5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden. Rechtsfolge der unterbliebenen Unterrichtung nach § 613 a Abs.5 BGB ist, dass die Widerspruchsfrist gemäß Abs.6 nicht zu laufen beginnt. Nach allgemeiner Ansicht, der sich die Berufungskammer anschließt, gilt das auch für die unvollständige Unterrichtung (vgl. BAG, Urteil vom 24.05.2005, 8 AZR 398/04 = NZA 2005, 1978 m.w.N; BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 305/05).

Die Unterrichtung soll dem Arbeitnehmer eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechtes geben (vgl. BT-Drucksache 14/7760 S.19). Auf der Grundlage der Information soll der Arbeitnehmer die Folgen des Betriebsübergangs für sich abschätzen können. Die erteilten Informationen müssen zutreffend sein. Ob die Unterrichtung ordnungsgemäß ist, kann vom Gericht überprüft werden (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 305/05).

Vorstehenden Anforderungen genügt das Unterrichtungsschreiben der Beklagten vom 22.10.2004 nicht, denn die Beklagte hat die Klägerin jedenfalls nicht hinreichend über die rechtlichen Folgen des Teilbetriebsübergangs unterrichtet.

Die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs ergeben sich nach der Gesetzesbegründung vor allem aus den Absätzen 1 bis 4 des § 613 a BGB. Der Gesetzgeber nennt insoweit - unter Bezugnahme auf § 613 a Abs.1 - 4 BGB - die Fragen der Weitergeltung oder Änderung der bisherigen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, der Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des neuen Inhabers sowie des Kündigungsschutzes (BT-Drucksache 14/7760 S.19). Bereits aus der Gesetzesbegründung ist mithin zu entnehmen, dass auch über das Haftungssystem des 613 a Abs.2 BGB zu unterrichten ist. Dass die Unterrichtung über die rechtlichen Folgen auch Angaben zu der Haftung des bisherigen und des neuen Betriebsinhabers umfasst, wird auch in der Literatur überwiegend vertreten (vgl. ErfK/Preis, § 613 a BGB, Rdnr.85; Palandt, § 613 a BGB Rdnr.44; Willemsen/Müller-Bonanni in Arbeitrecht Kom., § 613 a BGB Rdnr. 328; Küttner, Personalhandbuch 2006, 123 Rdnr.32; Grau, Unterrichtungs- und Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer bei Betriebsübergang, S.166). Nunmehr hat auch das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 13.07.2006 (a.a.O.) entschieden, dass zur Unterrichtung über die rechtlichen Folgen u.a. sowohl der Hinweis auf den Eintritt des Übernehmers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis (§ 613 a Abs.1 S.1 BGB) als auch auf die gesamtschuldnerische Haftung des Übernehmers und des Veräußerers nach § 613 a Abs.2 BGB gehört (so auch BAG, Urteil vom 14.12.2006, 8 AZR 763/06).

Diese Informationen sind dem Schreiben vom 22.10.2004 entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu entnehmen.

Der Hinweis auf den "Übergang der Arbeitsverhältnisse" gibt lediglich die in

§ 613 a Abs.1 BGB getroffene Regelung wieder und erschöpft sich letztlich in der Wiederholung des gesetzlich vorgegebenen Begriffs "Übergang". Die reine Wiederholung des Gesetzeswortlauts genügt den Anforderungen des § 613 a BGB nicht. Erforderlich ist vielmehr eine konkrete betriebsbezogene Darstellung in einer auch für juristische Laien möglichst verständlichen Sprache (vgl. BAG a.a.O.). Selbst wenn der Auffassung der Beklagten gefolgt würde, dass sich aus dieser Formulierung ein Austausch der Vertragspartner entnehmen lässt, so wäre dadurch dennoch nichts über die Haftungsregelung des Abs.2 des § 613 a BGB gesagt. Dies räumt auch die Beklagte selbst ein. Sie kann sich indes nicht darauf berufen, der - auch nach ihrem eigenen Vorbringen - unterlassene Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung gehöre nicht zu den zwingenden Informationen gemäß § 613 a Abs.5 BGB, weil es sich dabei um eine für den Arbeitnehmer günstige Regelung handele, die diesen - nach einem entsprechenden Hinweis - sicherlich nicht dazu veranlassen könnte, deshalb dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.

Dazu ist zunächst festzustellen, dass einer Begrenzung des Unterrichtungsinhaltes nach § 613 a Abs.5 Nr.3, 4 BGB auf lediglich objektiv nachteilige Auswirkungen - wovon die Beklagte offensichtlich ausgeht - der Wortlaut und Zweck der Norm entgegensteht. § 613 a Abs.5 Nr.3 BGB spricht von "Folgen" und nicht von "Nachteilen" des Übergangs für die Arbeitnehmer. Auch der Begriff der "Maßnahmen" im Sinne von § 613 a Abs.5 Nr.4 BGB ist insoweit neutral (vgl. dazu Grau, a.a.O. S.150). Danach hat der Arbeitgeber bereits nach dem Wortlaut der Norm über alle Folgen des Betriebsübergangs zu unterrichten, ohne dass ihm das Recht einer Bewertung der Folgen als günstig oder ungünstig zusteht. Diese Auffassung steht auch in Einklang mit der Gesetzesbegründung und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der - wie bereits ausgeführt - die Frage der Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des neuen Inhabers zu den Folgen gehört, über die der Arbeitgeber zu unterrichten hat.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist unerheblich, ob die Haftungsfrage bei der Entscheidung des Arbeitnehmers für oder gegen den Betriebsübergang im Einzelfall eine Rolle spielt. Es ist nicht erforderlich, dass eine Kausalität zwischen fehlerhafter Unterrichtung und Erklärung des Widerspruchs festgestellt werden kann, denn aus welchen Gründen der Arbeitnehmer sich weigert, das Arbeitsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber fortzusetzen, ist grundsätzlich unerheblich. Die Angabe eines Grundes ist für die Ausübung des Widerspruchsrechtes ebenso wenig von Belang wie das zugrunde liegende Motiv des Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 30.10.2003, 8 AZR 491/02 = NZA 2004, 481). In seiner Entscheidung vom 14.12.2006 (8 AZR 763/05, zitiert nach juris) hat das Bundesarbeitsgericht dazu ausdrücklich festgestellt, dass es auf die Frage, ob der Arbeitnehmer sofort widersprochen hätte, wenn er ordnungsgemäß über die haftungsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs unterrichtet worden wäre, nicht ankomme. Das Gesetz verlange keine Kausalität zwischen der fehlerhaften Information und der Ausübung des Widerspruchsrechts.

Eine ordnungsgemäße Unterrichtung i.S.d. § 613 a Abs.5 BGB setzt nach dem Willen des Gesetzgebers und dem Wortlaut der Norm mithin immer eine Darstellung der haftungsrechtlichen Folgen eines Betriebsübergangs voraus.

Abgesehen davon wird dem betroffenen Arbeitnehmer erst durch die Darstellung der begrenzten Nachhaftung des bisherigen Arbeitgebers deutlich vor Augen geführt, dass ein endgültiger Schuldnerwechsel eintritt und der bisherige Arbeitgeber - wenn überhaupt - nur noch begrenzt haftet.

Die Beklagte hat die Klägerin danach über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs unvollständig unterrichtet. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in einer weiteren Entscheidung vom 13.07.2006 (8 AZR 303/05) darauf hingewiesen, dass eine Unterrichtung über komplexe Rechtsfragen im Rahmen des § 613 a Abs.5 BGB dann nicht fehlerhaft ist, wenn der Arbeitgeber bei angemessener und gewissenhafter Prüfung der Rechtslage rechtlich vertretbare Informationen gegenüber dem Arbeitnehmer kundtut. Eine derartige Ausnahmesituation ist vorliegend bei der Frage über die Belehrung der gesamtschuldnerischen Haftung ersichtlich nicht gegeben. Hierbei handelt es sich schon nicht um eine komplexe Rechtsfrage. Abgesehen davon hat die Beklagte die Rechtslage offensichtlich nicht gewissenhaft geprüft. Z.B. in Anwaltsformularbüchern (so z.B. in Bauer, Lingemann, Haussmann, Anwaltsformularbuch 2004, Kap.56, MM 56.1) wird in einem Formulierungsvorschlag die Haftungsregelung dargestellt. Zudem hat auch vor der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.07.2006 - wie bereits ausgeführt - die ganz herrschende Meinung den Hinweis auf die Haftung für erforderlich gehalten. Hätte die Beklagte die Rechtslage geprüft, hätte sie zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine gesonderte Belehrung über die Haftung erforderlich ist. Der Rechtsstandpunkt der Beklagten ist auch nicht vertretbar.

Abgesehen davon fehlt in dem Unterrichtungsschreiben jegliche Information zu § 613 a Abs.4 BGB. Ausweislich des Inhalts des Unterrichtungsschreibens hat die Beklagte die Klägerin nicht darauf hingewiesen, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebes oder eines Betriebsteils unwirksam ist. Ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucks. 14/7760, S.19) gehören zum Pflichtbestandteil der Unterrichtung gemäß § 613 a Abs.5 Nr.3 BGB auch die kündigungsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs. Dies entspricht auch der überwiegend in der Literatur geäußerten Ansicht ( vgl. Hauck, Der Widerspruch beim Betriebsübergang, NZA Sonderbeilage 1/2004, S.43 ff; Grau, a.a.O., m.w.N.). Auch das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 13.07.2006 darauf hingewiesen, dass zur Unterrichtung über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs grundsätzlich auch ein Hinweis auf die kündigungsrechtliche Information gehört, so denn Kündigungen im Raum stehen. Ob das Bundesarbeitsgericht insoweit eine Einschränkung der Hinweispflicht vornehmen will, kann vorliegend dahinstehen, denn die Unterrichtung ist bereits wegen der fehlenden Unterrichtung über die Haftung fehlerhaft.

Ob die Beklagte darüber hinaus dazu verpflichtet war, die Klägerin über ihren besonderen Kündigungsschutz und über die wirtschaftliche Situation der Erwerberin zu unterrichten oder die erfolgten Angaben dazu - mit oder ohne Berücksichtigung der außerhalb des Unterrichtungsschreibens erteilten Informationen - sogar falsch waren, kann vorliegend ebenfalls offen bleiben, da die Unterrichtung aus den bereits vorstehend dargelegten Gründen unvollständig und damit fehlerhaft war.

Der Einwand der Beklagten, das Arbeitsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass der Inhalt des Informationsschreibens in enger Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung verfasst worden sei, ist nicht nachvollziehbar, denn zum einen besteht der Unterrichtungsanspruch des einzelnen Arbeitnehmers als individueller Auskunftsanspruch unabhängig von Unterrichtungsrechten des Betriebsrates, zum anderen wird ein objektiv fehlerhaftes Unterrichtungsschreiben durch Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung nicht inhaltlich richtig.

2.

Der Widerspruch der Klägerin ist nicht verfristet. Aufgrund der fehlerhaften Unterrichtung ist die einmonatige Frist für die Ausübung des Widerspruchsrechtes nicht in Lauf gesetzt worden.

Wie bereits dargelegt, ist Folge einer fehlerhaften Unterrichtung nach ganz herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass die Widerspruchsfrist des § 613 a Abs.6 BGB nicht läuft. Es macht insoweit keinen Unterschied, ob und aus welchen Gründen der Arbeitnehmer überhaupt nicht, nicht ausreichend bzw. ganz oder in Teilen fehlerhaft informiert worden ist. Eine einschränkende Auslegung der Anforderungen für ein Auslösen der Widerspruchsfrist wird weder der Entstehungsgeschichte noch Wortlaut und Systematik von § 613 a Abs.5, 6 BGB gerecht. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich betont, dass die Erklärungsfrist für den Widerspruch erst nach vollständiger und ordnungsgemäßer Unterrichtung zu laufen beginnt. Wird - wie vorliegend - festgestellt, dass eine fehlerhafte Unterrichtung vorliegt, wird die Widerspruchsfrist somit nicht in Gang gesetzt.

Eine zeitliche Begrenzung des Widerspruchsrechts in Form einer absoluten Ausschlussfrist sieht das Gesetz nicht vor. Eine Analogie zu § 5 Abs.3 S.3 KSchG ist nach herrschender Meinung im Schrifttum unzulässig (vgl. ErfK./Preis, § 613 a BGB Rdnr.96; Staudinger/Annuß, § 613 a BGB, Rdnr.170; Franzen, RdA 2002, S.258; Grau RdA 2005, S.367; Rieble, NZA 2004, S.1).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist in den Fällen, in denen eine Unterrichtung nicht oder nicht hinreichend stattgefunden hat, § 5 Abs.3 S.2 KSchG nicht entsprechend anzuwenden. Die Berufungskammer folgt der in dieser Hinsicht in der Literatur geäußerten Mindermeinung nicht.

Eine Analogie in Form einer Gesetzes- oder Rechtsanalogie ist nur möglich, wenn eine planwidrige Regelungslücke und ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (vgl. BAG, Urteil vom 02.03.2006, 8 AZR 124/05 = BB 2006, 1339). Vorliegend fehlt es in Anbetracht der Entstehungsgeschichte der Neuregelung des § 613 a BGB bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Wie das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat, sind die Änderungsanträge der Fraktionen von CDU/CSU und FDP zur Verankerung einer absoluten Höchstfrist diskutiert und schließlich von der Ausschussmehrheit verworfen worden (vgl. BT-Drucks, 14/8128 S.4). Daraus muss der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, in § 613 a Abs.6 BGB eine zeitliche Ausschlussregelung zu verankern (vgl. dazu BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 382/05, n.v.). Die Behauptung der Beklagten, der Antrag der Fraktionen sei gar nicht diskutiert, sondern lediglich deshalb verworfen worden, weil er eben von der Opposition vorgeschlagen worden sei, ist eine Vermutung, die durch keinerlei Tatsachen zu belegen ist. Die Kammer verkennt nicht, dass das Fehlen einer absoluten Höchstfrist insbesondere für die Parteien der Betriebsübertragung risikobehaftet und unter dem Gesichtspunkt von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit problematisch ist. Die Rechtsprechung ist jedoch nicht dazu befugt, sich über die gesetzgeberische Entscheidung im Wege der Gesetzes- oder Rechtsanalogie hinwegzusetzen ( BAG, Urteil vom 02.03.2006, a.a.O.).

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der alte und der neue Betriebsinhaber einem derart unbeschränkten Widerspruchsrecht nicht "schutzlos" ausgeliefert sind. So können inhaltlich fehlerhafte oder unvollständige Angaben durch Ergänzung bzw. Ersetzung mit Wirkung für die Zukunft durch die Unterrichtungsschuldner ohne weiteres richtig gestellt werden mit der Folge, dass der Anspruch weiterer Arbeitnehmer aus § 613 a Abs.5 BGB erlischt, wenn die nach dem Gesetz notwendigen Angaben in der Zusammenschau zum ersten Mal vollständig vorliegen (vgl. Grau a.a.O., S. 221). Die Unterrichtungsschuldner haben es mithin in der Hand, die Folgen eines Unterrichtungsfehlers zeitlich zu begrenzen. Stellen sie sich - wie vorliegend die Beklagte - auf den Standpunkt, die Unterrichtung sei fehlerfrei erfolgt und holen auch nicht - zumindest vorsorglich - eine fehlerfreie Unterrichtung nach, so müssen sie unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens hinnehmen, dass weitere Arbeitnehmer zeitlich unbegrenzt dem Betriebsübergang widersprechen können.

Es ist mithin davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung von seinem Widerspruchsrecht grundsätzlich unbefristet Gebrauch machen kann. Danach war die Klägerin dazu berechtigt, noch mit Schreiben vom 04.07.2005 ihr Widerspruchsrecht auszuüben.

3.

Das Widerspruchsrecht der Klägerin ist auch nicht verwirkt.

Nach herrschender Meinung findet das Widerspruchsrecht seine Begrenzung in zeitlicher Hinsicht nur durch das allgemeine Rechtsinstitut der Verwirkung (vgl. Grau, a.a.O.,S. 295 mit einer Vielzahl weiterer Hinweise). Das Bundesarbeitsgericht hält auch nach der Neuregelung des § 613 a BGB daran fest, dass das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein kann (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 382/05, zitiert nach juris). Streitig ist dabei im Einzelnen, wie viel Zeit vergangen sein muss und welche Umstände gegeben sein müssen, damit von einer Verwirkung des Widerspruchsrechts ausgegangen werden kann.

Ein Anspruch verwirkt, wenn der Anspruchsberechtigte erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums den Anspruch erhebt (Zeitmoment) und dadurch beim Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, er werde nicht mehr in Anspruch genommen (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (BAG, Urteil vom 22.07.2004, 8 AZR 350/03). Dabei dient die Verwirkung dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat. Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 382/05, n.v., m.w.N.).

a)

Für die Erfüllung des Zeitmoments sind im Schrifttum zu § 613 a Abs.5, 6 BGB verschiedentlich Mindest- bzw. Höchstfristen genannt worden. Die in Betracht gezogenen Fristen schwanken zwischen 1 Monat und 1 Jahr. Eine Festlegung auf abstrakte Fristen ist nach Auffassung der Berufungskammer jedoch ausgeschlossen, weil sich die Tatsache, ab wann ein Untätigsein als vertrauensbildend und damit als für eine Verwirkung relevant gewertet werden kann, letztlich nur bei einzelfallbezogener Abwägung der Umstände ermitteln lässt. Der Verwirkungstatbestand ist als außerordentlicher Rechtsbehelf ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung. In der illoyal verspäteten Geltendmachung eines Rechts liegt ein Verstoß gegen Treu und Glauben (vgl. Palandt, § 242 BGB Anm. 87). Die Frage des Rechtsmissbrauchs lässt sich daher nur für den Einzelfall klären. Eine schematisierende Betrachtungsweise wird dem nicht gerecht (BAG, Urteil vom 20.05.1988, 2 AZR 711/87 = DB 1988, 2156).

Zur Bestimmung der Dauer des Zeitmoments ist daher nicht auf eine starre Höchst- oder Regelfrist abzustellen, sondern auf die konkreten Umstände des Einzelfalls (BAG, Urteil vom 27.01.2000, 8 AZR 106/99, zitiert nach juris). Auch das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr eine Höchstfrist, beispielsweise von sechs Monaten, abgelehnt (vgl. BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 382/05 a.a.O.). Dabei ist die Länge des Zeitmoments in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, ist, desto schneller kann ein Anspruch verwirken (so BAG, Urteil vom 13.07.2006, 8 AZR 382/05, a.a.O.).

Für die Beantwortung der Frage, ob das Zeitmoment erfüllt ist, ist zunächst zu klären, ab wann der Lauf des Zeitmoments überhaupt beginnt. Dabei ist als wesentliches Kriterium zu berücksichtigen, dass die Widerspruchsfrist nach § 613 a Abs.6 BGB nicht mehr - wie nach der früheren Rechtsprechung zu § 613 a BGB - an die Kenntnis des Arbeitnehmer vom Betriebsübergang anknüpft, sondern an die Unterrichtung nach Abs.5. Unter Berücksichtigung dieses sich daraus ergebenden Gesetzeszweckes, nämlich das Interesse des Arbeitnehmers an einer hinreichenden Informationsbasis für die Ausübung der Widerspruchsentscheidung und dem Ziel des Gesetzgebers, die ordnungsgemäße Unterrichtung des Arbeitnehmers durch ein ansonsten unbefristetes Widerspruchsrecht "abzusichern", kann nach Auffassung der Berufungskammer das Zeitmoment nicht - wie die Beklagte meint - ab dem Zeitpunkt der Unterrichtung, sondern frühestens ab dem Zeitpunkt beginnen, zu dem der Arbeitnehmer Kenntnis davon erlangt, dass die Unterrichtung fehlerhaft war (so auch Willemsen/Müller-Bonnani in Arbeitsrecht Kom., § 613 a BGB Rdnr. 340).

Diese Auffassung wird durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.05.2005, 8 AZR 398/04 (= NZA 2005, 1302) gestützt. In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, die unvollständige Unterrichtung nach § 613 a Abs.5 BGB hindere den Lauf der Widerspruchsfrist gemäß § 613 a Abs.6 S.1 BGB. Dadurch sei der Arbeitnehmer ausreichend geschützt, er sei nicht "im Zugzwang". Er könne abwarten und z.B. seinen Unterrichtungsanspruch nach § 613 a Abs.5 BGB verfolgen. Es bestehe kein Grund für ihn, das Widerspruchsrecht auf einer unzureichenden Tatsachenbasis auszuüben. Ist somit die Auffassung richtig, dass der Arbeitnehmer bei einer unvollständigen Unterrichtung - in Kenntnis des Betriebsübergangs - nicht "im Zugzwang" ist, sondern abwarten darf, kann der Lauf des Zeitmoments der Verwirkung - wenn überhaupt - frühestens ab Kenntnis des Arbeitnehmers von der Unvollständigkeit der Unterrichtung beginnen.

Der dieser Bewertung zugrunde liegende Rechtsgedanke ergibt sich auch aus § 124 BGB. Nach § 124 BGB beginnt die Jahresfrist für die Anfechtung im Falle der arglistigen Täuschung in dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt. Dieser Rechtsgedanke übertragen auf das Widerspruchsrecht bedeutet, dass das Zeitmoment für die Verwirkung in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Arbeitnehmer die Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung entdeckt. Die Übertragung des Rechtsgedankens des § 124 BGB auf den Beginn des Zeitmoments für die Verwirkung des Widerspruchsrechts wird nach Auffassung der Kammer sowohl der gesetzgeberischen Intention, den Arbeitgeber zu einer vollständigen und richtigen Unterrichtung anzuhalten, gerecht, als auch dem Grundsatz, dass jedes Recht der Verwirkung unterliegt. Schließlich führt die Auffassung, das Zeitmoment bereits ab dem Betriebsübergang beginnen zu lassen, entgegen dem gesetzgeberischen Willen, dem Arbeitnehmer bei fehlerhafter Unterrichtung ein unbefristetes Widerspruchsrecht zu gewähren, im Endeffekt dazu, durch das Zeitmoment der Verwirkung doch eine Höchstfrist für den Widerspruch einzuführen. Ein illoyales und damit rechtsmissbräuchliches Verhalten kann dem Widerspruchsberechtigten erst dann vorgeworfen werden, wenn er Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung hat und dennoch einen längeren Zeitraum zuwartet, bevor er sein Recht ausübt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht für einen Arbeitnehmer keine Pflicht, sich zeitnah nach Erhalt des Widerspruchschreibens durch Einholen von Rechtsrat darüber informieren zu lassen, ob das Informationsschreiben den rechtlichen Anforderungen genügt oder nicht, um sich die erforderliche Kenntnis zu verschaffen. Er darf sich zunächst darauf verlassen, dass die ihm erteilten Auskünfte richtig und vollständig sind. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen und fehlerfreien Unterrichtung liegt insofern in der Risikosphäre des Arbeitgebers. Dies ergibt sich - wie bereits ausgeführt - aus dem gesetzgeberischen Willen, die Widerspruchsfrist erst dann beginnen zu lassen, wenn die Unterrichtung fehlerfrei erfolgt ist und der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.07.2006 (8 AZR 303/05), wonach dem Unterrichtungspflichtigen eine angemessene und gewissenhafte Prüfung der Rechtslage aufzuerlegen ist.

Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen konnte die Klägerin frühestens aus der Stellung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die B. Photo GmbH einen Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die Unterrichtung über den Betriebsübergang möglicherweise fehlerhaft gewesen sein könnte. Die Klägerin hat bereits 1 1/2 Monate nach Stellung des Insolvenzantrages den Widerspruch erklärt. Ihr kann daher keine illoyal verspätete Geltendmachung ihres Anspruchs vorgeworfen werden.

Danach fehlt es vorliegend nach Auffassung der Berufungskammer trotz des Zeitablaufs von acht Monaten zwischen Betriebsübergang und Widerspruchserklärung für den Tatbestand der Verwirkung bereits an der Erfüllung des Zeitmoments.

b)

Selbst wenn dieser vorstehend dargelegten Auffassung nicht zu folgen wäre, fehlt es jedenfalls an dem Vorliegen des Umstandsmomentes.

Das Umstandsmoment muss so beschaffen sein, dass der bisherige und der neue Betriebsinhaber im Zusammenspiel mit dem Zeitmoment berechtigt darauf vertrauen dürfen, der Arbeitnehmer werde sich dem in § 613 a Abs. 1 S.1 BGB angeordneten Vertragspartnerwechsel nicht mehr durch einen Widerspruch widersetzen (vgl. Grau, a.a.O. S.302). Das Vorliegen des Zeitmomentes indiziert dabei nicht das sogenannte Umstandsmoment, sondern es bedarf darüber hinausgehender besonderer Umstände für die berechtigte Erwartung des Schuldners, dass er nicht mehr in Anspruch genommen wird. Dabei ist im Hinblick auf das Widerspruchsrecht ein besonders strenger Maßstab anzulegen, denn schließlich haben es der neue und der alte Arbeitgeber in der Hand, durch vollständige und ordnungsgemäße Unterrichtung die Widerspruchsfrist in Gang zu setzen. Informieren sie - ob bewusst oder unbewusst - fehlerhaft, müssen schon besondere Umstände vorliegen, damit ein Vertrauen dahingehend entstehen kann, der Arbeitnehmer werde trotz des Informationsdefizits dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht widersprechen (so auch LAG München, Urteil vom 30.06.2005, 2 Sa 1169/04 = LAGE § 613 a BGB 2002 Nr.7). Entscheidender Gesichtspunkt ist insoweit, dass die Verwirkung dem Vertrauensschutz dient.

Die tatsächliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem neuen Arbeitgeber reicht angesichts der im Falle der fehlerhaften Unterrichtung nicht laufenden Widerspruchsfrist nicht aus, um daraus auf eine Zustimmung des Arbeitnehmers zum Arbeitgeberwechsel zu schließen. Dies ergibt sich bereits als Konsequenz aus der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Überlegungsfrist, die in Fällen fehlerhafter Unterrichtung eben noch nicht läuft. Die Tatsache der Vertragsfortführung mit dem neuen Betriebsinhaber kann mithin grundsätzlich vor Ablauf der Widerspruchsfrist nicht als Zustimmung des Arbeitnehmers zum Arbeitgeberwechsel oder als stillschweigender Widerspruchsrechtsverzicht gewertet werden mit der Folge der Erfüllung des Umstandsmomentes der Verwirkung.

Danach reicht es für die Annahme des Umstandsmoments nicht aus, dass die Klägerin einer Abwicklung des Arbeitsverhältnisses durch die Erwerberin nicht widersprochen hat. Ein tatsächliche Weiterarbeit bei der Erwerberin ist zudem nicht erfolgt, da die Klägerin sich zunächst in Elternzeit befand und sodann "nahtlos" von der Erwerberin freigestellt worden ist.

Ein vertrauensbildender Umstand ist auch nicht darin zu sehen, dass die Klägerin in der Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitsamt die Erwerberin als Arbeitgeberin angegeben hat. Abgesehen davon, dass die schwierige rechtliche Bewertung, wer unter den gegebenen Umständen tatsächlich Arbeitgeber der Klägerin ist, nach Auffassung der Berufungskammer nicht auf diese verlagert werden kann, ist für die Kammer nicht ersichtlich, wieso aus diesem Umstand ein schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten der Beklagten entstehen konnte, denn der Beklagten war vor dem Widerspruch der Klägerin gar nicht bekannt, wen diese in der Bescheinigung als Arbeitgeber angegeben hatte. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, ihr sei die Kenntnis der Erwerberin zuzurechnen. Nach Auffassung der Berufungskammer kann sich auf den Tatbestand der Verwirkung nur derjenige berufen, der aufgrund bestimmter, vom Berechtigten gesetzter Umstände selbst das Vertrauen gebildet hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.

Zudem ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Beklagte bereits kurz nach Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die B. Photo GmbH betreffend von einer größeren Anzahl anderer Arbeitnehmer eine Widerspruchserklärung erhalten hat und von diesen gerichtlich auf das Bestehen von Arbeitsverhältnissen in Anspruch genommen worden ist mit der Begründung, dass das Unterrichtungsschreiben fehlerhaft sei. Sie musste deshalb damit rechnen, dass auch andere Arbeitnehmer aufgrund der gerügten und tatsächlich bestehenden Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung - insbesondere nach weiterer Aufklärung der Sach- und Rechtslage - von ihrem Widerspruchsrecht noch Gebrauch machen werden. Bei dieser Sachlage konnte die Beklagte gerade kein Vertrauen dahingehend bilden, die Klägerin werde trotz der Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung keinen Widerspruch erklären.

Von einem derartigen vertrauenszerstörenden Umstand geht wohl auch das Bundesarbeitsgericht aus, das in seiner Entscheidung vom 14.02.2007

(10 AZR 35/06 = NJW 2007, 2063), in dem die dortigen Parteien über die Verwirkung einer Qualifikationszulage stritten, im Rahmen der Verwirkung ausgeführt hat, gerade weil Kollegen der - dortigen - Klägerin gleich gelagerte Ansprüche geltend gemacht hatten, habe die Beklagte damit rechnen müssen, dass andere Arbeitnehmer dies zum Anlass nehmen würden, ihrerseits Ansprüche zu erheben. Wenn die - dortige - Beklagte wegen der Klageerhebung durch zwei Ärzte die Rechtslage mit der Klägerin hätte klären wollen, hätte sie von sich aus auf die Klägerin zugehen können.

Auch bezogen auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 17.01.2007 (7 AZR 23/06, zitiert nach juris, Rdnr. 33) darauf hingewiesen, dass selbst die jahrelange Untätigkeit des dortigen Klägers während eines gleichgelagerten Rechtstreits zwischen der dortigen Beklagten und anderen Arbeitnehmern wegen des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses für eine Annahme der Verwirkung nicht ausreicht. Die dortige Beklagte habe vielmehr damit rechnen müssen, dass - je nach Ausgang des Rechtsstreits - auch andere Arbeitnehmer wie der Kläger vergleichbare Ansprüche geltend machen würden.

Die Beklagte musste danach im Hinblick die Widersprüche anderer Arbeitnehmer und den gegen sie bereits geführten Klageverfahren damit rechnen, dass auch die Klägerin ihren Anspruch noch geltend machen wird.

Danach ist das Widerspruchsrecht der Klägerin nicht verwirkt.

Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin rechtzeitig und ordnungsgemäß widersprochen hat mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten fortbesteht.

4.

Anhaltspunkte für einen Verzicht der Klägerin auf ihr Widerspruchsrecht oder ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin liegen nicht vor.

III.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch den Zahlungsansprüchen der Klägerin stattgegeben und einen Verfall der Ansprüche für die Monate Dezember 2005 und Januar 2006 verneint.

1.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Entgeltansprüche sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach gemäß § 615 BGB zu.

Lohnansprüche aus Annahmeverzug setzen zunächst das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, da aufgrund der Rückwirkung des Widerspruchs der Klägerin auch über den Zeitpunkt des Betriebsübergangs hinaus ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat.

Für den Annahmeverzug gelten auch im Arbeitsverhältnis die Bestimmungen der §§ 293 ff BGB. Danach muss der Arbeitnehmer in der Regel die geschuldete Leistung tatsächlich anbieten. Nach § 295 BGB genügt ein wörtliches Angebot, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Arbeitgebers erforderlich ist.

Das von der Klägerin im Widerspruchsschreiben erklärte wörtliche Angebot der Arbeitsleistung war vorliegend ausreichend, um die Beklagtre in Annahmeverzug zu setzen, denn die Beklagte hatte bereits im Widerspruchsschreiben erklärt, nach dem Übergang des Geschäftsbereichs CI sei der bisherige Arbeitsplatz der Klägerin nicht mehr vorhanden und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestehe nicht mehr. Damit hat die Beklagte zu erkennen gegeben, dass sie nicht dazu in der Lage oder bereit ist, die Klägerin tatsächlich zu beschäftigen. Die Beklagte hat sich auch selbst nicht darauf berufen, die Klägerin hätte die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten müssen.

Die Ansprüche der Klägerin sind auch der Höhe nach gerechtfertigt. Der Einwand der Beklagte, nach ihrer Kenntnis müsse das zuletzt bezogene Gehalt der Klägerin leicht niedriger sein als angegeben, ist in jeder Hinsicht unsubstantiiert.

2.

Die Gehaltsansprüche der Klägerin für die Monate Dezember 2005 und Januar 2006 sind nicht verfallen. Die Berufungskammer folgt der Auffassung des Arbeitsgerichts, dass "besondere Umstände" im Sinne des § 17 Ziffer 2 letzter Satz MTV Chemie vorliegen, die es der Beklagten verwehren, sich auf einen Verfall der Forderungen zu berufen.

§ 17 Ziffer 2 MTV Chemie lautet:

"Die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung ausgeschlossen. Das gilt nicht, wenn die Berufung auf die Ausschlussfrist wegen des Vorliegens besonderer Umstände eine unzulässige Rechtsausübung ist."

Danach sind alle Ansprüche schriftlich innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend zu machen. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, da die Klageerweiterung die Monate Dezember 2005 und Januar 2006 betreffend der Beklagten erst im Termin vom 03.05.2006, mithin außerhalb der Ausschlussfrist, in Schriftform zugegangen ist.

Die Beklagte handelt nach Auffassung der Berufungskammer jedoch rechtsmissbräuchlich im Sinne der tarifvertraglichen Regelung, wenn sie sich unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falls auf die fehlende rechtzeitige Geltendmachung in Schriftform beruft.

Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten und Rechtspositionen immanente Schranke. Aus ihm ergibt sich das Verbot unzulässiger Rechtsausübung in seinen unterschiedlichsten Erscheinungsformen (vgl. Palandt, § 242 Rdnr. 38). Die gegen § 242 BGB verstoßende "Rechts"ausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist als Rechtsüberschreitung missbräuchlich und unzulässig. Beim Rechtsmissbrauch geht es typischerweise darum, dass die Ausübung eines individuellen Rechts als treuwidrig und unzulässig beanstandet wird. Welche Anforderungen sich aus Treu und Glauben ergeben, lässt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls entscheiden.

Nach Auffassung der Berufungskammer liegt in der Berufung der Beklagten auf die fehlende Schriftform die Ausnutzung einer formalen Rechtslage, die mit dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen nicht in Einklang zu bringen und daher rechtsmissbräuchlich ist.

Die Ausschlussfrist soll die Parteien des Arbeitsverhältnisses zur alsbaldigen Geltendmachung und Klärung ihrer Ansprüche veranlassen. Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit. Eine verspätete Anmeldung oft zweifelhafter oder rückwirkend schwer feststellbarer Ansprüche soll vermieden werden. Ausschlussfristen bezwecken, dass sich der Anspruchsgegner auf die aus Sicht des Anspruchstellers noch offenen Forderungen rechtzeitig einstellt, Beweise sichert oder vorsorglich Rücklagen bilden kann (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2003, 6 AZR 539/02, zitiert nach juris).

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen und der Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens war die Beklagte auch ohne die grundsätzlich vorgeschriebene Schriftform der Geltendmachung mit der erforderlichen Rechtssicherheit dazu in der Lage, sich auf die aus Sicht der Klägerin offenen Forderungen einzustellen.

Die Parteien haben über den Bestand des Arbeitsverhältnisses gestritten. Bereits in der Klageschrift hat die Klägerin die bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung rückständigen Gehälter eingeklagt und sich auf den Rechtsstandpunkt gestellt, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht, das die Beklagte zur weiteren Lohnzahlung verpflichtet. Die Zahlungsansprüche bestehen ausschließlich aus monatlichen Lohnforderungen in stets gleicher Höhe. Bereits danach war für die anwaltlich vertretene Beklagte unschwer zu erkennen, dass die Klägerin auch für die Zukunft - jeweils nach Fälligkeit - weitere Lohnforderungen geltend machen wird. Auch wenn dieser Umstand für sich genommen nicht ausreichen würde, um die tarifvertraglich vorgeschriebene Schriftform entbehrlich zu machen, ist sie jedoch in Verbindung mit den weiteren Umstände nicht erforderlich gewesen, um den Sinn und Zweck einer Ausschlussfrist zu erfüllen.

Ausweislich des Sitzungsprotokolls des Arbeitsgerichts vom 22.03.2006 hat das Gericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jedenfalls über die mit Schriftsatz vom 20.03.2006 erfolgte Klageerhöhung ohnehin nicht entschieden werden könne. Auf Seite 13 des Urteils hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Beklagte habe auf Grund der Erörterungen im Termin vom 22.03.2006 von der Klageerhöhung gewusst. Eine Berichtigung dieser Ausführungen des Arbeitsgerichts hat die Beklagte nicht beantragt. Damit muss davon ausgegangen werden, dass die Klageerweiterung vom 20.03.2006 Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. Soweit der Beklagtenvertreter im Termin vom 13.12.2006 vor der Berufungskammer auf Befragen erklärt hat, er könne nicht ausschließen, ob über den Inhalt des Schriftsatzes Erörterungen erfolgt sind, reicht dieser Vortrag angesichts des Protokollinhalts vom 22.03.2006 und den Ausführungen im arbeitsgerichtlichen Urteil nicht aus, um eine Kenntnis der Beklagten vom Inhalt der Klagerweiterung auszuschließen. Letztlich spricht auch die Lebenserfahrung dafür, dass ein Prozessbevollmächtigter, der seitens des Gerichts über eine Klageerweiterung informiert wird, nachfragt, um welche Forderungen es sich handelt. Die Berufungskammer geht danach davon aus, dass dem Prozessbevollmächtigten - und damit der Beklagten - im Termin vom 22.03.2006 bekannt war, dass die Klägerin auch die bis zu diesem Zeitpunkt fälligen Lohnforderungen geltend gemacht hat.

Unerheblich ist, dass der Beklagten nicht der genaue Inhalt der Klageerweiterung als Geltendmachung weiterer Ansprüche bekannt war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erfordert eine Geltendmachung keine Substantiierung, sondern nur eine Spezifizierung des Anspruchs, die der Gegenseite eine Prüfung der gegen sie erhobenen Forderung erlaubt (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2003, 6 AZR 539/02, zitiert nach juris m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Mitteilung, dass die Klageerweiterung bezüglich weiterer fälliger Lohnforderungen vorliegt in Verbindung mit den bereits eingeklagten Beträgen. Für die Beklagte war damit die Spezifierung des Anspruchs hinreichend erkennbar. Einer konkreten Angabe zur Höhe der Forderung bedurfte es nicht. Die Höhe des erhobenen Anspruchs war der Beklagten bereits aus der Klageschrift bekannt. Dass es insoweit auch aus Sicht der Beklagten keiner weiteren Darlegungen bedurfte, zeigt sich auch daran, dass die Beklagte selbst nach Zustellung des Schriftsatzes vom 03.05.2006, in dem zusätzlich zu den bisherigen weitere Lohnansprüche geltend gemacht wurden, bis zum Kammertermin vom 17.05.2005 keine Stellungnahme abgegeben hat.

Schließlich ist als wesentlicher Gesichtspunkt zu berücksichtigen, dass der Schriftsatz vom 20.03.2006 im Termin übergeben und damit die Ausschlussfrist eingehalten worden wäre, wenn der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht darum gebeten hätte, wegen der im Termin nicht vorliegenden Handakte den Schriftsatz nicht entgegen nehmen zu müssen. Letztlich hat damit die Beklagte den nicht rechtzeitigen Zugang der Klageerweiterung verhindert.

Unter Berücksichtigung vorstehend dargelegter Umstände versucht die Beklagte nunmehr, eine rein formale Rechtslage, an deren Entstehung sie nicht unwesentlich beteiligt war, in nicht mit Treu und Glauben zu vereinbarender Weise auszunutzen, so dass diese Rechtsausübung als Rechtsüberschreitung und damit als unzulässige Rechtsausübung im Sinne der tarifvertraglichen Regelung anzusehen ist mit der Folge, dass die Zahlungsansprüche der Klägerin nicht verfallen sind.

Die Berufung der Beklagten war danach zurückzuweisen.

III.

Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gemäß 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten aufzuerlegen.

IV.

Die Revision war gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG zuzulassen, da entscheidungserhebliche Rechtsfragen vorliegen, die grundsätzliche Bedeutung haben, für die Einheitlichkeit der Rechtsordnung von allgemeiner Bedeutung und höchstrichterlich noch nicht entschieden sind.

Ende der Entscheidung

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