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Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.02.2005
Aktenzeichen: 8 Sa 1756/04
Rechtsgebiete: KSchG, AÜG


Vorschriften:

KSchG § 2
AÜG § 3 Abs. 1 Nr. 3
AÜG § 9 Nr. 2
AÜG § 9 Nr. 10
Beabsichtigt der Arbeitgeber, nachdem er einem Arbeitgeberverband beigetreten ist, die Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers anzuwenden, damit der Arbeitnehmer nicht die im Betrieb des Entleihers für vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen kann, so kann er dies - gegen den Willen des Arbeitnehmers - nur per Änderungskündigung, die den von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernissen einer Änderungskündigung zur Entgeltsenkung unterliegt. Auch wenn fast alle Arbeitnehmer auf Verlangen des Arbeitgebers die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbart haben, kann sich der Arbeitgeber deshalb auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ebenso wenig berufen wie auf den "Wegfall der Geschäftsgrundlage".
LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 Sa 1756/04

Verkündet am 22. Februar 2005

In Sachen

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 22.02.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Pauly als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Dültgen und den ehrenamtlichen Richter Cornelißen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 02.06.2004 - 3 Ca 355/04 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 21.01.2004 unwirksam ist.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die am 10.05.1957 geborene, geschiedene Klägerin, die zwei erwachsene Kinder hat, war zunächst ab 17.04.2001 bei der H. gGmbH für die Zeit bis zum 31.12.2001 als Dozentin tätig. Für das Arbeitsverhältnis galten laut Arbeitsvertrag vom 12.04.2001 (Bl. 13 f d. A.) die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der evangelischen Kirche im Rheinland jeweils geltenden Fassung (BAT-KF).

Laut Arbeitsvertrag vom 27.08.2002 (Bl. 6 ff d. A.) wurde die Klägerin ab 01.09.2002 bei der Beklagten als Dozentin und Sozialbetreuerin eingestellt, und zwar zunächst befristet bis zum 31.08.2003. Hiernach sollte die Klägerin ein monatliches Bruttoentgelt von 2.660,-- € erhalten.

Mit Folgevertrag vom 29.07.2003 (Bl. 9 ff d. A.) wurde dieses Arbeitsverhältnis verlängert bis zum 31.08.2004. Das Arbeitsverhältnis sollte nach Ziff. 1 dieses Arbeitsvertrages enden, ohne dass es einer Kündigung bedurfte. Für die Kündigung ansonsten sollten die gesetzlichen Kündigungsfristen gelten. Die Gehaltsvereinbarung blieb mit 2.660,-- € brutto unverändert.

Die Beklagte betreibt mit der entsprechenden Erlaubnis gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung. Sie hat die Klägerin an ihre ursprüngliche Arbeitgeberin, die H. gGmbH , ausgeliehen, wo die Klägerin dieselbe Tätigkeit wie früher ausübt, jedoch zu einem geringeren Lohn von 2.660,-- € brutto bei der Beklagten, während sie bei der H. gGmbH 2.861,16 € brutto monatlich verdiente.

Aufgrund der zum 01.01.2004 in Kraft getretenen Änderungen des § 9 Ziff. 2 AÜG, wonach ein Tarifvertrag für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen kann, ist die Beklagte laut Mitgliedsurkunde (Bl. 94 d. A.) Mitglied im Interessenverband deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ e.V.) geworden. Deshalb hat sie der Klägerin wie allen anderen Arbeitnehmern eine Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 01.09.2002 (Bl. 111 f d. A.) vorgeschlagen. Hiernach sollten die verschiedenen Tarifverträge des iGZ e.V. ab 01.01.2004 Anwendung finden. Hiernach hätte sich eine monatliche Vergütung von 2.297,39 € brutto für die Klägerin ergeben. Als Besitzstandswahrung sollte ein Ausgleichsbetrag in Höhe der Differenz zu der bisherigen Vergütung bezahlt werden, mit der auch künftige Tariflohnerhöhungen abgegolten sein würden, solange der Tariflohn den außertariflichen Lohn einschließlich der Ausgleichzahlung nicht überschreitet.

Die Unterzeichnung einer solchen Änderungsvereinbarung lehnte die Klägerin mit vier weiteren Mitarbeitern ab.

Daraufhin sprach die Beklagte mit Schreiben vom 21.01.2004 gegenüber der Klägerin eine Änderungskündigung mit demselben Inhalt zum 28.02.2004 aus, die die Klägerin zwar unter Vorbehalt annahm, mit der am 23.01.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage jedoch geltend gemacht hat, sie sei sozialwidrig.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten: Der Wortlaut des Gesetzes bringe gerade nicht zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber mit Hilfe einer Änderungskündigung den Arbeitnehmer zu einer Unterwerfung unter einen solchen Tarifvertrag zwingen könne. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten hiernach die Inbezugnahme des Tarifvertrages vereinbaren, was eine Einigung voraussetze. Da sich seit der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses auch nichts geändert habe, fehle es an einem Kündigungsgrund. Die Änderungskündigung sei im Übrigen angesichts des befristet abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses auch völlig unbillig und unangemessen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Änderung ihrer Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 21.01.2004 unwirksam sei.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klägerin mit der Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten: Der Gesetzgeber habe unlängst erst in den §§ 3 Abs. 1 Nr. 3 und 9 Nr. 2 AÜG n. F. die gesetzlichen Grundlagen geschaffen. Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei gesetzeskonform. Sie sei auch von der Klägerin billigerweise hinzunehmen. Denn sie - die Beklagte - habe der Klägerin im Wege der Besitzstandswahrung den Erhalt der bisherigen Arbeitsbedingungen zugesagt.

Mit Urteil vom 02.06.2004 hat das Arbeitsgericht die Klägerin mit der Klage abgewiesen und hat dies unter anderen wie folgt begründet: Dringende betriebliche Gründe seien zum einen darin zu sehen, dass die Beklagte ein erhebliches Interesse daran habe, dass alle Arbeitsverhältnisse den Tarifverträgen unterlägen, an die die Beklagte aufgrund ihrer Tarifbindung gebunden sei. Zum anderen seien dringende betriebliche Erfordernisse in der gesetzlichen Regelung des § 9 Ziff. 2 AÜG zu sehen. Um den Grundsatz "equal paying", also gleiche Bezahlung des Leiharbeitnehmers wie der Arbeitnehmer des Entleiherbetriebes, zu entgehen, bleibe dem Verleiher nur die Möglichkeit, sich tariflich zu binden oder jedenfalls die Anwendung der tariflichen Regelung zu vereinbaren. Um ein vernünftiges Wirtschaften der Beklagten zu sichern, sei es somit erforderlich, die Arbeitsverträge der Gesetzesänderung anzupassen. Dieses Ziel verfolge die Beklagte mit ihrer Änderungskündigung in zulässiger Weise, denn ansonsten müsste sie die Klägerin entsprechend dem BAT-KF vergüten. Die Änderungskündigung sei auch deswegen sozial gerechtfertigt, weil die Beklagte aus Gründen der Besitzstandswahrung zu dem Tarifentgelt einen Ausgleichsbetrag in Höhe der Differenz zu der bisherigen Vergütung zahle.

Gegen dieses der Klägerin am 02.11.2004 zugestellte Urteil hat sie am 05.11.2004 Berufung eingelegt und hat diese am 03.01.2005 begründet.

Die Parteien wiederholen im Wesentlichen ihre erstinstanzlich vorgetragenen Rechtsauffassungen.

Die Klägerin bestreitet im Übrigen nach wie vor die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats.

Inzwischen haben sich die Parteien im Rechtsstreit 5 Ca 6531/03 Arbeitsgericht Wuppertal per Vergleich am 14.07.2004 (Bl. 104 ff d. A.) darauf geeinigt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung zum 31.08.2004 endet. Mit Erfüllung des Anspruchs auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 2.800,-- € brutto sollten alle wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bis einschließlich Februar 2004 ausgeglichen sein, so dass nur noch die wechselseitigen Ansprüche für die Zeit von März bis August 2004 streitig sind. Für diese Zeit errechnet die Klägerin eine Vergütungsdifferenz von monatlich 412,59 € brutto + 1 % ab 01.05.2004 im Vergleich zu der nach ihrer Meinung geschuldeten Vergütung nach BAT-KF.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 02.06.2004 - 3 Ca 355/04 - festzustellen, dass die Änderung ihrer Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 21.01.2004, zugegangen am 21.01.2004, unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Wegen der sonstigen Einzelheiten wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG), sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§§ 519 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, 520 Abs. 3 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG).

Die Berufung ist auch begründet.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Betriebsrat zur ordentlichen Änderungskündigung der Beklagten vom 21.01.2004 ordnungsgemäß angehört worden ist.

Auch unabhängig davon ist die zum 28.02.2004 ausgesprochene Änderungskündigung der Beklagten sozialwidrig.

Allerdings ist eine ordentliche Änderungskündigung hier nicht ausgeschlossen.

Denkbar wäre das, wenn man berücksichtigt, dass die Parteien hier ein bis zum 31.08.2004 befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart haben. Die Zulässigkeit einer ordentlichen Kündigung muss dann entweder ausdrücklich vereinbart sein oder ein dahingehender beiderseitiger Wille muss aus den Umständen eindeutig erkennbar sein (vgl. Schütz, HZA, Gruppe 1, Teilbereich 2, Rz. 519 m. w. N.). Selbst wenn man diese Rechtsprechung auch auf eine ordentliche Änderungskündigung übertragen könnte, was dahingestellt bleiben kann, so ist festzustellen, dass auch der Änderungsvertrag vom 29.07.2003, mit dem das Arbeitsverhältnis bis zum 31.08.2004 verlängert worden ist, unter Ziff. 1 neben der Befristung die Klarstellung enthält: "Für die Kündigung ansonsten gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen". Damit ist hier auch die Zulässigkeit einer ordentlichen Kündigung vor Fristablauf vereinbart.

Nach der ständigen Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts ist bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung zunächst das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Grund zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (so BAG, Urteil vom 27.03.2003 - 2 AZR 74/02 - AP Nr. 72 zu § 2 KSchG 1969).

Solche dringenden Erfordernisse für die Änderung der Arbeitsbedingungen hat die Beklagte nicht dazulegen vermocht.

Aufgrund des sogenannten Diskriminierungsverbots für Leiharbeitnehmer hat der Gesetzgeber die Vorschriften der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 und 10 AÜG durch Art. 6 des 1. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 geändert. Die Normen sehen nunmehr vor, dass die bei einem Verleiher beschäftigten Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen können, wobei durch Tarifvertrag hiervon abweichende Regelungen zugelassen sind und im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren können. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde ist vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29.12.2004 - 1 BvR 2582/03 - NZA 2005, 153 ff). Hiernach sind die Vorschriften verfassungsgemäß. Auf die Entscheidungsgründe im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sei verwiesen. Hinsichtlich der Entstehungsgeschichte der Gesetzesänderung sei auf die zusammenfassende Darstellung bei Sandmann/Marschall, AÜG, Art. 1 § 3 Rz. 21 a ff Bezug genommen.

Ausweislich der Mitgliedsurkunde (Bl. 94 d. A.) ist die Beklagte am 01.01.2004 Mitglied im Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ e.V.) geworden.

Voraussetzung für die Anwendung der im Tarifvertrag abweichend vom gesetzlichen Schlechterstellungsverbot geregelten Arbeitsbedingungen im Leiharbeitsverhältnis ist, dass der Tarifvertrag im Leiharbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher Rechtswirkungen entfaltet. Dies ist dann der Fall, wenn sowohl Verleiher als auch Leiharbeitnehmer kraft Mitgliedschaft im tariflichen Verband oder - auf Seiten des Verleihers - als Partei des Tarifvertrags tarifgebunden sind (vgl. Boemke/Lembke, Nachtrag zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Rz. 66 ff), was hier für die Leiharbeitnehmerin, die Klägerin, nicht zutrifft. Dies gilt ebenso, wenn die Parteien den Tarifvertrag einzelvertraglich in Bezug genommen haben. Das hat die Beklagte der Klägerin durch ihr Änderungsangebot zwar vorgeschlagen. Die Klägerin hat dies jedoch mit vier weiteren Arbeitnehmern abgelehnt.

Damit ist der Beklagten zwar zuzugeben, dass die einzige Möglichkeit, in Abweichung vom gesetzlichen Schlechterstellungsverbot die tarifvertraglichen Regelungen zur Anwendung zu bringen, im Ausspruch einer Änderungskündigung lag. Deshalb sind jedoch noch keine dringenden betrieblichen Erfordernisse gem. § 1 Abs. 2 KSchG gegeben, die das Änderungsangebot bedingen.

Die Beklagte sieht diese bereits aufgrund der Gesetzeslage gegeben. Dem hat sich das Arbeitsgericht angeschlossen, indem es festgestellt hat, um ein vernünftiges Wirtschaften der Beklagten zu sichern, sei es erforderlich, die Arbeitsbedingungen der zum 01.01.2004 in Kraft getretenen Gesetzesänderung anzupassen. Hierzu hat die Beklagte jedoch im Einzelnen auf ihre betriebliche Situation bezogen gar nichts vorgetragen. Auch in der letzten mündlichen Verhandlung zweiter Instanz, in der diese Fragen ausführlich erörtert worden sind, hat sich die Beklagte nur auf die in der Neufassung des AÜG vorgesehene Tariföffnungsklausel berufen. Ebenso ist in der Betriebsratsanhörung vom 12.01.2004 (Bl. 92 d. A.) nur davon die Rede, dass der Ausspruch einer Änderungskündigung gegenüber den fünf Arbeitnehmern, die die Änderungsvereinbarung nicht unterschrieben haben, "zur Durchsetzung der tarifvertraglichen Bestimmungen und Schaffung einheitlicher Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderung des AÜG" notwendig sei. Warum die Durchsetzung der tarifvertraglichen Bestimmungen notwendig ist, hat die Beklagte weder gegenüber dem Betriebsrat noch in diesem Rechtsstreit im Einzelnen begründet. Dies bedarf aber der Begründung, denn nachdem alle anderen Arbeitnehmer die Änderungsvereinbarung unterzeichnet haben, stellt sich erst recht die Frage, welche betrieblichen, insbesondere welche finanziellen Auswirkungen es gehabt hätte, wenn die Beklagte nur noch hinsichtlich dieser fünf Arbeitnehmer verpflichtet gewesen wäre, sie ebenso wie die im Betrieb des Entleihers beschäftigten Arbeitnehmer zu entlohnen. Diese Frage stellt sich erst recht im Falle der Klägerin, die befristet beschäftigt war und nur noch bis zum 31.08.2004 in dieser Form hätte vergütet werden müssen. Schließlich setzt auch die Änderungskündigung ebenso wie die Beendigungskündigung - eine individuelle Betrachtungsweise voraus (vgl. LAG Berlin, Urteil vom 21.08.1998 - 2 Sa 18/98 - LAGE § 2 KSchG Nr. 34).

Wie der Fall zeigt, bewirkt die von der Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung eine Entgeltkürzung. Nach dem Gesetz hat die Klägerin einen Anspruch darauf, ebenso vergütet zu werden wie die Arbeitnehmer, mit denen sie im Entleiherbetrieb zusammenarbeitet. Nach ihrer Berechnung würde dies bedeuten, dass sie in der Zeit vom 01.04. bis zum 31.08.2004 einen Anspruch auf eine monatliche Vergütung von 3.072,59 € brutto haben würde, während der Arbeitsvertrag nur eine Vergütung von 2.660,-- € brutto vorsieht und der Entgeltrahmentarifvertrag sogar nur eine Vergütung von 2.297,35 € brutto. Selbst wenn man die der Klägerin eingeräumte Besitzstandsregelung mitberücksichtigt, verbleibt eine Vergütungsdifferenz von monatlich 412,59 € brutto, da als Besitzstand nur der einzelvertraglich vereinbarte Betrag von 2.660,-- € brutto garantiert ist.

Das bloße Ziel der Senkung der Lohnkosten rechtfertigt jedoch eine Änderungskündigung nicht ohne weiteres. Da keine nur eingeschränkt überprüfbare unternehmerische Entscheidung vorliegt, so rechtfertigt auch der bloße Wille der Einführung eines neuen (einheitlichen) Entlohnungssystems keine Änderungskündigung. Primär sind eingegangene Verträge einzuhalten. Anderes kann nur gelten, wenn eine andauernde betriebliche Zwangslage festzustellen ist, die durch Ausspruch einer Änderungskündigung als milderes Mittel vor einer an sich möglichen Beendigungskündigung beseitigt werden könnte, wenn die Änderung der Vergütung verhältnismäßig ist. Die Notwendigkeit der Kostensenkung selbst ist damit allenfalls Folge einer anderweitigen, erst festzustellenden betrieblichen Notwendigkeit, die ihrerseits nur dann eine betriebsbedingte Änderungskündigung rechtfertigt, wenn diese auf einem inner- oder außerbetrieblichen Grund beruht. Sie ist erst dann sozial gerechtfertigt, wenn eine Existenzgefährdung des Betriebes einträte, würde keine Änderung der finanziellen Arbeitsbedingungen erfolgen oder, wenn ansonsten Beendigungskündigungen ausgesprochen werden müssten (so Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, § 2 KSchG Rz. 258 f m. w. N.).

Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen, hat die Beklagte auch nicht ansatzweise vorgetragen.

Auch das weitere Ziel der Beklagten, hiermit einheitliche Arbeitsbedingungen zu schaffen, ist nicht geeignet, die Änderungskündigung zu begründen.

Nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist es dem Arbeitgeber verwehrt, in seinem Betrieb einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen des Arbeitsverhältnisses auszunehmen und schlechter zu stellen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber weiter, bei freiwilligen Leistungen die Leistungsvoraussetzungen so abzugrenzen, dass kein Arbeitnehmer seines Betriebes hiervon aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen bleibt. Will der Arbeitgeber mittels Änderungskündigung die Besserstellung einer Arbeitnehmergruppe oder einzelner Arbeitnehmer bei bestimmten betrieblichen Sozialleistungen beseitigen, so kann er sich nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz zur sozialen Rechtfertigung berufen. Eine anderweitige kündigungsrechtliche Betrachtung würde die Funktion des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Sinne eines in erster Linie zugunsten der ausgeschlossenen Arbeitnehmer wirkenden Gestaltungs- und Ordnungsprinzips in sein Gegenteil verkehren. Zur sozialen Rechtfertigung einer auf den Fortfall von betrieblichen Sozialleistungen gerichteten Änderungskündigung bedarf es des Vorliegens von (inner- oder außerbetrieblichen) Umständen, die so beschaffen sein müssen, dass sie als dringende betriebliche Erfordernisse angesehen werden können. Als derartige Gründe kommen zum Beispiel die folgenden Umstände in Betracht: Auftragsrückgang, Umsatzminderung, Gewinnverfall, Auslaufen einer Drittmittelfinanzierung, Betriebseinschränkungen infolge schlechter wirtschaftlicher Lage sowie wesentliche Störungen des Betriebsfriedens wegen einer Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern. Eine Änderungskündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die genannten Gründe unter vernünftiger Abwägung des Interesses des Arbeitgebers an der erstrebten Änderung gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung seiner gegenwärtigen Arbeitsbedingungen es als billigenswert und angemessen erscheinen lassen, um dieser Änderung willen das Mittel einer Kündigung zu gebrauchen und damit das Arbeitsverhältnis zu gefährden und unter Umständen zu beenden (so BAG, Urteil vom 28.04.1982 - 7 AZR 1139/79 - AP Nr. 3 zu § 2 KSchG 1969 m. w. N.).

Hinsichtlich der hier durch die Änderungskündigung beabsichtigten Lohnsenkung kann nichts anderes gelten.

Es gilt der Vorrang der Vertragsfreiheit gegenüber dem Grundsatz der Gleichbehandlung. Dies gilt auch dann, wenn mit einer überwältigenden Mehrheit der Arbeitnehmer die Anwendbarkeit eines Tarifvertrages im Gegensatz zum hier zu behandelnden Arbeitsverhältnis vereinbart worden ist (so LAG Rheinland- Pfalz, Urteil vom 14.12.2000 - 6 Sa 973/00 - RzK I 7 b Nr. 90; LAG Berlin, Urteil vom 21.08.1998 - 2 Sa 18/98 - LAGE § 2 KSchG Nr. 34). Der Gleichbehandlungsgrundsatz wirkt nur zugunsten von ausgeschlossenen Arbeitnehmern, nicht aber zur Einschränkung von Rechten von Arbeitnehmern (vgl. Wallner, Die Änderungskündigung, Rz. 481 m. w. N.; BAG, Beschluss vom 20.01.2000 - 2 ABR 40/99 - AP Nr. 40 zu § 103 BetrVG 1972).

Auch auf die Änderung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage kann sich die Beklagte zur Begründung ihrer Änderungskündigung nicht berufen.

Auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage kann sich die Beklagte schon deshalb nicht wirksam berufen, weil das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage keinen selbständigen Änderungsgrund darstellt. Das Kündigungsrecht ist lex specialis. Soweit überhaupt der Wegfall der Geschäftsgrundlage die Änderung der Arbeitsbedingungen notwendig macht, hat der Arbeitgeber eine Änderungskündigung auszusprechen (so BAG, Urteil vom 16.05.2002 - 2 AZR 292/01 - EzA § 2 KSchG Nr. 46 m. w. N.).

Damit gelten die oben im Einzelnen aufgeführten Grundsätze. Selbst wenn hier ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nach der gesetzlichen Definition des § 313 Abs. 1 BGB gegeben wäre, weil die Abweichung so gewichtig ist, dass sie nach Treu und Glauben Berücksichtigung verdient, so muss dem Arbeitgeber die Erfüllung der Vereinbarung unzumutbar geworden sein. Hierfür ist, wie gesehen, nichts vorgetragen.

Nach allem war auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgericht Wuppertal aufzuheben und war der Klage stattzugeben.

Gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache war die Revision gem. § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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